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fügung gestellt. Die Militärverwaltung stellt in entgegenkommender Weise Zelte; die Stadtgemeinde Stuttgart hat zwei transportable Baracken, der Landesverein vom Roten Kreuz eine Baracke nach Jlsfeld abgehen lassen. Der Oberamtmann Zimmer- mcmn von Besigheim hat Anweisung erhalten, seine amtliche Tätigkeit vorerst ausschließlich auf das Rettungswerk zu konzentrieren. Der König, der bereits gestern durch ein Beileidstelegramm an Ministerialrat Scharpff seine Teilnahme an dem Unglück bezeugt, traf Samstag vormittag um 11.40 mittels Extrazuges von Friedrichshafen her in Jlsfeld ein und ließ sich von Oberamtmann Zimmermann und Schultheiß Theurer durch die Trümmerstätte führen. Er hat zur Linderung der größten Not vorläufig 1000 dem Hilfskomite überwiesen. Die Königin und Herzog Albrecht haben je 500 überwiesen. Die Errichtung von Baracken wird in die Wege geleitet. Das städtische Hochbauamt in Heilbronn hat hiezu bereits Beamte an Ort und Stelle entsandt. Nach vorläufiger Schätzung müssen immerhin für 100 obdachlose Familien Baracken erstellt werden. Die private Wohltätigkeit findet ein sehr reiches Feld der Betätigung. Wie uns mitgeleilt wird, sind 15 Familien überhaupt nicht versichert, zahlreiche Familien nur ganz ungenügend. In dieser dringenden Not wird sich der Opfersinn der württ. Bevölkerung glänzend betätigen. Jede Gabe ist willkommen; ein jeder hat die moralische Pflicht, so großes Elend nach seinen Kräften zu lindern. An der rauchenden Trümmerstätte Jlsfelds erhebt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, in ähnlicher Weise, wie man die Gebäudebrandversicherung obligatorisch eingeführt hat, auch die Mobiliarversicherung zu einer zwangsweisen zu machen. Dann wäre wenigstens ein so enormer Schaden, wie er hier wieder entstanden ist, für die Zukunft in ähnlichen Fällen, vor denen unser Land bewahrt bleiben möge, nicht mehr zu befürchten.
Heidelberg, 4. Aug. Hier hat sich ein „Bund gegen den Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses" gebildet, der, wie es in seinem Aufrufe heißt, den Protest des ganzen Reiches in sich vereinigen soll. Den engeren Ausschuß bilden Geh. Hofrat Prof. Dr. Thode, Heildelberg, Prof. Suttner, Mainz, Prof. Trübner, Karlsruhe, Dr. Mamroth, Frankfurt, Prof. Manchot, Frankfurt. Der Aufruf gipfelt in dem Satz: „Wir erheben den Ruf: unter keiner Bedingung und in keinem Teile eine Erneuerung des Schlosses, lieber dessen allmählicher Verfall!" Der weitere Ausschuß setzt sich aus etwa 100 Herren aus ganz Deutschland zusammen.
Aus dem Bühlertal, 4. Aug. Ein ernst- heiterer Fall ereignete sich am letzten Sonntag im Hinteren Bühlertal. Kommt da eine heitere Gesellschaft in modernem Automobil daher, Männlein und Weiblein; anscheinend wollten sie die Hundseck oder den Wiedenfelsen erstürmen, doch es blieb beim guten Wollen, denn in der Nähe des „Hotel
Schindelpeter" erhielt die mitfahrende Ehefrau eines der Insassen Besuch vom Klapperstorch und brachte in aller Kürze ein allerliebstes Kind zur Welt. Das Töff-Töff als Geburtsstätte! Es ist erreicht!
Berlin, 6. Aug. Zu dem Attentat auf den Minister Plehwe werden jetzt erst genauere Einzelheiten bekannt, die die russische Zensur verschleiert hat und nicht durchließ. Der Petersburger Korrespondent eines auswärtigen Blattes reiste extra zur Veröffentlichung dieser Einzelheiten hierher- Darnach fanden bei der Katastrophe tatsächlich 20 Personen den Tod, über 100 Personen wurden verwundet. Unter den Toten befanden sich zwei Soldaten, mehrere Kutscher und einige unbekannte Personen. Das Attentat soll nicht von einer, sondern von vier Personen verübt worden sein, von denen drei bei der Explosion ums Leben kamen.
Berlin, 6. Aug. In Kreisen der hiesigen japanischen Gesandtschaft äußert man dem Berliner Tageblatt zufolge große Befriedigung über den bisherigen Verlauf des Krieges und ist voller Zuversicht bezüglich der weiteren Gestaltung desselben. Es wird bekannt, daß die Japaner auf alle Eventualitäten vorbereitet seien und daß der Kricgsplan in einer Weise entworfen sei, die Ueberraschungen aus- schließt.
Berlin, 6. August. Wegen Mißhandlung eines Kanoniers, wurden, wie der Volkszeitung aus Metz gemeldet wird, zwei ehemalige Kanoniere des Feldartillerie-Regiments 33 in Mon- tigny von der Metzer Strafkammer zu 9 bezw. 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Mißhandlung geschah mittelst Fahrerpeitsche und hatte erhebliche Nachteile für den Mißhandelten zur Folge.
Kiel, 6. Aug. Das hiesige Kriegsgericht verurteilte den ersten Offizier des Artillerie-Schulschiffes „Karola", Kapitänleutnant Engelhard, wegen Mißhandlung des Matrosen Schorkopf zu 8 Tagen Kammerarrest. Er hatte bei einem Nachtmanöver einem Untergebenen einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Die Oeffentlichkeit wurde teilweise ausgeschlossen.
Kiel, 6. Aug. Der Aviso Blitz hat das durch Kollision mit dem Odin schwer beschädigte Torpedoboot „8 98" in den hiesigen Hafen eingeschleppt. Dir Ueberführung, die 10 Tage dauerte, war sehr schwierig, da das Boot in der Nordsee zu versinken drohte. Die Dauer der Reparatur ist noch unbestimmt.
Wilhelmshaven, 6. Aug. Der Lloyddampfer „Schleswig", der am 15. August hier eintrifft, überbringt einen Transport erholungsbedürftiger Offiziere und Mannschaften aus Süd west - afrika. Es sind 6 Offiziere und 148 Mann an Bord.
Kuttenberg (Böhmen), 6. Aug. Die Ortschaft Krikwitz ist vollständig niedergebrannt. Vier Personen fanden den Tod in den Flammen.
Aus Böhmen, 4. Aug. Bei der Brandkatastrophe, der der deutsch-böhmische Ort Winterberg kürzlich zum Opfer fiel, sind 46 Wohnhäuser, die Nebengebäude nicht gerechnet, ein Raub der Flammen geworden, 231 Familien sind obdachlos; alles die Folge von unvorsichtigem Pfeifenrauchen im dürren Heu! Am Marktplatz sind das Rathaus und fast sämtliche Privathäuser niedergebrannt. Ein 90jähriger Taglöhner namens Robl, der seine ganze Familie verlor, kam um den Verstand. Mehrere Feuerwehrleute erlitten schwere Verletzungen.
Wien, 6. Aug. Aus Csacza im Fren- schiner Kommitat wird gemeldet: Gestern durchschritt ein Verwandter des früheren Kultusminister Massivs, der einen Ausflug machte, nichtsahnend das Dorf. Bauern, die ihm begegneten, liefen durchs Dorf und schrieen, der Brandleger und Jude ist da. Mit Stöcken und Knüppeln überfielen nun die Bauern den Unglücklichen, schleiften ihn durch das Dorf und erschlugen ihn, obwohl er immerfort wiederholte, er sei kein Jude und er habe keinen Brand verursacht. Der schrecklich verstümmelte Leichnam wurde nach Csalna gebracht. Die Rädelsführer wurden verhaftet.
Lemberg, 6. Aug. Ein über ganz Rußland von der Zentrale der polnischen Sozialtsten- Partei verbreiteter Aufruf schließt mit den Worten: PlehweS Tod ist noch lange nicht das Ende des Zarates, sondern nur ein Dolchstich in seine Grundlagen. Nutzen wir die Gelegenheit aus und verstärken wir den Kampf. Wenn das Zarat in Trümmer geht, wenn die Fesseln des geknechteten Volkes gelöst sind, dann wird die Möglichkeit schwinden, daß solche PlehweS das große Wort führen. Weg mit dem Zarat, es lebe die Freiheit, es lebe das sozialistische Polen.
Paris, 6. Aug. Ein Herr Bareilher hatte dem Kaiser Wilhelm eine wertvolle Gemälde- und Gobelin-Sammlung vermacht. Der Kaiser lehnte das Vermächtnis ab, das nun dem Louvre und dem Gobelin-Museum zufällt, die der Erblasser als Erben bezeichnet hatte, falls der Kaiser die Erbschaft zurückweisen sollte.
Paris, 7. Aug. Wie man dem „Matin" aus Tientsin meldet, wurde der französische Konsularagent in Niutschwang Mittwoch Abend von den Japanern verhaftet. Der französische Agent hatte die Freilassung zweier ungerechtfertigterweise verhafteten Franzosen verlangt, was die Japaner verweigert hatten. Hierauf sei es zu einer lebhaften Auseinandersetzung gekommen, infolge- deren der Konsularagent wie auch die beiden Franzosen verhaftet wurden.
Paris,?. Aug. Wie das „Echo de Paris" aus Petersburg meldet, wurde die Identität des Urhebers des Attentats auf den Minister Plehwe bereits festgestellt und deshalb gestern zwei neue Verhaftungen vorgenommen.
Nachdruck »nbotm.
Heimchen am stemden Herd.
Roman von Hans Wachenhusrn.
(Fortsetzung.)
„Durch meine Mutter höre ich, daß auch Sie dem schon Worte gegeben) was eben nur ihr zu schreiben während meiner Abwesenheit ein Bedürfnis gewesen; ihr besorgtes Mutterherz hat das nicht verschweigen können, und so muß auch ick denn, um Ihnen nicht wie ein schüchterner Schulknabe zu erscheinen, es wagen. Ihnen auszudrücken, daß ich Sie mit meinem ganzen, vollen Herzen verehre. Diese Verehrung versagte es mir von Anfang an, das vertrauliche Du Ihnen gegenüber zu wagen; heute würde es mir aber mehr Mut gegeben haben, ich würde Ihnen näher stehen, wenn ich Ihnen sagen könnte: Priska . . ."
Ein leichtes, nervöses Erbeben des Mädchens unterbrach ihn. Sie beherrschte sich indes und senkte die Augen. Die Farbe war aus ihren Wangen verschwunden, ihre ineinander gelegten Hände schlangen sich fester, ihre Brust hob sich beengt, nach Atem suchend.
Er sah kein günstiges Zeichen darin, sei» Auge haftete mit Bangen an ihren Zügen, bis sie endlich die nötige Fassung gewonnen hatten.
„Jobst," sagte sie mit bewegter Stimme, die ihm verriet, wie schwer sich die Worte des Mädchens aus der Brust loSrangen, „Sie wissen, wie aufrichtig ich Ihnen zugetan bin. und wissen also auch, wie schwer es mir wird, jetzt aufrichtig zu sein. Nie habe ich zu fragen gewagt, was Ihr Gemüt bedrückt. Ich, die ich, wie Ihnen bekannt, schon frühzeitig deS Lebens ganze Bitterkeit erfahren, aber als schwaches Geschöpf, fast ein Kind, noch nicht deS Lebens Mut verlor, ich hätte ihnen «inen Vorwurf aus Ihrer Gemütsstimmung machen dürfen und
tat es nicht, denn die Aufgabe des Mannes ist eS, jedem Schicksal zu trotzen, ihm aufrecht* die Stirn zu bieten, wenn er dasselbe nicht beugen kann. Mir ist der Frohsinn ein Bedürfnis, er war es schon in meines armen Vaters, meiner so unglücklichen Mutter Haus; ihn, den Vater, gÄWg es mir, oft aufzuraffen, wenn er rettungslos sein Ende kommen sah und sein der Verlassenheit preisgegebenes Kind mit feuchten Augen an sich drückte. Ueberlegen Sie also! In Ihnen die Lebensfreude wieder zu erwecken, würde ich zu schwach sein, und dadurch die eigene einbüßend, selbstverständlich unglücklich werden, wenn ich mein Element vermisse."
Ein Blick voll tiefen Schmerzes begegnete dem ihrigen, der tat auch ihr weh. Aber es war nun einmal ausgesprochen und dies erleichterte sie. —
„So bin ich also hoffnungslos?"
„Nein, Jobst, denn die Welt bietet Ihnen der Hoffnung und der Freude so viel, wenn Sie nur begehren . . . Daß ich's Ihnen aufrichtig bekenne, durch die Geschwätzigkeit Anderer mußte ich erst kürzlich erfahren, um was Sie trauern. Ist das aber so etwas Entsetzliches, kann es nicht jedem Mann von Ehre, namentlich in seiner Jugend widerfahren?"
Er starrte sie bleich und verstört an.
„Sie wissen, Priska?" fragte er mit blassen Lippen. „Aber Sie wissen noch nicht alles; Sie würden schonender zu mir sprechen, mich nicht so sehr als Schwächling verurteilen."
„Ich will Sie nicht auffordern, mir zu erzählen, den Schmerz in Ihne« nicht wieder . . ."
„Nein, Priska." Er richtete sich in seinem Sessel auf. „Wir sind allein; Sie sind ein weiches, mitfühlendes Herz. Mag sein, daß meine Gemütsveranlagung von Natur mich zum Ernst, zum Nachdenken zwingt, aber urteilen Sie selbst, wenn Sie gehört. Sie haben vielleicht bemerkt, daß ich, wenn ich mich