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gleichen Ziele verfolgen, aber nicht die gleichen Arbeiten haben. Jeder Verein hat seine besonderen Aufgaben. Der Verschönerungsverein pflegt wie schon seit seiner Gründung die eigentlichen Anlagen, den Stadtgarten, und dazu noch die Wege in der nächsten Umgebung der Stadt, ebenso liegt ihm die Unterhalung sämtlicher Ruhebänke ob. Die Mittel des Fremdenverkehrsvereins fließen also nicht dem Verschönerungsverein zu; letzterer ist auf sich selbst angewiesen. Wir wiederholen also nochmals unsere Bitte um freundliche Unterstützung in Gewährung von Beiträgen für den Verein.
sAmtlicheS aus dem Staatsanzeiger.s Bei der ersten Staatsprüfung im Baufach sind für befähigt erkannt worden: Rapp, Richard, von Wildberg, Link, Otto, von Trölleshof OA. Nagold. Dieselben haben die Bezeichnung „Regierungsbauführer" erhalten.
Stuttgart, 3. Juni. Heute nachmittag 5'/, Uhr fand auf dem Pragfriedhof die Beerdigung des unerwartet rasch aus dem Leben geschiedenen OberpostmeisterS a. D. Robert Steidle statt. Eine ungewöhnlich große Menge Leidtragender folgte dem Sarge. Im Trauerzuge befanden sich auch 9 Fahnen von hiesigen Vereinen. Beim Einzug in den Friedhof spielte die Prem'sche Kapelle den Schubert'schen Trauermarsch. Hierauf sang der Stuttgarter Liedeikranz, dessen Mitglieder fast vollzählig erschienen waren, das Faißt'sche Trostlied: „Mag auch die Liebe weinen". Die Grabrede hielt Stadtpfarrer Jehle von der Fliedenskirche, der die Bedeutung des Mannes für Vereine und Volk darlegte. 15 Kränze wurden am Grabe nicder- gelegt mit Ansprachen namens des Stuttgarter Liederkranzes, des Schwäbischen Sängerbundes, des Deutschen Sängerbundes (l)r. Beckh aus Nürnberg), vom 1. Baß des Stuttgarter Liederkranzes, von der Loge zu den 3 Cedern, vom Verschönerungsverein Stuttgart, der „Harmonie" in Zürich, vom Wiener Männergesangverein, von der Berliner Liedertafel, der Augsburger Liedertafel, dem Wiener Schubertbund, vom Brüßler Gesangverein Gmünd, vom Deutschen Kriegerverein, vom Eßlinger Liederkranz und vom Eßlinger Bürgerverein. Zum Schluß sang der Stuttgarter Liederkranz „Stumm schläft der Sänger". Die Prem'sche Kapelle spielte eine Elegie von vr. Grandaur und endlich noch den Choral „Auferstehn".
Stuttgart, 3. Juni. (Strafkammer.) In der Wirtschaft zum Mönchskcller zu Untertürkheim wurden am 20. Februar ds. Js. morgens dis Studierenden der Technischen Hochschule hier Otto Walter Frick von hier von der Burschenschaft „Arminia" und Max Oberdörfer von Heidenheim von der Burschenschaft „Allemannia" bei einem Zweikampf mit Schlägern abgefaßt. Es handelte sich um ein sog. Bestimmungsmensur. Mitangeklagt wegen Beihilfe hiezu war der 61jährige damalige Pächter der Wirtschaft, Ernst Hugo Hilzinger von Tuttlingen, der jedoch einwandte, er sei während des Zweikampfs krank zu Bette gelegen und habe davon nichts gewußt, da der Saal ohne Angabe des
Zwecks vorher bxstellt worden sei. Auch habe er von den unmittelbar vorher in den Saal verbrachten fünf schweren Koffern mit Paukzeug u. s. w. nichts gesehen. Letzteres wurde beschlagnahmt und lag im Gerichtssaal. Die beiden Duellanten erlitten nur geringfügige Verletzungen. Da alle Vorsichtsmaßregeln getroffen waren, erklärten die zu der Bestimmungsmensur beigezogenen Aerzte, eine tödliche Verletzung sei vollständig ausgeschlossen gewesen. Der Fuhrmann, welcher die fünf Koffer beiführte, bezeugte, dies dem Wirt bei Ankunft gemeldet zu haben. Auf Grund der konstanten Rechtsprechung des Reichsgerichts beantragte der Staatsanwalt die Verurteilung der Studierenden und auf Grund der Zeugenaussagen auch diejenige des Wirts, wogegen der Verteidiger Freisprechung beantragte, da es sich um ein ungefährliches Waffenspiel handle. Das Urteil lautete gegen die beiden Studierenden auf die gesetzliche Mindeststrafe von 3 Monaten Festungshaft und gegen den Wirt auf 4 Wochen Festungshaft.
Tübingen, 3. Juni. Die Universitätsstadt ist für die nächsten Jahre reichlich mit festlichen Veranlassungen größeren Stiles bedacht. Heuer findet wie bekannt das Bundesschießen hier statt. Im nächsten Jahre werden die Wirte sich hier zusammenfinden. Im Jahre 1906 soll der Krieger- bundstag hier abgchaltm weiden und das Jahr 1907 soll uns das württ. Sängerbundfest bringen.
Aich Halden OA. Oberndorf, 3. Juni. Gestern abend '/>7 Uhr brannte dos Haus des Engelbert Förstner in Hinteraichhalden infolge Blitzschlags vollständig nieder. Nur das Vieh konnte mit knapper Not gerettet werden. Der Abgebrannte ist versichert. In den südöstlichen Parzellen fiel strichweise Hagel.
Reutlingen, 3. Juni. In der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurden der Firma Ulrich Gminder für ihr, nach Entwürfen von Prof. Fischer in Stuttgart zu errichtendes Arbeiterdorf besondere Baubestimmungen, die zum Teil gegen das Ortsbaustatut verstoßen, gewährt. Für die Errichtung eines neuen RealschulgebäudeS in der Rennwiese wurden 38 600 ^ genehmigt. Hiebei ereignete sich der seltene Fall, daß der Bürgerausschuß 18 000 mehr für die Fassaden bewilligte, als gefordert wurden. Auch der Staat soll um einen Zuschuß zu den Baukosten ersucht werden. Die Schule soll im Herbst 1906 fertig gestellt sein.
N i e d e r st e t t e n, 3. Juni. Die Schafschur ist überall in der Gegend lebhaft im Gange, und es wurden schon viele Käufe abgeschlossen. Die Preise notieren diesmal höher als im Vorjahr. Nach bis jetzt vorliegenden Abschlüssen erzielten die Produzenten 100 bis 120 pro Zentner.
Vo m unteren Remstal, 3. Juni. Mit Eintritt beständiger Witterung wird in unserer Gegend die Heuernte beginnen. Die Erträge versprechen auf den Gründen, auf welche das Unwetter vom 27. Mai nicht verheerend gewirkt hat, reichliche zu werden. Bezüglich der Obstaus- sichten kann man auf eine gute Ernte an Aepfeln
hoffen; die Birnbäume find trotz der außerordentlich schönen Blütezeit nicht gar reichlich behängen; manche weisen nur mäßige Fruchtansätze auf. An vielen Obstbäumen, namentlich Steinobstbäumen, trifft man massenhaft Raupennester an; die gefräßigen Raupen fressen ganze Neste kahl. Eine energische Vernichtung der Schädlinge ist geboten.
In den Weinbergen herrscht bei befriedigendem Traubenansatz gesundes Wachstum der Reben. Aus verschiedenen Plätzen wird die Blüte gewisser Frühtraubensorten gemeldet.
Pfahlbronn OA. Welzheim, 1. Juni.
Der Hagelschlag am 21. Mai hat größeren Schaden verursucht, als angenommen worden ist. Roggen ist ganz, Dinkel teilweise bis zu 80 °/», Sommerfrucht bis zu 60 "/« vernichtet. Die noch vorhandene Frucht wird größtenteils leicht werden.
Auf den Wiesen ist nicht einmal ein halber Heuertrag zu erwarten. Auf Obstertrag ist überhaupt nicht zu rechnen, die Bäume find auf viele Jahre beschädigt und werden wohl wieder, wie von dem Hagelschlag im Jahr 1896, krark. Die Erzeugnisse und Früchte sind entsprechend Die schönsten Hoffnungen dieses JahreAWWWW durch Hagelschlag begraben. Ein Sturm tobte, ist, daß zahlreiche Bäume abgeknickt oder aus dem Boden gerissen wurden, Schuppen zusammenstürzten und Vögel tot aufgefunden worden sind. Am stärksten betroffen sind außer Pfahlbronn selbst die Teilgemeinden Adelstetten, Brech, Haghof, Leincckswühle und Rienharz. Die Gemeinden rechnen auf Steuernachlaß und sonstige Hilfe.
Vom Rhein schreibt man der „Frkf. Ztg.": Eine Pfingstfloßfahrt auf dem Rhein veranstaltete die Heilbronner Langholzhandlung G. A. Pfle (derer. Aus weit über 3000 Stämmen war das gewaltige Floß gezimmert, das mit Küche, und Kammern, Hütten und Herden versehen war und von Mainz aus langsam zu Tal fuhr. Die Holzmassen bedeckten ein Geviert, das 250 Meter in der Länge, 60 Meter in der Breite maß und an manchen Stellen war der Rhein fast von Ufer zu Ufer von dieser hölzernen Brücke bedeckt. Die Stämme repräsentierten einen Wert von 85 000 Als Reisegesellschaft fanden sich auf dem Floß die Holzlieferanten der Firma weither aus den Wäldern von Oberösterreich und Niederbayern zusammen, um einmal die Stämme, die sie geschlagen, auf ihrer Fahrt in das rheinisch-westfälische Industriegebiet zu begleiten. Zwei Tage lang dauerte die Fahrt. In Camp gegenüber von Boppard wurde Nachtrast gehalten, zum Teil an Land, zum Teil im Wasser auf dem Stroh. Die Flößer haben hier ihre Heimat und verbringen hier die winterliche Ruhezeit sowie die Tage zwischen den einzelnen Fahrten von Mainz nach den Niederlanden. Anderntags ging es weiter bis Köln, wo man spät abends die Fahrt beendete.
Berlin, 3. Juni. Auf einen Mord, anscheinend einen Lustmord, läßt ein Leichenfund schließen, welchen heute morgen Arbeiter im Verbindungs-Kanal auf Charlottenburger Gebiet
„Adieu solange!' Er drückte ihr die Hand, und Rosa verließ ihn, zwischen den ungeduldig draußen Wartenden hinausschreitend.
Was sie gehört, lautete allerdings anders, als sie der Schwester geschrieben. Aber die brauchte davon nicht« zu wissen. Tief unglücklich betrat sie die Straße, die Augen zu Boden gesenkt.
„Verzeihung, Fräulein Rosa", hörte sie sich anreden. „Ich sah Sie hier eintreten . . ."
Sie schaute betroffen auf. Sich ihrer von Tränen geröteten Augen schämend, erblickte sie Gustav Engelbrecht, den Sohn des reichen Fabrikanten vor dem Halle'schen Tor, der im Reitanzuge vor ihr stand.
Vor einigen Tagen erst hatte sie, mit Kolleginnen am Mittag vor dem Bühnen-Ausgang des Opernhauses stehend, aus langer Weile eine Einladung zum Abendessen bei Ewest angenommen, auch einen recht heiteren Abend mit ihren Freundinnen verlebt und er seinerseits hatte dadurch ein Recht auf eine gewisse Vertraulichkeit erworben.
„Sie haben geweint?" fragte der junge Mann mit einem recht teilnehmenden Ausdruck seines noch jugendlich frischen Gesichtes. „Sie waren oben bei ihm? Hat er etwa . . . ?"
Rosa'S Antlitz entfärbte sich.
„Ach, ich habe eS heute recht fühlen müssen, welch' ein Sklavenleben unsereins führt!" seufzte sie. „Ich wollte ja nach Wien, Sie wissen, und jetzt bietet man mir eine Gage, von der kein anständiger Mensch leben kann! ES ist ein Jammer um die Kunst!"
„Hm, so mancher gäbe Ihnen alles, was er besitzt und mehr! . . . Aber,
geht's mir denn anders? Kaum habe ich die Freude am Leben gefunden, da kommt mein Alter und verlangt, ich solle in seine Fabrik eintreten und mir die Kontor-Aermel anziehcn! Ich denke aber nicht daran . . . Kommen Sie, frühstücken wir zusammen und verjagen wir den Aerger! Was kann das schlechte Leben nützen!"
Rosa überlegte, daß ihre Wirtin noch auf die Vorausbezahlung warte. Sie war in einer Galgenlaune und nickte bereitwillig. Wenn der Agent am Nachmittag komme, sollte er sie nicht in so kleinmütiger Stimmung finden. Es waren ja doch dis anderen Agenten noch da, die freilich sich nicht so wichtig machten wie dieser, dessen Wagenpferde doch, wie man ihr erzählt, noch vor gar nicht langer Zeit die Gerichtssiegel an ihren Geschirren getragen, der jetzt ein großes Haus machte und die Künstlerinnen wie seine Sklavinnen behandelte, obgleich er noch bis über die Ohren in Schulden steckte.
Auf dem Wege durch die Mitte der Linden klagte sie ihm ihr Leid. Sie habe schwere Geldsorgen, seit sie die väterliche Wohnung verlassen.
Engelbrecht lachte.
„Ihnen, Fräulein Rosa, gehört alles, was ich habe! Mein knauseriger Vater muß noch lange blechen, ehe er mich mürbe kriegt. Ich fange jetzt erst an zu leben. Das wäre noch schöner, wenn sie Sorgen haben sollten!"
Er zog ein kleines Täschchen hervor, wickelte es in sein Taschentuch und reichte e» ihr, damit Niemand von den jungen Bekannten, die eben auf der anderen Seite der Linden vorüber zur Börse gingen, sehen sollte, was er ihr reichte.
(Fortsetzung folgt.)