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S8.
Neuenbürg, Dienstag den 29. April 1919.
77. Jahrgang.
Deutschland.
Stuttgart, 28. April. Vielfach ist die Behauptung ausgesprochen worden, die Aktion gegen Lindau sei aus eigene Faust unternommen worden. Demgegenüber ist folgendes Schreiben aus Ulm an den Stadmagistrat Lindau von Interesse: Der Ministerpräsident Hoffmann hat die württembergische Staatsregierung in einer Besprechung in Ulm am 15. April 1919 um militärische Hilfe gegen Südbayern gebeten. Die württembergische Regierung sagte die Hilfe zu. Es wurden die nötigen militärischen Vereinbarungen zum Vorgehen" gegen alle jenen Orte getroffen, deren Arbeiter- und Soldatenräte nicht auf dem Boden der Regierung Hoffmann standen. Zu diesen Orten gehörte auch Lindau. Infolgedessen erhielt die württembergische Abteilung Hommel den Auftrag, die Anerkennung der Regierung Hoff- mann bei den Arbeiter- und Soldatenräten Lindaus durchzusetzen. Die Bürgerschaft Lindaus war bei der ganzen Angelegenheit unbeteiligt. Württembergisches Gruppenkommando Ulm. Für den Landesausschuß der S.-K. Württ.: gez. Meitschel. Für den Chef des Stabes: gez. Muff, Major. Bayerisches Oberkommando Ulm: gez. Seiffer, Major.
ep. Stuttgart, 28. April. Wie wir erfahren, hat die Eoang. Oberkirchenbehörde schon vor einiger Zeit eine staatliche Anordnung beantragt, wodurch die Kirchen zur Aufhebung der bestehenden Patronatsrechte für Kirchenstellen ermächtigt werden.
Freiburg, 25. April. Das vielerörterte Thema eines Zusammenschlusses von Baden und Württemberg »eranlaßte den badischen Landtagspräsidenten Kopf, sich hier in einer öffentlichen politischen Versammlung darüber zu äußern. Herr Kopf rechnet mit der Möglichkeit, daß bei einer Vereinigung der beiden Länder Baden der verlierende Teil wäre. Aus diesem Grunde möge in Württemberg auch mehr 8e neigtheit für den Zusammenschluß vorhanden sein. Von ganz andern Gesichtspunkten wäre die Sache zu betrachten, wenn sich der Verbindung auch andere Landesteile, z. B. die Pfalz und das deutsch-österreichische Vorarlberg anschließen würden. Dann brauchte man das württembergische Uebergewicht weniger zu fürchten. Wenn auch die Frage noch nicht spruchreif sei, so bleibe sie doch erwägenswert.
Bamberg, 26. April. Heute wurde über das ganze rechtsrheinische Bayern das Slandrecht verhängt. Die Operationen gegen München nehmen ihren planmäßigen Fortgang. Die Truppen sind stellenweise bis München herangezogen. Kempten und Umgebung erhalten Zuzug von Spartakisten über München und Augsburg. Die Stadt Landshut wurde den Spartakisten von Regierungstruppen entrissen. Die Münchener Kommunisten sandten fünf Sonderzüge mit roten Gardisten zum Entsatz, kamen aber damit zu spät. Landshut ist fest in den Händen der Regierungs- truppen.
Berlin, 27. April. Am Freitag abend fand beim Staatsministerium die Aussprache mit den Vertretern Schleswig-Holsteins ihren Abschluß. Die Staatsregierung ließ beim Schluß der Besprechung erklären, daß sie für eine starke Vertretung der geäußerten Wünsche und der gesamten Interessen Schleswig-Holsteins bei den bevorstehenden Friedensverhandlungen eintreten werde.
Berlin, 27. April. Hier beschloß eine vom Deutschen Eisenbahnerverband einberufene Versammlung, den Eisenbahnminister aufzufordern, bis spätestens zum 7. Mai die gemeldeten Forderungen zu bewilligen, widrigenfalls die Eisenbahner die Arbeit einstellen würden. — Der bisherige Reichs-Finanzminister Schiffer soll zum Oberpräsidenten der Provinz Sachsen ernannt werden. Schiffer, der vor Jahren in Magdeburg als Richter gewirkt hat, hat im Reichs- wie Landtag immer Wahlkreise der Provinz Sachsen vertreten. Auch in der Nationalversammlung vertritt er jetzt wieder Magdeburg. — Die Verhandlung gegen Ledebour und Däu- mig ist, wie die „Freiheit" meldet, auf den 19. Mai festgesetzt worden. — Der Belagerungszustand über Sachsen wird trotz der Drohung der „Leipziger Volkszeitung", die Leipziger Messe zu stören, vollständig aufrecht erhalten. — In Bremen haben die Gasarbeiter unter Bruch der Vereinbarungen am Samstag weitergestreikt. Bei der Mißhandlung Arbeitswilliger kam es zu Zusammenstößen, bei denen ein Mitglied des Einundzwanziger-Ausschuffes erschossen wurde. Daraufhin wurde der Belagerungszustand verhängt und die Einsetzung von Kriegsgerichten angeordnet. — In Essen nimmt, nachdem der Bergarbeiterstreik im wesentlichen beendet ist, die Versorgung der Stadt mit Gas wieder ihren Anfang. 17 Tage hindurch war die Stadt völlig in Dunkelheit gehßllt. — Die Höchster Farbwerke gaben bekannt, daß sie ihren Betrieb am 28. April wegen Kohlenmangels auf 14 Tage schließen. Die 8000 Arbeiter erhalten während dieser Zeit die Hälfte des Lohnes.
Württembergische Laubesversammluug.
Stuttgart, 26. April. In der Samstagsitzung wurde das große Berfassungswerk zum Abschluß gebracht. Es waren noch die Beratung des § 17, der von der Soziali sierung handelt, und des Z 22, der sich auf den Religionsunterricht in der Schule bezieht, nachzuholen, weil einige Abänderungsanträge in letzter Stunde gestellt worden waren. Das Zentrum zog seinen Antrag, der sich mit der staatlichen Vergesellschaftung geeigneter wirtschaftlicher Unternehmungen befaßt, zurück. Es konnte nicht ausbleiben, daß es beider Debatte über diese Frage zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Rechten und Linken kam. Während der Abg. Bazille (B. P.) darauf hinwies, daß die Revolution zur Genüge bewiesen habe, daß die große Masse der Arbeiterschaft für den an und für sich großen Gedanken der Sozialisierung noch nicht reif sei, stellte der sozialdemokratische Abgeordnete Vorhölzer fest, daß allein durch die Bergarbeiterstreiks, die die Freunde der Klara Zetkin auf dem Gewissen hätten, dem deutschen Volksvermögen Milliarden verloren gegangen sind. Der Abg. Haußmann (Dem.) legte der Regierung dringend ans Herz, bei etwaigen Putschversuchen der Spartakusleute ruhig, aber fest und entschlossen durchzugreifen. Die Führerin der Unabhängigen, Frau Zetkin, sang ein hohes Lied auf die russische Räterepublik, konnte aber das Haus von ihren Theorien gar nicht überzeugen. Da sich die Debatte schließlich ins Uferlose hinzog, mußte der Präsident wiederholt die Redner aus den zur Beratung stehenden Gegenstand aufmerksam machen. Der Sozialisierungsparagraph wurde dann gegen die Stimmen des Zentrums, der Bürgerpartei und der Unabhängigen angenommen; ein Antrag Bazille auf Streichung dieses Paragraphen wuroe abgelehnt. Bei dem Kapitel über Religionsunterricht in der Schule beantragte der Zentrumsabg. Gröber, in dem früheren Antrag Sakmann-Haußmann den Satz zu streichen, wonach die Errichtung von Privatschulen der Genehmigung des Staates bedürfen und private Volksschulen nur zugelassen sind, wenn sie in ihrem innerem Aufbau nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen. Der Kultminister suchte die schweren Bedenken des Abg. Gröber, daß nämlich durch die Annahme dieses Antrags die religiöse Erziehung unserer Kinder aufs schwerste gefährdet ist, zu zerstreuen. Der Antrag Gröber fand gegen die sozialdemokratischen Stimmen Annahme, ebenso eine Resolution über den unentgeltlichen Besuch der Volks- und Fortbildungsschule vonseiten unbemittelter Schüler. Die Annahme des Verfassungsgesetzes geschah mit 128 Stimmen; die drei Mitglieder der Unabhängigen und sechs Mitglieder der Bürgerpartei hatten sich gegen das Gesetz ausgesprochen.
Auf eine Anfrage Wieland (Dem.) wegen der in Ulm noch frei herumlaufenden russischen Gefangenen teilte der Kriegsminister mit, es befinden sich in Württemberg noch 8300 Russen, davon 5300 in Ulm, 1600 in Münsingen und 1600 auf Arbeitskommandos. Lebhafte Hörtrufe riefen die Darlegungen des Kriegsministers hervor, daß 2000 Russen, die von Ulm nach Münsingen vor einigen Wochen hätten abtransportiert werden sollen, sich einem solchen Klimawechsel. mit allen Mitteln widersetzt haben, und daß das Kriegsministerium von einer Verlegung deshalb Abstand genommen habe, weil dies nicht ohne Blutvergießen abgegangen wäre. Da der Abtransport nunmehr von der Entente gestattet ist, so wird wohl in Bälde kein Russe mehr in einem württembergischen Lager sein.
Für die nächste Woche sind die Beratungen ausgesetzt; wann sie wieder ausgenommen werden, bestimmt der Präsident.
Z««r 1. Mai.
Stuttgart, 28. April. Nachdem der 1. Mai zum Nationalfesttag erklärt worden ist, hat die Unterrichtsverwal tung diesen Tag als schulfreien Tag bestimmt. Der Unterricht in sämtlichen Schulen beginnt daher am 2. Mai.
Karlsruhe, 28. April. Bekanntlich ist der 1. Mai sowohl von der badischen Nationalversammlung, wie auch von der Volksvertretung des Reiches als Feiertag bestimmt worden. In bäuerlichen Kreisen besteht aber mit Rücksicht auf die infolge der mißlichen Witterung bisher nicht ausgeführten Feldarbeiten wenig Neigung, den 1. Mai durch Arbeitsruhe zu feiern. Wie Landtagspräsident Kopf in einer öffentlichen Versammlung in Freiburg erklärte, besteht ein Zwang der Arbeitsruhe in landwirtschaftlichen Betrieben für den 1. Mai nicht. Die badische Volksregierung habe sich dazu verstanden, keinerlei Bestrafung eintreten zu lassen, wenn am 1. Mai dringende Feldarbeiten verrichtet werden.
Berlin, 28. April. Der Personenzugsverkehr wird in vollem Umfange aufrecht erhalten. Im Güterverkehr herrscht im allgemeinen Sonntagsruhe. Es sollen im wesentlichen nur Züge für Lebensmittel und Kohlen gefahren werden. !
Berlin, 28. April. Die Straßenbahner Berlins habe» gestern die Direktion durch ein Schreiben davon in Kenntnis gesetzt, daß nach einem gefaßten Beschluß am 1. Mai die Arbeit von den Arbeitnehmern unterorochen werde. Eine Bezahlung dieses Feiertags werde nicht beansprucht.^
Ausland.
Wien, 26. April. Die „Volkszeitung" erfährt, daß gestern in der Wiener Bank ein Russe bei Abhebung eines Schecks auf eine größere Summe verhaftet wurde. Man fand bei ihm für mehrere Millionen Rubelnoten, sowie vollständig ausgearbeitete Pläne zur Organisierung einer bolschewistischen Revolution in Wien und Paris. Der Plan für Paris wurde dem französischen Gesandten übergeben.
Wien, 28. April. Die „Jndepedence Rumaine" berichtet, daß Bela Kun eine Bitte um Waffenstillstand an das rumänische Große Hauptquartier geschickt habe.
Lugano, 28. April. Die italienische Sozialdemokratie erließ einen Protest gegen die Politik Italiens aus der Friedenskonferenz, die nur einen neuen Krieg heraufbeschwören könne. — Das italienische Parlament wurde auf den 29: April einberufen, um Orlandos Bericht über die Friedensfrage zu hören.
P aris, 26. April. Nach dem diplomatischen Situationsbericht scheint nun beschlossen zu sein, daß Danzig ein Freihafen wie Hamburg sein und unter der Souveränität Polens stehen soll.
Haag, 26. April. Das Korr.-Bur. erfährt, daß die Schwarzen Listen betreffenden Bestimmungen am 28. April um Mitternacht außer Kraft treten.
Versailles.
Berlin, 28. April. Zur Reise der deutschen Delegierten nach Versailles schreibt das „Berl. Tagebl.": Die deutschen Delegierten müssen das Denkbarste und Undenkbarste aufbieten, um durch vernünftige Aussprache, durch gerechte und praktische Gegenvorschläge, durch Verständnis für die Gefühle der Würde und die Lebensnotwendigksiten der anderen, die Grundlagen zu bereiten, auf denen doch noch ein erträglicher Vertrag sich aufbauen kann.
Berlin, 28. April. Gestern nachmittag hat der aus 22 Achsen bestehende Sonderzug der deutschen Friedensdelegation Berlin verlassen, um einen Teil der offiziellen Vertreter, der Mitglieder der Presse und des technischen Personals nach Versailles zu bringen. In Köln wird der Zug von der französischen Regierung übernommen. Die beiden anderen Züge, die die Delegierten, sowie die Presseoertret- ung mitnehmen, gehen Montag 3.15 Uhr und 3.32 Uhr nachmittags von Berlin ab und treffen am Abend des 29. April in Versailles ein.
Amsterdam, 28. April. Aus Paris wird in bezug auf das Verlangen Deutschlands, den Friedensvertrag einer Volksabstimmung zu unterwerfen, gemeldet, daß diese Volksabstimmung unter allen Umständen in 14 Tagen erledigt sein müsse, nachdem man Deutschland den Friedensvertrag zur Kenntnis gebracht hat. !
Wilson apelliert an das amerikanische Volk. !
Paris, 28. April. Wie aus New-Aork berichtet wird, veröffentlichte der Staatssekretär des Innern, Laue, heute im Namen der Regierung der Vereinigten Staaten eine Note, in dem der Standpunkt der. Vereinigten Staaten in der Fiume-Frage klar umschrieben wird. In der Note heißt es: „Fiume wurde durch den Geheimvertrag, auf Grund dessen Italien in den Krieg eingetrsten ist, diesem Lande nicht zugesprochen, sondern Kroatien, das zu Südslawien gehört.^ Wilson wünscht, daß Fiume zu diesem Land zurückkehrel Wilson und Clemenceau kamen einmütig zu dem Schluß^ daß es gegenüber der neuen adriatischen Republik ungerecht wäre, wenn man Fiume Italien zusprechen würde, denn Fiume ist der einzige angrenzende Hafen Südslawiens und der benachbarten Länder am Adriatischen Meer. Die For-'r derungen Italiens stützen sich auf den Grundsatz, daß, FE ume eine Bevölkerung aufweist, die zum größten Teil itas lienisch ist. Wollte man diese Forderungen erfüllen, so würdj man einem Lande unrecht tun, und dies wäre die Ursache beständiger Verwicklungen. Mit Venedig und Triest kanri> Italien ohne Fiume glücklich leben.
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 28. April. (Ortsverein der Württs Bürgerpartei. Schluß.) Man solle natürlich Bismarck niö alles sklavisch nachmachen, denn Bismarck war zunächi Royalist. Den Gedanken an die Auferweckung der einze« staatlichen Fürsten im deutschen Reich müsse man begraben Vielen Schwaben werde das herzlich leid tun im Blick aO den alten König, denn trotz all seiner Mängel und Fehl« ^
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