so losten sie uns rufen: Das deutsche Baterland, das deut­sche Lock, sie leben hoch! (Das Haus, mit Ausnahme der UnabhüUjiigen hat sich erhoben und stimmt dreimal in de» Hochruf ein.)

KuslanS.

Bern, 12. Febr. In der Schlußsitzung der Eozralistenkonferenz wurde das Verhältnis der Internationale zum Bolschewismus festgelegt. Axel- rod (russischer Menschewist) stellte fest, daß der Bolschewismus nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern eine Diktatur über das Proletariat sei. Kautsky sagte: Die Bolschewisten hätten den So­zialismus durchführen wollen, aber nichts anderes erreicht, als eine neue Form des Militarismus. Bernstein (Deutschland) betont: daß der Sozialis­mus in keiner Weise mit dem Bolschewismus Zu­sammenarbeiten dürfe, weil der Bolschewismus den Hungertod des Proletariats bedeuten würde.

Zürich, 12. Febr. DieMorgenztg." meldet aus London: In der englischen Piesse macht sich immer stärker eine Mißstimmung gegen die bestehen­den Geheimverträge unter den alliierten Großmächten gellend, in denen ein Teil der englischen Oeffenilich- keit ein starkes Hindernis für den Fortschritt der Zfriedenskonferenz und für die Errichtung des Völker­bundes erblickt.Daily Mail" beschäftigt sich in einem langen Artikel mit dieser Tatsache und wirft die Frage auf, ob nicht die vergangenen Geheim­verträge zwischen England. Italien, Frankreich, z Japan und dem Hedschaskönig aufgehoben werden sollten.

Genf, 12. Febr. Die Pariser Zeitungen rech­nen bereits mit einer provisorischen Verlängerung des Waffenstillstandes bis Ende Februar. Die Presse Clemenceaus ist sehr nervös geworden und' s «endet sich sehr energisch gegen den Präsidenten Wilson. In Paris hatte sich gestern das Gerücht verbreitet, daß die schon im Gange befindliche Ent­lastung der französischen Feldtruppen unterbrochen «orden sei, was starke Beunruhigung veranlaßte. Das Kriegsministerium hat bereits milteilen lassen, daß alle Anordnungen getroffen seien, um die bereits verfügte Entlastung des Jahrgangs litt? und der jüngeren Jahrgänge zu verzögern.

London, 12. Febr. In der Thronrede sagte der König: Ich erwarte, daß die Friedenspräli­minarien unterzeichnet werden, ehe die Session noch sehr weit vorgeschritten ist. Ich freue mich nament­lich darüber, daß die auf der Konferenz versammel­ten Mächte sich darüber geeinigt haben, das Prinzip des Völkerbundes anzunehmen, denn dieser Weg dielet die einzige Hoffnung dafür, daß die Mensch­heit vor einer Wiederholung der Ursachen des Krieges bewahrt wird.

London, 12. Febr. Der Sondervertreter des Reuterschen Büros in Paris telegraphierte am 10. Febr.: Die Amerikaner sind dafür, den Deut­schen freizustellen, wie sie im Augenblick über das Mannschaftsmaterial verfügen wollen. Gleichzeitig bestehen sie auf Auslieferung der Mengen von Kriegsmaterial, die die militärischen Berater der Entente für notwendig halten.

Var MckrarurbauL

Roman von Renttoh.

55) ' (Nachdruck verboten.)

Es ist völlig ausgeschlossen, daß Norbert je einen solchen, halb wahnsinnigen, halb ge­fühlsechten Brief schreiben konnte" erklärte Hubinger mit Entschiedenheit, als er geendet hatte.Und wenn tausend Momente gegen ihn sprechen, dieser Brief hier spricht sür iyn. Es muß unbedingt da noch ein zweiter Mensch sein, der in diesem Drama eine Rolle, vielleicht die Hauptrolle gespielt hat. Tatsächlich sprach ja das Stubenmädchen auch von einem Herrn, der früher häufig gekommen, dann aber von un­serer unserer armen Freundin nicht mehr emp­fangen worden sei. Norbert selbst erklärt, einen großen, schlanken Mann gesehen zu haben, damals in der Nikolsdorferstraße, könnte da nicht doch ein Zusammenhang sich finden lasten? Versuchen muß man es jedenfalls."

Doktor Wild entaegnete nicht eine Silbe : ein dumpfes Gemhl beschlich ihn, daß er am Ende Loch in seinem Haß gegen Norbert blind ge­wesen sei; daß vielleicht auch er von der Leiden­schaft sich hatte verblenden lassen, und diese halbe Erkenntnis bedrückte ihn so schwer, daß er sich sonderbar überflüssig oorkam, hier und überall. Mimi von Salten war ihm so viel in seinen Träumen, in Wirklichkeit aber weniger als nichts für ihn gewesen; sogar Hubinger, der ihr seit langem nnhestand, war ihr mehr gewesen, ihn hatte sie wenigstens als treuen Freund geschätzt, ihre heiße Liebe aber hatte Hans Norbert gegolten. Hatte sich wie dieser Brief anzudeuten schien auch ein Dritter an sie herungedrängt?

Die schwere Müdigkeit, die ihn schon gestern überfallen, meldete sich wieder, der Kopf glühte.

Die Amerikaner find im allgemeinen der An­sicht, daß die Alliierten an die ursprünglichen Waffenstillstandsbedingungen gebunden sind. Der französische und der brit sche amtliche Standpunkt ist der, daß keine wirkliche Gefahr einer Erneuerung der Feindseligkeiten durch die Deutschen besteht. Diese hätten zweifellos drei Millionen Mann in Uniform, aber uniformierte Leute seien noch keine Armee. Die Frage sei vielmehr die, wieweit sie kampffähig und diszipliniert feien.

Der Ton der Rede in der Weimarer National­versammlung habe das Mißtrauen, mit dem die Franzosen idre Nachbarn betrachten, nicht vermindert. Infolgedessen verlangten sie Maßregeln, um eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten durch den Feind oder seine Weigerung, die Waffenstillstands­bedingungen der Alliierten anzunehmen, unmöglich zu machen.

Petersburg, 11. Febr. Die Banknoten- druckereien der Bolschewiki in Petersburg und Pengal beschäftigen 14000 Arbeiter, die täglich 310 Millionen Rubel in Papiergeld Herstellen. Unter diesen Umständen ist es den Bolschewiki ein Leichtes, ihren Soldaten neben ihrer Löhnung noch 50 Rubel Zulage für jede Dienststunde zu bezahlen.

Bukarest, 12. Febr. Hier wurde der ver­schärfte Belagerungszustand verhängt. Es kam zu neuen blutigen Zusammenstößen mit den Sozialisten. Sämtliche Eisenbahn-, Tabak und sonstige Indu­striearbeiter streiken und demonstrieren gegen den König und die Regierung. Vor dem königlichen Schlöffe kam es zu Zwischenfällen. Streikende Gruppen versuchten es zu stürmen, wobei es zu Schießereien kam. Militär wehrte den Angriff ab. Die gesamte rumänische Presse ist gegen Bratianu. Der Bolschewismus in der rumänischen Armee wird durch Agitatoren aus Rußland betrieben.

New-Aork, 11. Febr. Ein Vertreter der New ImkerWorld" hatte in Moskau eine Unter­redung mit Lenin, in welcher dieser erklärte die russische Regierung sei bereit, ihre Schulden zu be­zahlen, wenn dadurch der Krieg gegen Rußland auf­höre, obwohl ihre Armeen bei der Einnahme von Kasan gute Erfolge gehabt hätten.

Wichtige Vorgänge im Pariser Kriegsrat.

Lugano, 12. Febr. Barzini drahtet über die letzte Sitzung des Kriegsrates, die überaus kritisch verlief:

Die Versammlung war der Ueberzeugung, daß die Entente alles aufbieten müsse, um ein gewalt­sam wiederaufstrebendes Deutschland niederzuhalten. Präsident Wilson selbst schiengegenüberDeutschland von versöhnlicherem Geiste beseelt und an den demokra­tischen Geist des neuen Deutschland zu glauben. Er sprach die Ansicht aus, daß der Waffenstillstand bei den Parteien dieselben Rechte lasse und daß Deutsch­land über seine noch vorhandene Kampfmittel selbst Auskunft geben solle. Balfour und Clemeneeau protestierten indessen entschieden und Clemeneeau rief erregt:Sie haben uns immer angelogen. Sie werden immer lügen." Der amerikanische Ober-

. die Augen branntcn ihm. Das Leben war doch eine tolle, sinnlose Komödie, weiter nichts!

Erst in diesem Augenblick fühlte er jo ganz, daß der Gedanke an die schöne, »heißblütige ! Künstlerin ihn eigentlich seit langem stark erjüllt j harte, daß dieser Gedanke ihm alles vergoldet ! und interessant batte erscheinen lassen. Nun, da sie geprichen war aus der Liste der Lebenden, erschien ihm, -der stets ein Egoist gewesen, die Welt seltsam leer und inhaltlos.

Sie sehen blaß aus" sagte Hubinger freundlich.Wollen Sie ein wenig an die Lust gehen? Der Garten ist schön."

Wild nickte nur bejahend, schritt, ein paar Entschuldigungsworte hervoxpressend, zur Tür und eitle, wie gejagt, die Stufen hinab. Er mußte dem schweren, süßen Duft dieser Zimmer entfliehen, die noch belebt zu sein schienen von der Gegenwart ihrer Herrin. Auch das leise Ticken der Uhren, die Hubinger alle sorgsam auf­gezogen hatte, belästigte ihn, und auch das große, lächelnde Potträt Mimis, die in berauschender Schönheit von der Wand herabgrüßte, wollte er nicht mehr sehen.

Rasch trat er aus dem Haustor und warf dieses so geräuschvoll hinter, sich zu, daß 8er dumpfe Klang eine Art Echo in den leeren Gängen erweckte und ein leichtes Schlittern durch das stille Haus lief.

Dokor Hubinger hörte all dies und bürte es vielleicht doch nicht, wenigstens nicht mit be­wußten Sinnen. Erst als der Ton allmählich verklang, 'fiel ihm die völlige Lautlosigkeit alT die nun rings um ihn herrschte, und diese tat ihm wohl. Es war der scharf ausgeprägte Gegensatz des weit älteren Mannes zu dem jün­geren, daß er als eine Wohltat empfand, was dem andern kaum mehr erträglich erschienen war. Ja, ja! Er verstand und begriff auch dies. Bei jenem war es das Auflehnen der Kraft, des

kommandierende, General Persing, war abweseilh und Fach schwieg dazu.

Am 10. Februar wurde die Diskussion mit neuer Wucht wieder ausgenommen und die Redner stellten das Wiederaufleben de? deutschen National- »rolzes fest, sowie schwere Vorstöße gegen die Ab­machung des Waffenstillstandes. So verweigerte Deutschland die Auslieferung fertiger und halbferti­ger U-Bo te und die Abgabe der Dampfer für de« Lebensmitteldienst, indem es nur einen Teil der Lastdampfer abgebe und selbst den Mietpreis be­stimmen wolle. Ferner weigere sich Deutschland, seine Truppenansammlungen gegen Palen einznstel- len und den Polen zu Hilfe eilenden Entenletruppe« den Durchzug durch Danzig zu gestatten, es sei denn zu ganz unannehmbaren Bedingungen. Deutschland fahre fort, sein Heer zu reformieren, es Halle die volle Fabrikation seiner Waffen und Flugzeuge auf­recht und habe auch in Spna eine überaus sympto­matische Arroganz an den Tag gelegt.

An der Diskussion nahm weiterhin General Fach teil, der erbarmungslose Maßregeln »erlangle und erregt ausrief: ,lAoi je coZne!" (Ich haue!"). Er erklärte dazu:Wenn ich die Deutschen noch einmal auf den Knien vor mir sehe, so müssen sie erst unter)chreiben, ehe ich sie loslasse." Foch for­mulierte kurz die Notwendigkeit eines schnellen Prä­liminarfriedens, der eine Äenderung der Lage ver­hindere.

Schließlich wurde e ne Kommission ernannt, «m militärische und wirtschaftliche Maßregeln zur Bän­digung Deutschlands zu beschließen. Lcke Kommis­sion muß binnen 1'/-Tagen Bericht erstatten. Die Mittel seien ganz einfacher Art und beständen nach Lord Cccil in der Hintanhaltung bezw. Verwei­gerung der Lebensmittelzufuhr nach Deutschland. Militärisch verfüge die Entente über zahlreiche Mittel, wozu sie möglicherweise greifen werde.

Paris, 12. Febr. Ministerp,äsident Clemen- ceau konnte nicht verhindern, daß am !0. Februar in einer informellen Zusammenkunft eine Art Ulti­matum gestellt wurde, daß ma" Paris einfach ver­lassen weide und die > Besprechungen anderswo atck neutralem Gebiet fortsetzen müsse, wenn Frankreich sich nicht in jeder Beziehung mäßige. Die Vera»- laffung zu diesem Konflikt war Frankreichs Wunsch, wonach England und Amerika, statt zu demobilisie­ren, kräftige Heere in Frankreich behalten solle»«, während Frankreich versuchen will, seine Industrie mit allen Kräften wieder aufzubauen, damit die deutsche Industrie für einen Konkurrenzkampf zu spät kommt. _ _

Aus S»«0l, S«sirk uns Umgebung

Neuenbürg, 12. Febr. Unter der Spitzmarke: So geht es nicht weiter" schreibt derEnzbote" in Vaihingen: Vom Lande erhalten wir die folgende nur zu berechtigte Klage: In Kreisen der Land»irt« fragt man sich immer mehr und mehr, was fär Auen Zweck hat überhaupt unser gegenwärtiges Militär? Man kann es nicht verstehen, daß die Bauernsöhne in den Garnisonen zurückbehalteu werden, militärisch wird da fast nichts geleistet mid

Iugendmutes gegen diesen Zwang des Verzichie»- müssens; er der ültere Mann hatte sch»« auf gar manches verzichtet.

Man lernt schließlich viel ertragen.

Hier aber, wo noch der Duft, die feine reiz­volle Art dieser Frau wie in tausend seine» Wellen durch den Raum fluiete, hier trank er sich noch einmal satt an dem süßen, berauschende« GiftErinnerung".

Während er sorgsam, mit liebevollen HSn- den die in den Schubfächern befindlichen unzähli­gen Nüglichkeiten undSpielereien einer verwöhnte« Frau durchstoberte, war es ihm fast, als gleite sie noch einmal durch dieses Zimmer, in da«, nun schön die sinkende Sonne längere Schatte» warf: als stehe sie noch einmal neben ihm» lächelnd, verführerisch, lieblich trotz aller Uebev- triebenheiten ihres Wesens, die schließlich doch wurzelten in der ausgesprochen künstlerischen Ver­anlagung ihrer Persönlichkeit.

Der Körper der toten Frau war längst fort­gebracht, und bald mußte ihn die Erde decke«, aber ihr Eigenstes, ihre Seele, das ewig Leben­dige, das war hier bei ihm.

Hubinger schichtete Einschreibebücher, kleine Notizblocks, Briefe, einzelne Zettel auf eine« Haufen vor sich aur, doch war nichts von Belang zu finden; dann griff er zögernd nach einzelnen Päckchen, die mit farbigen Bändern umschnürt waren, Briefe von Menschen, mit denen sie ver­kehrt hatte interessante Leute, Künstlervolt. Ohne Skcupel mochte da mancher Kuß gegeben und genommen, aber ein festes, dauerndes Ver­hältnis schien nirgends angeknüpst worden z« sein; bei aller Leidenschaftlichkeit, bei dem starke» Temperamentsüberschuß schien di« schöne Schau» spielerin doch von einer sonderbaren inneren Kühte gewesen zu sein.

(Fortsetzung folgte