Extrablatt des Eiztilcrs

Ausgegeben: Neuenbürg, den 2!. September 1915, mittags 12 Uhr.

Zeichnet die Z.MgsMe!

Schluß der Zeichnung:

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Telegramm des Wolff'schen Büros an de«Enztäler"

(WTB.) Den 20. September, nachm. 4.30 Uhr.

Großes Hauptquartier, 20. September. Amll.

Westlicher Kriegsschauplatz:

Feindliche Schiffe, die Westende, Middelkerke (siidrv. Ostende) erfolgles beschossen, zogen sich vor unsrem Feuer zurück. Es wurden Treffer beobachtet.

An der Front keine besonderen Ereignisse.

Westlich von St. Quentin wurde ein englisches Flugzeug durch einen deutschen Kampfflieger ab­geschossen. Der Führer ist tot, der Beobachter gefangen genommen.

Oestlicher Kriegsschauplatz:

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg:

Im Brückenkopf von Dünaburg mußte der Feind vor unseren Angriffen von Nowo-Ale- randrowsk in eine rückwärtige Stellung weichen. Es wurden 550 Gefangene gemacht. Bei Smorgon versuchte der Gegner durchzubrechen; er wurde abgeschlagen. Der Angriff gegen den aus der Gegend Wilna abstehenden Gegner ist im Gange. Auch weiter südlich folgen unsere Truppen dem weichenden Feind. Die Linie Mjedniki-Lida- Soljane (am Njemen) ist erreicht.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prin­zen Leopold v.Bayern:

Der Gegner leistete nur vorübergehend an einzelnen Stellen Widerstand. Die Heeresgruppe erreichte den Molczadz-Abschnitt bei Devorzec und südöstlich und näherte sie sich mit dem rechten Flügel dem Myszhanka-Avschnitt. Der Feind ist überall weiter zurückgedrängt.

Südöstlicher Kriegsschauplatz:

Bei kleineren Gefechten machten die deutschen Truppen über 100 Gefangene. Am nördlichen Donauufer nahm deutsche Artillerie den Kampf gegen serbische Stellungen südlich des Stromes bei Semendria auf. Der Feind wurde ver­trieben und sein Geschützfeuer zum Schweigen gebracht.

Oberste Heeresleitung.

Die Einnahme von Wilna.

ckpk. Berlin, 19. Sepi.

Von unferm militärischen Mitarbeiter wird zu den Mitteilungen der Obersten Heeresleitung vom Samstag und Sonntag g, schrieben: Die groß ange- legte Bewegung der Heeresgruppe Hindenburg hat am Nordflügrl der Ostfront zu einem durchschlagenden Erfolge geführt. Die Russen haben sich gezwungen gesehen, dar stark befestigte Wilna aufzugrben und

die Taktik des Großfürsten Nikolaus wieder aufzu- nehmen, d, h. sich in Eilmärschen zurückzustehen. Die Russen ballen große Streitkläftr angesammelt, um den deutschen Bewegungen zu begegnen. Ein Durch­bruchsversuch. den sie in der Richtung auf Michaliski an der Wilija nordöstlich von Wilna ansetzten, schei­terte mit schweren Verlusten. Gleichzeitig drangen die Armeen der Generale Scholtz und Gallwitz gegen die Russen vor. die schließlich keine andere Rettung sahen, als in aller Eile zurückzugehen. Der Verlust von Wilna ist für die Russen außerordentlich peinlich. Die Stadt gehört zu den größten Zentren des west> russischen Gebietes. Sie ist mit ihren mehr als 200,000 Einwohnern die zehntgrößte Stadt des gan­zen russischen Reiches.

Die geschlagenen russischen Armeen werden auf der ganzen Linie verfolgt; auch die Heeresgruppe Prinz Leopold von Bayern hat die feindlichen Wider­stände niedergekämpft und die russischen Nachhuten, wo sie sich zum Kampfe stellten, geworfen. Sie hat bereits die Linie Niensdowicze-Derewnoje-Dobromysl erreicht Die Heeresgruppe Mackensen hat inzwischen nördlich von Pinsk, sowie südlich der Bahn Pinsk- Homel eine Reihe wichtiger Flußübergänge gewon­nen. Auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz haben die deutschen Truppen die Russen zum Rückzug aus dem Raum von Tarnopol gezwungen. General Iwanow hat infolgedessen seine Angriffe auf das wolhynische Festungsgebiet verlegt.

Wien,,20. September. (WTB.) Amtlich wird verlautbart vom 20. September, mittags: Russi­scher Kriegsschauplatz: Unsere Stellungen im Raume von Luck wurden gestern wiederholt von starken russischen Kräften angegriffen. Unsere Trup­pen. unter ihnen Egerländer und west-böhmische Landwehr, schlug den Feind überall, an vielen Punk­ten im Kampfe Mann gegen Mann zurück. Auch gegen unsere Jkwafront führten die Russen im Ab­schnitt bei Krzemieniec gestern Kolonnen zum Angriff vor. An einzelnen Stellen gelang es dem Feind, das Westufer der Jkwa zu gewinnen, aber unsere herbeieilenden Reserven warfen ihn überall zurück. Der Feind erlitt besonders durch unser Artillerie­feuer große Verluste. Die bis gestern abend ringe- gebrachten Gefangenen zählen über 1000. Das In­fanterieregiment v. Hindenburg Nr. 69 hat neuerlich Proben seiner Kampftüchtigkeit abgelegt. In Ost­galizien herrscht Ruhe. Die Lage ist dort unverändert. Die in Litauen kämpfenden K. und K. Streilkräfte haben das Ostufer von Luchozwa gewonnen. Südwestlicher Kriegsschauplatz: Oesterreich.« ungarische und deutsche Batterien haben gestern die serbischen Stellungen am Südufer der Save und der Donau beschossen. Auch die Festung Belgrad stand unter unserm Feuer. In der Nähe der Drina- mündung wurden von unseren Truppen serbische vor­geschobene Abteilungen überfallen und ausgerieben.

Berlin, 20. Sept. (WTB.) Zur Einnahme von Wilna heben dieBerliner Neuesten Nachr." hervor, daß Wilna in derTimes" letzthin wieder­holt als einer der bedeutendsten Punkte bezeichnet wurde. DerBerliner Lokalanzeiger" betont die große Rolle, die Wilna bereits im Frieden in dem militärischen Leben Rußlands spielte, als wichtiger Veteidigungspunkt auf der Schwelle zum Innern Rußlands. DieVossische Zeitung" nennt die Einnahme Wilnas die beste Antwort auf Lord Kit- cheners bramarbasierende Rede im englischen Par­lament.

Amsterdam, 21. Sept. (WTB.) Die Blätter besprechen alle mit großem Interesse die Einnahme Wilnas durch die Deutschen und die Lage, die sich daraus für die russischen Armeen ergeben könnte. Man hält die Besetzung Wilnas, die später gekommen sei als man allgemein erwartet habe, für ein Ereignis von höchster Bedeutung und spricht von der Mög­lichkeit einer Umzingelung großer russischer Heeres­gruppen. Die meisten Blätter glauben, daß Wilna, wenn noch Großfürst Nikolai an der Spitze der russischen Heeresleitung stände, früher geräumt worden

sei. und daß hier ein schwerer taktischer Fehler be­gangen wurde. Dadurch, daß die beiden Eisenbahn­linien nach Petersburg im Rücken der russischen Armeen durch die Deutschen besetzt wurden, sei die Lage der Rassen prekärer und gefährlicher als je.

Rotterdam, 20. Sept. Der Berichterstatter der LondonerCentral News" meldet aus Petersburg: Auch Riga steht vor der Uebergabe an den Feind. Der deutsche Umgehungsversuch scheint Erfolg gehabt zu haben. Der ununterbrochene Kanonendonner ist Tag und Nacht in Riga zu hören.

Kopenhagen, 20. Sept. Aus Petersburg wird gemeldet: Die Gouvernements Witebsk und Livland werden infolge abermaliger Rücknahme der russischen Stellungen seit Freitag geräumt.

Berlin, 20. Sept. Aus Czernowitz wird dem Berl. Lokalanz." unter dem 19. Sept. berichtet: Am nördlichen Dnjestr-Ufer unweit der Reichsgrenze haben gestern nacht die Russen einen starken Ansturm unternommen. Die ersten sieben russischen Schwarm­linien wurden, bevor sie zu den Drahtverhauen ge­langten, von unseren Maschinengewehren förmlich niedergemäht. Erft die achte und neunte Schwarm­linie gelangte durch die Drahtverhaue. Es kam zu erbittertem Handgemenge. Nach schweren Verlusten zogen sich die Russen zurück.

Berlin. 20. Sept. (WTB.) Nach derDeutschen Tagesztg." hat Großfürst Nikolai Nikolajewitsch den Befehl erhalten. Tiflis während der Kriegszeit nicht zu verlassen, was einer Verbannung gleich käme. (Das sieht einer Verbannung in den Kaukasus sehr ähnlich.)

Wien, 20. Sept. Das Volksblatt meldet über Christiania: Infolge Heimschickung der Reichsduma sind 24 000 Arbeiter der staatlichen Werke in Peters­burg und Kronstadt in den Ausstand getreten. In Moskau sollen 17 000 und in Charkow 21000 Ar­beiter streiken. Die Sonntag- und Montagztg. meldet indirekt aus Petersburg: Die Büros der so­zial-revolutionären Partei und der Bauerngruppe sind polizeilich geschlossen worden. In den Büros der Bauerngruppe find zahlreiche Broschüren und Flug­schriften beschlagnahmt, deren Versendung durch ganz Rußland bereits begonnen hatte.

Berlin, 20. Sept. (WTB.) Nach dem Sonder- bericherstatter derKöln. Ztg." in Tirol ist die be­rühmte Basilicabrigade mit über 2000 Mann Ver­lusten bei einem Sturmangriff verloren gegangen, j

Berlin, 20. Sept. (WTB.) In Italien geht die Hetze gegen Giolitti weiter. Mehrere Blätter verlangen lautBerl. Tagebl." seine Versetzung in den Anklagezuftand und die Todesstrafe für ihn.

London, 21. Sept. (WTB. Reuter.) Vorgestern haben sich auf den Londoner Polizeistationen Hun­derte von Angehörigen feindlicher Staaten, die im militärpflichtigen Alter stehen, gemeldet, um interniert zu werden.

Paris, 20. Sept. Wie die Ag. Hav. aus Newyork meldet, haben die Verhandlungen über die englisch-französische Anleihe einen erfolgreichen Ab­schluß gefunden. Als Betrag sind 2'/» Milliarden festgesetzt.

Kriegstagebuch: 21. September 1914. Bei den Kämpfen um Reims wurden die festungsartigen Höhen von Craenelle erobert; im Vorgehen gegen das brennende Reims der Ort Betheny genommen. Der Angriff gegen die Sperrfortlinie südlich Verdun überschritt siegreich den Ostrand der vorgelagerte», vom französischen 8. Armeekorps verteidigten Cote Lorraine. Ein Ausfall aus der Nordostfront von Verdun wurde zurückgewiesen. Sven Hedin begibt sich auf Einladung des deutschen Kaisers ins deutsche Hauptquartier, um Lügenberichten in seiner Heimat entgegentreten zu können. Der gesamte russische Pöbel, der wegen der Plünderung der deutschen Botschaft in Petersburg verhaftet war, ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden.