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^ 85. AylLs- und KnzeigeSsaLt für den Bezirk Hakrv. 79. Jahrgang.

Skschrtmuiurtage: Dilnttsz, DonnerStaz, vainr- t«z, Tanntag. Jnsrrtionkpr.tr 10 Pf», pro Zril« für Stadt «a» »qirttort«; außer Seztrt 1» Pf».

Dienstag, den 31. Mai 1904.

AbonnementSpr. in d. Gtaüt pr. Dierlelj. Mk. 1.10 incl. Träger!. Vierteljährl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- ortSvertehr 1 Mk.» f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Tagesneuigkeiten.

* Calw, 29. Mai. Am gestrigen Abend veranstaltete der Liederkranz im badischen Hof ein wohlgelungenes und genußreiches Konzert. Das Programm war mit großer Sorgfalt zusammen­gestellt und bot eine Fülle auserlesener Chöre und Solistücke in reicher Abwechslung. Zum Vortrag wurden von den Sängern eine große Zahl von Novitäten gebracht, die vermöge ihrer tüchtigen Ein­studierung und ihres hohen musikalischen Gehaltes eine große Wirkung erzielten. Wir heben unter den neuen Chören besonders hervorSchiffergesang" von Heim,Suomis-Sang" von Pacius,O wie herbe ist das Scheiden" von Silcher undIm Krug zum grünen Kranze" von Zöllner. Der neue Dirigent des Vereins, Hr. Lehrer Rummel, hat sich mit dem Konzert vorzüglich eingeführt; er führt mit ruhiger, sicherer Hand den Dirigentenstab und willig folgt ihm die Schar der Sänger. Die Chöre zeugten von trefflicher Auffassung, feinem Verständnis und sicherer Uebung. Außer den Chören enthielt das Programm noch Gesangssoli und Duette und Klavier- und Violinvorträge. Sämtliche Mitwirken- den, die HH. Handelslehrer Kauffmann, Stadt­musikus Frank, Wilhelm Schwämmle und Lehrer Schüßler boten ausgezeichnete Leistungen und trugen zum Gelingen des Ganzen wesentlich bei. Das Konzert war schön harmonisch abgerundet und eine hervorragende Leistung des Vereins; leider ließ der Besuch desselben zu wünschen übrig.

. * C a l w, 30. Mai. Anläßlich der G e d e n k-

feier der 300jährigen Zugehörigkeit des Amtes Liebenzell zu Württemberg traf Seine Majestät der König gestern morgen um 9 Uhr auf dem Bahnhof hier ein. Während der Einfahrt des Hofzuges wurden sämtliche Glocken der Stadt geläutet. Zum Empfange des Königs hatten sich auf dem Bahnhof die bürgerlichen Kollegien, die Geistlichkeit, der Veteranen- und Militärverein, die Lehrer des Realprogymnasiums, der Mittel- und Volksschule, sowie der höheren Handelsschule eingefunden, außerdem waren die oberen Schulklassen der verschiedenen Lehranstalten zur Begrüßung des Königs zugelassen worden. Das Wetter war nicht schön und starker Regen schien den Empfang zu beeinträchtigen. Das auf dem neuen Weg ausgestellte Publikum ließ sich aber dadurch nicht abhalten und harrte tapfer jm Regen aus. Mit der Ankunft des Königs hörte aber der Regen auf und heiter brach die Sonne hervor. Als der König seinem Salonwagen ent­stiegen war, wurde er von Herrn Stadtschultheiß Conz mit folgender Ansprache begrüßt:

Königliche Majestät!"

Euer Majestät stehen im Begriff, in Lieben­zell die Huldigung eines jüngeren Landesteils entgegenzunehmen. Da möchte auch die alte Stadt Calw mit dem Ausdruck ihrer Treue nicht hinter ihren Bergen halten. Wir Calwer rechnen unsere Anhänglichkeit an Euer Majestät Haus nicht nach bloßen Jahrhunderten. Die Geschichte hat unsere Stadt schon mit den Anfängen der Grafschaft Württemberg aufs engste verknüpft und die Stadt ist seitdem mit ihr verbunden geblieben nicht sowohl dank der in weltlichen

wie religiösen Stürmen erprobten Treue ihrer Bürger, als auch, und das noch vielmehr, durch die besondere Fürsorge, welche die Krone, vor­nehmlich aber Euer Majestät Regierung der Stadt je und je zugewendet haben.

Wir konnten heute diese von Alters her auf die Zukunft sich vererbende Zusammengehörigkeit nicht schöner versinnbildlichen, als indem wir neben den gegenwärtigen berufenen Ver­tretern der Stadt die Zeugen alter Treue, unsere Veteranen, und die Hoffnung neuer Treue, unsere Jugend, vor Euer Majestät An­gesicht gerufen haben. Majestät! Wie gerne würden wir Euer Majestät auch einmal in unseren Mauern begrüßen! Der Schmuck, den unsere Stadt für heute angelegt hat, ist nur ein äußerlicher und bescheidener. Um so köstlicher aber haben wir Bürger unsere Herzen geschmückt mit den lebhaften Gefühlen der Treue, der An­hänglichkeit und der Freude über Euer Majestät Begrüßung, und aus solchen Herzen heraus ver­mögen wir Euer Majestät nichts Besseres zu bieten als ein herzliches Grüß Gott vor Calw! Kgl. Majestät!"

Auf diese begeisterte Ansprache erwiderte der König in huldvoller Weise, er danke herzlich für den schönen Empfang, der ihm hier bereitet worden sei, er nehme gerne die Versicherung der Treue und Anhänglichkeit der Stadt Calw ent­gegen und er wünsche, daß die Stadt auch fernerhin blühen und gedeihen und ihren alten Ruhm bewahren möge. Der König ließ sich hierauf die Geistlichkeit beider Konfessionen, den Rektor des Realprogym­nasiums, den ältesten Gemeinderat und den Bürger- ausschußobmann, den Vorstand des Veteranenvereins und noch verschiedene andere Personen vorstellen, mit welchen er sodann in huldvoller Weise sich unterhielt. Ein Töchterchen von Hrn. Stadtschultheiß Conz überreichte dem König einen Blumenstrauß, der von dem König mit freundlichen Worten an das Kind angenommen wurde. Vor der Abfahrt des Zuges sprach der König noch längere Zeit mit dem Stadtvorstand, indem er bemerkte, er habe sich bei der Einfahrt wiederum an der prächtigen Lage von Calw erfreut, die Stadt besitze eine herrliche Um­gebung und er wünsche, da ja die Stadt zum Kur­ort sich aufgetan habe, diesen Bestrebungen den besten Erfolg. Die Stadt habe zwar eine starke Konkurrenz an Freudenstadt, aber bei der wunder­schönen Lage werde ein Erfolg nicht ausbleiben. Er sei früher oft in die hiesige Gegend zur Auer­hahnjagd gekommen und stets sei er hochbefriedtgt von seinem Aufenthalt hier gewesen. Zum Schluß dankte er noch besonders den bürgerlichen Kollegien für ihr Erscheinen und für den schönen Empfang. Nach 'Mündigem Aufenthalt begab sich der König nach Liebenzell, begleitet von den begeisterten Hoch­rufen der versammelten Menge. Jm Gefolge des Königs befanden sich der Flügeladjutant General v. Bilfinger, Minister v. Ptschek und einige andere Hofbeamte. Der Bahnhof hatte sich in fest­liches Gewand geworfen, die angebrachten Deko­rationen waren sehr schön.

Call»,M-Mai. (Ordensverleihungen.) Se. Majestät der König haben aus Anlaß der

Gedenkfeier der 300jähr. Zugehörigkeit des Amts Liebenzell zu Württemberg folgende Orden ver­liehen und bei seinem gestrigen Besuch den Em­pfängern eigenhändig übergeben: das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichs­ordens Herrn Stadtpfarrer Weitbrecht in Liebenzell,

die goldene Verdienstmedaille am Bande des Kronordens Herrn Stadtschultheiß Mäulen in Liebenzell

die Verdienstmedaille am Bande des Friedrichs­ordens Herrn Schultheiß Berts ch in Jgelsloch, die silberne Verdienstmedaille Herrn Schultheiß Stahl in Oberlengenhardt.

- Liebenzell, 29. Mai. Vom herrlichsten Wetter begünstigt durfte heute Liebenzell und die einstigen Amtsorte des früheren Amts Liebenzell das Fest der 300jährigen Zugehörigkeit zu Würt­temberg feiern. Den Mittelpunkt der Feier bildete die Teilnahme Seiner Majestät des Königs, der 9 Uhr Minuten vormittags mittelst Expreß­zuges hier eintraf. Nach kurzer Begrüßung durch den Stadtvorstand und Abschreiten der aufgestellten Kriegervereine fuhr Seine Majestät durch die fest­lich geschmückte Stadt, deren Straßen von einer dicht gedrängten Menge eingerahmt war, zur Kirche, wo er von den Geistlichen der Stadt und der früheren Amtsorte begrüßt wurde. Nach Beendigung des Festgottesdienstes, bei dem Stadtpfarrer Weit­brecht die Predigt hielt, begab sich Seine Majestät zu Fuß auf das Rathaus, unterwegs in leutseligster Weise die Spalier bildenden Kinder begrüßend, besonders die ausgestellten Kleinen des Marienstifts.

Auf dem Rathaus wurde zuerst durch Stadt­schultheiß Mäulen die Huldigungsadresse der 14 festgebenden Gemeinden überreicht, die Seine Ma­jestät unter Dankesworten gnädigst entgegennahm. Hierauf wurde ein Imbiß stehend servirt.

Se. Majestät zog eine große Anzahl der geladenen Herren inS Gespräch und trat dann die Fahrt zu dem im Kurpark errichteten Königszelte an.

Inzwischen hatte sich der Festzug auf dem von der Dittmar'schen Fabrik zur Kurallee führen­den Wege aufgestellt und bewegte sich, nachdem der König mit Gefolge und den geladenen Gästen das Königszelt betreten hatte, an demselben vorüber. In die Gruppen der Vereine und Gemeindevertretungen warenTrachtengruppen und einige historische Gruppen eingelegt. Von letzteren boten die Damengruppe mit der Markgräfin Kunigunde von Baden den Hauptreiz. Interessant war die Vorführung der Huldigung von 1604, die vor dem König aufgeführt wurde, sowie einige Gruppen berühmter Kurgäste aus früheren Jahrhunderten.

Insbesondere gefielen dem König der Schwarz­wälder Bauernhochzeitszug (von Maisenbach) und der von Unterlengenhardt gestellte Spinnstubenwagen.

Zweimal mußte der Zug defilieren und immer wieder sprach der König seine Anerkennung über die gelungene Veranstaltung aus, die er von dem kleinen Liebenzcll gar nicht erwartet habe.

Ganz besonders entzückt war Se. Majestät von dem herrlichen Blick, der sich ihm vom Königs­zelte aus über den Kurpark nach der den Talabschluß bildenden Ernstmühler Platte bot.

Den bis zum Abgang des Zugs verfügbaren Rest der Zeit benützte Se. Majestät nach huldvoller Verabschiedung von den geladenen Beamten und Gästen zu einer Fahrt nach dem schönen Aussichts­punkt, auf welchem das HausWaldheimat" von Pfarrer Blumhardt steht um von der dortigen Ter-