3. Berlage

Ssnderabdruck aus demStaaLsanzeiger für Württemberg" Nr. 184 vom 9. August 1915

Verfügungen der Behörden.

Trkarmiwachun.q des Stellvertreters des Reichskanzlers Kber de« Verkehr mit Oelfrüchten und daraus gewonnene« Produkten.

Vom 15. Juli 1915. (Neichsgesetzbl. S. 438.)

Der Vundesrat hat auf Grund des Z 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des Vundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 4. August 1914 (Reichs-Gesetzbl. G. 327) folgende Verordnung erlassen:

8 1 .

Die aus Raps, Rübsen, Hederich und Ravison, Dotter, Mohn, Lein und Hanf der inländischen Ernte gewonnenen Früchte (Oelfrüchte) sind an den Kriegsausschuß für pflanz­liche und tierische Oele und Fette G. m. b. H. in Berlin zu liefern.

Dies gilt nicht:

1. für Vorräte, die vom Inkrafttreten dieser Verordnung ab in der Hand desselben Eigentümers insgesamt zehn Kilogramm nicht übersteigen;

2. bei Leinsamen für Vorräte, die vom Inkrafttreten dieser Verordnung ab in der Hand desselben Eigen­tümers sünf Doppelzentner nicht übersteigen. Betragen die Vorräte mehr als fünf Doppelzentner, so dürfen davon bis zu fünf Doppelzentner zurückbehalten werden;

3. für die zur Bestellung des Landwirtschaftsbetriebs des Lieferungspflichtigen erforderlichen Vorräte (Saatgut);

4. für die Oelfrüchte, die in anerkannten Saatgutswirt­schaften zu Saatzwccken gewonnen werden;

5. bei Mohn für die zur Herstellung von Nahrungs­mitteln in der Hauswirtschaft des Lieferungspflichtigen erforderlichen Vorräte.

8 2 .

Wer Oelfrüchte (8 1) bei Beginn eines Kalenderviertel­jahrs in Gewahrsam hat, hat die bei Beginn eines jeden Kalendervicrteljahrs vorhandenen Mengen getrennt nach Arten und Eigentümern unter Nennung der letzteren dem Kriegsausschuß anzuzeigcn. Die Anzeige ist bis zum 5. Tage eines jeden Kalendervierteljahrs, erstmalig jedoch am 1. August 1915 zu erstatten.

Gleichzeitig ist anzuzeigen, welche Vorräte auf Grund des Z 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 beansprucht werden.

Die Anzcigepflicht gilt nicht für die Fälle des Z 1 Abs. 2 Nr. O

8 3.

Der Kriegsausschuß hat die Oelfrüchte, die ihm nach 8 1 zu liefern sind, abzunehmen und einen angemessenen Preis dafür zu zahlen.

Der Preis für 100 Kilogramm darf nicht übersteigen

mi

Raps (Winter- und Sommer-)

60,<,g

Mark,

Rübsen (Winter-und Sommer-)

57,,o

Hederich und Ravison . . .

40^,g

Dotter .........

IO,«»

Mohn.

80,zg

Leinsamen.

50,s

§

Hanfsamen.

40,o

Der Lieserungspflichtige hat die Oelfrüchte bis zur Ab­nahme auszubewahren und pfleglich zu behandeln.

8 4.

Der Lieferungspflichtige hat dem Kriegsausschuß anzu- zeigsn, von welchem Zeitpunkt ab er zur Lieferung bereit ist. Erfolgt die Abnahme nicht binnen zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt, so ist der Kaufpreis vom Ablauf der Frist an mit 1 vom Hundert über den jeweiligen NeichSbank- diskont zu verzinsen. Für Verwahrung und pflegliche Be­handlung nach Ablauf der Frist erhält der Lieferungs­pflichtige eine Vergütung, die vom Bundcsrate festgesetzt wird. Mit dem Zeitpunkt, an dem die Verzinsung beginnt, geht die Gefahr des zufälligen Verderbens oder der zufälligen Wertverminderung auf den Kriegsausschuß über. Der Lieferungspflichtige hat nach näherer Anweisung des Reichs­kanzlers Feststellungen darüber zu treffen, in welchem Zustand sich dis Oelfrüchte im Zeitpunkt des GesahrübcrgangeZ be­finden; im Streitfall hat er den Zustand nachzuweisen.

8 5.

Ist der Verkäufer mit dem vom Kriegsansschuffe ge­botenen Preise nicht einverstanden, so setzt die zuständige höhere Verwaltungsbehörde den Preis endgültig fest. Sie darf dabei die im 8 3 festgesetzten Grenzen nicht über­schreiten. Die höhere Verwaltungsbehörde bestimmt darüber, wer die baren Auslagen des Verfahrens zu tragen Hat. Bei der Festsetzung ist der Preis zu berücksichtigen, s<r zur Zeit des Gefahrüberganges (8 4) angemessen war. Der Verpflichtete hat ohne Rücksicht auf die endgültige Fest­setzung des Uebernahmepreises zu liefern, der Kriegsausschuß vorläufig den von ihm für angemessen erachteten Preis pr Kühlen.

Erfolgt die Ueberlaffung nicht freiwillig, ss wird das Eigentum auf Antrag des Kncgsausschusscs durch Anord- «ung der zuständigen Behörde auf ihn oder die von

ihm in dem Antrag bezeichnte Person übertragen. Die Anordnung ist an den Besitzer zu richten. Das Eigentum geht über, sobald die Anordnung dem Besitzer zugeht.

§ 6 .

Die Zahlung erfolgt spätestens 14 Tage nach Abnahme. Für streitige Restbeträge beginnt diese Frist mit dem Tage, «n dem die Entscheidung der höheren Verwaltungs­behörde dem Kriegsansschuffe zugeht.

8 7.

Der Kriegsausschuß hat für die alsbaldige Verarbeit­ung der übernommenen Oelfrüchte zu sorgen. Er hat das gewonnene Oel nach den Weisungen des Reichskanzlers ab­zugeben. Für die bei der Oelgewinnung entfallenden Oel- kuchen und Oelmehle sind die Vorschriften der Verordnung über den Verkehr mit Kraftfuttermitteln vom 28. Juni 1915 (Reichs-Gesetzbl. S. 399) maßgebend.

8 8 .

Der Kriegsausschuß untersteht der Aufsicht des Reichs­kanzlers.

8 9.

Der Reichskanzler erläßt die Vorschriften zur Ausführ- «ng dieser Verordnung. Er kann Ausnahmen gestatten und die Vorschriften dieser Verordnung auch auf andere als die i« ß 1 genannten Oelfrüchte ausdehnen.

Die Landeszentralbehörden bestimmen, «er als höhere Verwaltungsbehörde oder als zuständige Behörde tm Sinne dieser Verordnung anzusehen ist.

8 io.

Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geld­strafe bis zu eint ausend fünfhundert Mark wird bestraft:

1. wer Vorräte, zu deren Lieferung er nach K 1 ver­pflichtet ist, beiseiteschafft, zerstört, verarbeitet, verbraucht oder an einen anderen als dm Kriegsausschuß liefert;

L. wer eine ihm nach § 2 Abs. 1 obliegende Anzeige nicht in der gesetzten Frist erstattet «der wer wissentlich unvollständige oder unrichtige Angaben macht;

3. wer der Verpflichtung zur Aufbewahrung und pfleg­lichen Behandlung (tz 3 Abs. 2) zuwiderhandelt;

4. wer den nach 8 9 erlassenen Aussührungsbestimmungen zuwiderhandelt.

8 11 -

Diese Verordnung findet auch Anwendung auf Oel­früchte, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung in das Reichsgebiet eingeführt worden sind.

Sie findet gleichfalls Anwendung auf Oelfrüchte, die künftig aus den besetzten Gebieten des Auslandes ein­geführt werden. Der Reichskanzler kann ihre Vorschriften ausdehnen auf Oelfrüchte, die aus dem übrigen Ausland eingeführt werden.

8 12 .

Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Der Reichskanzler bestimmt den Zeiipmckt des Außerkrafttretens.

Ausführungs-Vorschriften z» der Bekanntmachung über den Verkehr mit Oelfrüchten und daraus gewonnenen Produkten

som 15. Juli 1915 (Reichs-Gesetzbl. S. 438).

Zu 8 2.

Die Anzeige ist bis zu den in der Verordnung vom 15. Juli 1915 vorgeschriebenen Fristen an die untere Ver­waltungsbehörde zu erstatten. Die untere Verwaltungs­behörde sammelt die Anzeigen und gibt sie sofort KN dm Kriegsausschuß für tierische und pflanzliche Oele und Fette t« Berlin, Mauerstraße 26/28 weiter.

Die Sammellisten für die Anmeldungen gehen dm rmtsren Verwaltungsbehörden vom Kriegsausschuß zu.

Zu 8 3.

Zur Abwicklung seiner Geschäfte wird der Kriegs- mrsschuß in den Bezirken der unteren Verwaltungsbehörden sich je nach Möglichkeit und Bedarf solcher Händler be­dienen, die bisher schon im Oelfmchthandel dort tätig ge­wesen sind.

Die Preise, welche der Bundesrat festgesetzt hat, gelten slZ angemessen für gesunde Ware von mindestens mittlerer Art »nd Güte. Entspricht die Ware dieser Voraussetzung nicht, so hat ein Preisabschlag einzutreten. Die Preise stellen zugleich die Grenze dar, über die bei der Entscheidung nicht hinausgegangen werden darf. Wird dem Eigentümer dieser Preis geboten, so bedarf es, falls er gleichwohl die Festsetzung des Preises durch die höhere Verwaltungsbehörde beantragt G 5 Abs. 1), vor der Entscheidung einer materiellen Nachprüfung nicht. Vor jeder Entscheidung ist der Kriegs- «usschuß M hören, gegebenenfalls sind Sachverständige zu- Miehen.

Die Preise sind Netto-Preise; die Säcke werden vom Kriegsausschuß oder von seinen Kommissionären gestellt.

Zu 8 4.

I« dm Sammellisten für die Anmeldungen (§ 2) ist pi vermerken, von welchem Zeitpunkt ab der Lieferungs- Pflichtige zur Lieferung bereit ist.

Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs hat der Eigen­tümer die Mengen, die er dem Kriegsausschuß li-fern soll, von seinen übrigen Beständen abzusondern. Er hat de» Zustand, in dem sie sich befinden, durch einen von der Land­wirtschaftskammer oder der entsprechenden landwirtschaft­lichen Vertretung erwählten Sachverständigen feststellm p» lassen. Befinden sich die Oelfrüchte in unverdorbenem Zustand, so hat der Eigmtümer eine Bescheinigung des Sachver­ständigen hierüber unverzüglich dem Kriegsausschuß beizu- bringen. Können die Sachverständigen die Bescheinigung nicht abgebm, so ist unteö ihrer Aussicht eine Probe von je mindestens einem halben Kilogramm zu nehmen, die au» 10 verschiedenen Stellen des Vorrats in möglichst gleiche» Mengen zu ziehen und in Blech- oder Glasverpackung z» verwahren ist. Die Probe ist zu versiegeln und der zu­ständigen Landwirtschaftlichen Versuchsstation des betreffen­den Landes oder Landesteils zur Feststellung der Beschaffen­heit zu übersenden. Die Versuchsstation ist zur unverzüg­lichen Mitteilung des Befundes sn den Kriegsausschuß z» veranlassen. Die Kosten fallen dem Eigentümer zur Last.

Berlin, den 3. August 1915.

Der Reichskanzler.

Im Aufträge: Richter.

Verfügung des Ministeriums des Innern, betreffend Verkehr mit Oelfrüchte« «nd daraus g»» wouneneu Produkten.

Zur Ausführung der Bundesratsverordnung über de» Verkehr mit Oelfrüchten und daraus gewonnmen Produkte» som 15. Juli 1915 (Reichs-Gesetzbl. S. 438) und der vo« Reichskanzler hierzu erlassenen Ausführungsvorschristen vo« 3. August 1915 wird auf Grund von 8 9 Abs. 2 der Bunde»« ratsverordnung folgendes verfügt:

1. Zuständige Behörden im Sinne von 8 5 Abs. L brr Vundesratsverordnung und zugleich untere Verwaltungs­behörden im Sinne der Ausführungsvorschristen des Reichs­kanzlers zu 8 2 der Vundesratsverordnung sind die Ober­ämter und das Stadtschultbeißenamt Stuttgart, je für dt» in ihrem Bezirk lagernden Vorräte.

2. Die Entscheidungen im Sinne des 8 5 Abs. 1 der Verordnung werden zunächst von den in Ziffer 1 genannt« Behörden nach Anhörung geeigneter Sachverständiger g«- troffen. Diese Entscheidung ist endgültig, wenn nicht Kinne» einer Woche nach der Eröffnung bei der die Entscheidung erlassenden Behörde von einem der Beteiligten schriftlich Einsprache erhoben wird. Wird rechtzeitig Einsprache er­hoben, so entscheidet, sofern es sich um gewerbliche Unter­nehmer handelt, die Zentralstelle für Gewerbe und Handel im übrigen die Zentralstelle für die Landwirtschaft.

Bestehen Zweifel darüber, welche Zentralstelle zuständig ist, oder beanstandet einer der Beteiligten dis Zuständigks» der zunächst mit der Angelegenheit befaßten Behörde, t» bestimmt das Ministerium des Innern, welche Zentralstes zu entscheiden hat.

3. Landwirtschaftliche Vertretung im Sinne der Aus­führungsvorschriften des Reichskanzlers zu 8 4 der Bundes- ratsverordnung ist die Zentralstelle für die Landwirtschaft landwirtschaftliche Versuchsstation im Simm derselben Vs»» schrist ist die Samenprüfungsanstalt in Hohenheim.

Die Sachverständigen haben die unter ihrer Aussicht er?» «ommenen und verwahrten Proben unter hinreichender Be­zeichnung des Vorrats, welchem sie entnommen sind, d« landwirtschaftlichen Versuchsstation mit dem ausdrückliche» Ersuchen zu übersenden, den Befund unverzüglich unmittelba» sn den Kriegsausschuß mitzuteilen.

4. Die Zentralstelle für die Landwirtschaft ist vo» Reichskanzler gemäß 8 9 Abs. 1 der BundesratsverordnuiW ermächtigt worden, in seinem Namen beim Bezug von RaM zu Saatzwccken Ausnahmen von 8 1 der BundeöratS- verordnung zuzulaffen. Gesuche wegen Ueberlaffung Saatgut aus anderer: Betrieben, als anerkannten Saatgu» wirtschaften, find durch Vermittlung des Ortsvorstchers, d« sie zu begutachten hat, an die Zentralstelle zu richten.

5. Wegen der in 8 4 der Bundesratsverordnung vo»- Kesehenen Vergütung für Verwahrung und pflegliche Be­handlung wird demnächst besondere Bekanntmachung erfolge»

6. Die Zentralstelle für die Landwirtschaft kann weite« Anordnungen zur Ausführung der Bundcsratsverordnunr erlassen, soweit nicht das Ministerium des Innern Vs» fägung trifft.

7. Die Oberämter und das Stadtschuttheiß«»- «mt Stuttgart werden beauftragt, die Bundesratsver­ordnung nebst Ausführungsvorschristen, sowie die vorstehend» Verfügung den beteiligten Kreisen alsbald bekannt zu gebe« «nd die Sammlung und Weiterleitung der Anzeigen, welche «ach 8 2 der Bundesratsverordnung auf 1. August 191k zu erstatten waren, umgehend zu veranlassen.

Stuttgart, den 7. August 1915.

Fleischhauer.

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d« SjMsart« B»LVr«K»m-KrseL?chafL kkrüber Lbr. Fr. Cotia'S ErbenV