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Versammlung der Studentenschaft gegen den geplanten Wiederaufbau des Schlosses statt. Der Kunsthistoriker Professer Thode legte ^die Gründe für die Erhaltung des gegenwärtigen Bestandes dar und protestierte gegen die Fälschung der Ruine und die Schädigung der Stadt Heidelberg. Die Protestresolution wurde einstimmig angenommen.
Liptingen, 21. Juli. Das allein in der Wohnung des Landwirts Johann Baptist Renner befindliche 1'/« Jahre alte Kind zündete mittelst Streichhölzern sein Bettchen an. Das Feuer wurde durch Nachbarn erstickt. Das Kind zog sich jedoch so starke Brandwunden zu, daß es nach einer Stunde starb.
Lin gen (Hannover), 20. Juli. Ein bei Lohne ausgebrochener Brand, dem bereis Haide, Moor, fertiggestellter Torf und Forsten zum Opfer gefallen find, hat seit gestern mittag noch größere Ausdehnung angenommen. Alle Löschversuche der von der Eisenbahnwerkstätte abgcsandten Arbeiterkolonne waren bisher vergeblich. Das Feuer ist bereits auf den Ems-Fechtekanal übergesprungen, da die Windrichtung sich geändert hat. Die ausgedörrten Altendorfer Gemeindeforsten find unrettbar verloren. Die Ausdehnung des Brandes ist jetzt so groß, daß nur noch anhaltender Regen löschen kann.
Berlin, 20. Juli. Die Waldbrände in den Forsten um Berlin dauern beunruhigenderweise fort. In den letzten Tagen ist besonders stark der Grunewald vom Feuer heimgesucht worden. Es hat, soweit bisher festgestellt ist, seit Sonnabend voriger Woche an 6 verschiedenen Stellen gebrannt.
Berlin, 20. Juli. Außer dem Transport vom 6. August gehen am 20. August eine Kompagnie und 2 Batterien nach Deutsch-Südwestafrika ob. Am 23. August werden 2 Kompagnien folgen und später noch weitere Eisenbahntruppen. Diese Verstärkungen gehen über das hinaus, was General v. Trotha gefordet hat. Zum Teil werden die neuen Truppen und Pferde auch zum Ersatz für die eingetretenen Abgänge dienen.
Berlin, 21. Juli. Nach der in englischen Kreisen herrschenden Auffassung will General von Trotha die Ankunft der Anfangs August abgehenden beiden Haubitzen-Batterien abwarten, ehe er einen entscheidenden Angriff macht. Voraussetzung dabei ist allerdings, daß die Hauptmacht der Hereros vom Waterberge aus nicht schon vorher in nordöstlicher Richtung zu entweichen sucht, was nicht ausgeschlossen erscheint.
— Das „Deutsche Kolonialblatt" gibt eine Ueberficht über die bis zum 7. Juni nach Südwest a f r i k a gesandten Transporte und die bis zum 19. Juni bekannt gewordenen Verluste. Danach waren entsandt worden 211 Offiziere, 51 Sanitätsoffiziere, 64 Militärbeamte, 4965 Unteroffiziere und Mannschaften, 32 Feldgeschütze, 12 Munitionswagen, 3320 Pferde aus Ostpreußen, Posen und Schlesien. Ferner wurden eingeführt aus der Kapkolonie 1310 Pferde und 420 Maultiere, aus Argentinien 547 Pferde und 253 Maultiere. Von der Schutztruppe für Kamerun wurden nach Südwestafrika abgegeben 4 Unteroffiziere, 1 Sanitäts-Unteroffizier, 2 Feldgeschütze, 1 Maschinengewehr. Ferner wurden außer dem den Transporten mitgegebenen Artilleriematerial u. s. w. abgesandt 6 Feldgeschütze, 1 Maschinenkanone, 6 Maschinengewehre. — Der Gesamtverlust bis zum 19. Juni betrug 428 Mann, darunter 32 Offiziere. Gefallen sind 129 Mann, darunter 14 Offiziere, verwundet 121, darunter 14 Offiziere, an Wunden gestorben 9 Mann, darunter 3 Offiziere, an Krankheiten 48, darunter 1 Offizier. Vermißt und ermordet etwa 121. — Die neueste, bis 8. Juli reichende Verlustliste ergibt wieder 9 Tote, darunter 7 an Typhus Gestorbene.
Berlin, 21. Juli. Eine materielle Antwort der russischen Regierung auf die deutsche Beschwerde wegen der Beschlagnahme deutscher Postsäcke durch einen russischen Hilfskreuzer liegt noch nicht vor. Gegenüber den Angaben, wonach die deutsche Regierung es an der erforderlichen Schleunigkeit habe fehlen lassen, muß darauf hingewiesen werden, daß die deutsche Regierung der englischen mit ihrer Beschwerde zuvorgekommen ist.
Kiel, 21.Juli, lieberdieKaiser-Manöver berichten die Kieler Neuesten Nachrichten: An der
Parade des 9. Armeekorps vor dem Kaiser bei Altona am 5. und 6. September wird auch das Landungskorps der Schlachtflotte teilnehmen. Am 7. September fährt der Kaiser zur Flotte und nimmt die Flottenparade ab. Am 8. und 9. September finden die Flotten-Manöver statt, am 10. und 11. die Besprechung der Flotten-Manöver und die Fahrt des Kaisers nach Kiel. Am 12. September begibt sich der Kaiser nach dem Manöver-Hauptquartier, dann erfolgen vom 13. bis 15. September die Feldmanöver des Gardekorps und des 9. Armeekorps unter Beteiligung der Schlachtflotte.
Paris, 20. Juli. Auf einer belebten Straße feuerte der 70jährige amerikanische Oberst Wilson einen Schuß gegen die 24jährige, in einer vornehmen Familie beschäftigte Gouvernante Charlotte Murrmann aus Baden-Baden. Die Tat geschah, weil sie feine Liebesanträge zurückgewiefen hatte. Wilson brachte sich dann selbst eine tätliche Verletzung bei. Fräulein Murrmann befindet sich in häuslicher Pflege.
Wien, 21. Juli. In hiesigen Hofkreisen verlautet, daß König Eduard nach Schluß des Parlaments, Mine August nach Marienbad kommen und Kaiser Franz Josef ihn am 28. August daselbst besuchen werde. Der Kaiser wird sich alsdann von Marienbad direkt zu den böhmischen Manövern begeben.
Wien, 21. Juli. Einer Depesche aus Belgrad zufolge wurden dort gestern sämtliche Gegenstände des Zimmers, worin der König Alexander und die Königin Draga ermordet wurden, darunter viele Kleidungsstücke Dragas, verbrannt. Die Verbrennung erfolgte in Anwesenheit des Intendanten des Königs Peter und des Stadtpräfekten.
London, 20. Juli. Es verlautet, im gestrigen Ministerrat bildete die Beschlagnahme britischer Schiffe im Roten Meere durch russische Hilfskreuzer den Hauptgegenstand der Erörterungen. Es wurde beschlossen, sofort einen energischen Protest an die russische Regierung zu richten, worin ausgeführt wird, daß England entschlossen sei, die Beschlagnahme britischer Schiffe ferner nicht zu dulden. Ferner wurde beschlossen, Schritte zu ergreifen, die Rußland entweder veranlassen würden, unverzüglich Genugtuung und Schadloshaltung zu gewähren oder die Folgen zu gewärtigen. Gleichzeitig wurde nach einem Meinungsaustausch mit der Admiralität beschlossen, das Pro gramm der Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Ausschreitungen russischer Kreuzer im Roten Meere auszuarbeiten und das Vorgehen der Pforte, die den Schiffen der Freiwilligen Flotte die Durchfahrt durch die Dardanellen gestattete, zum Gegenstände kräftiger Vorstellungen in Konstantinopel zu machen.
vom jaMsch-rnlWk» Krieg.
Paris, 21. Juli. Am Montag morgen erhielt nach einer Herald-Meldung Kuropatkin die sichere Kundschaft, daß Kuroki mit mehreren Divisionen und einer großen Anzahl Geschütze von Saimatse in der Richtung auf Liaoyang marschiere. Kuropatkin sandte seine Kerntruppen mit allen verfügbaren Geschützen den anrückenden Japanern entgegen. Mittags kam es zum ersten Treffen. Man kämpfte mit geringen Unterbrechungen bis zum Dienstag Abend. Die beiderseitigen Verluste sind noch nicht bekannt, aber sehr bedeutend, lieber den Ausgang der Gefechte verlautet noch nichts sicheres. Keinesfalls scheint es gelungen zu sein, Kuropatkin den Rückzug nach Mulden abzuschneiden. Man vermutet, daß gestern noch um das stark befestigte Liaoyang gekämpft wurde.
Rom, 21. Juli. Wie Privatmeldungen aus Tokio besagen, ist der Hauptsturm der Japaner auf Port Arthur durch die Verletzung des Generals Nodzu, welcher am 12. ds. infolge Sturzes mit dem Pferde einen Armbruch erlitt, verzögert worden. Der General ist nunmehr jedoch soweit wieder hergestellt, daß er das Kommando hat wieder übernehmen können und man erwartet daher den endgültigen Sturm auf Port Arthur Ende dieser Woche.
Tokio, 20. Juli. Nach hier eingetroffenen Meldungen griffen 10 000 Japaner 5000 Russen an, welche 15 Km vor Taschitschiao sich ans den Anhöhen festgesetzt hatten. Der Kampf dauerte von 4 Uhr früh bis 1 Uhr mittags. Die Russen
erhielten zwar Verstärkungen, wurden aber schließlich aus ihren Stellungen vertrieben.
Tokio, 21. Juli. Der Dampfer „Kakascha Maru" ist in Muraran eingetroffen, nachdem er vom Wladiwostokgeschwader untersucht worden war. Die russische Wladiwostokflotte fährt mit Volldampf in südöstlicher Richtung weiter, als wolle sie sich nach Saigon begeben. Indessen glaub: man, daß es sich um eine Kriegslist handelt, um die Japaner irre zu führen.
Vermischtes.
— Die „Wunderkuren" des Zimmermanns Bering aus dem Berliner Vorort Friedrichsberg brachten ihm 3 Monate Gefängnis wegen Betrugs und Gewerbevergehens ein. Die „Wunderkuren Berings" sind zahlreich. Einer fast gelähmten Frau gab er eine goldgelbe, honigähnliche Flüssigkeit und erklärte, diese sei aus 32 Kräutern bereitet und werde ihr sicher helfen, wenn sie morgens und abends je einen Teelöffel voll, in Milch aufgelöst, einnehme. Die Frau bezahlre mit Freuden die verlangten 7 50 fand aber schließlich, daß das Mittel nichts half. Dies war auch bei den übrigen unter Anklage stehenden Fällen so. Einem hochgradig Lungenkranken trat Bering als „Doktor" gegenüber, setzte eine höchst wichtige Miene auf, klopfte an dem Patienten herum und erklärte, daß „sein Rücken vergiftet" sei infolge genossener Speisen. Auch hier gelang es dem Angeklagten, sein „Medikament" für 15 an den Mann zu bringen. Auch bei dem Invaliden Sch., dem Manne, der vollständig gelähmt ist und in den Gertchrssaal getragen werden mußte, gab sich der Angeklagte als „Doktor" aus und versprach in 6 Wochen Heilung. Auf den Zweifel des Patienten erklärte der Angeklagte prompt: „Er müsse häufig vor Gericht als medizinischer Sachverständiger erscheinen. Wenn er etwas verordne, so frage er vorher immer erst seinen Freund den Professor Bergmann (den berühmten Chirurgen)." Dieser Patient hatte für das Medikament 5 und außerdem für eine Einreibung 2 zu bezahlen. Das „Allheilmittel" des Zimmermanns Bering besteht nach Auskunft des chemischen Sachverständigen aus Kunsthonig, versetzt mit Fenchel und Anis, und hat etwa einen Wert von 40 A für das Pfund.
Mtterarisches.
Mit einem Artikel über „Ile K«1michel«»g der deutsche« Kriegsflotte »nd die Forschlüge des Deutsche« Akotteu-Fereins" wird das soeben ausgegebene Juli- Heft der „Akotle", Monatsblatt des Deutschen Flotten- Vereins, emgeleitet. Es heißt darin: „Die Schwächen des Gesetzes lagen darin, daß es auf zu lange Sicht aufgebaut war, einen 17jährigen Frieden vorausgesetzt, und daß eine ganze Zahl damals bereits rückständiger Schiffe auf Jahre hinaus als vollwertig angesehen wurde." Nachdem dann auf die weitaus größeren Fortschritte der übrigen Staaten in ihren Rüstungen zur See, als 1900 angenommen werden konnte, ferner auf das Anwachsen unseres Außenhandels und unserer Handelsflotte, sowie der Bevölkerung des Deutschen Reiches hingewiesen ist, wild gesagt: „Das Flottengesetz 1900 hat seinen Zweck nicht erfüllt. Unsere Rüstung zur See — in dem jetzigen Bestände wie in der vorgesehenen Entwicklung — steht weder im richtigen Verhältnis zu unserem Außenhandel und zu unserer Handelsflotte, noch macht sie Deutschland zur See zu einem gesuchten Bundesgenossen. Deshalb — und hierin liegt der springende Punkt und die Berechtigung unseres Vorgehens — muß das Gesetz revidiert werden." Sodann geht der Artikel auf den Vorschlag des Deutschen Flottenvereins, bis zum Jahre 1913 ein drittes Doppelgeschwader zu schaffen, und die darauf erfolgten Angriffe ein und berührt zum Schluß die Deckungsfrage. — Aus dem sonstigen reichen Inhalt ist namentlich zu erwähnen ein Artikel über „Deutschlands Motorboots-Industrie und ihre Aussichten", die mit Rücksicht auf das Motorbootrennen in der diesjähriger Kieler Woche als besonders aktuell bezeichnet werden kann, ferner die Aufsätze „Neue deutsche Kabellinien" und Eröffnung des Hafens Tsingtau" mit reichem Bilderschmuck. Der Inhalt des Heftes gibt von neuem Zeugnis von dem Bestreben der Redaktion, dem Leser der „Flotte" nur das Neueste und Interessanteste zu bieten.
Gottesdienste.
8. Sonntag «ach Hriuit., 24. Juli. Vom Turm: 414. Kirchenchor: Herr sieh' uns mit Erbarmen an rc. Predigtlied: 401, Herzog unsrer Seligkeiten rc. 2/«9Uhr: Beichtein der Sakristei. 9 Uhr: Vor- mitt.-Predigt, Herr Dekan Roos. Abendmahlsfeier. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr: Nachmitt.-Predigt, Herr Vikar Volz. Aeiertag Jakobi, 25. Juli. 7 Uhr morgenS: Erntebetstunde, Herr Stadtpfarrer S ch mid. Das Opfer ist für die Hagelbeschädigten des Landes bestimmt. Do««erstag, 28. Juli. 8 Uhr abends: Mbelstunde im VereinShauS, Herr Vikar Volz.