420
*
dem Schafhausberg unter zahlreicher Beteiligung sowohl der htes. Einwohnerschaft als auch befreundeter Vereine von nah und fern. Das Fest nahm infolge der guten Witterung einen würdigen Verlauf.
Nagold, 4. Juni. Fabrikant Deffner von Eßlingen hatte auf der Warther Jagd hiesigen Oberamts das Jagdglück, einen schönen Hirsch mit 207 Pfd. Gewicht zu erlegen. Seit 11 Jahren wurde daselbst kein Hirsch mehr zur Strecke gebracht.
Unterschwandorf, 4. Juni. Vorgestern morgen fand man lt. „Aus den Tannen" den Zimmermann Loh rer von Haiterbach an der alten Straße von hier nach Nagold beim sogen. Winterbrücklein tot auf. Derselbe war in Nagold und kam ohne Zweifel in der Dunkelheit zu nahe an die steile Böschung, stürzte ab, fiel in die Waldach und ertrank.
Stuttgart, 4. Juni. Welch allgemeine Teilnahme der Tod des Stadtdekans l)r. v. Braun hervorgerufen hat, davon legte das Zusammenströmen der Menge zu der seinem Andenken geweihten Trauerfeier Zeugnis ab, die gestern abend in der Stiftskirche stattfand. Noch in den Gängen bis auf die Straße hinaus stand die Menge Kopf an Kopf. Frau Herzogin Wera hatte sich zu dem Trauergottesdienst eingefunden. Ferner waren zugegen der Herr Kultminister vr. v. Weizsäcker, Mitglieder des Konsistoriums und die gesamte hiesige evangel. Geistlichkeit, Siadtdirektor Nickel, Oberbürgermeister Gauß mit Mitgliedern der bürgerlichen Kollegien. Eingeleitet wurde die Feier mit dem Gesang des Kirchenchors „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt" und dem Gesang der Gemeinde „Aller Gläubigen Sammelplatz. Prälat v. Weitbrecht predigte über den 122. Psalm „Ich freue mich über die, so mir sagten: Laßt uns in das Haus des Herrn gehen" u. s. w. Er führte aus, daß Braun sich nach dem Morgenland gewendet habe, um dort einen Liebesdienst zu erweisen. Er sei ein Mann der Reformation gewesen, in der Heimat wurzelnd, aber auch hinausgreifend über die Heimat, eine nach allen Seiten hin anfgeschlossene Persönlichkeit. Nachdem die Gemeinde „O Jerusalem, du schöne" gesungen hatte, bestieg Stadtpfarrer Kopp die Kanzel. In 30 Jahre» habe er selten die evangelische Gemeinde in Stuttgart so bewegt gesehen über einen Verlust, der sie betroffen, als bei dem Tode Brauns. Es vertiefe die Trauer, daß Braun von der Höhe seiner Kraft und ferne von uns dahingegangen. Seine Gaben seien groß und reich gewesen und sein Leben von unermüdlicher Arbeit ausgefüllt. Nach Kopps Rede stimmte der Chor „Selig sind die Toten" an, worauf Stadtpfarrer Gauger den Lebenslauf des Verstorbenen schilderte und Prälat v. Berg das Schlußgebet sprach.
Stuttgart, 4. Juni. In der Rosenbergstraße kam gestern abend ein Herr, der während der Fahrt aus einem Straßenbahnwagen stieg, zu Fall, erlitt einen Armbruch, sowie sonstige Verletzungen und mußte ins Katharinen-Hospital verbracht werden. — Gestern abend geriet in einer Wohnung der Steinstraße ein betrunkener Mann mit seiner Frau in Streit. Im Verlaufe des Streites verletzte die Frau den Mann derart am
Kopfe, daß er ins Katharinen-Hospital verbracht werden mußte.
Stuttgart, 4. Juni. Strafkammer. Der im Vorjahre vom Landgericht Ravensburg wegen Diebstahls und Urkundenvernichtung zu 8 monatlicher Gefängnisstrafe verurteilte 25jährige ledige Bautechniker Anton Ruß von Buchau stahl am Sonntag den 17. April in der Baugewerkschule eine Anzahl Reißzeuge, Zirkel, Bücher und dergl. im Wert von 60 aus sechs verschlossenen Schubladen der Schüler und verkaufte sie hier unter falschen Namen mit einem Erlös von 35 Nach seiner Festnahme zu Buchau bot er dem ihn transportierenden Polizeidiener zunächst eine Anweisung von 100 ^ auf seine Mutter an, um ihn freizu- lossen. Als dies erfolglos war, machte er im Walde bei Kanzach einen Fluchtversuch, so daß der Polizeidiener von dem Seitengewehr Gebrauch machen mußte, um seinen Fluchtversuch zu verhindern. Das Urteil lautete wegen 6 schwerer Diebstähle, Widerstands und Bestechung auf eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr, wovon 1 Monat für Untersuchungshaft abgeht.
Stuttgart, 5. Juni. Am Donnerstag, den 9. Juni, tritt die Finonzkommission der Kammer der Abgeordneten zwecks Beratung der Theatervorlage zu einer Sitzung zusammen.
Stuttgart, 5. Juni. Die Zentralvermittlungsstelle für Obstverwertung veröffentlicht weitere Berichte über die Aussichten der Kirschenernte in Württemberg: Rommelshausen, voraussichtlicher Ertrag 500 Ztr., Reifezeit 1. Juni bis 15. Juli; Uhlbach 2500 Ztr., Juni und Juli; Horb, 400 Ztr. anfangs bis Ende Juni; Wangen 100 Ztr., 15. Juni bis 15. Juli. Die Frühkirschen sind infolge der starken Regen aufgesprungen und faulen. Den Spätkirscheu kann es ebenso ergehen; dann ist der Ertrag sehr klein. Nachfragen liegen vor: in Kirschen 50900 Ls; in unreifen Stachelbeeren 4500 kx; in Preißel- beeren und Erdbeeren 500 kss; in Himbeeren 6300 in Heidelbeeren 10 000 in Presslingen und Brombeeren 1000 Lx. Angebote: in Kirschen 240200 k^; in Walderdbeeren 5040 kx; in Himbeeren 60 350 Lx; in Stachelbeeren 5550 lrx; in Johannisbeeren 5350 kx; in Preißelbeercn 2000 kx; in Heidelbeeren 20 000 kx; in Presslingen 550 üx. Marktbericht der Zentralvermittelungsstelle in Stuttgart am 4. Juni. Engrosmarkt bei der Markthalle: Kirschen 12—18 ^., grüne Stachelbeeren 12—15 A Prcstlinge 50—70 per Pfund. Zufuhr stark; Verkauf rasch.
Tübingen, 4. Juni. Heute mittag ist Erbprinzessin Pauline von Wied mit Kindern zum Aufenthalt in Bebenhausen eingetroffen und von Seiner Majestät am Bahnhof im offenen Jagdwagen abgeholt worden.
Reutlingen, 3. Juni. Heute morgen drohte dem Reisenden einer benachbarten Kunstmühle ein schweres Unglück, indem das Pferd in der oberen Wilhelms straße scheute, wobei der Reisende aus dem Wagen auf die Straße geschleudert wurde. Die Verletzung ist glücklicherweise keine lebensgefährliche. — Im Laufe der verflossenen Woche trank hier ein
5jähr. Kind Wasser aus einem Glas, in dem zuvor Maiblumen aufgestellt waren. Das Kind verlor bald darauf die Besinnung und starb in der darauffolgenden Nacht; wiederum ein trauriger Beleg für die große Gefahr der Maiblumen infolge ihres starken Giftgehalts.
Forchtenberg, 5. Juni. Vorgestern abend hat der Landjäger Blanz von Niedernhall im benachbarten Jngelfingen, OA. Künzelsau, in der Wirtschaft zur „Glocke" die noch junge Wirtin mit seinem Tienstglwehr aus Unvorsichtigkeit erschossen. Der Tod trat augenblicklich ein.
Bolheim, OA. Heidenheim. Forstwart Mast von Mergelstetten hat am 1. Juni auf dem Anstand in der Morgendämmerung einen Keiler mit einem Gewicht von 180 Pfund erlegt. Das Wildschwein hielt sich schon mehrere Jahre in der Umgebung auf, begann aber erst seit einem Jahr ernstlichen Schaden auf den Feldern anzurichten. Es wurde im letzten Winter wiederholt bet Schnee eingekreist und bkjagt, verstand es aber stets, sich unbeschossen durch die Treiberlinie zu drücken. Jetzt glückte es dem Forstwart, den Keiler, der in der Morgendämmerung auf einem Feld bei Buchhof auf der Suche nach Engerlingen den Boden aufwühlte, vom Wald aus anzupirschen und mit einem guten Blattschuß zur Strecke zu bringen.
Ulm, 4. Juni. Aus dem am Friedrichsschulgebäude vorüberfließenden Blauarm wurden gestern nachmittag die Leichen zweier Kinder gezogen. Es waren ein etwa 7jähriges Mädchen und ein bjähriger Knabe, die wahrscheinlich flußaufwärts am Ufer gespielt hatten und hiebei ins Wasser geraten waren. Die sofort von zwei Aerzten eingeleiteten Wiederbelebungsversuche waren erfolglos. Die beiden Kinder sollen einem Maurerpolier angehören.
Berlin, 4. Juni. Die für Südwestafrika bestimmte erste reitende Feld-Artilleric-Batterie wurde heute vom Kaiser besichtigt. Nachdem das Kaiserpaar die Front der Batterie abgeritten hatte, verabschiedete sich der Kaiser in einer kurzen Ansprache an die Truppen, worauf ein Parademarsch stattfand. Das Kaiserpaar begab sich dann nach dem Neuen Palais zurück. — In der Ansprache an die Mannschaften sagte der Kaiser ungefähr Folgendes: Er habe sie vor ihrer Abreise noch einmal begrüßen wollen. Sie möchten der Truppe, aus der sie hervorgegangen seien, Ehre machen und eingedenk sein, daß sie ins Feld ziehen, um das Blut ihrer Brüder zu rächen. Sie sollten nicht vergessen, daß sie die im Felde stehende Infanterie zu unterstützen hätten und daß sie es mit einem tapferen, umsichtigen, energischen und schlauen Feinde zu tun hätten.
Paris, 4. Juni. Aus Petersburg wird berichtet: Ueber die Beschlüsse des vorgestrigen Kronrates ist bisher noch nichts in die Oeffentlich- keit gedrungen, jedoch wird mit Bestimmtheit aus unterrichteten Kreisen berichtet, General Kuropatktu habe den Befehl erhalten, Port Arthur unter allen Umständen zu Hilfe zu kommen. Der Kriegshafen von Kronstadt ist für alle Handelsfahrzeuge gesperrt
ES gab also keinen froheren, glücklicheren Menschen, als Gustav Engelbrecht der stets überall, wo etwas los war, sich mit peinlicher Eleganz gekleidet zeigte, von den ersten Modeschneidern die ersten Modelle der Saison bezog und die Taschen immer voll Geld hatte.
So uneigennützig und hilfsbereit, wie dieser junge Mensch Rosa heute also seine Kaffe bot, die er ja doch in anderer Weise verschwendet haben würde, glaubte sie aus der Annahme aus der Hand des KindheitSbekannten sich kein Gewissen machen zu müssen, denn sie bedurfte des Geldes vielleicht dringender als andere. Sie betrachtete dar nur als ein Darlehen, sagte sie, und schon aus Dankbarkeit folgte sie seiner Einladung, die er in seiner gewohnten, harmlosen Weise gemacht. Sie hatte ja jetzt auch Mut, seit sie aus ihrer Bedrängnis war, und blickte viel zuversichtlicher in dis Welt.
Erst als sie zufrieden mit dem schönen Austern-Frühstück und namentlich mit sich selbst, in ihre Wohnung zurückkehrte, öffnete sie das kleine Täschchen, in dem sie einig« Hunderttalerscheine fand. Ein ganzes Vermögen!" — Jetzt mochte der Seelenverkäufer nur kommen! Sie konnte eS mit ansehcn, bedurfte des elenden Reise-Vorschuss eS nicht, der ihr geboten worden, und auch die Schulden sollten sie nicht mehr drücken! Dieser brave Junge, der Engelbrecht! überlegte sie, in das Sopha zurückgelehnt, um in ihrem Köpfchen den genossenen Champagner verdampfen zu lassen, bis der widerwärtige Agent kam, der sich doch verrechnet haben sollte. Der Engelbrecht ließ sie gewiß nicht im Stich, wenn sie wieder in Verlegenheit geriet. Sie konnte eS jetzt ansehen!-
Rosa ahnte nicht, daß sie selbst es war, die sich verrechnete. Gustav Engelbrecht, noch ganz entzückt von dem reizenden Geschöpf, das eben sein Gast gewesen, war heute weniger als je aufgelegt, nach Hause zu gehen und von dem Vater die täglichen Strafreden zu hören. Er hatte „Unter den Linden" ein möbliertes Zimmer als Absteigequartier, um nicht immer den weiten Weg zum Halle'schen Tore hinaus zu machen, wenn er ausruhen oder seine Geschäftsleute empfangen wollte, die ihm Geld borgten; er suchte also das Zimmer auf und fand, in daS Zimmer tretend, zu seiner Ernüchterung den Vater vor, der seine Zeitung lesend, auf dem Sopha saß und ihn mit einer Miene anschaute, die gar nichts Gutes verhieß.
Sich mit einem Räuspern erhebend, stellte dieser sich, die Hände in die Hüften stemmend, vor den Sohn, der verblüfft zu Boden schaute.
„Du siehst, daß ich endlich auf Deine Schliche gekommen bin!" hob er an. „Du wirst jetzt so gut sein, mich ein paar Minuten anzuhören! ... Setze Dich!"
Er griff nach zwei Stühlen, sctzte sich auf den einen und wies ihm dm anderen an. Gustav folgte seinem Befehl, drehte sich die Spitze seines blonden, kaum gekeimten SchnurrbärtchenS, und blickte schweigend vor sich hin.
„ES ist mir gelungen, auf die Spur der Wechsel zu kommen, die Du wieder unterschrieben, nachdem ich erst vor kurzem Deine Schulden bezahlt, von denen Du auch nur einen Teil mir bekannt. Hier sind sie."
(Fortsetzung folgt.)