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1V2.

Neuenbürg, Samstag de» 26. Zuni 1915.

73. Jahrgang.

Der Krieg.

Die Vertreibung der Russen aus Ga­lizien und die Wiedereroberung von Lemberg, bei welchen großen Erfolgen auch die Tapferkeit der deutschen Truppen in hervorragender Weise mit- gewnkt hat, sind in dieser Woche das wichtigste Ereignis tm Weltkriege. In Wien, Budapest, Berlin und Konstantinopel hat man diese bedeutsamen Er­eignisse mit stürmischer Freude begrüßt, denn man erkennt in denselben einen Wendepunkt im ganzen Weltkriege. Aber auch in Petersburg, Paris. London und Rom und auch in den Hauptstädten der neutralen Länder wird man begreifen, was für eine Bedeutung die Erfolge der deutschen und österreichisch-ungarischen Waffen und die Wiedererobrrung von Lemberg haben. Freilich zugeben wird man im Lager des Vierverbandes die vollständige Niederlage Rußlands in Galizien noch lange nicht, denn bei den Feinden Deutschlands und Oesterreich-Ungarns herrscht die politische Taktik, die Siege der deutschen und öster­reichisch-ungarischen Truppen stets zu verkleinern und mit Lügennachrichten und Entstellungen die deutschen und österreichisch ungarischen Waffenerfolge als nicht bedeutend hinzustellen. Hat man doch jetzt in Peters­burg, Paris, London und Rom die Frechheit, zu behaupten, daß die Russen schon lange den Plan gehabt hätten, sich aus Galizien zurückzuziehen und Lemberg preiszugebrn, um auf russischem Boden eine neue große Angriffslinie einzurichten. Kurz zuvor hatte aber der russische Oberbefehlshaber Großfürst Nikolai Nikolajewitsch den Befehl gegeben, daß Lemberg von den Russen unbedingt gehalten werden müsse, sollte es auch die größten Opfer kosten. Man erkennt aus solchen Widersprüchen die Heuchelei und Lügenhaftigkeit der Feinde Deutsch­lands und Oesterreich-Ungarns. Trotz der schweren Mederlagen der Russen kann natürlich noch von keinem vollständigen Zusammenbruche der russischen Streitkräfte die Rede sein. Auch in Galizien ist die Stadt Tarnopol und noch ein Stück des Grenzlandes in russischen Händen, aber der Tag wird bald knmmen, wo der letzte Russe über die österreichischen Reichsgrenzen gejagt wird.

Lugano, 24. Juni. (Was Sassonow spricht.) Der KorrelPondent desSecolo" berichtet nach der Nat.-Ztg." aus Petersburg: Sassanow habe ihm gegenüber geäußert, daß Rußland sich auf einen Winterfeldzug vorbereite. Vom italienischen Gesandten Carlotti in Petersburg habe er erfahren, daß der Zar diesem erklärt habe, daß es seine Absicht sei, den Krieg so lange fortzusetzen, bis der Sieg errungen sei. Die Russen hoffen, im Juli reichlich mit Munition versehen zu sein. Sie werden dann ungeheuer große und frische Menschenmassen an die Front senden und mit diesen neuen Heeren eine neue Offensive ergreifen. Augenblicklich arbeite man nicht nur mit Hochdruck in allen russischen Munitionsfabriken, sondern es trafen auch unauf­hörlich ungeheure Mengen Munition über Archangelsk und Wladiwostok ein. Die Russen hätten sich ent­schlossen, Lemberg aufzugeben, weil dieBefestigungen" mangelhaft waren. Die neue russische Offensive in Polen habe sich wegen des Mangels an Munition und infolge der schweren Verluste in Galizien vor­läufig als unmöglich erwiesen, trotzdem die Russen das für den Bosporus bestimmte Heer von 200 000 Mann nach Galizien geworfen hätten. Ferner habe ein unvorhergesehenes Ereignis den Bau eines Dread­noughts verzögert, während sonst die russische Flotte die unumschränkte Herrschaft im Schwarzen Meere gehabt hätte. Dieser Umstand und die Entsendung des russischen Bosporusheeres nach Galizien habe die Oeffnung der Dardanellen verspätet. Aber deren Forcierung sei absolut notwendig, um Rußland die nötigen Waffen und Munition zuzuführen.

Wie man aus den französischen Zeitungen ent­nehmen kann, wird jetzt Frankreich von Sorgen und Enttäuschungen mancherlei Art heimgesucht. Zwar hat man sich in der französischen Depulierlenkammer in den Differenzen mit der Regierung über angeb­liche Günstlingswirtschaft und über verschiedene Fragen des Heeres trotz der neulichrn Tumulte darüber wieder verständigt, aber eine große Enttäuschung empfinden die Franzosen über die Niederlagen der Russen in Galizien und über die geringen Erfolge ihrer neuen Bundesgenossen, der Italiener, im Kampfe gegen Oesterreich-Ungarn. Einzelne französische Zeitungen wagen es sogar auszusprechen, daß Frankreich jetzt die schwersten Tage seines Daseins durchzumachen habe. Die größte Enttäuschung Frankreichs besteht nämlich darin, daß der schon seit Mai erwartete Durchbruch der Franzosen und Engländer durch die deutschen Stellungen in Frankreich und in Flandern noch immer nicht -erfolgt ist und daß es sich immer mehr herausstellt, daß der Zusammenbruch Deutsch­lands nur ein leerer Wahn bei den Franzosen und Engländern war. denn die Franzosen haben nun doch herausgefunden, daß Deutschland weder Mangel an Soldaten, noch an Kanonen, noch Munition, noch Lebensmitteln hat, daß aber dieser Mangel vier­facher Art bei den Engländern sich wiederholt ge­zeigt hat.

Das größte Ereignis der letzten Woche war dieses Mal in England die neue große Kriegsanleihe. Das ganze englische Volk verfolgt die Ausnahme dieser Anleihe, welche mit 4*/s Prozent Verzinsung angeboren wird, mit gespannter Aufmerksamkeit, denn zum erstenmale in dem Weltkriege ruft die englische Regierung das ganze englische Volk zur Zeichnung für die Kriegsanleihe auf. Vorsichtigerweise hat die englische Regierung auch keine Summe für die Höhe der gewünschten neuen Kriegsanleihe angegeben. Man hofft, daß die Kriegsanleihe 900 Millionen Pfund Sterling (---18 Milliarden Mark) ergeben werde, man will sie aber auch als erfolgreich betrachten, wenn die Zeichnungen für die neue englische Kriegs­anleihe nur den Betrag von 600 Millionen Pfund Sterling erreichen.

In Italien leidet man schwer unter der Tat­sache, daß Italien nun schon einen vollen Monat ohne jeden Erfolg den Krieg gegen Oesterreich-Ungarn geführt hat. Es haben in dieser Woche wiederholt in Rom Minifterberatungen stattgefunden, welche sich offenbar mit der Kriegslage und mit der Beschaffung des fehlenden Geldes für den Krieg befaßt haben.

Hamburg, 25. Juni. DenHamb. Nachr." wird aus dem k. k. Kriegspressequartier gemeldet: Gestern vormittag ist gelegentlich unserer Beschießung der italienischen Stellungen 1900 Meter vor dem Monte Campomolon beim vierten Schuß der schweren Geschütze ein Pulverturm der Italiener in die Luft geflogen. Die Wirkung auf die feindliche Stellung war gewaltig. Als die 200 Meter hohe Säule sich in die Luft erhob, sah man ganze Scharen Italiener in größter Verwirrung auseinander haften.

Lugano, 25. Juni. Die italienische Regierung gibt bekannt, daß die erneute Wirksamkeit der Senusfi die italienischen Truppen in Tripolis in eine schwie­rige Lage versetzt habe, so daß diese Besatzungen bis auf wenige wichtige Zentren zurückgezogen werden mußten. Es sei dies unter Verlusten geschehen. In der Cyrenaika sei die Lage unverändert. Das will jedoch besagen: noch schlechter als in Tripolis.

Wien. 25. Juni. (GKG) DasVolksblatt" meldet indirekt aus Petersburg: Die Räumung War­schaus durch die russische Zivilbevölkerung wird in der Petersburger Presse der Bevölkerung bekannt­gegeben.

Wien, 25. Juni. Aus Petersburg wird der D.T." gemeldet: Minister des Aeußern, Sassa­now, hat dem Zaren sein Rücktrittsgesuch unter­breitet. (Südd. Ztg.)

Wien. 25. Juni. Die russische Regierung befahl lautD. T." allen Ausländern in Finnland, auch denen neutraler Staaten, das Großfürstentum inner­halb 14 Tagen zu verlassen. Ueber Riga. Wilna, Bialistok und Jwangorod wurde der verstärkte Be­lagerungszustand verhängt.

Bukarest, 25. Juni. Aus Petersburg wird be­richtet : Die Arbeiter der staatlichen Munitionsfabriken sind in den Ausstand getreten. Ebenso die Arbeiter der Kronstädter Werke. Die Gründe sind unbekannt. In Petersburg streiken 30000 Arbeiter.

Berlin. 24. Juni. (WTB) Am 22. Mai wurde in der Ostiee ein russisches Unterseeboot, anscheinend vomAkula"-Typ, durch ein deutsches Flugzeug 25 Seemeilen östlich Gotland mit Bomben beworfen. Der Erfolg konnte damals nicht festgestellt werden. Nunmehr wird von russischer Seite zu­gegeben, daß das Unterseeboot verloren gegangen ist.

Rotterdam. 25 Juni. LautLok. Anz." erfährt derMaasbode", daß bei der letzten Be­schießung Dünkirchens der Bahnhof am Hafen von Dünkirchen vollständig zerstört worden sei, und daß auch die Hafenbauten sehr gelitten hätten. Zwei Drittel der Bevölkerung seien geflohen.

Wien, 25. Juni. DieReichspost" meldet lautHamb. Frdbl." aus Bukarest: Der Erlaß wichtiger militärischer Maßnahmen steht in Rumänien bevor. Der Ministerrat wird zu weiteren Beratungen am Montag zusammentreten. (S. M.)

Berlin, 25. Juni. Nach einer Meldung desBerl. Tagebl." aus Lugano meldetGiornaled'Jtalia", daß 150000 italienische Reservisten und Freiwillige aus Argentinien nach Italien abgereist seien.

Amsterdam, 25. Juni. Die englische Presse veröffentlicht spaltenlange Berichte zum Andenken an das Patricia-Regiment kanadischer leichter Infanterie, das im Dezember 1914 Kanada verlassen, am 7. Mai auf 665 Mann zusammengrschmolzen war und am 8. Mai vor Apern bis auf 150 Mann aufgerieben wurde. Der Oberst, der das Regiment aus eigenen Mitteln aufgestellt hatte, fiel mit allen Offizieren bis auf einen Leutnant.

Von der schweizerischen Grenze, 25. Juni. Nach einer Aufstellung desMatin" betragen die Ausgaben Frankreichs für den Krieg 3 Mill. Frs. in der Stunde, 50000 Frs. in der Minute.

Genf. 25. Juni. (GKG) DieAgenceFournier" meldet lautFrkf. Ztg." aus Lissabon, dort sei es zu neuen Kriegskundgebungen für die Entente­mächte gekommen. Diese nahmen einen solchen Umfang an, daß der Polizeipräfekt einen ständigen Ordnungsdienst vor den Gesandtschaften und Kon­sulaten der Zentralmächte hat einrichten müssen.

Berlin, 25. Juni. Aus Rotterdam meldet die Vossische Zeitung": Der Beherrscher des Stahltrusts Charles N. Schwab schwebt nach Berichten hier ein­getroffener amerikanischer Blätter gegenwärtig in großen Aengsten. Die ständig im Wachsen befindliche Agitation gegen die Ausfuhr von Kriegsmaterial aus den Ver­einigten Staaten hatte heftige Angriffe gegen Schwab, der auch Präsident der Bethlehem Setal Company ist, zur Folge, da man in ihm den Organisator des ameri­kanischen Waffenhandels mit den Verbündeten erblickt. In der letzten Zeit hat Schwab daher zahlreiche Droh­briefe erhalten. Seither umgibt sich Herr Schwab ständig mit einer Schar von Detektiven, die alle ver­dächtigen Personen aus seiner Nähe entfernen sollen. (Schwab soll ein geborener Schwabe sein!)

Karlsruhe, 23. Juni. Wegen deutschfeindlicher Gesinnung wurden der Kupferschmied Hering zu 3 Mo­naten und der Stuhlmacher Reinbold aus Lauch zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt. Hering hatte die Unverschämthe t, in einer Wirtschaft eiki Hoch auf Frankreich auszubringen, während Reinbold sich in derselben Wirtschaft in französischer Sprache mit Hering unterhielt.