569
keit als Zeuge oder Sachverständiger und Ausstoßung aus dem Heere. Die Urteilsbegründung fand entgegen sonstiger Gepflogenheit öffentlich statt.
Köln a. Rh., 30. Juli. Einem 64jährigen Kassen boten wurden gestern nach vorausgegangener Anrempelung durch Taschendiebe 3500 gestohlen, die er kurz vorher auf der Reichsbank erhoben hatte.
Berlin, 29. Juli. Wie die deutsche Tageszeitung berichtigend mitteilt, soll die Abordnung der südwestafrikänischen Farmer nicht in Wilhelmshaven sondern Wilhelmshöhe vom Kaiser empfangen werden.
Berlin, 31. Juli. Der „Vorwärts" will wissen, daß die Verwaltung der Kaiserlichen Werft in Kiel beziehungsweise das Reichs-Marineamt in den letzten Tagen 8 15 em-Geschütze an die Schichau- Werft verkauft habe. In den Kreisen der Angestellten der Kaiserlichen Werft, soweit sie von diesem Handel wissen, herrscht darüber das größte Befremden, aber auch kein Zweifel, daß die Schichau-Werft blos eine Durchgangsstation für die Geschütze sei, welche für die russische Regierung, mit der die Schichau-Werft in geschäftlichen Beziehungen steht, bestimmt seien.
Paris, 30. Juli. Aus Petersburg wird berichtet: Die Polizei kennt die Kosten, welche dem sogenannten Kampf-Komite aus der 1902 begonnenen Arbeit an Plehwe's Befestigung erwuchsen. Sie belaufen sich auf 75 000 Rudel einschließlich der Errichtung des Etablissements zur Herstellung verbesserter Bomben. In einem geheimen Polizeibericht heißt es, daß diese Auslagen bis auf Kopeken genau verbucht seien, daß Unterschleife dieser Gemeinschaft niemals Vorkommen, im Gegenteil, jeder trachte von den bewilligten Reisespesen zu ersparen, damit der Fonds nicht geschwächt werde. — In Paris wird stark für den Justizminister Muraview als Nachfolger Plehwe's Stimmung gemacht. Man kann Muraview nicht vergessen, daß er als Mitglied des Haager Schiedsgerichtes in der Venezuela- Sache sich dem französischen Standpunkte, wenngleich erfolglos, geneigt erwies. Muraview würde der verläßlichen russischen Presse gewisse Freiheiten einräumen und auch tolerant gegen die fremden Presse sein. Justizminister bleibt Muraview keineswegs. Er wird aber nicht Plehwe's Nachfolger sondern bekommt voraussichtlich einen wichtigen diplomatischen Posten.
Paris, 31. Juli. Auf dem Wege zwischen Paris und Versailles stieß ein Automobil, in welchem sich die Prinzessin Murat mit ihrem Sohn befand, mit einem anderen Automobil zusammen. Die Insassen des Letzteren, zwei Engländerinnen und ein Herr wurden herausgeschleudert und schwer verletzt.
Paris, 31. Juli. Eine Feuersbrunst zerstörte in der letzten Nacht eine große Speditions- Niederlage. Nur mit großer Mühe gelang es, hundert Pferde aus dem Stalle zu retten, während 15 in den Flammen umkamen. Große Vorräte an Heu sind ein Raub der Flammen geworden. Um 3 Uhr morgens gelang eS, des Feuers Herr zu werden. Der Schaden beziffert sich auf circa eine Million Francs.
Wien, 30. Juli. Nach Krakauer Blättermeldungen bezeichnet ein in Petersburg massenhaft verbreitetes revolutionäres Flugblatt die Ermordung
Plehwes als einen Akt gerechter Notwehr gegenüber dem schmählichen Despotismus, dem ganz Rußland ausgesetzt ist. Die Geduld des russischen Volkes sei zu Ende und dem korrupten und gewalttätigem System, das Rußland zu Grunde richte, müsse um jeden Preis ein Ende gemacht werden.
Petersburg, 30. Juli. Der Mörder Plehwe's wurde aus dem Alexander-Hospital für Arbeiter nach der Untersuchungszelle überführt. Die Operation ist gelungen und sein Leben außer Gefahr. Er ist fieberfrei. Die erste Vernehmung hat nichts zu Tage gefördert. Der Mörder schweigt hartnäckig. Der Gardekapitän Zwetnitzi ist außer Lebensgefahr.
Petersburg, 30. Juli. Die Bestattung Plehwe's findet am Sonntag früh im Nowo- dewitschi-Klofter bei Petersburg statt. Plehwe's Gattin traf gestern aus der Sommerfrische in Petersburg ein. Sie erhielt ein längeres Beileids- Telegramm des Zaren. Der richtige Name des Attentäters ist noch nicht festgestellt.
Petersburg, 30. Juli. Eigentümlich ist die Stimmung in Petersburg. Nur wenigen flößt Plehwes Tod aufrichtiges ehrliches Mitgefühl ein. Sei es, daß die Attentate das Publikum bereits abgestumpft, sei es daß die 2 Jahre 3 Monate seiner Amtstätigkeit als Minister des Innern ihm unzählige Feinde geschaffen hat. Seine sprichwörtliche Strenge trug ihm endlosen Haß ein. Tie Affäre Kischincw ist nicht nur der jüdischen Bevölkerung sondern auch vielen gerecht denkenden Russen fürchterlich gewesen. Auch die Unzufriedenheit der Finländer ist stark mit dem Namen Plehwes verknüpft. Zu den Gegnern Plehwes zählen auch alle, die zur Presse gehören. Die Zensur waltet ihres Amtes mit nie dagewesener Strenge. Die Gefängnisse sind überfüllt mit intelligenten Männern und Frauen. Der geringste Verdacht führt schon dorthin.
Petersburg, 50. Juli. Im letzten Verhör erklärte der Mö r d er P lehw e's, er gehöre zu den terroristischen Revolutionären. Er habe der Anweisung des Komitös Folge geleistet, welches den Tod Plehwe's verfügt hatte. — Der Zar läßt sich von Zeit zu Zeit über den Zustand der bet dem Attentat verwundeten Personen Bericht erstatten. Eine 64jährige Frau und ein dreijähriges Kind ringen mit dem Tode. — Der Zar hat die Wohnung Plehwe's noch nicht ausgesucht, um die Kaiserin nicht zu beunruhigen.
London, 31. Juli. Vom Kriegsschauplatz liegen seit 48 Stunden keinerlei Nachrichten vor. Man schreibt dies dem Umstande zu, daß auf Seiten der Russen die Berichterstatter Befehl erhalten haben, die Front zu verlassen und andererseits die Japaner nur solche Depeschen durchlassen, welche über Tokio gehen und dort so zugcstutzt werden, daß sie ihren Zweck verfehlen. Daher unterlassen die Berichterstatter das Absenden von Depeschen. In hiesigen militärischen Kreisen glaubt man, daß es sich um die Stille vor dem Sturm handelt.
Okahandja, 30. Juli. Auch auf der Südwest- und Südseite zieht sich der Kreis um den Waterberg immer enger. Das 2. Feld-Regiment unter Oberst Deimling ist im Marsche über Omaruru hinaus, seine Spitze im Marsche auf Omusema Uarei. Die Abteilung Fiedler steht in Otjewarongo. Laut übereinstimmenden Meldungen der vorausgeschickten Patrouillen hält der Feind
seine alte Stellung am Waterbcrge besetzt. Das Oberkommando rückte dieser Tage zur Abteilung Müller vor. Stabsarzt Franz ist in Owikokorero am Typhus erkrankt. Gestern wurde bet Ueber- bringung der Post eine Bedeckungs-Kolonne im Dorea-Tal erschossen.
Vermischtes.
— Aus Frankfurt a. M. wird berichtet: Die Gesamtausgaben für das Gordon-Bennett- Rennen betragen 289 960 die Einnahmen 144 710 Der Garantiefonds von 180 700 wird mit 80 "/» herangezogen. Die Billetteinnahmen betragen 81466 Die Abrechnung ist nicht endgiltig, da noch Prozesse schweben.
— Zeitungsberichterstatter als Schnorrer. Vor einigen Wochen traf in Wilhelmshaven ein italienischer Zettungskorrespondent namens Jnnocenti Arnoldi ein, der sich auf einer Fußwanderung um die Erde befindet. Er ist angeblich von der italienischen „Tribuns", an der er bisher als Berichterstatter tätig war, für diese Wanderung gegen einen Gehalt von 10000 engagiert worden, und es muß im Dezember d. I. die sechsjährige Wanderung ihr Ende erreicht haben. In Wilhelmshaven mußte er seine Wanderung indessen unterbrechen, weil ihn die Polizei wegen wiederholter Zechprellerei verhaftete. — Auch zwei Belgier, Simo- nin und Bauwens, haben nach demselben Rezept gebrandschatzt. Den Weg aus ihrer Heimat bis an die deutsche Grenze legten sie für wenige Groschen mit der Bahn zurück, dann aber wurde die Weiterreise auf Schusters Rappen fortgesetzt. Die beiden Weltbummler verlegten sich aus das Betteln. Sie stellten sich gleich der Polizeibehörde der ersten deutschen Grenzstadt, erklärten hier, sie hätten mit einem Weltblatt einen „Vertrag" abgeschlossen, nach dem sie sich verpflichtet hätten, ohne einen Pfennig Geld die Welt zu durchreisen. Um nun nicht als Bettler gefaßt zu werden, bäten sie um polizeiliche Bescheinigung, die sie auch als Beweismittel für das Weltblatt brauchten, mit dem der Vertrag geschlossen sei. Die Polizei stellte seltsamerweise die Bescheinigung aus und so ging monatelang alles nach Wunsch, bis die beiden nach Schlesien kamen. Die Leobschützer Polizei betrachtete die beiden Weltbummler als gewöhnliche Bettler und Landstreicher, ja noch viel gefährlicher als diese, indem sie nicht nur auf die Mildtätigkeit, sondern auch auf die Dummheit der Leute spekulierten. Im Laufe der Untersuchung stellte es sich heraus, daß die beiden von ihrem erbettelten Gelde sogar größere Beträge an ihre Verwandten in Belgien geschickt hatten. Die Strafkammer verurteilte Simonin wegen der Urkundenfälschung zu einem Monat Gefängnis und beide Angeklagte wegen Betteins und Londstreicheus zu je fünf Wochen Haft und Ueberweisung an die Landespolizeibehörde. Hoffentlich wird jetzt jede deutsche Polizeibehörde ähnlich mit derartigen Tagedieben verfahren.
H u m o r i st i s ch e s.
Vorsichtig. Fremder: Nein, so eine unverschämte Rechnung ist mir doch noch nicht vorgekommen! Wo ist der Wirt?" Kellner: „Ausgegangen!" — „Wann kommt er denn wieder?" — „Wenn Sie fort sind!"
Unverhoffte Wirkung. (Frau, die ihrem Dienstmädchen ein Theaterbillet geschenkt hat): „Nun wie hat Ihnen denn das Lustspiel gefallen, Alma?" — Alma: „O, sehr gut, Madame! Sie hätten nur die Antworten hören sollen, die ein Dienstmädchen ihrer Herrschaft gegeben!"
Primt-Aryeigeu.
Bezirkskrankenkasse Calw.
Die Arbeitgeber werden daran erinnert, daß verspätete Anmeldungen von Arbeitern (spätestens am 3. Tage nach dem Beginn der Beschäftigung) strafbar sind und überdies im Krankheitsfalle zum Ersatz sämtlicher Kosten an die Kasse verpflichten. Ebenso sind verspätete Abmeldungen neben der Verpflichtung zur Fortzahlung der Beiträge mit Strafe bedroht.
Die Kaffenmitglieder und deren Angehörige werden darauf aufmerksam gemacht, daß Erkrankungen und Wiedergenesungen je innerhalb 3 Tagen bei der Ortsbehörde oder der Hauptkasse anzumelden sind; Unterlassungen müssen aus Kontrolle-Rücksichten von der Kasse mit Ordnungsstrafen geahndet werden.
Die Kassenverwaltung.
Mittwoch um 9 Uhr in der Stadtkirche zu Lievenzell.
ls Landhonig
la. Weingeist !>>»> »»sitze«
so lange Vorrat billigst bei
Georg Krimmei'S Wwe.
Dlah-Aröeiter
Gesuch.
Zwei im Holzpoltern gewandte, zum sofortigen Eintritt bei hohem Lohn.
Gebr. Burkhard, Sägewerk, Unterreichenbach.
Gesucht für sofort nach Teinach zu einer Herrschaft im Badhotel für zwei Kinder von 4 und 9 Jahren ein zuverlässiges
Mädchen.
Eventuell nach 4 Wochen könnte das Mädchen die Zimmermädchenstelle in Stuttgart übernehmen. Anträge mit Zeugnisabschriften an Badhotet Teinach, Zimmer Nr. 19.
Feinsten garant. reinen
KliiteulMig
das Pfund 1.—, empfiehlt
II. Otto Vinyoi».