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somit kann ein jeder Käufer überzeugt sei», daß er in hiesiger Stadtgemeinde einen guten, und wenn einigermaßen noch trockenes Wetter vorherrschend wird, einen Ausstichwein erhält. Außerdem wird hier schon seit einigen Jahren, unter fachmännischer Leitung, Reinhefe und Senkböden mit überzeugend gutem Erfolg angewendet.
Nord he im, 26. Sept. Auf dem freien Felde in der Nähe des Ortes hatte die hies. Gutsverwaltung 1200 Ztr. Stroh auf einem Haufen aufgeschichtet. In vergangener Nacht wurde dieser von böswilliger Hand angezündet und brannte vollständig nieder. Der Schaden beträgt 2000 er ist durch Versicherung gedeckt.
Binsdorf, 26. Sept. Die Gaben für die Abgebrannten an Geld fließen nicht so reichlich, wie seinerzeit für Jlsfeld. Einige ansehnliche Posten find allerdings bis jetzt eingegangen. So sandte Kommerzienrat Brougier, als Vorstand des Schwäbischen Albvereins München, 1000 Mark. Der „Schwarzwälder Bote" konnte bereits 3200 ^ abliefern. Auch das „Gmünder Tagblatt", die „Remszcitung", der „Tuttlinger Grenzbote", „Jpf- und Jagstzeitung", „Riedlinger Zeitung", lieferten Beiträge von 100 und mehr Mark; der Graf und die Gräfin von Königsegg gaben 400 Kommerzienrat Junghans-Schramberg überwies den bedürftigen Mitgliedern des Veteranenvereins 200 Mark. Die Geschwister Josefa und Luzian Stehle, gebürtig von Binsdorf, sandten 500 aus Zürich. Eine Hauskollekte in Balingen ergab über 600
Ulm, 27. Sept. (Kriegsgericht der 27 Division.) Vor einiger Zeit überfielen die schon im zweiten Jahre dienenden Musketiere Wörle I. und Kopf von der 12. Kompagnie des Jnf.-Reg. Nro. 120 den Rekruten Stiehle, weil er beim Hekttgehen etwas vor sich hin gesummt hatte, und prügelten ihn mit Klopfpeitschen gründlich durch. Der Angegriffene ließ sich das nicht gefallen, sondern schlug mit einer ihm gerade zur Hand liegenden Mühlschaufel um sich, dabei traf er den Wörl so an den Kopf, daß die Schädeldecke zertrümmert wurde und der Getroffene längere Zeit in Lebensgefahr schwebte. Nach seiner Genesung mußte er als dienstuntauglich erklärt werden. Gestern kam die Sache zur Verhandlung. Stiehle wurde freigesprochen, da angenommen wurde, daß er sich in Notwehr befunden habe. Wörle und Kopf erhielten je 7 Tage Mittelarrest.
Ulm, 27. Sept. Bei der gestrigen Häute- und Fellversteigerung, bei der lebhafte Nachfrage herrschte und der Verkauf rührig von statten ging, wurden losgeschlagen: 165 Ochsenhäute, 370 Farrenhäute, 290 Küh- und Kalbelhäute und und 1500 Kalbfelle. Es kosteten die Ochsenhäute 48'/-—49 A Farrenhäute 38—41'/, A Kühhäute 49—50'/. Kalbelhäute 50—50'/, A Kalbfelle ohne Kopf 87'/,—91'/,, mit Kopf 80 A per Pfd.
Ravensburg, 25. Sept. Heute nachmittag kurz vor 2 Uhr wurde unsere Stadt wiederum durch einen Brandunfall in Aufregung versetzt. Das Hotel „Lamm" wurde von dem Unglück be
troffen. Das Feuer brach in dem nach rückwärts gegen die Rosenstraße gelegenen Giebel aus. Dieser Giebel, sowie der darunter liegende Tanzsaal wurden vollständig zerstört. Die nach vorne gegen den sog. „Platz" gelegenen Fremdenzimmer und Wirtschaftsräume wurden nicht berührt, so daß der Betrieb des Hotels keine Unterbrechung erleidet. Während noch die Feuerwehr mit Löschen beschäftigt war, wurde in einem Fremdenzimmer, ganz entfernt vom Herd des Feuers, nochmals Feuer entdeckt. Ein Zusammenhang ist nicht ersichtlich, daher wird Brandstiftung vermutet. Der Besitzer, Eduard Möhrlin, der gerade heute feine Verlobung feierte, ist versichert.
Dresden, 26. Sept. Die Besserung im Befinden des Königs hält an. Gestern nachmittag konnte der König bereits wieder an der Familientafel teilnehmen. Die Schwäche ist allerdings noch groß.
Aschersleben, 27. Sept. Im Soolbad Aschersleben fand gestern eine Kessel-Explosion statt. Der Besitzer des Bades, Bode, erlitt so schwere Wunden, daß er auf dem Transport nach dem Krankenhause verstarb. Der Heizer erlitt gleichfalls schwere Verletzungen.
Wien, 26. Sept. Zu der Affäre der Prinzessin Luise erfährt das „Fremdenblatt", daß Prinz Philipp von Koburg entschlossen sei, zur Abwehr der von der Gräfin Lonyay abgegebenen Erklärung entsprechende Schritte zu tun. Eine diesbezügliche Erklärung seinersets stehe nahe bevor.
Wien, 27. Sept. Der Anwalt des Prinzen von Koburg, Regierungsrat Bachrach, versendet an die Blätter ein Kommunique, worin er erklärt, Prinz Philipp habe bis in die letzten Tage in den besten Beziehungen zu seiner Schwägerin Gräfin Lonyay gestanden und es sei der Gräfin stets unbenommen geblieben, mit ihrer Schwester und deren Aerzten zu verkehren. Der Prinz habe sie nie davon abgehalten. Sie habe aber im Gegensatz zu anderen Angehörigen nie davon Gebrauch gemacht. Der Prinz habe ihr auch stets alle Nachrichten über das Befinden der Prinzessin bekannt gegeben. Seine Schilderungen seien nie derart gewesen, wie sie jetzt in den Blättern veröffentlicht werden. Nunmehr nach dem Telegramm behalte sich der Prinz allerdings seine Stellungnahme vor. Es verlautet, daß Kaiser Franz Josef die Gräfin Lonyay nicht in Audienz empfangen hat und ihr auch keinen Besuch machen werde, was er sonst stets bei ihrer Anwesenheit in Wien tat.
Mailand, 26. Sept. Wie hies. Zeitungen berichten, ist im Innern des Simplon-Tunnels ein anarchi st ischer Anschlag versucht worden. Der Lokomotivführer eines dicht gefüllten Arbeiterzuges entdeckte glücklicherweise rechtzeitig, daß auf dem Geleise starke Eisenbahnschienen lagen, die offenbar in verbrecherischer Absicht dorthin gebracht wurden. Vier anarchistische Arbeiter sind nach Entdeckung des Anschlages in die Schweiz entflohen.
Neapel, 26. Sept. Die Tätigkeit des Vesuv nimmt immer noch zu.' Die obere Station der Zahnradbahn ist zerstört. Ein Felsblock von 118 Tonnen Gewicht wurde in die Luft gesprengt. In 13 Stunden wurden 1844 Explosionen verzeichnet.
Am j«MW-niUche« Krieg.
Petersburg, 27. Sept. Beim Generalstabe eingetroffene Meldungen besagen, daß der am Freitag stattgefundene Angriff der Japaner auf Port Arthur unter schweren Verlusten derselben glänzend zurückgewiesen wurde. Nicht ein einziges Fort sei den Japanern in die Hände gefallen. Ein gleicher Bericht ist dem Zaren von General Stöffel zugegangen.
Paris, 27. Sept. Dem New-Iork Herold gehen aus Tschifu Berichte über die in den letzten Tagen bei Port Arthur stattgehabten Kämpfe zu. Darnach sollen die Japaner drei Hauptforts und sechs Nebenforts eingenommen haben. Die Japaner hätten 9000 Mann verloren, die Russen 1800 Mann und 45 Geschütze. Das Blatt giebt jedoch zu, daß die bisherigen Meldungen aus dieser Quelle wenig zuverlässig gewesen seien. Das Blatt berichtet weiter, Admiral Wirren beabsichtige, Port Arthur mit den Ueberresten seiner Flotte zu verlassen. — Ein zweiter französischer Dampfer hat die japanische Blokade durchbrochen und konnte der Festung Munition und Lebensmittel zuführen.
Tschifu, 26. Sept. Einzelheiten über die letzten Kämpfe um Port Arthur berichten, daß der Sturm auf diese Festung, der am 19. ds. begann, 50,Stunden gedauert hat. Drei russische Stellungen sowie sechs Forts wurden von den Japanern eingenommen. Am 26. Mittags begann eine heftige Beschießung auf die rechte Flanke der Russen. Die japanischen Truppen drangen gegen die rechte Flanke östlich der Eisenbahn vor. Das Fort Tschantschijen wurde nach heftigem Wiederstande eingenommen, da die Besatzung desselben nur unbedeutend war. Die Artillerie des Forts Kuropatkin beschoß die Japaner heftig. Trotzdem gingen die Japaner zum Sturm über und nahmen das Fort, welches nordöstlich vom Exerzierplatz gelegen ist. Auch die Stellung bekannt unter dem Namen Niedriger Hügel, welche bestimmt war, den Wasser-Zufluß für die Russen zu sichern, wurde von den Japanern im Sturm genommen. Das Fort Erlantschan, welches gegen die japanischen Angriffe gesicherter war, als die andern, ist gleichfalls genommen worden. Nachmittags bemächtigten sich die Japaner eines neuen Forts, welches etwas tiefer gelegen war. Während der Nacht wurde die Beschießung der russischen Stellungen fortgesetzt. Als der russische Wiederstand etwas nachließ, gingen die Japaner zum Sturm über und machten verzweifelte Anstrengungen, um den niedrigen Hügel zu erreichen. Sie schnitten den massenhaft gelegten Stacheldraht durch und drangen in das Fort ein, welches die Russen trotz ihrer Uebermacht aufgeben mußten. Die gesamte Besatzung des Forts ist entweder tot oder verwundet.
von übergroßer Zärtlichkeit bemerkt man auch im intimsten Familienkreis von deiner Seite wenig genug."
Sidonie stand auf.
„Wir wollen nicht darüber streiten, Edmund, das muß jeder mit sich selbst abmachen", sagte sie kühl.
Auch Edmund hatte sich erhoben; denn zwischen den Portieren erschien in diesem Augenblick Dorothees schmächtige Gestalt. Bei Edmunds Anblick ging ein flüchtiges Erröten über ihr bleiches, schmales Antlitz und die langen Wimpern verschleierten die dunklen Augensterne. In seinem männlich schönen Antlitz leuchtete es auf von Siegesbewußtsein. Er wußte es genau, dies zarte Mädchen gehörte ihm längst mir jedem Gedanken, jedem Herzschlag, und wenn er wollte, mit seinem ganzen Sein, mit Leib und Leben» sobald er nur das „erlösende" Wort sprach.
Mit ein paar Schritten war er an Dorothees Seite, und als sie ihm das schmale Händchen reichte, führte er es galant an seine Lippen und küßte es einmal, zweimal; die kleine Dorothee zitterte und ein unbeschreibliches, seliges Gefühl ließ ihr junges Herz rascher schlagen.
Edmund von Maxwell war so schön, so vornehm, so elegant, alle Frauen und Mädchen bewunderten ihn, und er hatte nur Augen, nur Aufmerksamkeiten und Freundlichkeiten für sie, die Jüngste, die Unscheinbarste. Sie wagte es ja gar nicht zu denken, sie wagte nicht, an ein solches Glück zu glauben.
Als er jetzt ihre Hand festhielt und sie zum Kamin führte, ließ sie es ruhig geschehen; es war ein so schönes, beglückendes Gefühl für sie, sich führen, für sich sorgen zu lassen; er drückte sie sanft in einen Sessel, schob ihr ein Kiffen
hin, und als sie ihre Füße darauf setzte, bemerkte er, daß sie schmal und klein waren.
„Doch etwas", dachte er und hängte den Lampenschirm so, daß die Flamme sie nicht blendete. Dann setzte er sich ihr gegenüber auf denselben Stuhl, den er vorhin inne gehabt hatte.
„Willst du Dorothee ein halbes Stündchen Gesellschaft leisten, Edmund?" fragte Sidonie. „Ich habe ein paar notwendige Familienbriefe zu schreiben, und mein Mann ist ärgerlich, wenn ich sie heute noch nicht erledigt habe; es sollte schon vor Tagen geschehen."
„Wenn Fräulein Stoltenberg mit meiner Gesellschaft zufrieden ist?"
Seine blauen Augen blitzten sie an, kühn, feurig, bezaubernd. Dorothee brachte nichts hervor, als ein schüchternes: „Aber gewiß, Herr von Maxwell."
DaS genügte Sidonie; sie nickte Beiden lächelnd zu, ging nebenan in ihr Boudoir und ließ die schweren Seidenvorhänge hinter sich zusammenfallen.
Sekundenlang war cs ganz still in dem schönen, wohnlichen Raum, wo sich die beiden jungen Menschenkinder gegenüber saßen. Dorothee fühlte die blauen Auzen auf sich ruhen, und dies Gefühl hielt sie wie mit einem Bann umfangen, von dem sie sich nicht frei machen konnte, und der ihre junge Seele mit einer ahnungsvollen Glückseligkeit und einer ängstlichen Scheu erfüllte.
'Mvxwell beobachtete sie, wie der Sieger sein Opfer beobachtet; er wußte, daß sie ihn liebte, aber von den zarten, geheimnisvollen Regungen ihres reinen Herzens ahnte er nichts, er glaubte nicht einmal an eine solche Liebe, wie Dorothee Stoltenberg sie hegte; denn er hatte sie nie kennen gelernt. Alle seine zahlreichen galanten Abenteuer hatten mit einem solchen Fühlen nichts zu tun. (Forts, folgt.)