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88 .

Neuenbürg, Freitag den 28. Mai 1915.

73. Jahrgang.

Italiens Krieg.

Die Kriegspolitik in Italien ist als eine Geheim­bündelei im Stile der Mafia gemacht worden. Nur zwei Personen wußten Bescheid, der Ministerpräsident Salandra, ein Sizilianer, und der Minister des Auswärtigen, Sonnino, der Sohn eines jüdischen Römers und einer Engländerin. Von der Kammer war niemand eingeweiht, auch vor Giolitti waren die österreichisch-ungarischen Angebote sorgfältig geheim gehalten worden, bis er selbst nach Rom kam. Als dann die Minister-Krisis entstand, weil mehrere Kabinettsmitglieder die österreichisch ungarischen An­gebote zu prüfen wünschten, wurden die wilden Straßenaufläufe für den Krieg inszeniert, das Haus der Abgeordnetenkammer gestürmt und verwüstet, friedensfreundliche Abgeordnete verprügelt und Giolitti selbst mit einer Flut von Drohbriefen heimgesucht. Es steht fest, daß hierbei von dem Personal der französischen und englischen Botschaften nicht bloß mit Kußhändchen, sondern auch mit klingender Münze für die Straßenjungen gearbeitet wurde.

Schon Ende April war der heimliche Bund zwischen Salandra-Sonnino und Rod-Barröre fix und fertig. Es ist außerordentlich bezeichnend, daß in dem Grünbuch der von Sonnino abgelehnte Vor­schlag des Wiener Kabinetts vom 2. Mai, den Grafen Goluchowski mit neuen Vollmachten nach Rom zu senden, verschwiegen worden ist, und daß auf dieses neue Entgegenkommen Oesterreich-Ungarns sofort am 4. Mai die sog. Kündigung des Drribundsoertrags folgte. Die Verschworenen, die sich ein halbes Jahr lang auf eben diesen Vertrag berufen hatten, um Konzessionen von Oesterreich-Ungarn herauszuschlagen, hatten nun, nachdem der Pakt mit England und Frankreich fertig war, große Eile, und es kam alles darauf an, die Kammermehrheit zu überrumpeln. Dies geschah eben durch unerhörte Einschüchterung von der Straße her unter dem Beistand der be­stochenen Presse. Weder Giolitti. noch einer der mit Salandra-Sonnino nicht übereinstimmenden Minister, noch sonst ein Kammermitglied war zu finden, das die Bildung eines neuen Ministeriums übernommen hätte. Dabei steht fest, daß weder im Senat, noch in der Kammer, noch in Handel und Industrie, noch in der Arbeiterschaft eine überwiegende Vorliebe für den Krieg, besonders für diesen unter Treubruch und trotz weitgehender friedlicher Befriedigung nationaler Wünsche begonnenen Krieg, bestand.

Der greise ritterliche Kaiser Franz Joseph teilte seinen Völkern die Kriegserklärung Italiens in einer Sprache mit, die Zeugnis ablegt von der Festigkeit, mit der Oesterreich-Ungarn auf seine Waffen und die seiner Verbündeten vertraut, durch die aber auch der herbe Kummer durchklingt über den furchtbaren Vertraurnsbruch der Römer.

So muß sich das Schicksal vollziehen! Prophetisch schlägt das Wort des greisen Monarchen in die neuen Kämpfe der nächsten Monde hinein. Die gerechte Sache muß siegen. War je ein Krieg gerecht, so ist es der, in dem jetzt schon die ersten Schläge gefallen find. Italien hatte es in der Hand, ohne einen Tropfen Blutsverlust große Vorteile für seine Lande zu erringen. Es hat es anders gewollt. Es hat an die Waffen appelliert. Das Schicksal wird sich an ihm vollziehen. Wir unterschätzen nicht den neuen Feind, aber wir treten ihm entgegen mit dem Ge­wissen derer, die ein Recht verteidigen und ein Unrecht wehren.

Die oberste Leitung des italienischen Heeres wird in der Hand des Generals Cadorna liegen, dem Chef des Generalstabs. Als ein zuverlässiger Freund des früheren Dreibunds wurde er nie an­gesehen. Er war einer der besten Freunde Garibaldis. Eine Vorliebe für die Franzosen hat er wohl schon von seinem Vater geerbt, der mehrfach auf seiten

der Franzosen kämpfte und sich auch dabei das Kreuz der Ehrenlegion errang. Diese Auszeichnung trug der alte General Cadorna stets mit besonderem Stolze. Der jetzige italienische Generalstabschef, eine der hervorragendsten militärischen Erscheinungen Italiens, hat einen großen Ruf im italienischen Heer als Organisator. Ueber seine Führertalente sind die Ansichten in Italien geteilt. Man meint, er verdanke seine hervorragende Stellung mehr den Verdiensten seines Vaters als den eigenen. Sein Vater war es, der am 20. Oktober nach kurzer Beschießung Rom einnahm. Unter dem Druck der deutschen Siegel

Chiasso, 27. Mai. Obwohl zwischen Deutsch­land und Italien noch keine formelle Kriegserklärung, sondern einfach Abbruch der diplomatischen Be­ziehungen erfolgte, wird lautBerl. Tagebl." nach italienischen Meldungen der Kriegszustand als tat­sächlich ein getreten angesehen, sodaß es keinerlei formelle Kriegserklärung mehr bedürfe.

Berlin, 26. Mai. Aus Lugano wird dem Berl. Tagebl." telegraphiert: Gestern abend ist der König von Italien ins Hauptquartier abgereist. Der König, der die Felduniform trug, drückte Sa­landra und Sonnino die Hand, umarmte den Reichs­verweser, den Herzog von Genua, seinen Oheim, und grüßte, als der Zug sich in Bewegung setzte, lange aus dem Fenster heraus.

Berlin, 27. Mai. Wie dieVoss. Ztg." aus Innsbruck erfährt, hat am 25. Mai die zwangs­weise Räumung der Stadt Trient begonnen.

Berlin, 27. Mai. Aus Zürich wird der Tägl. Rundschau" berichtet: Der Stadt anzeiger" schreibt: Obwohl fortgesetzt italienische Heeres­pflichtige aus der Schweiz abfahren, zeigt sich doch ein großer Unterschied zwischen ihrer Abfahrt und der im August vorigen Jahres erfolgten Ausreise der militärpflichtigen Deutschen und Oesterreicher. Damals mußten Extrazüge nach der Grenze ein­gesetzt werden, jetzt brachte ein ganzer Tag, der Sonntag, einen einzigen, aus nur 4 Personenwagen bestehenden Zug nach der Grenze. Er hatte nur 4 Wagen nötig, denn mit ihm fuhren kaum zwei Dutzend italienischer Heerespflichtiger. Vor dem italienischen Konsulat in Zürich stießen bei dem Bekanntwerden des Mobilisationsbefehles einige Personen Hochrufe auf den Krieg aus. Die dort versammelten etwa 100 Italiener machten sofort Kehrt gegen die Schreier und riefen:Nieder mit dem Krieg!" Aus Genf und Basel werden gleiche kriegsfeindliche Kundgebungen der italienischen Re­servisten gemeldet.

Lugano, 27. Mai. Wie aus Kairo laut Lok.-Anz." gemeldet wird, sollen große italienische Truppenmasfen auf der Insel Lemnos gelandet worden sein.

Berlin, 27. Mai. Aus Kopenhagen meldet dieVoss. Ztg":National Tidende" meldet aus Paris, daß eine sofortige Verstärkung des italienischen Heeres durch Einberufung der jüngsten Jährgänge bevorsteht. Italien rechnet damit, im Laufe des Jahres 3 Millionen Mann aufstellen zu können.

Berlin, 27. Mai. Aus Genf meldet die Deutsche Tageszeitung": DerMatin" bringt eine jubelnde Zuschrift aus Rom, in der gesagt wird, Italien habe ohne eine Schlacht einen großen Sieg errungen, indem es über 80 Dampfer Deutschlands und Oesterreichs beschlagnahmt habe. Die meisten dieser Dampfer gehörten zur schnellsten Gattung und könnten in kurzer Zeit armiert werden. Dadurch erhält Italiens Handelsmarine vollste Kraft. Die beschlagnahmten Schiffe stellen einen Wert von 400 Millionen dar. Diesen Erwerb habe Italien schon lange ersehnt. (Stg. Tgbl.)

Genf, 27. Mai. Einer Neapeler Meldung zufolge wurden jetzt die im dortigen Hafen befindlichen deutschen DampferBononia",Marsala" und

Bayern" ebenfalls beschlagnahmt.Bayern" hatte Munition an Bord, die an Land gebracht wurde.

Genf, 27. Mai. Der französische Kreuzer Ernest Renan" ist nach Meldung aus Genua vor dem dortigen Hafen eingetroffen, um 4 deutschen und österreichischen Handelsschiffen aufzulauern, die den Hafen nach Ablauf der völkerrechtlich zu ge­währenden Frist verlassen mußten. Ueber ihr Schicksal ist noch nichts sicheres bekannt.

Paris, 27.Mai. (GKG.) Wie, lt.Frkf.Ztg.", derPetit Parisien" über Athen vernimmt, ist der italienische Botschafter in Konstantinopel mit seinem Personal auf der Heimreise begriffen.

Chiasso. 26. Mai. Die TürmerStampa" veröffentlicht den Aufruf des Kaisers Franz Joseph an seine Völker im Wortlaut und ohne Bemerkungen. Die Regierung verbot den Gebrauch der deutschen Sprache im Telegrammverkehr. Im Inland darf nur die italienische Sprache verwendet werden, nach dem Ausland oder im Transitverkehr auch die fran­zösische oder englische.

Wien, 26. Mai. (WTB.) Der Kaiser hat an an den Flottenkommandanten, Admiral Haus, ein Telegramm gerichtet, in dem er ihn und die unter seiner bewährten Führung stehende Flotte beglück­wünscht zu der weithin vernehmbaren Antwort, die der Admiral der Kriegserklärung Italiens mit feinem kühnen Vorstoß gegen die Küste des Feindes sofort folgen ließ.

Berlin, 27. Mai. Der Kriegsberichterstatter desBerl. Tagebl." meldet aus dem K. K. Presse­quartier vom 26. Mai: Der Ring um Przemysl schließt sich immer mehr. Während bayerstche Truppen im Osten und galizische Truppen im Süd­osten bereits Vorstellungen des Fortgürtels besetzt haben, ist mit dem Brückenkopf von Radymno nun auch die nordöstliche Abwehrstellung der Russen gefallen. Der Verlust bei diesen Kämpfen war für die am San zusammengezogenen jungen russischen Reserve-Regimenter eine förmliche Katastrophe. Sie gerieten in Artilleriefeuer und wurden förmlich dezimiert. Die zweite Armee der Verbündeten hat jetzt bereits auch die Bahnlinie Sambor-Lemberg in Besitz Die Gefangenen, die dem 9. Korps bei der Verfolgung zufielen, gehörten mehr als 50 russischen Regimentern an.

Das fünfte englische Linienschiff hat vor den Dardanellen sein bitteres Geschick erfüllt, mit Mann und Maus in der Tiefe des Ozeans zu verschwinden. DemTriumph" vom 25. ist am 27. nunMajestic" gefolgt. Die Besatzung zählte 757 Mann, der Ver­dräng 15150 Tonnen. Das Schiff war armiert mit 4 30,5 Zentimeter- und 12 15 Zentimeter-Geschützen. Immer schwieriger wird die Lage der Verbündeten vor den Dardanellen, zumal seitdem nun auch deutsche Unterseeboote eingetroffen sind, deren eines den Triumph" erlegte. Eine ganze Reihe Schiffe muß aber nochTriumph" undMajestic" folgen, um den Engländern das Vergebliche ihres Bemühens vor Augen zu führen!

London, 27. Mai.Lloyds" melden aus Mil- fordhaven: Der DampferNorwenna" aus Shields ist 160 Meilen südwestlich von Stannshead torpediert worden.

London. 27. Mai. (WTB. Reuter.) Der däni­sche DampferBetty" ist gestern in der Nordsee torpediert worden. Die Besatzung ist nach Shields gebracht worden.

Berlin, 27. Mai. Aus Genf wird der Morgenpost" gemeldet: Eine Bukarester Meldung desTemps" bestätigt aus bester Quelle, daß das Eingreifen Italiens auf die Haltung Rumäniens keinen direkten Einfluß haben werde. Andererseits gehe die vorherrschende Ansicht dahin, daß die Regierung Bratianus ihre Stellungnahme nicht un­endlich weit hinausschieben könne. Ueber die Ver­handlungen, die zur Stunde mit Rußland im Gange