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118.

Reuenburg, Samstag den 24. Juli 1915.

73. Jahrgang.

Der Krieg.

Im Osten sind militärische Operationen im Gange von einem Umfang und einer Tragweite, wie sie in der Kriegsgeschichte der Menschheit noch nie da waren. Von der Ostsee bis zum Pruth, auf einer fast das ganze europäische Rußland umkreisenden Front haben unsere Feldmarschälle Hindenöurg und Mackensen im Bunde mit den tapferen österreichisch-ungarischen Kameraden einen gigantischen Vorstoß gegen die russischen Armeen unternommen, dessen Ausgang heute kaum mehr zweifelhaft ist. Sie werden aus Kurland und Polen geworfen, bis tief nach Bessarabien hinein zurückgedrängt und von ihren Weichselbefestig­ungen wie mit einer Zange abgezwickt. Fürchterliche Schlachten folgen sich Tag auf Tag. aber der zähe russische Widerstand wird Punkt für Punkt gebrochen. Es bleibt dem Generallissimus des Zaren schwerlich mehr etwas anderes übrig, als seine gesamte Heeres­macht in das Innere Rußlands zurückzunehmen, die zahlreichen Festungen an der deutschen und öster­reichischen Grenze ihrem Schicksal zu überlassen oder sich in eine Gefahr zu begeben, wie einst die Fran­zosen bei Sedan, nur mit dem. Unterschied, daß es sich hier um etwa zehnmal so große Verhältnisse handelt. Mit atemloser Spannung blickt die ganze Welt auf den Ausgang dieses Ringens. Unsere Feinde wiegen sich noch in allerhand Hoffnungen und trösten sich mit leeren Redensarten, als ob der Zar uns durch den Rückzug seiner Heere das Schicksal Napoleons I. von 1812 bereiten könnte. Wir Deutsche aber lachen über solche Sprüche. Mögen die Russen immerhin ihre eigenen Städte und Dörfer auf dem Rückzug verbrennen: das Zeitalter der Feldeisen­bahnen und Automobile ist nicht das Napoleons, der dem russischen Winter und dem Mangel an rück­wärtigen Verbindungen erlag. Die Russen schaden durch ihre barbarische Krirgsführung nur sich selbst, unsere Feldgrauen aber haben bereits einem vollen russischen Winter getrotzt und glänzend bewiesen, wie sehr sie ihm gewachsen waren.

Als dieser vernichtende Zug der deutschen und österreich-ungarischen Heere im Mai einsetzte, war man sich im Dreiverband der Gefahr wohl bewußt und beeilte sich deswegen, zu Pfingsten den Vier­verband mit Italien ins Leben zu rufen. Aber die italienische Hilfe versagte schmählich. Cadorna mit dem Regenschirm steht heute noch genau auf dem gleichen Fleck wie beim Beginn des italienischen Vormarsches gegen Oesterreich-Ungarn. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird Italien, statt dem Dreiverband zu helfen, dessen Hilfe selber brauchen, und zwar nicht nur die finanzielle, mit der es ohnehin schwach genug bestellt ist. sondern auch die militärische. Woher nehmen, ohne stehlen? Seit­dem wir vor einigen Tagen das österreichische Rot­buch gelesen haben, haben wir es vollends schwarz auf weiß, wie sehr das treulose, verkommene italie­nische Königtum diese Notlage verdient hat, in der es sich jetzt, kaum zwei Monate nach seinem Verrat, schon befindet.

Uebrigens hat sich die österreichische Diplomatie nicht nur mit diesem Rotbuch ein Verdienst um die geschichtliche Wahrheit erworben, sie hat uns auch treffliche Sekundantendienste geleistet durch die be­kannte Note an die Vereinigten Staaten, worin deren fragwürdige Neutralität bei der Duldung der Waffen- und Munitionslieferungen an unsere Feinde und bei der unterschiedlichen Behandlung der deutschen und der englischen Seekriegsführung in das rechte Licht gerückt wird. So ganz ohne Eindruck, wie die Reuter'schen Lügendepeschen es darstellen möchten, ist diese Note in den Vereinigten Staaten nicht ge­blieben. Sie hat vielmehr dem mit Beschwerden der Baumwolle-, Getreide- und Fleischexporteure über die englischen Gewalttätigkeiten ohnehin gefüllten Faß den Boden ausgeschlagen. Präsident Wilson

verweigert jetzt die Anerkennung der englischen Blo- kade über die deutschen Küsten, weil sie ungesetzlich ist und in der vom Völkerrecht vorgeschriebenen Form überhaupt nicht durckgeführt wird. Das ist immerhin ein großer Erfolg für uns bei der größten neutralen Macht. Und daß auch die übrigen neu­tralen Staaten, die skandinavischen sowohl wie die am Balkan, allmählich zur Besinnung kommen und der englischen Umtriebe überdiüssig werden, das zeigt sich von Tag zu Tag deutlicher. So können wir auch in dieser Hinsicht dem Anbruch der letzten Woche des ersten Kriegsjahres voll Zuversicht ent­gegensetzen. _

Im Kriege Oesterreich-Ungarns mit Italien bleibt auch in dieser Woche die Tatsache bestehen, daß neue große und hartnäckige Angriffe der Italiener gegen Görz und gegen das südwestliche Hochland von Doberdo mit sehr schweren Verlusten für die Italiener zurückgewiesen worden sind. Am Görzer Brückenkopf tobte einen ganzen Tag lang eine große Schlacht und am Abend gelang es sogar den Italienern, den Berg San Michel«, östlich von Sdraussina. zu nehmen. Am anderen Morgen er­oberte aber der Generalmajor Boog mit in Reserve gehaltenen frischen Truppenkräften den Berg zurück. Auch südöstlich vom Sdraussina hielten die Italiener mit großer Zähigkeit am Angriffe fest, bis sie durch einen Seitenangriff der österreichisch-ungarischen Truppen von der Ruinenhöhe östlich von Sagrado her zurückgeworfen wurden und unter großen Ver­lusten in ihre gedeckten Stellungen zurüäfliehen mußten. In den übrigen Teilen des Küstenlandes und auch an den Grenzen von Kärnten und Tirol waren die Kämpfe von keiner großen Bedeutung. Aber östlich von Schluderbach griffen die Italiener wieder mit drei Bataillonen den Berg Diano an und wurden dort mit sehr großen Verlusten zurück­geschlagen. Nach dem Bericht« des österreichisch­ungarischen Generalstabes verloren bei diesem An­griffe die Italiener zwei Drittel ihrer Truppen.

In Italien machten sich in der letzten Woche allerlei kriegerische, finanzielle und wirtschaftliche Enttäuschungen geltend. Gegenüber den geringen Fortschritten im Kriege gegen Oesterreich Ungarn er­wartet man in Italien neue Entschließungen für die Kriegsführung und zwar durch einen Ministerrat, welchem der König und der italienische Generalftabs- ches Cadorna beiwohnen werden. Italiens Kriegs­führung soll, wie die italienischen Zeitungen verraten, nicht nur zu einem Geldmangel, sondern auch zu einem Munitionsmangel geführt haben. Einige der italienischen Regierung nahestehende Zeitungen sind über die Frage der Munitionsversorgung sehr erregt, zumal die italienische Heeresverwaltung wegen der Munitionsbeschaffung Streitigkeiten mit Munitions­fabriken bekommen habe. In Italien wurden eine Anzahl Führer der Sozialisten und sogar auch Bürger­meister kleinerer Städte verhaftet, weil sie Opposition gegen die italienische Kriegsführung gemacht haben.

In England ist die große Bergarbeiterkrisis dadurch überwunden worden, daß die von den Ar­beitern verlangten höheren Löhne nach einem höheren Mindestsätze von den Bergwerksbesitzern gewährt und daß das Abkommen bis sechs Monate nach dem Krieg in Kraft bleiben soll. Auch hofft man in England die erregten Bergwerksarbeiter dadurch zu beruhigen, daß keiner derselben wegen des Streikes und etwaiger dabei vorgekommever Verletzung der Streikgesetze zur Rechenschaft gezogen werden soll.

Berlin, 23. Juli. Aus Kopenhagen wird dem Berl. Tagebl." gemeldet: Nach einer Londoner Meldung derNational-Tidende" wird Asquiths Unterhausrede in Parlamentskreisen dahin verstanden, daß England sowohl Rumänien als auch Griechenland die Unterbringung einer großen Anleihe in England anbieten wird. Nach denDaily News" stehe ein ähnliches Angebot auch an Bulgarien bevor.

Saarbrücken, 23. Juli. (WTB) DieSaar­brücker Volkszeitung" veröffentlicht folgenden Armee­befehl des Kronprinzen:

Armeehauptquartier, 19. Juli.

Kameraden! Es ist mir ein von Herzen kom­mendes Bedürfnis, all den Truppen, die an den siegreichen Kämpfen der letzten Wochen beteiligt ge­wesen find, noch einmal meinen Dank und meine volle Anerkennung auszusprechen. 10 Monate lang haben wir in schwerem blutigem Kampfe einen zähen und tapferen Gegner Schritt für Schritt, Graben um Graben nach Süden zurückzedrängt. Mancher tapfere Krieger hat in diesem Walde sein Leben für sein Vaterland dahingegeben. Mit stiller Wehmut und Dankbarkeit gedenken wir unserer gefallenem Kameraden. Durch die siegreichen Sturmangriffe auf eine vom Gegner besonders stark ausgebaute Stellung habt Ihr. meine Argonnentruppen. von neuem ge­zeigt, daß. obgleich die große Kriegslage uns hier auf der Westfront im allgemeinen ein Defensiv­verhalten auferlegt, wobei die NamenWinter­schlacht in der Champagne".Cöte Lorraine", Vogesenkämpfe".Schluß von Arras", ein beredtes Zeugnis von unvergleichlicher deutscher Tapferkeit und von treuem Ausharren ablegen, wir doch in der Lage sind, wenn es erforderlich ist, den Franzosen tüchtige Schläge auszuteilen. Mit voller Genugtu­ung können wir auf die letzten Kämpfe zurückblicken, die uns eine große Beute an Gefangenen und Material aller Art eingebracht haben. Ich bin stolz und^ glücklich, an der Spitze solcher Truppen stehen zu dürfen und bin überzeugt, daß. wenn der Augen­blick kommt, wo unser oberster Kriegsherr den weiteren Vormarsch befehlen wird, ich mich auf Euch ver­lassen kann und wir neue Lorbeeren an unsere sieg­reichen Fahnen winden werden.

Der Oberbefehlshaber:

Wilhelm,

Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen.

! Kopenhagen. 24. Juli. (WTB.) Nach einer ! Meldung derBerlingske Tidende" aus Petersburg ! kennzeichnen militärische Autoritäten den Kriegsschau- i platz zwischen Weichsel und Bug als die Arena, i wo die Entscheidungsschlacht des ganzen ! Krieges geschlagen werde. Sie erwarten außer- ! ordentlich blutige und langwierige Kämpfe auf der ! Front Oftrolenka-Jwangorod.

Berlin, 23. Juli. Aus Amsterdam wird unter dem 22. Juli derVoss. Ztg." gemeldet:Daily Telegraph" läßt sich aus Petersburg melden: Die Russen klagen, daß Rußland allein den Krieg l ausfechten müsse. Diese Klage stammt nicht nur i aus dem Volke, sondern der militärische Sachver- : verständige desRuski Invalid", der zweifellos gute ! Beziehungen zum Großen Generalftab hat, weift ! bereits zum zweiten Male innerhalb zwei Tagen auf i die Gegensätze der Kämpfe, die die Russen ausfechten j müssen, zu der Untätigkeit der englischen, französischen und italienischen Heere hin. Zwischen Weichsel und Bug würden allein so viele Truppen stehen, wie auf dem ganzen westlichen Kriegsschauplatz.

Krakau, 23. Juli. (GKG.) DerOzas" ver­öffentlicht folgende Mitteilungen aus Warschau: Ueber 18000 Personen haben die Stadt freiwillig ! in der Zeit vom 1. bis 12. Juli verlassen, und über 110000 wurden auf Befehl des Generalgouverneurs j zwangsweise fortgeschafft. Der Pöbel hat auch in ! Warschau deutschfeindliche Unruhen veranstaltet. Unter den Zurückgebliebenen werden massenhaft Verhaftungen vorgenommen.

! Berlin. 23.Juli. Nach derDeutsch.Tagesztg." berichten Wiener Blätter, daß sich die Kriegskosten des Vierverbands im Juni auf insgesamt 6 Mi- liarden Frs. belaufen, in welcher Summe die Zinsen für die Kriegsanleihe nicht einbegriffen find.