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^ 97. Amis- und AuzeigtökaLt für den Bezirk Halw. 79. Ighrgans.

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Dienstag, den 21. Zuni 1904.

AbonnernenrSpr. in d. Staüt pr. Merlelj. Mk. 1.10 incl. Trägerl. BierteljShrl. PostbezugSpreiS ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- ortSverkehr 1 Mk.. f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10. Bestellgeld 20 P g.

Amtliche AeLamrtmachvngen.

Die K. Ortsschulinspektorale

wollen die Lehrer-Wehrliste« bis spätestens 1. Juli d. I. einsenden. Die Einsendung kann da unterbleiben, wo seit 1. Dez. 1903 keine Aenderung eingetreten ist.

Calw, 20. Juni 1904.

K. Bezirksschulinspektorat: Schmid.

Tagesnenigkeiten.

* Calw, 19. Juni. Der nationale Volksverein (Deutsche Partei) hatte für gestern abend ins Waldhorn eine öffentliche Versamm­lung einberufen, um gegen den Beschluß der ersten Kammer in Sachen der Volksschulnovelle Protest einzulegen. Auf der Tagesordnung standen zwei Punkte: Schulfrage und erste Kammer. Ueber das erste Thema referierte Hr. Oberlehrer Iler und über das zweite der Vereinsvorstand, Hr. Betriebs­inspektor vr. Supper. Beide Redner behandelten in objektiver Weise die von der Regierung ein- gebrachte, von der 2. Kammer mit einigen Aenderungcn angenommene und von der Kammer der Standesherren zu Fall gebrachte Schulnovelle und kamen zu der einmütigen Ansicht, daß Württem­berg in der freien Entwicklung seiner Schule gehin­dert werde und daß eine Aenderung der unhaltbaren Zustände nur durch die Reform der ersten Kammer erreicht werden könne. Die Zusammensetzung der Kammer der Standesherren sei ein Hemmnis für jeden gesunden Fortschritt auf dem Gebiet der Schule und es müsse die Macht des Feudaladels und des UltramontanismuS in dem zu 69°/» evangelischen Württemberg gebrochen werden. Das katholische Volk rufe stets nach Parität, die Sachlage in Württem­berg sei nun aber derart, daß das evangelische Volk nach Parität rufen müsse, denn die Aussichten der Evangelischen in Württemberg seien bei den bekannten ultramontanen Anschauungen des Thronfolgers und der 3 übrigen königlichen Prinzen nichts weniger als hoffnungsvoll. Das evang. Volk habe das Recht zu verlangen, daß es nicht vom Zentrum, der Mino­rität in Württemberg regiert werde, sondern die ihm gebührende Stellung einnehme. Unter der Regierung des jetzigen Königs sei es noch Zeit, die Macht des Ultramontanismus zu brechen, später werde es zu spät sein. Hr. Stadtpfarrer Schmid bedauerte die Ablehnung der Volksschulnovelle in der ersten Kammer sehr, er tadelte den allzustarken Macht­gebrauch der katholischen Standesherren, die ihren leitenden Geist von Rottenburg und Rom empfängen und sprach sich deshalb für eine notwendige Reform der Kammer der Standesherren aus. Hr. Handels­lehrer He in dl war ebenfalls der Ansicht, daß das Scheitern des § 4 der Schulnovelle (Bezirks­schulaufsicht im Hauptamt) nicht zu billigen sei, jedoch müsse den katholischen Standesherren das Recht gewahrt bleiben, daß sie nach Ansicht und Gewissen abstimmen dürfen. Nach einigen weiteren, kurzen Erörterungen beantragte der Vorsitzende die Annahme der von der Leitung der deutschen Partei vorgeschlagenen Resolution, womit die ganze Ver­

sammlung einstimmig sich einverstanden erklärte. Die Resolution hat folgenden Wortlaut:

Das Scheitern der Volksschulnovelle an dem Widerstand der Kammer der Standesherren hat bewiesen, daß die Erste Kammer in ihrer jetzigen Zusammensetzung ein unüberwindliches Hindernis für eine fortschrittliche Gesetzgebung und zugleich die Hochburg der ultramontanen Hcrrschafts- gelüste ist. Das freigestnnte württ. Volk spricht die Hoffnung aus, daß die Regierung König Wilhelms II mit der weit überwiegenden Mehr­heit der Kammer der Abgeordneten Zusammen­wirken werde, um diesem unhaltbaren Zustand ein Ende zu machen."

Mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den König wurde die zahlreich besuchte und einmütig verlaufene Versammlung von dem Vorstand ge­schlossen.

* Calw, 19. Juni. Gestern abend er­eignete sich im Lokal der katholischen Schule ein noch unaufgeklärter Vorfall. Die Sänger des Liederkranzes hatten daselbst Gesangsprobe. Kurz vor 10 Uhr wurde von außen in das Schulzimmer geschossen. Der Schuß zertrümmerte eine Fenster­scheibe und die Splitter verwundeten einen Sänger im Gesicht. Vor dem Hause hörten einige Personen dem Gesang zu, sahen aber nicht, woher der Schuß gekommen war. Nach der ganzen Sachlage muß der Schuß aus weiterer Entfernung gekommen sein; es ist ein wahres Wunder, daß derselbe kein größeres Unglück im Gefolge hatte. Ob bloß ein Zufall oder gar eine böse Absicht vorliegt, bringt die eingeleitete Untersuchung hoffentlich an den Tag.

* C a lw, 19. Juni. Die Raupen treten immer massenhafter auf, manche Bäume sind von den Nestern ganz umsponnen und der Ertrag des Steinobstes schrumpft mehr und mehr zusammen. Zur Vertilgung der Raupen sollten energische Maß­regeln angcwendct und dabei folgende Ratschläge beachtet werden: Die vorhandenen Raupennester find, wenn erreichbar, mit der Hand zu entfernen. Ganz befallene Zweige werden abgeschnitten und verbrannt. Auch wird das Abflammen mit der Raupenfackel empfohlen. Da die Raupen ihren Standort 56mal wechseln, so ist darauf zu sehen, daß nicht nur die leeren Gesptnnste entfernt werden. Wo Raupen auftreten, ist eine energische Bekämpfung anzuraten, um die Plage für nächstes Jahr auf ein geringes Maß zu beschränken.

M Liebenzell, 19. Juni. Anläßlich unserer 300jähr. Jubelfeier hat Se. Majestät der König verschiedene Personen von hier mit reichen Geschenken bedacht. So erhielten Frau Pfarrer Blum Hardt und Frau Oberförster Lech­ter, sowie die beiden Fräulein, die den König auf dem Rathaus bewirteten, Marie Beck und Pauline Gugel, ferner zwei Mädchen der Chtna-Jnland- Misston (Lydia Voelter und Elisab. Blank) je ein Bild des Königs in herrlichem Goldrahmeu mit eigenhändiger Namensunterschrift. Das Söhnchen des Stadtschulthetßen Mäulen, das Se. Majestät auf dem Rathaus in Gedichtform willkommen hieß, erhielt ein prächtiges Buch, in welches der König eigenhändig eine Widmung mit seiner Unterschrift ein­trug. Einem Töchterchen des Mühlebes.KarlHaisch,

welches dem König einen Gruß des Marienstifts (Kleinkinderschule) darbringen durfte, übersandte Se. Majestät ein goldenes Medaillon mit dem kgl. Namens­zug und Krone. Das Sjähr. Kind des Anlagen-Portiers Wohlgemuth erhielt 40 in seinen Sparhafen. Noch ist zu erwähnen, daß Se. Majestät ein ihm vorgelegtes Gedenkblatt eigenhändig unterschrieb, das im Rathaussaal aufgehängt wird. Durch diese sonderliche Huld und Gnade, die unser König hier so herrlich walten ließ, hat Se. Majestät die Herzen Aller erobert. Dankerfüllt ist die ganze Einwohner­schaft von hier und den ehemals dazu gehörigen 13 Gemeinden für das persönliche Erscheinen Se. Majestät in unserer Schwarzwaldgegend, das den 29. Mai. d. I. zu einem so bedeutungsvollen Fest­tag gemacht hat.

Stuttgart, 19. Juni. Die Frauens­person, die am 18. Juni v. Js. auf dem Charlotten­platz das 2 Monate alte Kind geraubt hat und es am 11. Juni ds. Js. in der Münzstroße einem 9jährigen Mädchen übergab mit dem Auftrag, es seinen Eltern zurückzubringen, ist heute früh in Ludwigsburg von hiesigen Kriminalbeamten ver­haftet worden. Die Täterin ist die 20 Jahre alte Taglöhnersehefrau Bauer. Ihr Mann wurde gleich­falls verhaftet und es wurden beide von Ludwigs­burg auf das hiesige Stadtpolizeiamt verbracht. Die Verhafteten sind seit Herbst v. Js. verheiratet und haben bis vor wenigen Wochen in Berg ge­wohnt, wo auch die Eltern des geraubten Kindes wohnen. Von Berg zogen sie nach Ludwigsburg. Mtthausbewohner, die das Kind seit 11. Juni ver­mißten, hatten bei der Polizei Anzeige erstattet. Die Photographie des nunmehr 1 Jahr und 2 Monate alten Kindes war seit gestern an den Plakatsäulen angeschlagen.

Tübingen, 18. Juni. Der von hier flüchtige Bankier Ernst Jäger soll sich einem hier eingelaufenen Tel. aus Dresden zufolge heute früh im dortigen großen Garten in selbstmörderischer Absicht eine tiefe Schnittwunde am Halse bei­gebracht haben. Er wurde in das dortige Kranken­haus verbracht. (Nach einer anderen Nachricht hat Jäger bei seiner Festnahme einen Selbstmordversuch gemacht. Nähere Nachrichten stehen aus )

Tübingen, 19. Juni. Ein recht bedauer­liches Unglück hat sich gestern abend am Steuer­häuschen bei der Plinsaubrücke ereignet. Das 3 Jahre alte Mädchen des Wirts Geis zur Linde wollte, während ein Fuhrwerk gegen den Zollberg fuhr, über den Weg springen. In diesem Augen­blick scheuten die Pferde. Das Kind geriet unter die Räder des Wagens und war sofort tot. Den Fuhrmann soll keine Schuld treffen.

Göppingen, 19. Juut. Der 52 Jahre alte Wirtschafts- und Kantincführer Christian Schauflerzum Hasen" hier hat sich gestern Nach­mittag 2 Uhr durch zwei Schüsse in den Kopf ge­tötet, die er sich in der Kantine der hiesigen Würt- temb. Metallwarenfabrik beibrachte. Das Motiv ist in häuslichen Zwistigkeiten zu suchen. Schaufler war seit 2 Jahren in zweiter Ehe verheiratet.

Tuttlingen, 19. Juni. Herr Spöhrer, der frühere Handelsschuldirektor der Calwer Handels-