Der Umstand, daß beim Luftangriff auf England in der Nacht vom 23. 24. September d. I. deutsche Lustschiffer in die Hände unserer ärgsten Feinde ge­fallen sind, bringt diese Züge englischer Gemeinheit wieder in Erinnerung; nicht als ob wir um das Schicksal der gefangenen Luftschiffbesatzung tatsächlich besorgt sein müßten die Furcht vor deutschen Vergeltungsmaßnahmen schützt sie wie damals die Unterseebootsmannschaften vor der Vergewaltigung wir zeigen nur an Lord Charles Beresford's Bei­spiel den widerwärtigen Zug von Verlogenheit und Heuchelei, der die Engländer kennzeichnet, die sich nicht scheuen, heute dies und morgen das Gegenteil zu sagen. Derselbe Lord Charles Beresford, der die deutschen Seeleute und Luftschiffbesatzungen, die Englands befestigte Plätze angreisen, am Galgen sehen möchte, hat einst zu Angriffen, selbst aus wehrlose Orte, ganz anders Stellung genommen.

Im Jahre 1888 beschoß während der englischen Flottenmanöver ein Geschwader verschiedene unver­teidigte Badeorte in Schottland und Nordengland. Dagegen erhob Professor T. E. Holland in der Times" Einspruch, indem er dieses Vörgehen als eine Verletzung des Völkerrechts bezeichnete. Meh­rere hochstehende Seeoffiziere antworteten ihm. Da­runter befand sich Lord Charles Beresford, der laut Times" vom 18. August 1888 schrieb:Die ganze Kriegskunst besteht darin, den Feind an den schwächsten Punkten zu schlagen, wo und welcher Art sie auch sein mögen: wenn die kriegerischen Unternehmungen erst begonnen haben, gibt es keine Sentimentalität mehr, ja, ich sage kühn und offen, daß ein Offizier, wenn er seinen Feind schädigen und Panik oder Niedergeschlagenheit in Feindesland Hervorrufen könnte, im Unrecht wäre, wenn er einen Augenblick zögerte, bei sich bietender Gelegenheit einer Küsten­stadt ein Lösegeld aufzuerlegen oder sie zu beschießen."

Im ganzen darf angenommen werden, daß gegen­über unserer, nur aus militärische Objekte zielenden Kriegsführung trotz aller Stimmen der englischen Hetzpresse der in diesen Worten zum Ausdruck gekommene Standpunkt bei der englischen Regierung herrschend und, neben der Besorgnis vor Repressalien, bestimmend ist, nachdem im Juli 1915 Mr. Balfour als Nachfolger Air. Churchills freilich unter dein Druck deutscher Gegenmaßnahmen, in der Frage der unterschiedlichen Behandlung der gefangenen Unterseebootsbesatzungen nachgab und sie damit selbst als unzulässig anerkannte. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß den deutschen Opfern des Luftangriffs in der Nacht vom 2./3.Septemberd.J. einBegräbnis mit allen militärischen Ehren aus Rücksicht auf die öffentliche Meinung in England nicht zuteil geworden ist. Ohne Ehrensalut, ohne deutsche Flagge wurden die Tapferen zu Grabe getragen, und in echt eng­lischem Pharisäismus wurden aus der Besatzungs­formel der englischen Kirche die sonst gebräuchlichen Worte:Unsere lieben Brüder" undIn fester Hoffnung aus ein ewiges Leben" fortgelassen und dafür gesetzt:In fester Hoffnung auf den Tag der Auferstehung und das jüngste Gericht". Es hat nicht einmal verhindert werden können, daß man mit Eiern und anderen Gegenständen nach den: Sarge des Kommandanten warf.

RunSsehau.

Der heilige Stuhl in Rom sah sich wegen der Beschlagnahme des Palazzo Venezia, der bisher österreichisches Staatseigentum war, und die Botschaft beim Vatikan beherbergte, durch die italienische Regie­rung genötigt, einen Protest an die neutralen Mächte zu richten, der aber wohl fruchtlos bleiben wird und uns lediglich zeigt, daß der Papst wenigstens noch, obgleich selbst Italiener von Geburt, unparteiisch geblieben ist, wie er auch von Anfang an den Kampf Oesterreichs gegen die italienische Ländergier einen gerechten Kampf genannt hat. Daß wir weit davon entfernt sind, die kleinen neutralen Staaten nach dem Muster der Entente zu bedrücken und auszu- saugcn, haben wir durch das neue Wirtschaftsab­kommen mit der Schweiz bewiesen, die trotz der überwiegenden Sympathien ihrer Bevölkerung für unsere Feinde genötigt war, bei uns zu holen, was ihr die Alliierten versagten. Am schlimmsten aber ergeht es Griechenland, wo die Entente eine förm­liche Revolution angezettelt hat und das Schicksal des Königs Konstantin immer noch aus des Messers Schneide steht. Unter der Führung des alten Dema­gogen Venizelos haben sich die meisten griechischen Inseln vom König losgesagt. Einige Tage lang ging sogar das Gerücht, daß der Staatsstreich voll­zogen und eine griechische Kriegserklärung zunächst an Bulgarien erlassen fei. Die Verbindungen zwischen Athen und den Mittelmächten sind seit langen Wochen

völlig unterbunden. Wir sind ganz auf die Nach- j richten unserer Feinde angewiesen, die mit gewohnter Meisterschaft das Blaue selbst vom griechischen Himmel herunterlügen. So müssen wir auch, was sie über die Reise des amerikanischen Botschafters in Berlin, Gerard, nach Washington sagen, als ob Wilson mit Gerard über eine Friedensvermittlung verhandeln wolle, mit größter Vorsicht aufnehmen. Vermutlich handelt es sich überhaupt nur um ein Wahlmanöver, denn die Aussichten Wilsons sind herzlich schlecht, seitdem nicht nur die Deutschen und Iren, sondern auch die in Amerika iSeitverbreiteten Friedensfreunde ihm das Ende seiner Präsidentschaft geschworen haben. Es wird ja bekanntlich nie so viel gelogen, wie vor einer Wahl, während eines Krieges und nach einer Jagd.

Sofia, 4. Okt. Der bulgarische Gesandte Radew, der bis zur Kriegserklärung in Bukarest weilte, ist hier eingetroffen. Er äußerte sich be­geistert über die Stimmung, die er in Deutschland vorgefunden. Er hatte in Berlin Gelegenheit, die letzte Kanzlerrede anzuhören, die einen überzeugenden Eindruck gemacht habe, lieber Rumänien äußerte sich der Gesandte, daß dessen Kriegsbereitschaft nicht vollständig gewesen sei. Rumäniens Niederlagen werden den Frieden nahe bringen.

Rotterdam, 4. Okt. Pariser Berichte sprechen von einer Erschöpfung der französischen Offensive an der Somme 'und machen das schlechte Wetter dafür verantwortlich. Der Armeebefehl Joffres, in dem der Geländegewinn während der drei Monate Offensivtätigkeit mit 10 Kilometer angegeben wird, ist in Paris der Gegenstand eifriger Erörterung und macht in allen Kreisen unangenehmeil Eindruck.

Paris, 4. Okt. (GKG.i Schweizerischen Blättern zufolge meldet das PariserJournal" von der Kampffront, der Abtransport der Kolonialtruppen in wärmere Quartiere habe infolge der kalten Witterung vorzeitig in den letzten Tagen begonnen. Das Blatt betont, es trete keine Schwächung der Front ein, da die neuen englischen Truppentransporte und die Reserven aus den französischen Truppen­lagern in die Feuerstellung vorrückten.

Württemberg.

Stuttgart, 4. Sept. Unter der Tracht einer Rote Kreuz-Schwester hat es das 21 Jahre alte Dienstmädchen Berta Sailer aus Fellbach verstanden, von anderen Dienstmädchen Darlehen in Höhe von 2040 Mark zu erschwindeln. Im Europäischen Hof hier und in einem Cannstatter Hotel hat sie Darlehen erschwindelt. Wegen 7 Vergehen des vollendeten Betrugs erhielt die Angeklagte eine Ge­fängnisstrafe von 2 Monaten und wegen Unter­schlagung eine Haftstrafe von 4 Wochen.

Bietigheim, 4. Okt. Die Weinlese wird in Bälde in Aussicht genommen, da der Reifegrad der Trauben weit voran ist. Leider gibt es nur wenig Trauben dieses Jahr: der diesjährige Herbsl­ausfall wird, was die Menge des Erzeugnisses be­trifft, zu den geringsten Jahrgängen gezählt werden müssen.

Friedrichs Hafen, 4. Okt. Bei der heute vormittag auf dem hiesigen Rathause stattgefundenen Ziehung der 2. Friedrichshafener Geldlotterie fiel der 1. Hauptgewinn mit 30000 Mk. auf die Nr. 8213, ein Hauptgewinn mit 6000 Mk. auf die Nr. 9119, ein Hauptgewinn mit 2000 NU. auf die Nr. 5956, zwei Gewinne zu je 1000 Mk. auf die 9lr. 23 708 uud 38 598, vier Gewinne mit je 500 auf Nr. 48 929, 56 688, 58 503 und 12 870. (Ohne Gewähr)

Zehn Jahre 4. Klasse. Am 1. ds. Mts. waren es 10 Jahre, daß in Württemberg als erster Teil der Personentarifreform die 4. Klasse einge­führt wurde. Der ihr zugrunde gelegte Tarif von ursprünglich 2 L für den Kilometer entsprach einem allgemeinen Wunsche auf Einführung eines solchen mäßigen Tarifs für die unterste Wagenklasse im Nahverkehr. Damals war aber die dritte Klasse die unterste Klasse und nach lebhaften Auseinander­setzungen darüber, ob man den 2 L-Tarif der 3. Klasse der Personenzüge zugrunde legen oder die 4. Klasse mit diesem Tarif einführen solle, entschied sich eine Mehrheit des Landtags für die letztere, von der Regierung vorgeschlagene Lösung der Frage. Natürlich brachte der billige Zweipfennig- Tarif sofort eine starke Benützung der 4. Klasse und im ersten Vollrechnungsjahr, 1. April 1907 bis 31. März 1908, fuhren in Württemberg unter Einschluß der Benützer von Arbeiterfahrkarten bereits 69,19 Prozent aller beförderten Personen in 4. Klasse; an I der Gesamtzahl der zurückgelcgten Personenkilometer

waren sie mit 62,68 Prozent lind an der Personen- Verkehrseinnahme mit 48,72 Prozent beteiligt. Am Am 1. Dezember 1909 wurde dann der Tarif der 4. Klasse auf 2,3 üj erhöht, wodurch die Verkehrs­zunahme in der 4. Klasse gegenüber derjenigen der Vorjahre nicht mehr so hoch war, teilweise durch Rückwanderung in die 3. Klasse. Jedoch fahren auch heute noch etwa 80 Prozent aller Reisenden in der 4. Klasse : an der Gesamtzahl der gefahrenen Personen-Kilometer sind sie mit rund 60 Prozent und an der Personenverkehrseinnahme mit 45 Pro­zent beteiligt. Da die Reisenden in der 4. Klasse durchschnittlich nur 14 Kilometer weit fahren, dient sie bei uns in erster Linie dem Nahverkehr, zu dessen Hebung sie denn auch durch ihren billigen Tarif erheblich beitrug. Wie der bayrische Verkehrs­minister erklärte, wird gegenwärtig auch in Bayern die Einführung der 4. Klasse erwogen und da dann nur noch Baden mit der Einführung aussteht, dürfte die Zeit nicht mehr fern sein, wo die 4. Klasse auf allen deutschen Staatsbahnen geführt wird. Zu wünschen wäre, daß dann nach dem Kriege auch Württemberg und Mecklenburg wieder zum 2 L- Tarif znrückkehren, damit in ganz Deutschland wie für die 1., 2. und 3. Klasse, auch für die 4. Klasse ein einheitlicher Tarif besteht.

klus Stadt, Bezirk und Amgebuna.

Neuenbürg, 5. Okt. Seine Majestät der König haben anläßlich des Regierungsjubiläums verliehen: Oberamtsarzt Dr. Härlin den Titel und Rang eines Medizinalrats, Amtmann Gaiser hier den Titel und Rang eines Oberregierungs­assessors, ferner dem Fabrikanten Arthur Schmidt hier den Titel eines Kommerzienrats. Das Wilhelmskreuz erhielten Oberamtspfleger Kübler hier, Stadtschultheiß Bätzner in Wildbad, Stadtschultheiß Grüb in Herrenalb, sowie Land­jägerstationskommandant Grüner hier; die Sil­berne Verdienstmedaille Forstwart Lipps in Wildbad und Staatsstraßenwärter Chrn. König in Dobel. Außerdem wurde Fabrikdirektor Holzer in Rotenbach mit dem Ritterkreuz II. Kl. des Friedrichsordens ausgezeichnet.

Neuenbürg, 4. Okt. Dörrgemüse einzulege» rate ich jeder Hausfrau, schreibt ein Verpslegungs- offizier aus dem Felde. Dörren läßt sich alles leicht im Bratrohr. Aufbewahrung trocken. Ich koche Dörrgemüse schon den dritten Herbst für meine Truppe: Als Suppeneinlage in die Fleisch­brühe, als Gemüse allein oder mit Kartoffeln, auch zusammen mit Reis, Gerste, Haferflocken, Sago, Gries; immer gibts schmackhafte, gern gegessene Gerichte.

Die Sparkassenagentur Ottenhausen sammelte 3030 Mark Kriegsanleihe, die Sparkassenagen­tur Gräfenhausen sammelte 2600 Mark.

Kriegstagebuch 1Y141S.

Oktober 1915.

1. Englischer Gegenangriff nördlich Loos scheitert unter schweren blutigen Verlusten. Mißglücken eines mit starken französischen Kräften unternom­menen Angriffes in der Champagne.

2. Abermalige mißglückte, verzweifelte Angriffe der Verbündeten an der Westfront glänzend abge­wiesen. Russischer Durchbruchsversuch bei Tar- nopol blutig abgeschlagen. Größerer italienischer Angriff aus den Nordwestabschnirt der Hochfläche von Doberdo mißlungen.

3. Wiederholte erfolglose französische Angriffe. Zusammenbruch eines großen russischeü Angriffe» zwischen Postawy und Smorgon. Heftige Kampfe an der Düna. Weiterer Rückzug der Russin in Wolhynien.

4. Fortschritte unserer Gegenangriffe an der West­front. Landung von Vierverbandstruppen m Saloniki.

5. Englische Handgranatenangriffe auf das Werk

nördlich von Loos abgewiesen. ,

Vermischtes.

Der deutsche Werkmeister-Verband zeichnete für die fünfte Kriegsanleihe 1 Million Mark. samt zeichnete er mit den ersten vier Kriegsanleihen 7 Millionen Mark. ..

Dem KarlsruherBadischen Beobachters wirö folgender starke Vorfall berichtet: Im Frühsommer

dieses Jahres fuhr in einer Gemeinde Mittelbadcim

ein Auto vor, dem eine Anzahl Sanitäter in Uni­form entstiegen. Sie gingen in verschiedene Bauen-