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gesprochen hatten, wurde der Antrag Haußmann mit 62 gegen 17 Stimmen angenommen. Dagegen stimmte geschlossen das Zentrum sowie Frhr. v. Breitschwert und Graf v. Bissingen. Die ritter- schaftlichen Abgeordneten, welche mit Ja stimmten, gaben eine motivierte Abstimmung ab.
Stuttgart, 16. Juni. (Schwurgericht.) Wegen eines Verbrechens der erschwerten Amtsverfehlung war heute der 22jährige seitherige Postpraktikant 1. Klasse Hermann Hart von Steinkirchen, OA. Künzelsau, angeklagt. Auf dem kgl. Postamt Ludwigsburg unterschlug derselbe in der Zeit vom 16. Dezember v. I. bis 2. März d. I. fortgesetzt Gelder, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen und in Gewahrsam hatte, machte behufs Verdeckung der Unterschlagungen falsche Einträge in die Bücher, Register und Belege, sodaß er erst im folgenden Monat die Geldeingänge zur Verrechnung brachte. Der Gesamtbetrag belief sich auf 2080 wovon aber ein Restbetrag von 903 ungedeckt blieb, der durch weitere Deckungsmittel sich auf 255 vermindert. Zu seiner Entschuldigung brachte der Angeklagte vor, daß er frühe seine Eltern verloren und ihm die väterliche Zucht gefehlt habe. Von einem Einkommen von 4 täglich verausgabte er mehr als dieses gestattete. Nachdem Staatsanwalt Yelin, wie auch Verteidiger Rechtsanwalt vr. Heß die Zubilligung mildernder Umstände befürwortet hatten, wurde die Schuldfrage in diesem Sinne bejaht und hierauf der Angeklagte zu einer Gefängnisstrafe von 8 Monaten, unter Anrechnung von 2 Monaten für Untersuchungshaft verurteilt.
Wangen bei Stuttgart, 15. Juni. Durch Baumeister Rückgauer wurde gestern der Dachstuhl der Wilhelmsschule hier um 1,95 w gehoben, um Raum zu gewinnen für zwei weitere Lehrsäle. Die Arbeit war in ca. 5 Stunden vollzogen. Unter den Zuschauern befanden sich mehrere Professoren der Baugewerkschule mit ihren Schülern. In letzter Zeit war Baumeister Rückgauer in Schwenningen und Oberndorf tätig.
Oberndorf, 16. Juni. Gestern wurde nach nochmaligem Verschieben das Kinderfest abgchalten, das aber dennoch verregnet wurde. Sämtlichen Kindern und Schülern der Volksschule, sowie denjenigen der Real- und Lateinschule wurde durch Kommerzienrat Mauser ein kleines Geldgeschenk überreicht. Die Waffenfabrik hatte diesmal den Betrieb nicht eingestellt.
Reutlingen, 16. Juni. In einer gestern Abend abgehaltcnen Versammlung der nationalliberalen Partei wurde nach einem Referat des Rechtsanwalts List eine Resolution gegen die erste Kammer angenommen und beschlossen, gemeinschaftlich mit der Volkspartei eine große Protestversammlung gegen den Fall des Volksschulgesetzes einzuberufen. Bemerkenswert war weiter noch die Rede eines evangelischen Geistlichen, der betonte, daß das Volk unter der Fachaufsicht der Volksschule sicher auch viel liberaler in der Religion unterrichtet werden würde und daß die evangelische Geistlichkeit sich nicht zu der Schulfrage geäußert habe, da sie von dem Optimismus beseelt sei, daß die Wahrheit sich auch ohne ihr Hinzutun durchsetzen werde.
Niederstetten, 16. Juni. In einer hiesigen Brauerei fiel aus bis jetzt nicht aufgeklärter Ursache ein Brauer in ein mit siedendem Wasser gefülltes Gefäß. Er erlitt schwere Brandwunden, welche seine Ueberführung in das Spital erforderlich machten.
Hechingen, 16. Juni. Gestern abend kurz nach 10 Uhr brach in dem alten Gebäude der Wanner'schen Trikotfabrik in der Altstadt Feuer aus. Das alte Gebäude, in welchem sich auch der Nähsaal befand, ist vollständig abgebrannt, und nur dem Umstand, daß sich zwischen dem alten und dem neuen Fabrikgebäude eine starke Feuermauer befand, ist es zu verdanken, daß nicht die ganze Fabrik ein Raub der Flammen geworden ist. Die Entstehungs- Ursache ist bis jetzt unbekannt. Der Schaden dürfte nicht unbeträchtlich sein.
Speyer, 16. Juni. Die größte Speyrer Baumwollspinnerei steht in Flammen und dürfte wohl zum größten Teile zerstört werden.
London, 16. Juni. Central News berichtet: In dem Gefecht bei Wafangien waren die Russen 40000 Mann stark. Sie wurden durch
eine japanische Division angegriffen, welcher alsbald 2 andere zu Hilfe kamen. Die Russen sollen völlig geschlagen worden sein.
Konstantinop el, 16. Juni. Ein dem armenischen Patriarchen zugegangener Bericht schildert die Situation haarsträubend. Im Bezirke Sassun seien im Laufe des Monats Mai nicht weniger als 3000 Armenier, Männer, Frauen und Kinder von Kurden und Militär getötet worden. Ueber 50 armenische Dörfer sind zerstört. In der Stadt Musch war ein allgemeines Massacre der Armenier nur durch das energische Auftreten aller fremden Konsuln verhindert worden. Nichtsdestoweniger wurden bei sämtlichen armenischen Kaufleuten die Läden demoliert und geplündert. Im Sandschak von Musch dauern die Armenier- Verfolgungen fort.
New-York, 15. Juni. Der Dampfer „General Slocum", auf dem die Sonntagsschule der deutsch-lutherischen St. Markuskirche einen Ausflug machte, geriet auf dem East River beim Hellgate in Brand und brannte aus. Mehrere hundert Menschen, man spricht von 500, meist Kinder, sollen um gekommen sein.
New-York, 15. Juni. Die Zahl der Personen die sich an Bord des verbrannten Vergnügungsdampfers „General Slocnm" befanden, betrug etwa 1000, fast sämtliche Frauen und Kinder. Während des Brandes sprangen etwa 100 derselben über Bord. Viele Leichen sind schon an Land gespült worden. Die meisten Verunglückten sind indessen dem Feuer an Bord zum Opfer gefallen.
— Ueber die entsetzliche Katastrophe, der der Lergnügungsdampfer „General Slocum" mit Hunderten von Passagieren zum Opfer fiel, berichtet die „Franks. Ztg." folgende Mitteilung eines Augenzeugen: „Ich war mit mehreren Freunden kurz vor 9 Uhr an Bord des vollständig besetzten Dampfers gegangen. Als wir uns Hellgate näherten, wurden die Kinder auf das untere Deck gerufen, wo Gefrorenes und Sodawasser serviert wurde. Die Kleinen fielen fast übereinander, in dem Bestreben, an die Tische zu kommen. Mit zweien meiner Brüder begab ich mich in den Maschinenraum, um die Maschinen zu sehen, als plötzlich aus dem Heizraum eine Flammenwand aufstieg. Gleich einer Explosion verbreiteten sich die Flammen mit entsetzlicher Schnelligkeit und die Kleider der Frauen und Kinder, die in der Nähe des Maschinenraums standen, waren in Flammen, bevor sie noch wußten, was eigentlich geschehen war. Sofort entstand eine entsetzliche Panik. Kinder liefen hin und her, ihre Mütter suchend, Frauen nahmen ihre Kleinen und sprangen in die reißenden Gewässer des Strudels. Die Polizei verhaftete den Kapitän van Schaick vom „General Slocum", sowie den zweiten Lotsen Weaver. Der Kapitän wurde sehr getadelt, weil er das Schiff nicht an der 134. Straße oder in der Nachbarschaft derselben an Land trieb, anstatt auf das eine Viertelmeile entfernte North Brother Island. Der Kapitän sagt, er habe das zuerst tun wollen, indessen seien in jener Gegend viele Oel- niederlagen und Holzhöfe und einige Leute seiner Mannschaft hätten ihn gewarnt, da dort die Wahrscheinlichkeit des Menschenverlustes noch viel größer würde, als wenn er das Schiff nach der Insel brächte. Der Kapitän erklärt, die Rettungsboote seien verbrannt, bevor die Mannschaft Gelegenheit gehabt hätte, sie ins Wasser zu lassen. Kurz vor 1 Uhr sank das Wrack des „Slocum", und bevor die Wellen über das Fahrzeug zusammenschlugen, sah man etwa 100 halbverkohlte Leichen von Frauen und Kindern auf demselben. Die Passagiere waren fast ohne Ausnahme Deutsche, da die Kirche gerade im Herzen des alten deutschen Distrikts auf der Ostseite liegt. — Die St. Markusgemeinde ist vor 57 Jahren gegründet worden und eine der angesehensten Newyorker lutherischen Gemeinden. Eine große Anzahl Verletzter wurde nach Pikers Island gebracht, indessen starben dort 53 unter den Händen der Aerzte.
New - York, 16. Juni. (Zum Brand des Dampfers „Slocum".) Nach den letzten Feststellungen find bis jetzt 483 Tote festgestellt und rund 100 Verwundete. Die Zahl der Vermißten ist noch unbekannt. An Bord waren im Ganzen 2500 Personen, davon der weitaus größere Teil Kinder. Die meisten kamen um als der Dampfer aufstieß und infolge der starken Erschütterung fast
sofort zusammenbrach und sich auf die Seite legte. Es war unmöglich, die Leichen unter dem Schiffsrumpf hervorzuholen. Die Verunglückten waren fast ausschließlich Kinder von Deutschen. In vielen Familien ist nur der Vater am Leben geblieben. In einer Familie sind 17 Mitglieder umgekommen. Die eigentliche Entstehungsursache des Brandes ist noch unbekannt. Die Bemannung hat sich durchaus feig benommen. Nur der Kapitän blieb bis zum letzten Augenblick auf seinem Platze. Der gerettete Pastor Haas, dessen Frau und Tochter verbrannten, erlitt im Hospital einen Nervenschlag. Noch um Mitternacht irrten Familienhäupter nach Angehörigen suchend, durch die Hospitäler. Die Leichen sind noch nicht alle in der Morgue untergebracht, weil der Transport dahin schwierig ist. Das ganze Stadtviertel zwischen Houton, der 8. Straße, der 3. Avenue und der Avenue L, das eine Art Klein Deutschland darstellt, gleicht einer großen Trauerhalle. Es ist kein Haus ohne mehrere Todesfälle. Präsident Roosevelt sandte eine Kondolenz- Depesche.
Tokio, 16. Juni. Wie gestern hier eingelaufene Meldungen besagen, hat seit Samstag eine heftige Schlacht bei Funtschou stattgefunden. Die Russen haben tausend Mann verloren. Ihre sämtlichen Feldgeschütze wurden von den Japanern genommen. Die russischen Streitkräfte, 7000 Mann stark, haben darauf den Rückzug nach Norden angetreten.
Kobe, 16. Juni. Gestern nachmittag hörte man hier fortwährend starken Kanonendonner. Mehrere japanische Dampfer sind seit einigen Tagen überfällig und man befürchtet, daß sie den Russen in die Hände gefallen sind. Das Erscheinen des russischen Geschwaders hat hier große Aufregung hervorgerufen. Die über den Zusammenstoß umlaufenden Gerüchte widersprechen sich. Es heißt, zwei japanische Handelsschiffe seien in den Grund gebohrt worden.
Vermischtes.
— Luftveränderung bei Keuchhusten. Früher haben viele Aerzte in einem Ortswechsel bei Keuchhusten ein vorzügliches Heilmittel gesehen, jetzt haben sich die Anschauungen darüber geklärt. Man ist sich ärztlicherseits darüber einig, daß der möglichst reiche Genuß frischer Luft bei keuchhustenkranken Kindern besonders wohltätig wirkt und, wenn man in manchen Fällen von Keuchhusten bei einem Ortswechsel gute Erfolge gesehen hat, so war cs daher nicht dieser Klimawechsel an sich, welcher den günstigen Einfluß hervorbringt, sondern die reichlichere Gelegenheit, frische Luft im Freien zu genießen, dazu sonstige klimatische Vorzüge, wie Staubfreiheit, viel Sonne, Schutz vor rauhen Winden u. s. w. Wenn man daher zu Hause den Kleinen den möglichst reichlichen Genuß frischer Luft gewährt, dann hat man nicht nötig, sie fortzubringen; tut man es aber doch, so ist es ganz gleichgültig, ob man in irgend eine Sommerfrische oder ins Gebirge mit den Kindern geht, wenn nur eben die oben skizzierten klimatischen Verhältnisse vorhanden sind. Allerdings hat ein derartiges Verbringen der Kinder in eine fremde Oertlichkeit auch manchmal Schattenseiten für die Kinder: die Reise greift sie an, sie kommen aus ihrer gewohnten häuslichen Ordnung und Regelmäßigkeit. Um die Ansteckung gesunder Kinder zu verhüten, sollten die kranken Kinder nur in einsam gelegenen Häusern, bei Förstern, auf Landgütern untergebracht werden. Offene Kurorte haben dagegen nach wie vor die Verpflichtung, im Interesse ihrer anderen Kurgäste keuchhustenkranke Kinder abzuweisen.
— „Elefantenwürstche n". Wie aus Gent berichtet wird, kaufte ein dortiger Schlächtermeister von dem Zoologischen Garten das Fleisch eines getöteten Elefanten und verarbeitete es schleunigst zu „Frankfurter Würstchen". Er konnte dabei nicht weniger als 3800 Pfund Würstchen Herstellen, die „wie warme Semmeln weggingen". Das 40 Pfund schwere Herz des Elefanten verkaufte er scheibenweise als Merkwürdigkeit. Alle, die von dem Fleische gekostet hatten, erklärten es als einen Leckerbissen.
Gotte-dieufte.
S. Sonntag »ach Hrinit, 19. Juni. Vom Turm: 408. Predigtlied: 235. 9 Uhr: Vormitt.-Predigt, Herr Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr: Bibelstunde in der Kirche, Herr Dekan Roos. 8 Uhr: Missionsvortrag im Vereinshaus von Missionar Wirth.
Donnerstag, 23. Juni. 8 Uhr abends: Bibclstunde im Vereinshaus, Herr Dekan Roos.
Aeiertag Johannis» 24. Juni. 9 Uhr- Predigt und Beichte, Herr Stadtpfarrer Schmid.