Beilage.

Sonderabdruck aus deckStaals-Auzeigr» für Württrckberg" Nr. 218 vom 17. September 1915.

Amtliches.

Verfügungen der Behörden.

Verfügung des Ministeriums des Inner« über die Regelung des Verbrauchs von Mehl und Brot durch die Versorgungsberechtigten.

Auf Grund des ß 50 der Verordnung des Bundesrats Über den Verkehr mit Brotgetreide und Mehl aus dem Erntelahr 1915 vom 26. Juni 1915 (R.G.M. S. 363) wird verfügt:

Die Kommunalverbande sowie die Gemeinden, denen die Regelung des Verbrauchs für den Gemeindebezirk über­tragen ist, haben alsbald Anordnungen gemäß HZ 47 und 48 der B.V.O. zu erlassen und dabei die folgenden Vor­schriften zu beachten. Gemeinden im Sinne der nachstehen­den Vorschriften sind nur die vorbezeichneten Gemeinden.

1. Jeder Versorgungsberechtigte, d. h. jede zur Zivil­bevölkerung gehörige Person mit Ausnahme der Selbstver­sorger (vergl. Ziffer 1 der Verfügung des Ministeriums des Innern vom 28. Aug. 1915, Staatsanzeiger Nr. 203) ist bis auf Weiteres nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zum Bezug von 200 Gramm Mehl täglich oder der entsprechenden Menge Brot berechtigt. Zulagen können nach Maßgabe der Ziffer 5 gewährt werden.

Eries, Graupen, Teigwaren, sowie Kinder- und Kraft- Mehle fallen nicht unter diese Verbrauchsregelung.

2. Me entgeltliche Abgabe von Mehl und Brot an die Versorgungsberechtigten erfolgt ausschließlich gegen Mehl- und Brotmarken, die von einer Kartenabgabestelle einer württembergischen Gemeinde (Ziffer 12) ausgegeben worden sind.

Die Versorgungsberechtigten haben beim Kauf von Mehl and Brot dem Verkäufer Mehl- und Brotmarken abzugeben, der Verkäufer darf Mehl und Brot nur gegen die ent­sprechenden Mehl- und Brotmarken abgeben.

Kommunalverbände, Gemeinden und die von ihnen be^ichneten Wohlfahrtsoinrichtungen, die Mehl oder Brot unentgeltlich an Versorgungsberechtigte abgeben, ziehen von diesen ebenfalls die entsprechenden Marken ein.

3. Gegen giltige Mehl- und Brotmarken ist jeder würt- tembergische Verkäufer von Mehl und Brot verpflichtet, unter der Voraussetzung des Angebots von Barzahlung eine entsprechende Menge Mehl oder Brot abzugeben, soweit sein Vorrat reicht.

4. Die Kommunalverbände oder die Gemeinden haben durch Vermittlung der Kartenabgabestellen jedem Haushal- tungsvorstan» auf Antrag für jedes Mitglied seiner Haus­haltung eine Mehl- und Brotkarte auf je einen halben Monat auszufolgen.

Als Mitglieder der Haushaltung sind Familienange­hörige, Dienstboten, Angestellte und dergl. zu betrachten, die mit dem Haushaltungsvorstand zusammenwohnen und von ihm vollständig verpflegt werden.

Den Haushaltungsvorständen stehen gleich die Vorstände von Anstalten, Kosthäusern und dergl., welche die vollständige Verpflegung ihrer Insassen, Kostgänger usw. übernommen haben (vergleiche übrigens Ziffer 17 Abs. 1).

Als vollständige Verpflegung gilt die Gewährung des ersten Frühstückes, des Mittag- und Abendessens.

Persoium ohne eigenen Haushalt, für die nicht ein Haushaltungsvorstand nach Absatz 1 und 3 Mehl- und Brot­karten bezieht, sind selbst zu ihrem Bezug berechtigt.

5. a. Eine Mehl- und Brotkarte enthält 9 ab­trennbare Marken, und zwar 2 Marken, die zum Bezug von je 75 Gramm Weizenauszugsmehl oder 100 Gramm Klein­brot berechtigen, 3 Marken zum Bezug von je 75 Gramm Brotmehl oder 100 Gramm Kleinbrot, 1 Marke zum Bezug von 375 Gramm Brotmehl oder 550 Gramm Hausbrot und 3 Marken zum Bezug von je 750 Gramm Brotmehl oder 1100 Gramm »Hausbrot. In den Monaten mit 31 Tagen erhalten die für die zweite Hälfte des Monats auszugeben­den Mehl- und Brotkarten weitere 3 Marken zum Bezug von je 75 Gramm Vrotmehl oder 100 Kleinbrot.

Bezugsmarken für Weizen-Auszugsmehl berechtigen auch fum Bezug von Brotmehl. Für 10 auf je 75 Gramm Mehl oder 100 Gramm Kleinbrot lautende Marken kann auch ein Hausbrot von 1100 Gramm bezogen werden.

b. Auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses wird für einzelne Personen anstelle einer Mehl- und Brotkarte eine Karte mit 40 Marken ausgegeben, von denen 6 Marken zum Bezug von je 75 Gramm Weizenauszugsmehl und 34 Marken zum Bezug von je 75 Gramm Brotmehl oder 100 Gramm Kleinbrot berechtigen.

In den Bezirken, in denen 2 Brotmehlsorten, Weizen­mehl und Roggenmehl, abgegeben werden, berechtigen die auf 75 Gramm Brotmehl lautenden Marken in erster Linie zum Bezug von Weizenmehl und Weizenkleinbrot.

6. Bezugsberechtigte mit einem jährlichen Arbeitsein­kommen bis zu 2500 Mark erhalten auf Antrag für sich und ihre Haushaltungsmitglieder eure tägliche Zulage von 25 Gramm Mehl. Bezieht der Bezugsberechtigte Mehl- ÜÄ VMfMjm auch für Kinder unter 4 .Jahren, so ist das

Bedürfnis für die Zulage besonders zu prüfen. Bezugs­berechtigten mit einem 2500 Mark übersteigenden Arbeits­einkommen kann bei Nachweis des Bedürfnisses die Zulage ebenfalls gewährt werden.

lieber die Gewährung von Zulagen an körperlich schwer Arbeitende wird durch die Landesgetreidestelle weitere Be­stimmung getroffen werden.

Die Zulagen werden durch Zulagemarken gewährt, die auf je 375 Gramm Brotmehl oder 550 Gramm Haus­brot lauten.

7. Die Mehl- und Brotmarken und die Zulagemarken werden von den Kartenabgabestellen auf ersten und sechszehnten jeden Monats an den vom Ortsvor­steher jeweils bekarmtgegebenen Tagen und Stunden aus­gegeben.

Die Ausgabezeiten sind so anzusetzen, daß sie den Be­dürfnissen der Bevölkerung tunlichst Rechnung tragen.

8. Während einer Verbrauchsz eit nichtverbrauchte Mehl- und Brotmarken sollen den Kartenabgabe­stellen bei Abholung der neuen Marken zurückgegeben werden. Die Kartenabgabestellen können über sie erforder­lichenfalls zu Gunsten zulagebedürftiger Personen verfügen.

9. Mehl- und Brotmarken dürfen nicht gegen Entgelt an Dritte abgegeben werden. Aushilfs-, tausch- oder ge­schenkweise Abgabe an andere Versorgungsberechtigte ist zulässig.

10. Die Karten und Marken verlieren ihre Gültig- keit 5 Tage nach Ablauf des Monats, in dem sie aus­gegeben worden sind.

Die Mehl- und Brotkarten und die Zulagemarken er­halten für jeden Monat eine andere Farbe und zwar für September grau, für Oktober braun, für November hell­blau, für Dezember rosa, für Januar weiß, für Februar vrolett, für März gelb, für April hellgrün, für Mai ziegel­rot, für Juni dunkelblau, für Juli dunkelgrün, für August orange.

11. Zu den Mehl- und Brotkarten und den Zulage­marken sind Vordrucke nach Anordnung der Landesgetreide­stelle zu benützen. Muster gehen den Kommunalverbänden von der Landesgetreidestelle zu.

12. In jeder Gemeinde wird die erforderliche Zahl von Kartenabgabe st eilen errichtet. Die Aufgaben dieser Stellen werden einem Ausschuß oder Unterausschuß, der ge­mäß § 51 der BVO. vom 28. Juni 1915 gebildet ist, oder unter Leitung eines solchen einer sonst von dem Kommunal­verband oder der Gemeinde zu bestimmenden Stelle über­tragen

13. Die Kartenabgabestellen haben für jeden Haus­haltungsvorstand und jede der ihm gleich gestellten Per­sonen und Anstalten eine Abgabekarte zu führen, für die Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 6 Absatz 1 der BVO. vom 28. Juni 1915 jedoch erst dann, wenn sie Mehl- und Brotkarten beziehen.

In der Abgabekarte sind zu vermerken der Name des Haushaltungsvorstandes usw., die Zahl der Mitglieder der Haushaltung oder der zu verpflegenden Personen, etwaige Äenderungen hierin, insbesondere Abmeldungen (Ziff. 15), die dem Kaushaltungsvorstand usw. bei jeder Abgabe zu­stehende Zahl von Mehl-, Brot- und Zulagemarken, sowie der Tag der jeweiligen Abgabe der Marken.

Zu den Abgabekarten sind Vordrucke zu benützen. Muster hiezu gehen den Kommunalverbänden von der Landesgetreidestelle zu.

14. Alle Haushaltmrgsvorstände und ihnen gleich­gestellte Personen und Anstalten haben bei der ersten Ab­gabe von Mehl- und Brotmarken den Kartenabgabestellen die Zahl der Personen an.zuzcigen, für die sie Mehl-, Brot- und Zulagemarken beanspruchen. Etwaige Äenderungen sind bei der nächsten Kartenabgabe anzuzeigen. Sie können, soweit erforderlich, auch schon für die Zwischenzeit berück­sichtigt werden.

15. Versorgungsberechtigte, die ihren Aufenthalt dauernd oder vorübergehend ändern, haben sich an ihrem bisherigen Aufenthaltsort beim Ortsvorsteher oder der von ihm zu bezeichnenden Stelle abzumelden, wenn sie an ihrem neuen Aufenthaltsort Mehl und Brot beziehen wollen und nicht die Ausnahme des Ms. 3 eingreift. Die Abmelde­stelle stellt ihnen einen Brotkartenabmeldeschein aus; sie hat dafür zu sorgen, daß die Abmeldung auf der Abgabekarte des Abgemeldeten vermerkt wird und daß für ihn keine Brotkarten mehr ausgefokgt werden.

Ohne Vorlage des Abmeldescheins dürfen dem Ab- ge-meldeten an seinem neuen Aufenthaltsort keine Brot­marken ausgefolgt werden. Der Abmeldeschein ist ihm ab­zunehmen. Verläßt er den neuen Aufenthaltsort wieder, so ist ihm ein neuer Abmeldeschein auszustellen.

Wer nur vorübergehend innerhalb Württembergs seinen Aufenthaltsort ändert oder sich nach Bayern oder Baden begibt, braucht sich nicht abzumelden und kann an seinem ständigen Aufenthaltsort für die Dauer seiner Abwesenheit Brotkarten oder Gastmarken (vergl. Ziffer 18 und 19) be­ziehen.

Muster für die Abmeldescheine gehen den Kommunal­verbänden von der Landesgetreidestelle zu.

16. In Württemberg rvohnhasten Selbstversorgern, die vorübergehend ihren Aufenthalt ändern, ist auf Verlange« ein Abmeldeschein anszustellen, auf dessen Vorlage 6e an dem neuen Aufenthaltsort Brotkarten beziehen können. In dem Abmeldeschein ist die Zeitdauer ihrer Abwesenheit vom Wohnort zu vermerken. Dauert die Abwesenheit länger als einen halben Monat, so ist auf der Unternehmerkarte (ver­gleiche Ziffer 5 der Verfügung des Ministeriums des Innern über die Regelung des Verbrauchs von Brot­getreide und Mehl durch die Selbstversorger vom 28. Juni 1915, Staatsanzeiger Nr. 203) unter II Ziffer 1 ein ent­sprechender Abschrieb zu machen.

Aendern Selbstversorger dauernd ihren Aufenthaltsort und hören sie infolge der Aenderung auf, Selbstversorger zu sein, so ist ihnen ebenfalls ein Abmeldeschein auszustellen und der entsprechende Abschrieb auf der llnternehmerkarte vorzunehmen.

17. Wirte erhalten sur die Mitglieder ihres Haus- Halts und für diejenigen Personen, deren vollständige Ver­pflegung regelmäßig mindestens für einen Monat von ihnen übernommen wird, Mehl- und Brotkarten (vergl. Ziffer 4). Den Wirten stehen die Unternehmer ähnlicher Betriebe, ferner Anstalten, Wohlfahrtsberanstaliungen Einzelner oder von Vereinen, Gemeinden usw. sowie ähnliche Per­sonen und Unternehmungen gleich.

An andere Personen oursen ote Wirte Brot nur gegen Gast- oder Brotmarken ab- geben. Die Gäste haben den Wirten für jedes Brot eins Gastmarke abzugeben. Für eine mit Mehl zubereitete Speise kann der Wirt eine Gastmarke verlangen, für eine Mahlzeit jedoch nicht mehr als eine Gastmarke.

18. Für Württemberg werden Ga st marken aus­gegeben. welche die Kommunalverbande und Gemeinden aus ihre Kosten von der Landesgetreidestelle zu beziehen haben. Die eigene Herstellung von Gastmarken ist ihnen nicht ge­stattet.

Die Gajtmarken verechngen den Jnyaber gegen Bar­zahlung zum Bezug von 40 § Hausbrot oder einer ent­sprechenden Menge Kleinbrot in jeder württembergischen Wirtschaft oder Brotgabgabestelle. Die Gastmarken haben auf rotem Papier den schwarzen Aufdruck: Württemberg Gastmarke (40 § Hausbrot) und das württem- bergische Landeswappen.

Die Gastmarken gelten ohne zeitliche Beschramung, Die Gastmarken dürfen nicht gegen Entgelt an Dritte abgegeben werden. Aushilfs-, tausch- oder geschenkweise Abgabe ist zulässig.

19. Die württemvergischen Gasimarken berechtigen auch in Bayern und Baden zum Bezug von Brot nach Maßgabe der Ziffer 18 Absatz 2.

Andererseits berechtigen otevayerrschenunü badischen Landesbrotmarken auch in Württem­berg zum Bezug von 40 § Brot. Die bayerischen Landes­brotmarken haben auf weißem Papier den blauen Aufdruck: Bayern 40 Gramm Brot und das bayerische Landes­wappen. Die badischen Landesbrotmarken haben auf gelbem Papier einen roten Längsstreifen und folgenden schwarzen Aufdruck: Großherzogtum Baden Landes­brotmarke (40 Gramm Brot oder Zwieback) und den Stempel derLandesvermittlungsstelle Baden". Die bayerischen und badischen Landesbrotmarken sind ebenfalls ohne zeitliche Beschränkung gültig.

20. Die Inhaber von württemvergffcyen Mehl- und Brotmarken erhalten Gastmarken bei ihrer Kartenabgabe­stelle durch Umtausch von Brotmarken. Sie erhalten für die umzutauschenden Brotmarken diejenige Zahl Gast­marken, die zum Bezug einer gleich großen Menge Brot be- rechtigt, also z. B. für 200 Z Brotmarken 5 Gastmarken, für eine 1100-§-Brotmarke und eine 100-Z-Brotmarke 30 Gastmarken.

Sie können die Gastmarren auch durch Eintausch gegen Brotmarken bei einem württembergischen Wirte erhalten. Die Kartenabgabestellen können den Wirten zu diesem Zwecke vorschußweise Gastmarken liefern. Die Wirte dürfen nur die von den Kartenabgabestellen ihnen geliefer­ten neuen Gastmarken zum Umtausch verwenden, nicht da­gegen schon verwendete, gegen Brot ihnen abgegebene Marken. Wirten, die sich in der Befolgung der Pflichten unzuverlässig erweisen, kann die Kartenabgabestelle die vor­schußweise Lieferung von Gastmarken versagen.

21. Abgesehen von den Fällen der Ziff. 20 dürfen Gastmarken von den Kartenabgabestellen und Wirten nur in folgenden Fällen abgegeben werden:

u) Gegen Vorzeigung eines Abmeldescheins können seoem Fremden für einen Tag 6 Gastmarken abgegeben werden. Die Abgabe ist auf dem Abmeldeschein unter Angabe des Tages zu vermerken: der Abmeldeschein ist dem Fremden zu belassen,

d) Fremden, die in Württemberg, Bayern und Baden wohnhaft sind, dürfen Gastmarken nur gegen Vorlage eines Abmeldescheins ausgefolgt werden.

v) Uebernachtgästen, die ihren Wohnsitz außerhalb Würt­tembergs, Bayerns und Badens hinlänglich glaubhaft machen, können die Wirte auch ohne Vorlage eines Ab*