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Re«enbürg, Montag dm 21 . Juli MS.
L ^ 166 .
Deutschland.
Stuttgart, 19. Juli. Die kürzlich veröffentlichte Notiz zur Frage der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher bedarf einer gewissen Korrektur. Richtig ist, daß alle Parteien, auch die Sozialdemokraten, gegen Einzelheiten des Regierungsent- Mrfs Bedenken erhoben haben, aber wenigstens die Sozialdemokratie hat dem Entwurf in seiner Gesamtheit zugestimmt.
Stuttgart, 19. Juli. Die Tarifverhandlungen für die Angestellten der gesamten württembergischen Industrie hÄen gestern abend 9 Uhr ihren Abschluß gefunden.
Berlin, 19. Juli. Wie aus Paris gemeldet wird, wurde im Hinblick darauf, daß die Ratifikation des Friedensvertrages für die drei Großmächte die Erlaubnis zur Ernennung eines deutschen Botschafters in Paris nach sich ziehen wird, Herr von Lersner zum Geschäftsträger der deutschen Republik in Frankreich ernannt.
Berlin, 18. Juli. Entgegen der in der französischen Presse vertretenen Ansicht, daß die deutschen Kriegsgefangenen nur in Austausch gegen freie deutsche Arbeiter freigegeben werden sollten, steht, wie wir an zuständiger Stelle erfahren, die französische Regierung nicht auf diesem Standpunkt. 'In den Verhandlungen in Versailles wurde von der französischen Regierung zugesagt, daß die deutschen Kriegsgefangenen bedingungslos freigegeben werden sollen.
Berlin, 19. Juli. Auf dem deutsch-demokratischen Parteitag erstattete Abg. Nuschke den Geschäftsbericht und Mg. Petersen den Tätigkeitsbericht der Fraktion in der Nationalversammlung. — Das Reichsernährungsministerium hat sich mit der Zwangsbewirtschaftung der Eier einverstanden erklärt. — Die deutsch bleibenden Kreise der Provinzen ÄrA-rrußen und Posen sollen au die schon bestehenden Verwaltungseinheiten angeschloffen werden. — An der deutsch- polnischen Front ist noch immer keine Ruhe. Ständig unternehmen die Polen unter Duldung ihrer Regierung Vorstöße.
Württernbergifcher Landtag.
Stuttgart, 19. Juli. Zu dem Etat des Ernäh- Mgsministers, der heute zur Beratung stand, lagen außer den bereits bekannten Ausschußanträgen verschiedene Anträge aus der Mitte des Hauses vor; vom Zentrum über unentgeltliche Abgabe von Waldstreu und über die Zuweisung des erforderlichen Getreides und Saatgutes an die vom letzten Hagelschaden schwer betroffenen Gemeinden in den Oberämtern Riedlingen und Eningen; vom Bauernbund Anträge über Festsetzung landwirtschaftl. Höchstpreise, über Aufhebung der Zwangswirtschaft nach der Ernte uns der Beschlagnahme der landwirtschaftl. Erzeugnisse, über Aufhebung jedes behördlichen Zwangs bei der diesjährigen Weinpreisbildung. Nach einem Antrag des Sozialdemokraten Gehring soll dem Preiswucher bei Obstverkäufen entgegengetreten und die bereits abgeschlossenen Kaufverträge für ungültig erklärt werden. Wollte der Redner der Sozialdemokratie die Zwangswirtschaft der landwirtschaftlichen Erzeugnisse vorerst beibehalten wissen, so wandten sich die Redner des Zentrums, deS Bauernbundes und der Demokratie gegen eine solche Zwangswirtschaft und sprachen sich mindestens sür eine Erlösung von diesem Zwange aus. Wie tief die Fnedensbedingungen auch in unsere einheimische Landwirtschaft einschneiden, ersehen wir aus den Berechnungen, die der Abg. Ströbel (B. P) heute angeführt hat; Württemberg muß darnach an unsere Feinde 10000 Milchkühe, 50 Hengste und 2—3000 Stuten abliefern. Im übrigen kehrten all die vielen Wünsche an die Regierung wieder, die schon oft im Halbmondsaal bei den Ernährungsdebatten gehört wurden. Minister Baumann äußerte sich zu den gestellten Anträgen im allgemeinen in mstimmendem Sinn, llnter der Zwangswirtschaft, die erst aufgehoben werden könne, wenn wir genügend Lebensmittel auf dem Markte haben, leiden nicht nur die Landwirte selbst, sondern in gleichem Maß auch die Verbraucher. Der Roggen soll zu 82 Proz., der Weizen zu 80 Pr»z. ausgemahlen werden, «ine gänzliche Aushebung der Mühlenkontrolle konnte der Minister nicht in Aussicht stellen. Es ging bereits auf 2 Uhr, als der Präsident mitteilte, daß noch 8 Redner auf der Liste ständen, während im Haus selbst nur etwa 45—50 Abgeordnete anwesend waren. Trotz aller eindringlichen Mahnungen des Präsidenten ließen sich die folgenden Redner m ihrem Wortgeplätscher nicht stören. Außer dem Zentrumsabgeordneten Stieg ele, der sich für die durch den letzten Hagelschlag so schwer geschädigten Landwirte in Oberschwaben emsi-tzte, und dem Bauernbundsabg. Haag, der dem Ernährungsminister praktische Winke für die Weinpreisrege- l?ng an die Hand gab, brachten die Redner keine neuen Gesichtspunkte mehr vor. Der Etat des Ernährungsministeriums wurde genehmigt. Die Abstimmung über die Anträge aber mußte «egen des schwach besetzten Hauses aus die
nächste Sitzung, die am Dienstag stattfindet und auf deren Tagesordnung der Kultetat steht, verschoben werden.
Württemberg «uv die landwirtschaftliche« Friedensbedingnnge«.
Stuttgart, 19. Juli. Auf Grund der Friedensbedingungen muß Württemberg etwa 10000 Milchkühe, 50 Hengste und 2—3000 Stuten und ältere Fohlen abliefern. Das ist für die württ. Landwirtschaft, wie Abg. Stroebel im Landtag mit Recht hervorhob, ein sehr schwerer Schlag. Seine Tragweite läßt sich abschätzen, wenn man bedenkt, daß die 10000 Milchkühe — es handelt sich natürlich nur um erstklassige Tiere — etwa 50000 Liter Milch im Tag liefern, das ist genau so viel, als gegenwärtig täglich nach Stuttgart eingeliefert wird.
Deutsche Nationalversammlung.
Weimar, 18. Juli. Die Beratungen über das Schulkompromiß werden weitergeführt.
Abg. Luppe (Dem.): Das Kompromiß ist juristisch unklar. Der Schulkampf wird weiter gehen. Es ist ein Grundfehler des Kompromisses, daß es die konfessionelle Versöhnung nicht herbeiführt, sondern vom ersten Tag an die Konfessionen scheidet.
Abg. Frau Bloß (Soz.): Die weltliche Schule, um die wir seit Jahrzehnten kämpfen, ist infolge des Schulkompromisses möglich geworden. Nützlich ist die Mitwirkung der Erziehungsberechtigten. Darin liegt gerade der Fortschritt der Toleranz.
Mg. Rheinländer: (Ztr.): Die neue Schule wird die Freude an der Arbeit wecken und pflegen. Die Kirche erhält wieder den Einfluß, der ihr von Rechts wegen gebührt, soweit er sich mit dem neuen Geist verträgt.
Abg. Katzen st ein (Soz.): Wenn den Demokraten dieses und jenes am Kompromiß nicht gefällt, so haben sie doch kein Recht zu Vorwürfen gegen uns. Die Demokraten haben sich in den schwersten Stunden unseres Volkes der politischen Verantwortung entzogen. Sie haben uns alle Konsequenzen aus der traurigen Lage des Vaterlandes aufgeladen. Das ist zwar für die Demokraten bequem, sollte sie aber von Vorwürfen gegen uns zurückhalten. Aber ich stehe nicht an zu erklären: Selbst wenn wir die absolute Mehrheit in diesem Hause hätten, könnten wir der Gesinnung andersdenkender Teile des Volkes Rechnung tragen. Wir wollen keinen Kulturkampf schon mit Rücksicht auf die Vereinheitlichung der gesamten Arbeiterbewegung, um sie stark zu machen im Kampfe für einen höheren sozialen Organismus.
Abg. Haase (U. S.): Die Herren Mehrheitssozialisten geben von dem Erfurter Programm ein Stück nach dem andern preis. Das Kompromiß bedeutet eine glatte Unterwerfung unter das Zentrum. Was sie hier treiben, ist nichts weiter, als den Geist der Finsternis wieder aufleben zu lassen. «
Abg. Weiß (Dem.): Sie (zu den Soziawemokraten) haben das Kompromiß wieder fallen lassen, das im Ausschuß unter Mitwirkung sämtlicher Parteien zustande gekommen war, weil eine andere Parteigruppierung eingetreten war und das Zentrum die Situation ausnützte, um noch mehr Zugeständnisse für sich herauszuholen. Bei der Stellung, die wir zur Friedensfrage einnehmen, konnten wir nicht in der Regierung bleiben. Das wäre eine innere Unwahrheit und eine politische Charakterlosigkeit gewesen.
Damit schließt die Besprechung. In der Abstimmung wird zunächst der Antrag Heinze, in der Ueberschrift des Abschnittes statt „Bildung und Schule" zu sagen „Bildungsund Erziehungswesen" abgelehnt.
Die Art. 139 „Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre", Art. 140 Höhere Bildungsanstalt", Art. 141 „Staatsaufsicht" und Art. 142 „Allgemeine Schulpflicht" werden in der Ausschußfassung angenommen mit dem Antrag Katzenstein auf Hinzufügung zu 142, daß nicht nur in der Volksschule, sondern auch in der Fortbildungsschule Unterricht und Lehrmittel unentgeltlich sind. Die Artikel 143—146 werden in der Fassung des Kompromisses nach dem Antrag Löbe- Gröber gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien, der Demokraten und Unabhängigen angenommen.
Nachdem schließlich Art. 147, der den Denkmalschutz betrifft, angenommen ist, wird die Weiterberatung vertagt.
Nach einer längeren Geschäftsordnungsdebatte einigt sich das Haus auf die Erledigung des Verfassungsentwurfes am Montag und Dienstag. Die große politische Aussprache beginnt am Mittwoch mit den Reden der Minister. Sitzung Samstag 9^/» Uhr. Tagesordnung: Kleine Vorlagen.
Zur Gozialifiernng der Elektrizitätswirtschast.
Weimar, 19. Juli. Wie man hört, wird der Nationalversammlung voraussichtlich in de» nächsten Tagen ein Gesetzentwurf über die Sozialisierung der Elektrizitäts-
77 . Jahrgang.
Wirtschaft zugehen. Die Kohlenlieferunqen, zu denen das Reich durch den Friedensvertrag verpflichtet ist, zwingen dazu, die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der heimischen Energiequellen sicherzustellen und auf diesem wichtigen Gebiete die Führung zu übernehmen. Es ist beabsichtigt, den Bau von elektrischen Hochspannungsleitungen sofort in Angriff zu nehmen, um bei der Energieerzeugung dem Reiche die maßgebende Führerrolle zu sichern. Wohl soll die privatkapitalistische Beteiligung an großen Elektrizitätswerken in Reichseigentum überführt werden, es ist aber nicht daran gedacht, die private elektrische Industrie in den Reichsbesitz überzusühren. Ferner ist beabsichtigt, an den Ausbau der deutschen Wasserkräfte durch das Reich heranzutreten. Den Freistaaten soll die freie Verfügung über die Wasserkräfte ihres Landes sowie über ihre Elektrizitätswerke und über ihre in staatlichen Werken erzeugte elektrische Energie verbleiben.
Wo beginnt die Vermögensabgabe beim „Reichsnotopfer?"
Ueber die Vermögensabgabe bestehen noch viele Zweifel, die insbesondere durch die anfängliche Meldung des Büros Herold erzeugt wurden, daß die Vermögen bis zu 25000 Mark abgabefrei seien, eine Meldung, die dann im amtlichen Auszug nicht bestätigt worden ist. Zur Behebung dieser Zweifel wird nun festgestellt, daß die Grenze, bis zu der das „Schonrevier" ausgedehnt werden soll, noch nicht festliegt, ebensowenig die Steuerskala. Es ist z. B. nicht richtig, wenn man annimmt, daß bei einem Vermögen von etwa 20000 Mk. 10 Prozent, also 2000 Mk. erhoben würden, bei einem Vermögen von 19900 Mk. aber nichts. Eine völlige Ausschaltung der kleinen Vermögen geht wegen der Menge dieser Vermögen kaum an. Es wird aber da zweifellos eine Abstufung erfolgen, die den sozialen Bedürfnissen der kleinen Vermögensinhaber gerecht wird. Es wird berücksichtigt werden müssen, das Alter, die Kinderzahl und außerdem auch die Frage, ob neben dem kleinen Vermögen noch Arbeitseinkommen vorhanden ist.
Zum Laudarbeiterstreik.
Berlin, 19. Juli. Zum Landarbeiterstreik schreibt der „Lokalanzeiger", daß die Landarbeiter neben hohen Barlöhnen auch Getreidelieferung und Kartoffeln in solchen Mengen verlangen, die die den Selbstversorgern zustehenden Rationen weit übersteigen. Das Reichsarbeitsministerium verlangt von den Arbeitgebern, daß sie diese Forderungen bewilligen, sich also damit über die Vorschriften der Reichsgetreide- und Kartoffelordnung hinwegsetzen.
Die Landarbeiter aber schieben diese ihren eigenen Bedarf übersteigenden Lieferungen zum großen Teil an den Schleichhandel ab. Die Reichsgetreidestelle wiederum besteht bei denselben Bauern und Gutsbesitzern, die sie hier zur Uebertretung ihrer eigenen Vorschriften nötigt, auf strengster Erfüllung der Ablieferungspflicht.
Berlin, 19. Juli. Der Erntearbeiterstreik im Reiche ist seit gestern im langsamen Abflauen begriffen. In der Provinz Pommern ist die Zahl der Streikenden bis auf 60 Prozent zurückgegangen.
15V vvv deutsche Zivilarbeiter «ach Nord» frankreich.
Berlin, 19. Juli. Zur Entsendung deutscher Zivilarbeiter nach Nordfrankreich wird in der „Deutschen Allg. Ztg." ausgeführt, daß seitens der deutschen Regierung, die stets betont habe, daß sie diese schon 1918 übernommene Verpflichtung loyal ausführen werde, an der Hand der von den Alliierten angegebenen Richtlinien sofort die nötigen Vorarbeiten in umfassender Weise in die Wege geleitet worden sind, um die Entsendung deutscher freier Arbeiter möglichst zu beschleunigen. Im engsten Einvernehmen mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden wird ein Vorschlag ausgearbeitet, der den deutschen Arbeitern, die zur Erfüllung dieser nationalen Pflicht nach Nordfrankreich gehen wollen, angemesse Unterbringung, günstige Arbeitsbedingungen, und genügend Schutz ihrer persönlichen Sicherheit gewährleistet. Die deutsche Regierung hoffe, daß es gelingen werde, genügend Arbeiter hierfür zu finden. Es dürften etwa 150000 Mann in Frage kommen.
Ausland.
Rotterdam, 19. Juli. Die „Daily Mail" schreibt, daß England und Frankreich ihre Armeen auf ein Drittel der Kriegsstärke herabsetzen werden. Eine Beseitigung der stehenden Heere sei für beide Länder zur Zeit unmöglich. Die englische Friedensstärke würde das Achtfache derHeereS- stärke von 1914 betragen.
Rotterdam, 19. Juli. Wie aus Paris gedrahtet wird, ist man über die Verteilung Deutsch-Ostasrikas einig ge«orden. Belgien tritt an England einen bedeutenden