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bürgerlichen Kollegien Liebenzells und der 13 Fest- geweinden Beinberg. Bieselsberg. Dennjächt, Ernstwühl, Jgelsloch, Maisenbach, Monakam, Oberlengenhardt, Schömberg, Schwarzenberg, Unterhaug- stett, Unterlengenhardt und Unterreichenbach. An die bürgerlichen Kollegien schlossen sich die Kriegervereine an, hierauf folgte eine Schwarzwälder Bauernhochzeit, zu der die Männer in langen Schoßröcken, Kniehosen und Dreispitzen und die Mädchen mit dem Aufschlag, geziert mit buntem Perlenwerk, erschienen waren; dann kamen noch die zahlreichen Vereine der Sänger, Turner und Feuerwehren aus den genannten Orten.
Nachdem der König den Wagen verlassen hatte, überreichte er dem Stadtvorstand Mäulen die goldene Verdienstmedaille am Band des Kronordens.
Im Namen der 14 Gemeinden des ehemaligen Amtes Liebenzell richtete der Stadtschultheiß eine kurze Begrüßungsansprache an den König, die in ein Hoch auf Se. Majestät ausklang, in welches das Publikum begeistert einstimmte.
Beim Abschreiten der Spaliere richtete der König an viele der alten, mit der Kriegsmedaille geschmückten Männer freundliche Worte und auch mit den Mitgliedern der Hochzeitsgesellschaft unterhielt er sich in scherzhaftem Tone, auf den ebenso und manchmal recht drastisch erwidert wurde. Als der König fragte, ob es wirkliche Brautleute seien, meinte der Brautvaier: „Noi, Majestät, dia send no oneh'lich."
Durch die festlich geschmückten Straßen fuhr der König zur Kirche; vor dem Wagen ritten Schwarzwälder Bauernburschen in Pelzkappen und Lederhosen. Auf dem Wege nahm der König aus den Händen zweier junger Mädchen einige Schriften der deutschen China-Jnland-Mission entgegen.
Vor der Stadikirche wurde der König von Stadtpfarrer Weit brecht empfangen, der mit dem Friedrichsorden 1. Klasse ausgezeichnet wurde; auch die Schultheitzm der Gemeinden Jgelsloch und Unterlengenhardt, Bertsch und Stahl, erhielten Auszeichnungen.
Nach der Ansprache des Stadtpfarrers Weit- brccht ließ sich der König den 2. Stadtpfarrer D ierolf, sowie die gleichfalls erschienenen Geistlichen von Unterreichenbach, Schömberg und Mött- lingen vorstellen.
Nun wohnte Seine Mojestät dem Fcstgottcs- dienst an, wobei Stadtpsarrer Weitbrecht die Predigt hielt über die Worte des 77. Psalms: „Ich denke der alten Zeit, der vorigen Jahre usw." Der Geistliche gedachte der vielen Beweise von Gunst und Güte, die den Bewohnern des ehemaligen Amtes Liebenzell durch Württembergs Fürsten zu Teil geworden, und der wohlmeinenden Fürsorge, die ibnen die württembeigische Obrigkeit in den 300 Jahren gewidmet. Sie geloben dafür unverbrüchliche Treue dem König und Gehorsam dem Gesetze. Der Gottesdienst schloß mit dem Gesänge: „Rühmet, ihr M-nschen, den hohen Namen."
Von der Kirche begab sich der König zu Fuß durch die in immer erneute Jubelrufe ausbrechenden Spaliere der Schuljugend und Feuerwehr. Unterwegs wurde das Töchterpensiouat und vor dem Marienstift die Frauenarbeitsschule und die Kleinkinderschule begrüßt; eine Schülerin der letzteren, das Tochrerchen des Kunstwüllers Karl Haisch über
reichte dem König einen Blumenstrauß, der mit freundlichen Worten angenommen wurde; die Oberin des Stifts wurde durch eine Ansprache ausgezeichnet.
Beim Eintritt in den Rathaussaal begrüßte den König die Mutter des Stadtschultheißen Mäulen, die Witwe des ehemaligen Schultheißen von Untertürkheim. Der König erinnerte sich, im Jahre 1866 gelegentlich seiner Einquartierung in Untertürkheim mit der älten Dame im Hirsch getanzt zu haben.
Vor dem Rathaus brachte der Liebenzeller Liederkranz dem König ein Ständchen.
Im Rathaussaal vollzog sich sodann eine Huldigungsfeier, die Stadtschultheiß Mäulen mit einer Ansprache einleitete; hierauf überreichte er dem König im Namen der sämtlichen Gemeinden des Amtes Liebenzell ein prächtiges Album mit einer Ergebcnheitsadresse. In dieser ist gesagt, daß die Einwohner des Amtes Liebenzell in herzlicher Dankbarkeit der vielen Segnungen und Wohltaten gedenken, die in den 300 Jahren unter dem umsichtigen und weisen Regiment der württ. Herrschaft ihren Gemeinden zugeflossen sind. Die Vertreter derselben nahen sich heute dem königl. Tron mit dem Gelöbnis unwandelbarer Treue und mit der Bitte, Seine Mojestät wolle die landesväterliche Huld und Fürsorge auch fernerhin den Gemeinden angedeihen lassen.
Das Album selbst ist in Leder gebunden. Die Decke ist von Kunstmaler Schmauk in Unter- türkheim sehr hübsch und geschmackvoll ausgeführt. In der linken oberen Ecke ln findet sich das Wappen des Königs und das von Liebenzell, beide verbunden durch einen Lorbeerzweig, links die Jahreszahl 1604, rechts 1904. Das erste Blatt des Albums ist ein Aquarell mit allegorischen Figuren, die auf Liebenzell sich beziehen. Umrahmt ist das Ganze von einer Trappierung in den württ. Landesfarben. Weiter erthält das Album die photographischen Ansichten der 14 Gemeinden, welche Photogr. Hildenbrand-Stuttgart gefertigt hat; das Album selbst wurde von Knipp-Stuttgart verfertigt.
Nachdem der König das Album entgegengenommen, erwiderte er etwa Folgendes: „Der schöne Empfang, der mir zu teil geworden, hat einen herzlichen Widerhall bei mir gefunden. Wem geht nicht das Herz auf im herrlichen Schwarzwald, inmitten der Schwarzwälder. Ich freue mich, der Stadt Liebenzell meinen Besuch abgestattet zu haben und sagen Ihnen meinen innigsten und wärmsten Dank für den schönen Empfang. Es ist mein landesväterlicher Wunsch, daß es den 14 Gemeinden allezeit gut und wohlergehe und daß sie glückliche Zeiten erleben mögen." Nach der huldvollen Erwiderung wurde ein Imbiß (belegte Brote verschiedener Art, von Jolasse z. Hirsch bestens zubercitet) dargereicht; Die Bedienung des Königs und der Fcstteiinehmer batten 6 Bürgersiöchter von Liebenzell übernommen. Während der gereichten Erfrischungen ließ der König sich die anwesenden Bezirksbeamten vorstellen und und unterhielt sich hierauf mit vielen der übrigen Anwcsenden.
Bei der nun folgenden Fahrt durch die Stadt brachten auch die Bewohnerinnen des Diakonissenerholungsheims Sr. Majestät ihre Huldigung dar. Durch die Kuranlagcn wurde sodann zum Königszelt gefahren und sofort nahm der Festzug seinen Anfang. Von dem Festzug selbst wurde schon be
richtet. Nachdem dieser 2mal an dem König vorübergegangen war, verabschiedete sich der König von den Anwesenden und fuhr unter lebhaften Hochrufen der Zurückbleibenden von Regierungsrat Voelter und Stadtschultheiß Mäulen geleitet zu der am Bergeshange gelegenen Villa des Pfarrers a. D. Theophil Blumhardt. Von diesem und seiner Gemahlin empfangen, genoß der König kurze Zeit von der Terasse aus den prächtigen Blick ins Tal und über das Städtchen.
Um 12 Uhr 40 Min. erfolgte die Abfahrt des Königs, der beim Abschied dem Stadtschultheiß Mäulen nochmals seine Anerkennung für den ihm dargebrachten Empfang aussprach.
Der Aufenthalt des Königs war vom herrlichsten Wetter begünstigt, der nach der Abfahrt eintretende Regen konnte die Festfreude nicht mehr beeinträchtigen, ganz Liebenzell schwamm in Wonne über den glänzenden Verlauf der Feier. Diese erhabene Stimmung kam auch bei dem Festessen zum Ausdruck, das nachmittags im „Unteren Bad" stattfand und bei dem etwa 100 Gedecke aufgelegt waren. Das Mahl wurde belebt durch eine große Zahl von Trinksprüchen. Den ersten Toast brachte Stodtschulibeiß Mäulen aus. Er feierte in trefflicher Rede die ritterliche Gestalt des Königs und weihte sein Glas dem Wohle des geliebten Londesvaters. Stadtpsarrer Weitbrecht toastete auf die Königin. Er erinnerte an die vielen und segensreichen Huldbeweise der Herrscher Württembergs, welche das Städtchen jeder Zeit erfahren durfte. So habe der Erbprinz Ludwig als Kurgast im Jahr 1719 die prächtige Lindenallee anlcgen und ein Kurhaus errichten lassen; die Prinzessin Marie Hobe das Marienstift gebaut und mit den nötigen Mitteln ousgestattet, die Königin Olga habe als Kronprinzessin das Bad besucht und während ihres Aufenthaltes viel Gutes gestiftet, ebenso habe das jetzige Königspaar seit seiner Thronbesteigung an dem Wohl des Städtchens herzlichen Anteil genommen. Schultheiß Scholl- Unlerreichenboch toastete nach einer humorvollen Ansprache auf den Staatsminister v. Pischek, worauf dieser in gleicher Weise entgegnete und auf das Wohl von Stadt und Amt Liebenzell und ihre Bewohner sein Glas leerte. Auf den Regierungspräsidenten v. Hofmann (früher Obeiamtmann in Neuenbürg) toastete Schultheiß Bertsch-Jgelsloch; der Gefeierte dankte in herzlichen Worten und rrank auf das Wohl der 14 Gemeinden. NegierungSrat Voelter gabeinen Rückblick auf die Geschichte Liebenzells bis zurück aufs Jahr 1273 und eine kurze Schilderung seiner Entwicklung. Ein Hauptverdienst hievon gebühre dem nun schon 7 Jahre um das Wohl der Stadt besorgten Stadlschultheiß Mäulen; dessen Verdienste seien deshalb auch heute von dem König ehrenvoll gewürdigt worden. Der Gefeierte dankte und hob die Verdienste des Oberamtmanns um das Wohlergehen des Städtchens hervor, der Oberamtsvorstand habe die Stadt allezeit in ihren Bestrebungen um ein weiteres Emporblühen unterstützt. Pfarrer Blumhardt forderte zu einem Toast auf Stadtpfarrer Weitbrecht auf, welchem heute durch S. Majestät gleichsam der Dank der Stadt- gemcinde zum Ausdruck gebracht worden sei. Mit einer Erwiderung von Sradtpf. Weitbrecht, der
Beifall gefunden. Ihre Neiderinnen behaupteten, nur durch ihre Persönlichkeit und dmch den Einfluß einer fürstlichen, jungen Hoheit, die sich an dem Abend in der Proszeniumsloge sehr bemerkbar gemacht und sich um die Gunst der Debütantin bewerbe, auch durch den Lorenzos, der die ganze Claque aufgeboten, um ihr einen durchschlagenden Eifolg zu bereiten.
Tatsache war, daß die Zeitungen sich am Morgen schon fast einstimmig höchst lobend und ermunternd über ihre Stimm: ausgesprochen, ihr also die Bühnen-Karriere mit diesem Abend g« öffnet war. Ihr Vater hatte sie vom Parket aus gehört. — gesehen kaum, denn seine Augen waren fast erblindet — er hatte sich zu Allegrina auf die Bühne, in die Garderobe führen lasten und die Tochter mit Freudentränm umarmt. Gesehen hatte er auch hier nicht die schönen Blumensträuße, die von Verehrern, die sie wahrscheinlich schon in den Konzerten gewonnen, ihr auf die Bühne gesandt waren, eine Huldigung, die Allegrina fast verwirrt machte.
Rosa hatte in der Garderobe kein Wort des Glückwunsches gesagt. Sie hatte die Bouquets einzeln aufmerksam gemustert, nur ein: „Na, na!" geäußert und hinzugefügt, dergleichen bekomme sie auch ebenso schön. Fast unzufrieden über den Erfolg der Schwester hatte sie den Vater schon nach dem zweiten Akt aus dem Theater geführt, da dieser in seiner Erregung nach Hause begehrte.
Sie selbst, Rosa, war nicht in der Stimmung, an Anderer Freud' oder Leid teilzunehmen. Sie hatte am Mittag den Bescheid der Intendantur erhalten, daß ihr Gesuch um höhere Gage noch nicht bewilligt werden könne, und ihrem Austritt aus dem königlichen Ballet, mit dem sie gedroht, nichts entgegenstehe.
Einer der Agenten hatte sie zu diesem Verlangen gedrängt, um sie ganz
in seine Hand zu bekommen, denn er sah die Folge davon voraus und jetzt bereute sie, was sie getan. Sie war so gut wie entlasten und konnte nicht bleiben ohne Beschämung, während man ihr von der Ballet-Direktion gern eine goldene Brücke zurückgebaut hätte; Taglioni hatte ihr gesagt, sie sei eine Närrin, hätte warten sollen, bis er ihr einen Wink gegeben.
Nicht wissend, was sie jetzt solle, war Rosa in galligster Stimmung deren Ursache sie den Ihrigen verschwieg. Anträge von außen, eben durch diese Agenten, fehlten nicht, aber der Entschluß ward ihr schwer. Sie haderte mit sich und der Welt und das Glück der Schwester an der Bühne und hatte ihr gerade jetzt auch noch gefehlt. Sie hatte nicht die Protektion an derselben, wie Allegrina sie gefunden, die mit einer schönen Stimme begnadet worden, während sie in ihrem Drange zur Kunst zu den Füßen hatte greisen müssen. Allegrina hatte auch im ersten Jahre ihres Gesangsunterrichts, als sie sich gezankt, die Behauptung gewagt, ihre Kunst stehe viel höher als die Rosas und das verzieh ihr diese nicht, zumal sie jetzt einsehen mußte, daß Allegrina in einer Sphäre der Kunst stehe, aus der man auch an ihrer, der königlichen Bühne, mit Minderschätzung auf sie, die Tänzerin, herabblickte, die ja noch nicht einmal die erste Staffel der ihrigen, den Rang einer Koryphäe erreicht.
Ohne Allegrinas Zutun hatte sich also eine gewisse Spannung zwischen den Schwestern hergestellt, die um so empfindlicher war, als sie sich fortab nicht mehr suchten.
Inzwischen sprach die junge Lebewelt von den zwei schönen Schwestern. Die Ballet-Enthusiasten verlangten, man solle Rosa behalten und die Aelteren lieber verabschieden, aber die Herren von der Intendanz waren taub dagegen, denn der Ton der jungen Künstlerin in ihrer schriftlichen Eingabe waren nicht gehorsamst genug gewesen. (Fortsetzung folgt.)