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Neuenbürg, Samstag den 21. Juni MS.

77. Jahrgang.

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den 22. Juni Joh. 15, lSß!

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(Zweites Blatt.)

Aus Stadt» Bezirk und Umgebung.

«tichsbuud der Kriegsbeschädigten, ehem. Kriegs­teilnehmer, Kriegerwitweu und Hinterbliebenen.

Am Sonntag, den 15. Juni, nachmittags 2 Uhr fanden inFeldrennach im Gasthaus zumLamm" und abends S Uhr in Gräfenhausen im Gasthaus zumBären" Deutliche Versammlungen aller Kriegsbeschädigten, Kriegs­teilnehmer und Hinterbliebenen, einberufen von der Orts­gruppe Neuenbürg, statt. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Neuenbürg, Ludwig Proß, leitete inFeldrennach, Kamerad Maier, Ortsgruppe Neuenbürg, in Gräfenhausen die Ver­sammlung. Nach herzlicher Begrüßung der zahlreich Er­schienenen wurde dem Referenten M. B ernhardt (Calw), Bezirks-Vorsitzender, das Wort erteilt. Derselbe sprach in kurzen, leichtverständlichen Worten über die Ziele und Erfolge des Reichsbundes, sowie über die Forderungen an den iHtaat, Gemeinden und Gesellschaften. Der Redner gab erst einen statistischen Rückblick über die furchtbaren Folgen, Verluste an Toten, Zahl der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen des Weltkrieges. Besonders kritisierte der Redner in scharfen Worten den Operationszwang und die Starkstrombehandlung der Kriegsbeschädigten. Auch unterzog er die großen Unter­schiede des Mannschaftsversorgungs- und Offiziers-Pensions­gesetzes einer scharfen Kritik. Im Felde trafen die Kugeln wahllos Offizier oder einfachen Soldaten, deshalb wirken die großen Unterschiede in der Versorgung zwischen Offizieren und Mimnschaftsn verbitternd. Redner sprach sodann über die Forderungen des Reichsbundes an die Gemeinden und erwähnte, daß bei friedlicher Zusammenarbeit der Behörden und der örtlichen Organisation des Reichsbundes der Not und den Mißständen in der Versorgung der Kriegsbeschä­digten und Hinterbliebenen in kurzer Zeit abgeholfen sein wird. Besonders wies er daraus hin, daß es die höchste Pflicht sei, die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen gerecht zu versorgen, denn sonst seien ja die Worte von 1914:Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiß" eine schmachvolle Lüge. Hierauf forderte der Referent alle dem Reichsbund noch ferne Stehenden auf, sich demselben anzuschließen, denn nur in fester kompakter Masse könnten wir die gerechte Ver­sorgung erreichen, dafür wir noch unsere ganze Kraft einzu­setzen haben. Dies alles schulden wir den Kameraden, welche in fremder Erde ruhen.

Mit den Losungsworten:Frisch an die Arbeit, vereinzelt find wir nichts, vereinigt aber eine Macht", schloß der Re­ferent seine Vorträge und forderte alle Anwesenden auf, sich zum ehrenden Andenken der in fremder Erde ruhenoen Kameraden von den Sitzen zu erheben.

An der Aussprache beteiligte sich in Feldrennach Ge­meinderat Dengler und sicherte die gerechte Forderung der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen von Seiten der Ge­meinde in friedlicher Zusammenarbeit mit der örtlichen Organisation des Reichsbündes zu. In Gräfenhausen for­derte Kamerad Spiegel nach den Ausführungen des Referenten, mit welchen er sich ganz und voll einverstanden erklärte, alle Anwesenden auf, sich dem Reichsbunde anzuschließen und bewies durch Beispiele der schlechten Versorgung, wie dringend notwendig die Organisation der Kriegsbeschädigten, Kriegs­teilnehmer und Hinterbliebenen sei. Ebenso sicherte Herr Schultheiß Kirchherr von Gräfenhausen dem Bezirksvorsitzen- öen die fnedliche Zusammenarbeit mit der örtlichen Organi­sation des Reichsbundes zu.

Nach den Vorträgen wurde in Feldrennach eine Orts­gruppe von 48 Mitgliedern mit Vorsitzendem Hermann Groß mann und in Gräfenhausen von 38 Mitgliedern mit Vorsitzendem Kamerad Messinger gegründet.

Die englische Volksabstimmung in de« Kolonie«

(AusDie Stimme Deutsch-Ostafrikas" von Dr. Hans Poeschel.)

Im Jahre 1917 wurden sämtliche zum Bereich des vistrict kolitieal Otkiee lang» gehörigen Akiden (farbige Amtsvorsteher) nach Tanga befehligt und dort von Be­amten zu Protokoll vernommen, ob sie und die in ihrem Akidat ansässigen Eingeborenen die Rückkehr der deutschen Re­gierung wünschten oder unter der englischen Herrschaft zu bleiben vorzögen. Wer sich für die deutsche Regierung er­klärte, wurde abgesetzt und durfte nicht in sein Akidat zurtck- kehren. Wer die Engländer anerkannte, bekam 30 Rupien Belohnung und verblieb in seinem Amte. Mein muß zu- geben: ein überaus klares, einleuchtender und erfolgver­sprechendes Verfahren.

In andern Gegenden mochte eS den Engländern pein­lich sein, in eigener Person als RuSfra^er in der Posse mit- zuspielen. Da schickte mau einfach ALkanS herum, bewaffnete landfremde schwarze Söldner, die unsere Eingeborenen nach ihre» Glaubensbekenntnis zu befragen «nd bi» rechtgläubigen

mit klingendem Lohne in ihrem Glauben zu stärken hatten. Dieses Verfahren war entschieden noch einfacher und noch wirksamer. In der Gegend von Morogoro kamen die Häupt­linge öfters zu den dort verbliebenen Deutschen und erzähl­ten ihnen, sie hätten ihre Unterschrift geben müssen, da ihßen für den Verweigerungsfall grausame Schädigung und Strafen angedroht seien; nicht ein einziger in der ganzen Landschaft hätte freiwillig unterschrieben.

Unsere Liebe zu diesem Lande und zu diesen Menschen war uns nicht eine sentimentale Spielerei, nicht eine gleiß- nerische Vermummung selbstsüchtiger Zwecke, sie war uns echte Herzenssache und ernste, heilige Aufgabe. Sie gab sich nicht in tönenden Worten, nicht in bequemen Durch-die Finger-sehn, sondern sie betätigte sich in Fürsorge und Ge rechtigkeit. Mag sie bisweilen geirrt haben fehlerhafte Menschen sind auch wir sie hat doch den Weg zu Heu Herzen dieser Völker gefunden und klang uns als Echo wie­der in dem tausendfältigen Abschiedsruf unserer schwarzen Freunde:Kwa herini, rudini! Lebt wohli Auf Wieder­sehen !"

(Darnach läßt sich ermessen, was es mit diesenVolks- abstimmungen" unter feindlichem Einfluß auf sich hat. Schriftl.)

Baden.

Karlsruhe, 19. Juni. Die Regierung will größere Mengen Most (Obstwein) aus der Schweiz beziehen und ihn als Hausgetränk solchen Gemeinden und Kuhhaltern zur Verfügung stellen, welche ihrer Ablieferungspflicht für Milch in befriedigender Weise Nachkommen. Die Höchstpreise für Kirschen in Baden wurden wie folgt festgesetzt: Erzeuger­höchstpreis für grüßfrüchtige Kirschen 55 Pfennig, für kleine Brennkirschen 30 Pfennig das Pfund. Kleinhandelshöchst­preis 70 Pfennig für beide Arten. In den großen Städ­ten darf der Kleinhandelshöchstpreis auf 75 Pfg. erhöht werden. (Diese stehen dann wie gewöhnlich auf dem Papier, eingehalten werden sie nicht. Schriftl.)

Todtmoos, 19. Juni. Bei einer Hochzeitsfeier kam es unter Familienangehörigen zu Zwistigkeiten. Der Mann entfernte sich und wurde später in einem Teich in der Nähe des Ortes als Leiche aufgefunden.

Konstanz, 19. Juni. Die deutsche Luftreederei, hin­ter der die A.E.G. und die Hamburg-Amerika-Linie stehen, wird hier einen Flugplatz und eine Luftreederei einrichten. Konstanz wird damit die erste süddeutsche Stadt, die den öffentlichen Flugverkehr aufnimmt. Leiter der Station ist der bekannte Flieger Ernst Schlegel.

Fleh in gen bei Breiten, 19. Juni. Tine Bäuerin legte dort beim Mähen ihren Strohhut ab. Kurz darauf stolzierte ein Storch daher, packte rasch den Hut und flog mit ihm ebenso rasch in der Richtung »ach dem Schloß Gochsheim zu, wo er ihn seiner auf dem Nest sitzenden Gattin" brachte. Hoffentlich war er nach ihrem Geschmack!

FriedrichSfeld OA. Schwetzingen, 18. Juni. Etwa 15 Personen von hier suchten in der vergangenen Nacht ein Erbsenfeld des Gutspächters Leichle unerlaubterweise zu ern­ten. Als einige Angestellte des Pächters die Räuber zu vertreiben versuchten, eröffneten diese ein wildes Feuer. Da­bei wurde der Gutspraktikant Wilhelm Dauern durch einen Schuß in den Leib so schwer verletzt, daß er in lebensge­fährlichem Zustande in das akademische Krankenhaus nach Heidelberg eingeliefnt wurde.

H eidelberg, 18. Juni. Im Walde bei den 3 Eichen wurde gestern ein totes Mädchen im Alter von 20 Jahren aufgefunden. Ob ein Verbrechen oder Selbstmord vorliegt, wird die eingeleitete Untersuchung ergeben. Die Leiche trug am Kopf eine blutige Wunde.

Mannheim, IS. Juni. Durch Beamte des badischen Kriegswucheramts wurde bei einer Zugkontrolle auf der Strecke Mannhnm-Waghäusel festgestellt, daß eine große Menge Fleisch aus Wiesental und Kirrlach an Mannheimer Wirte zum Preis von 612 Mk. das Pfund verkauft wurde. Das Fleisch rührt aus Schwarzschlachtungen her. Insgesamt wur­den 3'/, Ztr. Rind- »nd Kalbfleisch und ungefähr 750 Pfd. Wurst beschlagnahmt.

Vermischtes.

Die verbotene Mühle. Eine lustige Selbstver­spottung veröffentlichen Landwirte im Jlfelder Kreisanzeiger. In Ilfeld wurde in den letzten Lagen dort eine Mühle ge­schloffen, deren Besitzer heimlich Korn gemahlen hatte. Ihm widmen nun dieInteressenten" folgende Elegie:

In einem kühlen Grunde,

Da ging ein Mühlenrad,

Der Müller ist verschwunden.

Der d«rt gewöhnet hat.

Der Herr Gendarm ihn stßrte Und ließ ihm keine Ruh'.

Bis endlich die Behörde Ihm schloß die Bude zu . . .

Er hat die Nacht gemahlen,

Wenn alles schlafen sollt.

Er ließ sich's gut bezahlen!

Das Glück war ihm nicht hold.

Seh' ich das Mühlrad stehen.

So packt mich wilder Zorn,

Wohin soll ich nun gehen Mit dem versteckten Korn?

Das Liedchen könnte auch bei uns im Schwabenlande gesungen werden.

Auslandsware soeben eingetroffen. So kan« man jetzt in vielen Warenanpreisungen lesen. Wo dasAus­land" in diesem Fall zu suchen ist, kann sich jeder denken: In wohlverwahrten Lagerräumen und verborgenen Winkeln der betreffenden Geschäftshäuser. Es wird eben Zeit, die zurückgehaltene Ware zum alten Schandpreis loszuschlagen, bevor eine Verbilligung durch das Ausland eintritt.

Wie es gemacht wird. Die Feldzeugmeisterei hat vor kurzem 350000 Woilachs aus Heeresbeständen an die Reichs-Textil-A.-G. für Zwecke der Landwirtschaft abgegeben. Diese hat einen kleinen Posten hievon der Stadt Magdeburg zum Preise von 30 Mark für das Stück verkauft, den größ­ten Teil aber an Großhändler. Von diesen, darunter auch von einer Firma in Berlin, sind die Woilachs nur für 40 Mark das Stück zu beziehen: Also ein Drittel Aufschlag l Bei 350 000 Woilachs 3'/, Millionen Mk. Verdienst! Wo bleibt da das Kriegswucheramt? Konnten die Woilachs nicht sämtlich durch Vermittlung der Berufsverbände oder der Gemeinden und Gemeindeverbände den Verbrauchern zuge­führt werden?

Warum keine Lebensmittel? In der Presse wird Klage darüber geführt, daß von den 370000 Tonnen Lebensmitteln, die uns der Vierverband am 4. März monat­lich zur Einfuhr bewilligte, erst ein verschwindender Teil eingeführt ist, weil die Schikanen der Behörden und Reichs­stellen zu große Schwierigkeiten verursachen. So sei es z. B. einer Großfirma trotz aller Bemühungen nicht möglich gewesen, 100 Waggons Reis über die Grenze zu bringen, die ihr aus der Schweiz angeboren waren. Der deutsche Apparat ist so schwerfällig, weil alte und neue Grundsätze, der freie Handel und die Zwangs- und Gemeinwirtschast miteinander im Kampfe liegen.

Was die deutschen Bienen arbeiten. Vordem Krieg bestanden in Deutschland rund 2*/r Millionen Bienen­völker; ihre Zahl beträgt auch heute noch nicht viel weniger. Der Anlagewert deutscher Bienenzucht wird auf wenigstens 250 Millionen Mark geschätzt. Die Verzinsung ist als recht gut zu bezeichnen, da der jährliche Ertrag aus Honig und Wachs, sowie durch Verkauf von Bienen selbst, auf etwa 80 Millionen Mark veranschlagt wird. Dazu kommt noch ein weiterer Nutzen, der zwar nicht durch einen Handel mit realen Werten erzielt wird; aber Noch weit unschätzbarer ist, die Tätigkeit der Bienen für die Befruchtung der Obstbäume und Oelpflanzen, woraus ein Vorteil für die Landwirte entspringt, der auf 400 Millionen Mark berechnet worden ist. Danach würde das eigenartige Verhältnis stattfinden, das einen Anlagewert von etwa einer halben Milliarde Mark bringt. (Möchten sich alle, die heute bei jedem Anlaß das folgenschwere Wort Streik auf den Lippen führen, den Ar­beitsfleiß der Bienen vorbildlich sein lassen. Schriftl.)

Noch unbeerdigte Leiche^ am Chemin der Dames. Die unglaubliche Tatsache, daß heute noch am Lhemin des Dames ganze Gruppen gefallener Soldaten als Leichen herumliegen, wird in einem Telegramm desEcho de Paris" aus Senlrs festgestellt. Bei Boeage wurden 92 solcher Leichen, Franzosen »nd Deutsche durcheinander, die aus den Kämpfen vom August 1918 herrührten, erst jetzt der Erde übergeben. Die Vögel und andere Tiere hatten sich über die toten Kämpfer hergemacht. Man erinnert sich, daß deutsche Feldgeistliche seinerzeit die gleiche Wahrnehmung a» der Woevre gemacht haben.

Dentschland.

Und macht ihr auch ein Massengrab AuS unsrem alten Vaterland

Die Seele zwingt ihr nicht hinab.

Sie, die so »iel schon überftand.

Wie grimm ihr haßt, wie schlimm ihr Haast,

Bis Hab und Tut und Glück zerbricht

Faßt immer zu mit harter Faust:

Die Seele, »ein, die faßt ihr nicht!

(SimplizisstmuSH