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Reuenbürg, Freitag de» 27. Juni 1919

77. Jahrgang.

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Deutschland.

Stuttgart, 27. Juni. Da die Ausschreitungen der Mchen Kriegsgefangenen in Ulm, über die schon verschie­dentlich Klage geführt worden ist, in erhöhtem Maße zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausarten, wird in, Ministerium des Innern ein Sondergesetz ausgearbeitet, das empfindliche Strafen für Gesetzesüberschreitungen seitens der Kriegsgefangenen und ein strenges Alkoholverbot vor- M, das dem Landtag in der nächsten Woche vorgelegt vnd.

Berlin, 26. Juni. Der Staatshaushaltsausschuß der preußischen Landesversammlung trat am Samstag zur Be­ratung über den Eisenbahnetat zusammen. Die Ausführun­gen der Minister entrollten ein trübes Bild des Verkehrs­wesens. Voraussichtlich erreicht der Fehlbetrag im laufen­den Jahre 4300 Millionen Mark.

Oppeln, 24. Juni. Durch dieGazeta Robotnicza" wird mitgeteilt, daß die Besetzung Oberschlesiens durch pol­nische Truppen, namentlich durch die Hallersche Armee, so­fort nach Vollziehung der Unterschrift des Friedensvertrages vorgenommen werden wird. Wie hierzu von amtl. Stelle mtgeteilt wird, werden die Hallerschen Truppen einen bluti­gen Empfang haben.

Berlin, 26. Juni. Ein Entwurf übex die Entschä­digung bei Spartakus-Unruhen ist dem Staatenausschuß zu­gegangen und wird demnächst der Nationalversammlung vor­gelegt werden. Nach dem Entwurf werden Reich, Staat und Gemeinde gemeinsam die Schäden tragen.

Weimar, 24. Juni. Ein charakteristischer Vorfall ist es, daß gestern nacht eine Anzahl von Soldaten in der Um­gebung von Weimar vor dem Schloß erschienen, um den Minister Erzberger auszuheben, dem sie die Schuld an der Unterzeichnung des Friedensvertrages gaben. Viele Stun­den harrten die Leute vor dem Regierungsgebäude aus, um Erzberger abzufaffen, indes vergebens. Erzberger fuhr in mein Automobil nach Berlin.

Berlin, 27. Juni. Der bekannte frühere Mitarbeiter des Generalfeldmarschalls von Hindenburg, General Hoff- wann, hat dieVossische Zeitung" zur Mitteilung ermäch­tigt, daß er im Osten auch gegen den Befehl der Regierung leinen Fußbreit deutschen Bodens preisgeben, sondern die Grenzen mit bewaffneter Macht verteidigen wird. Er wei­ch sich, den Friedensvertrag anzuerkennen, der einen Teil mischen Landes preisgibt.

Znm Rücktritt des Geueralfeldmarschalls vor» HirrdenLrrrg.

schreibt dieDeutsche Allgem. Ztg.": Hindenburg gibt bei feinem Scheiden ein erhabenes Vorbild. Eindringlich hält «dem Heere vor, daß alle persönlichen Anschauungen des Einzelnen in diesem schwersten Augenblick der deutschen Ge­schichte zurückzustehen haben. Hinter der Pflicht, die innere Festigung unserer Wehrmacht zu erhalten. Groß im Siege, Moß uns bewußt im Scheiden: So wird das Bild unseres Feldmarschalls von Hindenburg für immer feststehen im deutschen Volke.

DieVossische Ztg." sagt: Wenn es noch etwas geben lwn, das uns die Gestalt des Feldmarschalls von Hinden- s>«g, des getreuen Ekkehard des deutschen Volkes, wie sd» der preußische Kriegsminister unter der einhelligen Zu- Minung der Landesversammlung genannt hat, noch ehr­würdiger machen kann als zuvor, so ist es die Erklärung, mit der er jetzt sein Werk beschließt. Das würdige Ab­schiedswort bildet den Schlußstein zu dem Denkmal, das sich der große Kriegsherr selbst gesetzt hat. Wir wissen, was wir an ihm besaßen und unverlierbar besitzen werden: «n Vorbild sittlicher Größe, das uns aus dunklen Tagen hmausleuchtet in eine bessere Zukunft."

DieDeutsche Tagcsztg." sagt:Eine Heldenlauf­bahn unvergleichlich in ihrem glänzenden Aufstieg, wie in ihrer letzten Tragik, hat nunmehr ihren Abschluß gefunden. Aur mit tiefster Wehmut können wir heute selbst der Siege Hmdenburgs gedenken, die die glanzvolle Reihe brandenbur- Mer, preußischer, deutscher Siegestage von Fehrbellin bis «edan noch zu übertreffen schien."

Wie Hindenburg in den drei großen Vernichtungsschlach- «n Ostpreußen vom Feinde befreite, wie er, nachdem ihm endlich der Oberbefehl über die gesamte deutsche Streitmacht übertragen war, mit wuchtigen Schlägen das rumänische Heer zertrümmerte, wie unter seiner Führung der deutsche Knegsadler von der Somme bis zum Kaukasus, von Finn­land bis Syrien seine Fänge spannte, wie er noch in den furchtbaren Abwehrschlachten und Rückzugskämpfen der letz­ten Kriegsm,nate das deutsche Heer unbesiegt erhalten rar alles steht heute vor unseren Lugen und sichert Hinden- uwcg inen Ehrenplatz unter den größten Feldherren der

Zwei neue Steurrgrfetzt.

Weimar, 25. Juni. Der Nationalversammlung sind soeben zwei neue Reichssteuergesetze zugegangeu. Sie tragen noch die Unterschrift des früheren Reichsministers Dr. Dern- burg. Der eine Gesetzentwurf sieht eine außerordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1919 vor. Die Be­stimmungen dieses Gesetzentwurfes unterscheiden sich nur in wenigen Punkten von denen des Kriegsabgabengesetzes von 1918.

Die Abgabe für 1919 soll von den Mehreinkommen der Einzelpersonen erhoben werden. Zugleich, nachdem der Krieg tatsächlich sein Ende gefunden hat, soll die Kriegs­gewinnbesteuerung der Gesellschaften zum Abschluß gebracht werden. Dagegen wird davon abgesehen, die nochmalige Erhebung einer Vermögensabgabe in dem Umfange, wie ihn das Kriegssteuergesetz von 1918 brachte, vorzuschreiben, da die Heranziehung des alten Besitzes zu den Lasten des Krieges besonderer gesetzlicher Regelung Vorbehalten sein wird. Das heißt mit anderen Worten: Die Vermögen werden erst später noch auf andere Weise gefaßt werden.

Bemerkenswert ist, daß die Mehrgewinne der Gesell­schaften mit 80 Prozent des im letzten Kriegsjahr erzielten Mehrgewinnes belastet werden. Da die Gesellschaften aus dem Mehrgewinn neben diesen Abgaben auch die nach den Landesgesetzen zu entrichtenden Steuern und Umlagen, soweit sie auf den Mehrgewinn entfallen, bestreiten müssen, ist es notwendig gewesen, die Gesamtabgaben auf 80 Prozent zu beschränken, weil sonst die Gesellschaften mehr versteuern müßten, als sie wirklich eingenommen haben.

Berlin vor einem neue« Kommnnistenputsch.

Berlin, 26. Juni. Im Anschluß an die kommunisti­schen Unruhen in Hamburg, wird auch für Berlin ernstlich mit der Möglichkeit eines neuen Kommunistenputsches gerech­net. Die militärischen Sicherheitsmaßnahmen sind auch im Laufe des gestrigen Abends weiter verschärft worden. Alle Truppen stehen unter Alarmbereitschaft. Die revolutionären Obleute in den großen Fabriken halten seit vorgestern unun­terbrochen Sitzungen ab, auch der angeblich aufgelösteRote Soldatenbund" hat unter der neuen BezeichnungRoter Volksbund" seine aufhetzende Tätigkeit in den bekannten Un­ruhebezirken der Reichshauptstadt wieder ausgenommen, wie auf Schritt und Tritt im Straßenbild festzustellen ist. Bei der Stärke der Regierungstruppen in Berlin ist nach der Ueber- zeugung der leitenden Regierungskreise auch diesmal ein et­waiger kommunistischer Putsch in Berlin schon im Voraus zum Scheitern verurteilt.

Eine Mahnung desVorwärts".

Berlin, 25. Juni. DerVorwärts" ruft die Pazifi­sten an die innere Front. Er schreibt: Der kümmerliche Gewinn, der mit der Bereitwilligkeit, den furchtbaren Frie­den zu unterzeichnen, zu schwer erkauft ist, würde zerrinnen, wenn der Bürgerkrieg das Vernichtunaswerk da fortsetzte, wo es der Völkerkrieg liegen gelassen hat. Der Bürgerkrieg aber droht. Der Traum der Räterepublik ist noch nicht aus­geträumt. Der Plan, sie gewaltsam einzuführen, ist noch nicht aufg?geben. Eine Gruppe auf der äußersten Linken glaubt, die Zeit zum Losschlagen sei gekommen und wird von den ruhigeren Elementen nur mit Mühe zurückgehalten. Die Ruhigeren sehen als Ergebnis einer Erhebung die blu­tige Katastrophe voraus. Die Hitzköpfe, und das sind nur Lockspitzel, sagen: Jetzt oder nie!

DerVorwärts" schreibt u. a. weiter: Kämen heute die Unabhängigen ans Ruder, auch sie würden alsbald vor die Wahl gestellt sein, sich entweder von den Kommunisten glatt wegfegen zu lassen, oder nach dem alten Rechtsgrund­satz zu handeln: Gewalt dürfe mit Gewalt zurückgewiesen werden. Laßt doch der Demokratie Zeit, sich auszuwirken. In absehbarer Zeit wird die Nationalversammlung dem er­sten Reichstag der deutschen Republik weichen, der nach den Wünschen des Volkes zusammengesetzt sein soll. Entspricht die Nationalversammlung dann nicht mehr der Volksmeinung, so lautet die Parole: Nicht Beseitigung der Demokratie, sondern Neuwahlen!

Die Oberste Heeresleitung uuv der Friede.

Aktenmäßig werden die Verhandlungen zwischen der Obersten Heeresleitung und der Reichsregierung wegen Unter­zeichnung des Friedens bekannt gegeben. Die Anschauungen des Großen Hauptquartiers gingen dahin, daß die deutschen Truppen in der heutigen Verfassung zwar die Provinz Posen von den Polen zurückerobern und die alten deutschen Grenzen würden halten können, daß aber im Westen aus einen Er­folg kaum zu rechnen sei, so daß ein günstiger Ausgang neuer kriegerischer Operatisnen sehr fraglich erscheine. Doch fügte Hindenburg a»ch hiebei hinzu müsse er als Goldat einen ehrliche» Untergang einem schmählichen Frieden

vorziehen. Es wird dann weiter berichtet, daß rine große

Anzahl von Offizieren und freiwilligen Truppen einer Re­gierung den Dienst aufsagen würden, die die Schmachpara­graphen unterzeichnen würden.

Vier Tage später am 23. Juni, mittags wurde von seiten des Ersten Generalquartiermeisters, General von Lüttwitz, geantwortet: Nicht als Soldat, sondern als Deut­scher müsse er erklären: bei einem Kampf nach vorüber­gehenden Erfolgen im Osten sei ein Enderfslg ausgeschlossen. Herr Noske solle in einem öffentlichen Aufruf die Notwen­digkeit des Friedensschlusses darlegen und von jedem Offizier und Soldaten verlangen, daß er auch bei Unterzeichnung des Friedens im Interesse der Rettung des Vaterlandes auf seinem Posten bleiben müsse. Aussicht bestehe, daß das Militär sich hinter Noske stelle und damit jede neue Umsturz- bewegung im Innern, sowie Kämpfe nach außen, im Osten, verhindern würde. ,

Darauf erfolgte die endgültige Abstimmung in der Na­tionalversammlung.

Die Kehrseite der Medaille.

Können wir uns der Versenkung der Flotte freuen? Eine andere Auffassung als bisher verlautbart, kommt i» Nachstehenden zum Ausdruck: Wenn wir die Versenkung der deutschen Flotte durch unsere eigenen Mannschaften auch als eine rühmliche Tat ansehen wollten, weil dadurch de« Feind ein Strich durch die Rechnung gemacht worden ist, unsere schönen Schlachtschiffe als Beute sich zu verteilen, so muß diese Tat doch unsere Bedenken Hervorrufen. Wir meinen, daß wie die Dinge heute für uns liegen, wo wir endgültig niedergeboxt sind, kein Anlaß mehr zu heroische« Gesten vorliegt. Damals als es galt, gegen unsere» gefährlichsten Feind einen Schlag zu führen, der den Rückzug unserer Landarmee hätte sichern oder doch entlasten können, wäre dazu Gelegenheit gewesen und die Flotte hätte sich mit Ruhm bedecken können. Aber damals loderte auf allen Schiffen die Helle Meuterei auf und besiegelte das Schicksal unseres Vaterlandes. Was jetzt in der Scapa Flow-Bucht geschehen, nimmt sich als eine Tat aus, bei welcher die kühle Ueberlegung nicht genügend zum Wort gekommen ist. Wir wollen nur hoffen, daß dadurch nicht Komplikationen entstehen, die den einmal beschlossenen Friedensschluß aufs neue gefährden. Daß die Entente sich die ihr entgangenen Schiffe bezahlen lassen wird, daran brauchen wir nicht zu zweifeln und das Facit wird sein, daß man mindestens aufs neue noch einige Hundert Millionen zu Lasten Deutschlands buchen wird. Heute müssen wir still halten.

Paris, 25. Juni.Journal" meldet: Der Marine­minister Layoues erklärte im Kriegsmarineausschuß der Kammer: Frankreich habe beschlossen, von Deutschland eine vollkommene Wiedergutmachung für die Versenkung der deutschen Schiffe in Seapa Flow zu verlangen.

DemDaily Herald" schreibt der MarineschriftWller A. H. Pollen: Ich kann nicht anders, als die TapMkeit der deutschen Seeleute zu bewundern, die ihre Schiffe lieber versenkten, als sie in den Besitz des Feindes fallen zu lasse«. Es ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache, daß während des ganzen Krieges nur ein einziges deutsches Kriegsschiff, daS U-Boot U. C. 35 von uns erbeutet wurde. In der deutschen Flotte besteht immer noch die Tradition, sich nicht zu über­geben. Der kriegerische Geist der deutschen Flotte war immer ungeheuer.

Ausland.

Tesche», 26. Juni. Trotz der unerhörten Preis­treibereien der Tschechen ergaben die Gemeindewahlen in Deutsch-Böhmen, die am letzten Sonntag stattfanden, einen völligen Sieg der Deutschen. In Karlsbad wurden bei­spielsweise 37 Deutsche und nur 5 Tschechen gewählt, in Teschen-Bosenbad 34 Deutsche und auch nur 5 Tschechen. Die Wahlen sind ein neuer Beweis dafür, daß Deutsch- Böhmen nicht als ein gemischt-sprachiges Gebiet anzusehen ist.

Bern, 24. Juni. Der rumänische Ministerpräsident Bratianu, erklärte, daß er eher zurücktreten will, als de» in Paris aufgesetzten Friedensvertrag zu unterzeichnen. Er würde niemals die zwischen Serbien und Rumänien im Banat und zwischen Rumänien und Ungarn in Sieben­bürgen festgesetzten Grenzen anerkennen.

Bern, 24. Juni. Wie dasJournal de Geneve" von autoritativer Seite erfährt, wird der Friedensvertrag für Bulgarien den Bevollmächtigten demnächst übergeben werden. Bulgarien soll sich im Laufe einiger Jahre zu einer Zahlung von fünf Milliarden und als Entschädigung zu einer teilweisen Überlassung der bulgarischen Lebens­mittel zu Gunsten der Entente verpflichten. Ferner soll eS an Serbien und Rumänien alle die Länder zmückgeben, die es ihnen weggenommen habe.

Rotterdam, 28 . Juni. De« Li*rrp«»1«r Reeder«»-