Estradlall des Enztilcrs.
Ausgegeben: Neuenbürg, den 1l. November 1915, mittags 12 Uhr.
Telegramme des Wolff'schen Büros an den „Enztäler".
(WTB.) Den 10. November, nachm. 3.00 Uhr.
Großes Hauptquartier, 10. November. Amtl.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Oestlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe -es Generalfeldmarschalls von Hindenburg:
Westlich von Riga wurde ein russischer Vorstoß gegen Kemmern zum Stehen gebracht.
Westlich von Jakobsstadt wurden stärkere, zum Angriff vorgehende feindliche Kräfte zurückgeschlagen. 1 Offizier, 117 Mann sind in unserer Hand geblieben.
Vor Dünaburg beschränkten sich die Russen gestern auf lebhafte Tätigkeit ihrer Artillerie.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Nichts Neues.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Ein russischer Durchbruchsversuch bei und nördlich Budka (westlich von Czartorysk) kam vor ostpreußischen, kurhessischen und österreichischen Regimentern zum Stehen. Ein Gegenstoß warf den Feind in seine Stellungen zurück.
Balkan-Kriegsschauplatz:
Die Verfolgung ist überall in rüstigem Fort- schreiten.
Die Beute von Krusevac beträgt nach Ser nunmehrigen Feststellung 103 fast durchweg moderne Geschütze, große Mengen Munition und Kriegsmaterial.
Die Armee des Generals Bojadjeff meldet 3660 serbische Gefangene, als Beute von Nisch 100, von Leskovac 12 Geschütze.
Oberste Heeresleitung.
Berlin, 11. Nov. Am Eingang zum finnischen Meerbusen wurde am 5. November ein Führerfahrzeug der russischen Minensuchabteilung und am 9. Nov. nördlich von Dünkirchen ein französisches Torpedoboot durch unsere Unterseeboote versenkt.
Der Chef des Admiralstavs der Marine, (gez.) von Vehnke.
Wien, 10. Nov. (WTB.) Amtlich wird verlautbart vom 10. Nov. 1915 mittag?: Russischer Kriegsschauplatz. In Ostgalizien herrscht seit dem Mißlingen der letzten russischen Angriffe gegen unsere Strypafront wieder Ruhe. Ein russischer Durchbruchsversuch westlich von Czartorysk wurde in heftigen Kämpfen durch deutsche und österreichisch- ungarische Truppen vereitelt. — Italienischer Kriegsschauplatz. Die Tätigkeit der italienischen Artillerie war gestern im allgemeinen wieder lebhafter. Feindliche Angriffe auf den Südteil der Podgorastellung, gegen Zagora, bei Plava und auf den Col di Lana wurden abgewiesen. Auf Nabresina abgeworfene Fliegerbomben löteten mehrere Zivilpersonen, darunter eine Frau und drei Kinder.
Wien, 10. Nov. Die Kriegsberichte, statt« hiesiger Blätter melden lt. „D. T." aus dem Kricgs- pressrquartier: Di« Offensive an der Ostfront Man- tenegros hat mit voller Wirkung eingesetzt. Der
Triglow, worauf die montenegrimschen Batterien standen, der Oclovac und der Wardar sind genommen worden. Der Marsch gegen Mikschilsch ist der erste scharfe Vorstoß in das Herz Montenegros.
Berlin. 10. Nov. Außer der gestern mitge- teilten Beule in Nisch sind noch zahlreiche Kriegs- malerialien in die Hände der Verbündeten gefallen, darunter ein v Zug mit Schlafwagen und Speisewagen. anscheinend für einen höheren Stab, eine Anzahl großer, moderner amerikanischer Lokomotiven und anderes rollendes Material, viele Kraftwagen. 1000 neue Auto-Reifen, ein Flugzeug, sehr viel Messing und Kupfer und anderes mehr.
Berlin. 10. Nov. Aus Budapest wird der „Tägl. Rundsch " gemeldel: Aus Sofia wird berichtet: Der Fall von Nisch hat seine Wirkung in Athen nicht verfehlt und kam Venizelos äußerst ungünstig. — Die Athener P effe greift fortwährend den Vie,verband heftig an. „Nra Himera" schreibt: Die Verbündeten beleidigen das Gefühl der Griechen. Sie sollen die Balkanangriffe einstellen. bevor schwere Schläge sie dazu zwingen. — „Embros" schreibt: Die Lage ist so, daß außer Venizelos niemand geneigt wäre, das Land in den Krieg zu Hetzen. Ein jetziger Krieg bedeute für Griechenland Selbstmord.
Bukarest, 11. Nov. (WTB.) Der deutsche Geschäftsträger in Konstantinoprl. Gras Wolfs Metternich, ist auf der Durchreise nach Konstantinopel hier angekommen. — In einer Betrachtung über die bisherigen Erfolge der Mittelmächte auf dem Balkan kennzeichnet der koilsiroative „Steagul" die Lage für Rumänien folgendermaßen: Ein militärisches Eingreifen Rumäniens auf dem Balkan könnte die Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei nicht mehr verhindern, da die Linie über Nisch nach Kon- stantinoprl bereits frei geworden ist. Heute in den Krieg gegen Deutschland eintreten, würde die lieber- nähme einer untergeordneten Rolle bedeuten, die darin bestände, dem Vierverband mehr Zeit für seine Landungen in Saloniki zu verschaffen. Das Schicksal Rumäniens wäre dann an die stark verringerten Siegesaussichten des Vierverbands geknüpft. Da heute in keinem Fall mehr von der Aufteilung Oesterreich- Ungarns die Rede sein kann, sondern höchstens von der Verhinderung eines großen deutschen Sieges, wäre ein Krieg Rumäniens gegen Deutschland Wahnsinn.
Paris, 11. Novbr. (WTB.) „Echo de Paris" meldet aus Athen: Finanzminister Dragurnis erklärte vorgestern einigen Journalisten, die griechische Diplomatie erwäge mit Besorgnis den Fall, daß die Serben und ihre Verbündeten durch die Bulgaren, Oester- reicher und Deutschen auf griechischem Boden zurück- geworfen würden. Kraft der Gesetze der Neutralität werde Griechenland gezwungen sein, die Serben und ihre Verbündeten zu entwaffnen. Man könne die Serben entwaffnen. Aber die Verbündeten? — Die Frage beginnt auch in den Blättern erörtert zu werden.
Der Haager Korrespondent der „Neuen Züricher Ztg." erfährt wie der „Frkf. Ztg." gemeldet wird, aus diplomatischer Quelle, daß man sowohl in Paris wie in London ernste Befürchtungen über die Haltung Rumäniens und Griechenlands hegt. Man traut dort den Versicherungen der wohlwollenden Neutralität nicht und ist besorgt, daß sie an die Seite der Zentralmächtr treten könnten, falls Serbiens Schicksal besiegelt würde.
Frankfurt. 10. Nov. (GKG.) Aus Bern meldet die „Frkf. Ztg.": In hüsizen unterrichteten Kreisen, schreibt das „Berner Tagblatt", wird die Sendung Kitcheners nach dem Orient als bester Beweis angesehen, daß die Engländer erkannt haben, es gehe im Orient ums Leben. England will der Gefahr dadurch begegnen, daß es eine einheitliche Oberleitung aller Operationen in den Mittelmeerländern schafft in der Person Kitcheners.
Berlin, 10. Novbr. Aus Sofia meldet das „Berliner Tageblatt": Zum Zeppelinbesuch bemerkt „Cambana". dieser stehe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kriegsoperationen, sondern sei ein Symbol, daß nichts, weder Wasser noch Land
noch Luft, die direkte Verbindung Bulgariens mit den Zentralmächten hindere. Der Zeppelinbesuch sei eine Ehrung für Bulgarien, ein wohlverdienter Achtungstribut gegenüber der bulgarischen Nation.
London, 10. Nov. (WTB.) Die Admiralität berichtet: Der Zerstörer „Louis" ist im östlichen Mittelmeer gestrandet. Er ist nurmehr «in Wrack. Die Offiziere und die Besatzung sind gerettet.
London, 11. Nov. (WTB.) „Lloyds" meldet: Die britischen Dampfer „Clan Macalister" (4835 Tonnen), „California»" und »Moorina" sind versenkt worden. (Lloyds Register nennt 3 Dampfer „California»", einen mit 5707 Tonnen, den anderen mit 6228 Tonnen.)
Rom, 10. Nov. (WTB.) Die Agenzia Stefani meldet aus Herryville: Am Montag nachmittag wurde bei Cop Carbonara der nach New-Aork fahrende Dampfer „Ancona" von der Schiffahrtsgesellschaft „Jtalia" durch ein großes Unterseeboot mit österreichischer Flagge versenkt. Laut „Giornale d'Jtalia" waren 423 Passagiere an Bord. Die Besatzung betrug 60 Mann. Bisher steht fest, daß 370 Personen gerettet sind. Sie sind in Biserta eingetroffen. (Notiz: Nach zuverlässigen Nachrichten versuchte der Dampfer zu fliehen. Das Unterseeboot war daher gezwungen, von seinen Geschützen Gebrauch zu machen.) — Der Dampfer bat radiotelegraphisch um Hilfe. Er wurde von der drahtlosen Station Biserta gehört, von wo aus sofort eine Rettungsaktion veranlaßt wurde. 160 Passagiere und 10 Matrosen sollen gerettet und nach Herryville gebracht worden sein. Anscheinend seien auch unter den Ueberlebenden Verwundete. Außer den aus Venetien und Apulien stammenden Auswanderern sollen sich zehn Griechen auf dem Schiff befunden haben. „Corriere della Sera" knüpft an die Nachricht einen erbitterten Kommentar über die „verbrecherische Handlungsweise".
New-Aork, II.Nov. (WTB.) Bei Besprechung der Note an England betonen die Blätter vielfach, die Note hätte viel früher abgeschickt werden müssen. Die Sprache der Note beweise, daß die Regierung unparteiisch sei. — „World" erklärt, angesichts der gesamten Uebergriffe müsse die Note als äußerst milde gelten. England töte nicht Amerikaner, rS röte amerikanische Rechte Das sei mehr als amerikanisches Eigentum konfiszieren. Es nehme die arglistig gewonnene Gelegenheit wahr, seinen Handel auszudehnen. — Die Zeitung „Republican Herold" in Binghampton führt aus. es sei Zeit, England sein Seeräuberwesen zu beendigen. Falls der Präsident dies nicht lue. so möge der Kongreß es tun. — Die deutsch-amerikanische Presse charaklerisiert die Note als zu milde und befürchtet, die Note werde ignoriert werden.
Briands Rede.
Unmittelbar auf Asquith im englischen Unterhaus« ist der neue Ministerpräsident Briand in der französischen Kammer mit einer großen Rede gefolgt. Konnte der Engländer trotz aller Schönfärberei den alten Wirklichkeitssinn seiner Nation nicht verleugnen, indem er z. B. die unerwartet großen finanziellen Schwierigkeiten seines Landes stark unterstrich, so ging bei dem Franzosen fast alles in berauschenden Phrasen auf. Am schlimmsten trieb es Briand damit am Schluß seiner Rede. Was er hier unter wiederholtem lebhaften Beifall der Kammermehrheit an unwahrem rhetorischen Schwulst leistete, läßt sich nur mit den Reden eines Robespierre und anderer Schreckensmänner aus der großen Revolution vergleichen, die zur selben Zeit, als sie täglich Hunderte von „Ver- dächtigen" zum Schaffst schleppen ließen, im Konvent die Worte Freiheit, Menschlichkeit, Zivilisation im Munde führten.
„Frankreich, das ist seine Ehre und wird sein Ruhm sein, ist der Vorkämpfer des Rechts," rief Briand aus. „Aufrecht, das Schwert in der Hand, kämpft Frankreich für die Zivilisation und die Freiheit der Völker. Niemals wird jemand unserem Lande das Antlitz einer Nation von Räubern gebe»