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Neuenburg, Samstag de» 3. Juli M5.
73. Jahrgang
Der Krieg.
Als neulich der Tag sich jährle, an dem der Erzherzog Franz Ferdinand samt seiner Gemahlin von serbischen Verschwörern in Serajewo ermordet wurde, trat plötzlich die äußere Veranlassung des Wellkcieges, der nun auch schon in seinen zwölften Monat eingetreten ist. wieder vor die Erinnerung. Der Mord war ja lediglich nur das letzte Glied in einer langen Kette planvoll vorbereiteter und dem Kriegszwecke dienender Handlungen, die wiederum nichts anderes darstellten als das Ergebnis weitausgrrifender Machtbestrebungen und nationaler Strömungen. Oesterreich war damals bereit, die blutige Tat mit einer Demütigung Serbiens zu sühnen. Allein es handelte sich ja schon für England. Frankreich und Rußland als Beschützer der serbischen Mörderschar gar nicht mehr um Schuld und Sühne oder um ethische Grundsätze: lediglich Machtbestrebungen, politische und wirtschaftliche Vorteile, bestimmten den Gang der großen Politik. Und so kam es zu dem Kriege, in dem Oesterreich zertrümmert und Deutschland gedemütigt werden sollte. Welche Wandlung in den verflossenen elf Kriegsmonaten. — Rußland steht heute vor dem Zusammenbruch. Unaufhaltsam fluten seine Millionenheere in Galizien über die Grenze zurück. Finanziell ist das Rixsenreich ruiniert, militärisch furchtbar geschwächt, und im Innern steht fürchterlich das Gespenst der Revolution auf. Man sucht es zu beschwören, jagt Minister aus dem Amte, will die Duma einberufen und liberal« Saiten aufziehen. Es wird nicht viel helfen. Für Rußland gibt es heute nur noch eine Rettung, eine schleunige Absonderung von seinen Bundesgenossen und ein Sonderfrieden mit uns. Ob der Zar auf diesen vernünftigen Gedanken verfallen wird, wissen wir nicht, können es aber in Ruhe abwarten. — In England macht sich allmählich eine Ernüchterung bemerkbar. Zwar ist man dort deswegen mehr als irgend ein anderer unserer Gegner zum äußersten Widerstand entschlossen, weil man weiß, daß England schließlich die Zeche bezahlen muß, aber der Siegerdünkel, der freche Hohn und die profitliche Spekulation auf Kosten Deutschlands beginnen zu verschwinden. England ist heute schon in die Notwehr gedrängt. Das Land bietet jetzt das Bild, das wir uns früher wohl vom sozialdemokratischen Zukunftsstaat machten, denn in England werden nachgerade alle Arbeitsmittel vom Staat mit Beschlag belegt und gewissermaßen in dessen Eigentum verwandelt, nur um die Munitionserzeugung zu gewährleisten. Wer hätte je gedacht, daß im gesegneten Lande der Freiheit nach rein kapitalistischem Geschmack der Staat seine Hand auf Arbeiter und Unternehmer legen werde? Demnächst wird auch noch die Regierung Höchstpreise für alle Lebensbedürfnisse in England festsetzen. Das ist der Kommunismus, wie er leibt und lebt. Wir gönnen unseren Feinden diese Lehre. — Selbst in Paris beginnt man zu ahnen, wie die Dinge stehen. Die „heilige Einigkeit" geht langsam in die Brüche. Man hat herausgefunden, daß im Lande der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mehr Drückeberger zu finden sind, als in einem andern kriegführenden Staat. Ja der französische Finanzminister hat sogar Klage darüber geführt. daß das die Republik beherrschende Großkapital sich an der Aufbringung der Kriegskosten ungenügend beteilige. Wie soll das erst werden, wenn die Ernüchterung vollständig ist? Denn sie muß ja kommen. Nicht einmal jetzt, wo ein großer Teil unserer Streit- kräfte gegen Rußland kämpft, vermochten trotz blutiger Schlachten und unaufhörlicher Angriffe die vereinigten Engländer und Franzosen unsere Front in Nordfrankreich zu durchbrechen. Sie wissen aber sehr wohl, was ihnen dort bevorsteht, wenn wir einen Teil der Armeen aus dem Osten erst wieder nach dem Westen werfen. — Und Italien? Es ist kaum vier Wochen her, daß Salandra uns die Gesetze der Moral, der
Kraft und des Völkeranstandes diktierte. Wir haben damals das Gruseln nicht gelernt. Heute lachen wir darüber. Keines von den Wundern, die wir von der elementaren Kraft Italiens erleben sollten, ist eingetreten. Schon heute stebt fest, daß auch Italien das Schicksal dieses großen Weltkrieges nicht erfüllen i wird. Es wird ihn verlängern und verteuern an Gut und Blut. Es wird aber auch, so Gott will, sich beim Friedensschluß unter den Zahlenden befinden, anstatt ohne einen Schwertstreich österreichischen Besitz geschenkt zu erhallen. Dümmere Gesichter als die der neulich noch so großmäuligen italienischen - Minister samt ihrem Zwergkönig sollen gegenwärtig f in ganz Europa nicht zu finden sein. '
Durch einen Erlaß des Zaren hat nun die Welt erfahren, was in dem letzten großen russischen Ministerrate, welchem der Zar als Vorsitzender beiwohnte, beschlossen worden ist. Danach wird der i Beschluß des Zaren dahin dem russischen Volke be> > kannt gegeben, daß es alle seine Kräfte der neuen Heeresausrüftung widmen soll und daß der Kampf > bis zum vollständigen Siege des russischen Heeres ^ weiterzuführen ist. Zu diesem Zweck soll auch die russische Duma und der russische Reichsrat sobald als möglich einberufen werden.
Wien, 2. Juli. Das „Neue Wiener Tagblatt" meldet laut „Nalionalzeitung" aus Kopenhagen: Die russische Telegraphenagentur berichtet in vorbereitender Weise von der bevorstehenden Räumung ganz Galiziens und von der Neugruppierung der russischen Armee. Der Generalissimus bleibt im Amte.
Berlin, 3. Juli. (WTB. Amtlich.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet über Dumdumgeschosse bei den Russen: Bei der Gefangenenvernehmung in Johannisburg am 16. Juni 1915 sagte ein russischer Gefangener vom Regiment Preobrasckenski aus: Ich habe gesehen, daß der Offizier meiner Rotte. Oberleutnant Wansowitsch. von 15 Patronen die Spitze abgeschnitten und diese selbst verschossen hat. Auch hat er den Soldaten befohlen, das gleiche zu tun. Den Befehl des Offiziers an die Soldaten habe ich selbst gehört. Darauf sah ich, daß 2 Leute die Spitzen abschnitten. Dies kann ich beschwören. — Diese Aussagen hat der Gefangene ohne jeglichen Zwang und ohne jeden Einfluß freiwillig gemacht.
Berlin. 3. Juli. (WTB.) Ein« Meldung des „Berliner Lokalanzeigers" aus Lugano besagt: Salandra empfing bei seiner Anwesenheit an der Front eine politische Abordnung von Friaul. Er ermahnte sie, die öffentliche Meinung darauf vor« zubereiten, daß viel Geduld nötig sei, vor all zu großer Neugier zu warnen und vertrauensvoll auf den Ausgang des Krieges zu hoffen, der zwar lang dauern könne, aber siegreich enden werde.
Zürich. 2.Juli. (WTB.) Die „Neue Züricher Zeitung" vernimmt, daß eine gemeinsame Not« des Vierverbandes an Serbien und Montenegro wegen der Aktion in Albanien bevorstehe.
Stockholm, 2. Juli. Bei der heftigen Beschießung von Windau durch, die deutsche Flotte am 28. Juni sind nach einer Privatmeldung vom „Afton- bladet" an die „Deutsche Tageszeitung" viele im Hafen liegende Dampfer in den Grund gebohrt worden. Auch der schwedische Dampfer „Westa", der seit Kriegsbeginn im Windauer Hafen lag, soll dabei gesunken sein.
London, 2. Juli. (WTB.) Der britische Dampfer „Lomes", von Buenos Aires nach Belfast mit Maisladung. wurde 35 Meilen westlich der Scilli> Inseln torpediert. Die Besatzung landete in Milford.
Paris, 2. Juli. Havas meldet aus Marseille: Eine Fabrik für Leuchtraketen, die hundert Arbeiter beschäftigt, wurde durch Explosion zerstört. Viele Arbeiter wurden getötet.
Berlin, 3. Juln (WTB.) Etwa 90 Beschäftigte, der Mehrzahl nach weibliche, wurden, wie dem „Berl. Lokalanz." aus Genf berichtet wird, das
Todesopfer der Explosion in der Marseiller Raketenfabrik. Die Leichenteile wurden Hunderte ovn Metern im Umkreis umhergeschleudert. Die Ursache des Unglücks ist Unvorsichtigkeit.
New - Iork. 28. Juni. (Radiogramm der „Frkft. Ztg.") Huerta wurde auf dem Weg nach Mexiko von amerikanischem Militär verhaftet.
Berlin, 2. Juli. Der Physiker Nernst erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klaffe für kriegstechnische Erfindungen.
In ganz Norwegen und Schweden steht wegen Regenmangels einesehr schlechte Ernte in Aussicht. die nur auf 25 Prozent des Durchschnittsertrages anzunehmen ist. Die Situation ist sehr ernst 80 Prozent des Viehbestandes mußte wegen Futtermangels geschlachtet werden.
Württemberg.
Stuttgart. 3. Juli. Das „Stg.N Tgbl." schreibt: Wie in den Schützengräben auf polnischer Erde bei Prasznysz, so beginnt es sich auch im Westen mächtig zu regen. Und hatten sich dort bei den letzten Stürmen die Württembrrger der 26. Division rühmlichst hervorgetan, so durften in den Argonven die tapferen Schwaben auch nicht fehlen, als es galt, den Franzmann aus seinen Stellungen zu werfen. Welches Ergebnis der schneidige Angriff halte, den die Württembrrger im Verein mit reichsländischen Truppen ousführten. das zeigt der Bericht der Oberste» Heeresleitung, der von einem schönen Erfolg spricht; das beweist auch zur Genüge die auf dem westlichen Kriegsschauplatz recht beträchtliche Zahl von 1700 Gefangenen. Mit Stolz gedenken wir unserer tapferen Feldgrauen, die für die bewährte Kampftüchtigkeit der Schwaben wieder einen neuen Beweis erbrachten. Dies« Anerkennung kommt auch zum Ausdruck in folgendem Telegramm an den König: Eurer Majestät melde ich alleruntertänigst, daß gestern die 27- Infanteriedivision gleichzeitig mit Truppen links von hier (das sind nach dem Hauptquartiersbericht reichsländische Truppen. D. Schriftl.) mehrere hinter- einanderliegende sehr starke Werke vor ihrer Front erstürmte. Ein klares Zusammenarbeiten aller Waffen und die von neuem bewiesene große Tapferkeit der Truppen verbürgten den schönen Erfolg. Gegner sehr starke Verluste. Durch Division allein 6 Offiziere, 737 Mann gefangen genommen, 9 Maschinengewehre, 17 Minenwerfer erbeutet. Von diese» voraussichtlich noch mehrere und eine Unmenge Material in den verschütteten Gräben. Graf von Pfeil.
Stuttgart, 29. Juni. (Wer will guten Kuchen backen . . .) Wegen Vergehens gegen das Brotgesetz Hallen verschiedene Bäckermeister vor dem Schöffengericht zu erscheinen. Es handelte sich bei den Vergehen vornehmlich um die gesetzlich verbotene Verwendung von Roggenmehl, bezw. Weizenmehl bei der Herstellung von Kuchen. Die Verhandlung endete mit der Verurteilung der Angeklagten zu Geldstrafen in Höhe von 10 bis 25 Mark.
Ulm, 1. Juli. In den gärtnerischen Anlagen des Karlsplatz steht ein dem früheren Oberbürgermeister v. Heim gewidmetes Denkmal mit dessen Büste. Vor einiger Zeit ist die Büste verschmiert und verunreinigt worden. Ein Schutzmann hat herausgebracht, daß Mittelschüler rin Bombardement mit Steinen und Lehm auf das ehrwürdige Haupt des früheren Stadlvorstandes veranstaltet haben. Dem Schutzmann wurden vom Gemeinderat 10 Mark Belohnung zugesprochen, den Buben ist jedenfalls eine anders geartete Belohnung zu teil geworden.
Tübingen. Die Italiener, die am Bahnhofumbau hier beschäftigt sind, haben, soweit sie wehrpflichtig sind, einen 2. Gestellungsbefehl erhalten, nachdem sie dem ersten nicht Folge geleistet hatten. Aber sie wollen weiter im deutschen Lande bleiben und sich redlich nähren, ebenso wie ihre in Hohenzollrrn wohnenden Kameraden. (Töb. Chronik.)