Extrablatt der CaMlers.

Ausgegeben: Neuenbürg, den 5. August 1915, mittags 12 Uhr.

Telegramm des Wolff'scheu Büros an denEnztäler".

(WTB.) Den 4. August, nachm. 4.00 Uhr. Großes Hauptquartier, 4. August, vorm. Amtl.

Westlicher Kriegsschauplatz:

Nichts neues.

Oestlicher Kriegsschauplatz:

In der Verfolgung des weichenden Gegners erreichten gestern unsere Truppen die Gegend von Kupischki (östlich von Poniewiz).

Nördlich von Lomza wurden die Russen in die vorgeschobene Verteidigungsstellung der Festung zurückgedrängt. Ost- und westpreußische Regimenter nahmen die noch durch Feldbefestig­ungen geschützten Narew-Uebergänge bei Ostro- lenka nach heftigstem Widerstand fort. Mehrere tausend Russen wurden gefangen genommen, 17 Maschinengewehre erbeutet. Auch hier ist die Verfolgung ausgenommen.

Vor Warschau wurden die Russen aus der Bloniestellung in die äußerste Fortlinie geworfen. Die Armee des Prinzen Leopold von Bayern befindet sich im Angriff auf die Festung.

Südöstlicher Kriegsschauplatz:

Bei den über die Weichsjel vorgedrungenen Teilen der Armee des Generalobersten v. Woyrsch nimmt der Angriff seinen Fortgang. Die öster­reichisch-ungarischen Truppen dieser Armee find im Besitz des Westteiles der Festung Jwangorod bis zur Weichsel. Gegenüber den Verbündeten Armeen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen versuchte der Feind auch gestern die Verfolgung zum Stehen zu bringen. Er wurde bei Lenczna nordöstlich von Cholm und westlich des Bug er­neut geschlagen. Seit heute früh ist der geworfene Feind im Rückzug zwischen Weichsel und Bug in allgemeiner nördlicher Richtung.

Auch bei und südlich Uscilu am Bug weicht der Gegner.

Oberste Heeresleitung.

London, 4. August. (WTB. Reuter.) Der englische DampferRanza", 2300 Tonnen groß, ist versenkt worden. 9 Mann von der Besatzung wurden von dem holländischen DampferPrinz Willem" 5 gerettet.

Petersburg, 4. August. Der Generalstab des Generalissimus meldet: In der Ostsee hat ein eng­lisches Unterseeboot einen großen deutschen Transport- dampfer versenkt. (Wie wir hören, handelt es sich um einen von der Marine vorübergehend in Gebrauch genommenen Dampfer.)

New-Uork, 5. Aug. (WTB.) Der amerikanische Konsul in Queenstom meldet dem Staatsdepartement, daß das Unterseeboot den DampferJberian" erst beschossen habe, als der Dampfer dem Haltesignal zum Trotz weiterfuhr. Das Unterseeboot habe der Besatzung desJberian" genug Zeit gelassen, um in die Boote zu gehen.

Köln, 4. Aug. (GKG.) DieKöln. Zeitung" meldet aus dem Kriegspressequartier: Die Wegnahme der acht russischen Stützpunkte im Festung!vorraum von Jwangorod bedeutet nicht bloß einen wichtigen Fortschritt für die Operationen im dortigen Abschnitt, sie ist zugleich ein überaus glanzvolles kriegerisches Beispiel. Die Eroberung der Stützpunkte hatte die sicherste artilleristische Vorbereitung, die durch eine

Der Krieg.

ganze Reihe von Volltreffern von 30.5 Zentimeter- Mörsern gegeben werden konnte. Die acht russischen Etagen waren so gebaut, daß die in ihren Gräben ^ liegende Infanterie nicht nur den bequemsten Aus- s schuß hatte, sondern aus allen Etagen auf die An­greifer feuern konnte. Die Siebenbürger, die dort stürmten, halten also, indem sie sich gegen die erste . Grabenreihe wandten, achtfaches Feuer zu über­winden. Sie kletterten von Stockwerk zu Stockwerk, bis endlich die ganze Anlage trotz des vielfachen s Feuers in ihrem Besitz war. Den Russen scheint es , vorher gelungen zu sein, wenigstens emen Teil ihrer ! in den Vorstellungen eingebauten leichten Geschütze noch reiten zu können Wenn man aber bedenkt, wie hoch trotzdem die Zahl der erbeuteten Geschütze ist. daß es sich fast ausschließlich um schwere Kaliber handelt, daß die Russen also einen ungewöhnlich starken Artilleriepark bereit gehabt hatten, so wird die angebliche Absicht der Russen, sich nicht auf zu heftigen Widerstand einzulasfen, recht zweifelhaft. Im Gegenteil sprechen Wagenbau und Artillerie, spricht alles dafür, daß der Feind geradezu zu einem ^ verzweifelten Widerstand entschlossen war, der in . zehnstündigem Kampf gebrochen wurde. l

London, 4. August. (WTB.) Der militärische ' Korrespondent desDaily Telegraph" schreibt: Die t beunruhigendste Nachricht ist das Vorrücken der j kombinierten Heere unter der Führung Mackensens, s Dieser gefährliche Heerführer hat trotz aller technischen Schwierigkeiten und Verluste in den Kämpfen einen ununterbrochenen Druck auf die Schlacktlinie von 50 Meilen Länge ausgrübt. Sein Angriffsplan be­zweckt eine wirkliche Umzingelung. Mackensens Truppen drängen auf einer Linie vor, die nur 100 Meilen südlich der Bahn Warschau-Breft-Litowsk verläuft, eine Lebensader der russischen Verbindungs- - linien für das Weichselheer.j !

Berlin. 4. August. DasBerliner Tageblatt" . erfährt aus dem Kciegspressequartier, die Lage der j russischen Besatzungsheere in Galizien sei überaus . schwankend geworden. Der Augenblick nahe, wo Oesterreich Ungarn sagen könne: Auf unserem Boden steht kein Feind mehr. j

Kopenhagen, 4. Aug. Nach einer Athener Meldung des Lok.-Anz. sind die bulgarisch-türkischen Verhandlungen bereits so weit vorgeschritten, daß das bulgarisch-türkische Personal auf der Bahnlinie Philippopel-Dedeagatsch durch rein bulgarisches Per­sonal ersetzt wird. !

New-Dork, 4. August. Edward Carson der > Oberstaatsanwalt im englischen Ministerium, erklärte einem Vertreter der United Preß, man werde den Krieg bis zu einem siegreichen Ende fortführen und Europa und die Welt befreien von der aggressiven preußischen Herrschsucht. Carson sagte:Das Wort Friede" ist ein Wort, das heute in unserem Wörter­buch nicht mehr verzeichnet ist. Das Wort ist aus unserem Gebrauch verbrannt. Das englische Volk haßt den Krieg, aber da er ihm aufgezwungen worden j ist, ist es fest entschlossen, ihn auch zu einem guten ? Ende durchzukämpfen. Der V-Bootkrieg kann unsere ^ militärischen Operationen nicht beeinflussen. Wir können den Neutralen mit gutem Gewissen sagen, daß der Krieg uns aufgezwungen worden ist und daß wir für unsere gerechte Sache zu jeder Möglichkeit bereit sind, um unser Volk durch diesen Krieg zu einem ruhmreichen Sieg zu führen."

New-Aork. 5. Aug. (WTB) Der Professor der Pädagogik an der Columbia Universität, Karl Russell, sagte in einer Versammlung von Professoren aus dem ganzen Lande: Ob ihr die Deutschen liebt ! oder haßt, Ihr müßt die Vortrefflichkeit des Systems bewundern, die es in den Stand setzt, der ganzen Welt die Stirn zu bieten. Das Geheimnis ihrer j Kraft liegt in dem deutschen Unterricht. '

Washington. 5. Juli. (WTB) Der frühere amerikanische Gesandte in Madrid. Tayloc, empfahl beim Zusammentreten der nationalen Friedenskonfe­renz in Washington, den Kongreß zu einer außer­ordentlichen Sitzung rinzuberufen, um den Präsidenten zu ermächtigen, die Ausfuhr von Waffen und Mu­

nition nach allen kriegführenden Ländern zu ver­bieten. Taylor erklärte, seine Sympathien seien trotzdem auf englischer Seite.

Turin, 4. Aug. Stampa meldet aus Rom, daß Sonnino den ital. Botschafter in Petersburg beauftragt habe, der russischen Regierung den Aus­druck des lebhaftesten Beifalls der ital. Regierung für die erhebenden Worte zu übermitteln, die Ssa- sanow in der Duma bei Erwähnung Italiens aus­gesprochen habe.

Basel. 4. Aug. (G.K.G.) Das Belforter Blatt La frontiöce" meldet lt. Fikf. Ztg., daß auf An­trag des Geueralgouverneurs von Belfort General Joffre die Rückkehr der evakuierten Zivilbevölkerung in die Festung ungeordnet habe. Eine besondere Anordnung werde die neuen Bedingungen feftsetzen.

Bei einem Ueber blick darüber, wie sich die Gewinn- und Verluftseiten in diesem Kriegs- jahr bei uns und unfern Gegnern gestaltet haben, und wie weit unsere Gegner von ihren Kriegszielen entfernt sind, haben wir nur uns darüber klar zu werden, was unsere heldenmütigen Heere in diesem mit ungleichen Waffen geführten Existenzkämpfe ge­leistet haben. Deutschland und Oeftreich-Ungarn be­finden sich heute im Besitze feindlichen Gebietes in der Größe von 180 000 qirm, ein Gelände, das mehr als ein Viertel des ganzen deutschen Reiches aus­macht. Wir haben weite Strecken von Nordweft- rußland, und Polen besetzt, beinahe ganz Belgien und einen großen Landstrich von Frankreich. Dem­gegenüber haben unsere Feinde nur einen Gelände­gewinn von 11 050 qlrm zu buchen, der aus dem kleinen Gebiet in den Vogesen und den östreichisch- ungarischen Landsteilen Galiziens und der Bukowina besteht. Die Verschiebungen in den Kolonialbesitz- ungen sind dabei natürlich nicht gerechnet, weil sie für die Entscheidung bei den Friedensverhandlungrn nur ganz wenig oder gar nicht in Betracht kommen. Zu diesem großen Pfand, das wir für alle Fälle in den Händen haben, und wohl noch erweitern werden, gesellt sich noch eine riesige Gefangenenzahl, die Ende letztem Monats auf 1 700 000 gestiegen ist; und zwar sind es 1 300 000 Russen, 268 000 Franzosen. 50 000 Serben, 40000 Belgier, 24000 Engländer; dieser Zahl gegenüber können unsere Feinde keinerlei Äquivalent aufbringen, ebensowenig wie bezüglich der sonstigen Kriegsbeute. In einem ähnlichen Verhält­nis wie beim Landkrieg stehen auch die Verluste unserer Feinde in der Seekriegführung den unsrigen gegenüber. Während der Verlust unserer Feinde an Kriegsschiffen bisher einen Gesamttonnengehalt von 331 870 ausmachte, beträgt der deutsche Verlust 95 307, Handelsschiffe hat Deutschland bisher im Gesamtgehalt von 255 977 verloren, unsere Feinde dagegen 790 Tonnen. Nicht berücksichtigt sind dabei die in den feindlichen Häfen bei Kriegsausbruch zurückgehaltenen deutschen Handelsschiffe. Von Be­deutung ist bei Beurteilung dieser Zahlen, daß der weitaus größte Teil der Verluste auf das Konto unseres stärksten maritimen Gegners, England fällt.

General v. Below hat (nach einem Bericht der Londoner Morningpost) einem ungarischen Jour­nalisten auf die Frage geantwortet, ob die Russen ihre Strategie gegen Napoleon im Jahre 1812 wiederholen könnten, d. h. vor ihrem Rückzug das Land zur Wüste machen und so die feindlichen Heere dem Hungertode überantworten. General v. Below habe geäußert, daß eine derartige Strategie wohl 1812 wirksam gewesen sei. aber nicht heutzutage, wo das Brot, das die Soldaten in Windau essen, gestern in Breslau gebacken worden sei.In einem Zeitalter, wo man Eisenbahnen anlegt nur einen Kilometer hinter der vorrückenden Truppe, wo Tausende von Motorwagen hinter uns stehen, wo Asphalt­straßen gleichsam aus der Erde herauswachsen, da ist eine derartige Strategie nicht mehr wirksam. Wir trinken Apollinarisbrunnen und essen frisches Fleisch, das unmittelbar von Berlin kommt, und wir können eine Landstraße von 50 Kilometern wenn nötig in zwei Tagen bauen. Darum ist es Unsinn, heute von der Strategie zur Zeit Napoleons zu reden."