Ausgegeben:
Telegramm des Wolff'schen Büros an den „Enztäler".
(WTB) Den 17. Mai, 5 00 Uhr nachm.
Großes Hauptquartier, 17. Mai, vorm. Amtl. Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich von Upern, westlich des Kanals bei Steenstraate und Hetsas gaben wir unsere vorgeschobenen Stellungen auf und zogen die dort stehenden schwachen Kräfte, um Verluste durch starkes Artilleriefener zu verhindern, in unsere Hauptstellung am östlichen Kanalufer zurück. '
Südlich Neuve Chapelle halten die Engländer noch die Teile unseres vorderen Grabens, die seit den vorgestrigen Kämpfen in ihrer Hand sind. Das Gefecht dauert dort noch an.
Nördlich von Arras -ei Ablain und Neuville wiesen wir französische Angriffe sehr verlustreich für den Gegner ab.
Bei Ailly und im Priesterwalde haben sich geringfügigere Jnfanteriekämpfe entwickelt.
Unsere Luftschiffe machten erfolgreiche Angriffe auf die Kriegshäfen Dover und Calais.
Oestlicher Kriegsschauplatz:
An der Dubissa in der Gegend von Eiragola und Czekiszki sowie südlich des Nj euren bei Mariampol und Ludwinow wurden feindliche Angriffe abgewiesen.
Unter den bei Scham li gemachten russischen Gefangenen wurden Rekruten des Jahrgangs 1916 festgestellt, die eine nur vierwöchige Ausbildung hinter sich hatten.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unser Vormarsch zwischen der Pili za und der oberen Weichsel, ebenso wie auf der FrontSamvor-Stryj-Stanislau wird fortgesetzt.
Bei Jaroslau und nördlich davon ist es an mehreren Stellen gelungen, den San zu überschreiten.
Um Przemysl wird gekämpft.
Oberste Heeresleitung.
Mailand, 17. Mai. Die Kundgebungen für und gegen den Krieg dauerten hier bis in die tiefe Nacht an. Aus allen größeren Städten Italiens werden blutige Zwischenfälle zwischen den Interventionisten und den Neutralisten gemeldet. Die Neutralisten setzen ihre Bemühungen zur Erhaltung des Friedens fort. Heute fand eine neue Konferenz zwischen Giolitti und Salandra statt. Die Lage muß zwar als sehr ernst, aber immer noch nicht hoffnungslos angesehen werden.
Köln. 17. Mai. (GKG.) Die „Köln. Volksztg." meldet aus Berlin: Die Lage in Italien ist noch ungeklärt. Jede Stunde kann entscheidende Ereignisse bringen. Irgendwelcher Optimismus ist bei 'unS in Deutschland für eine etwaige Entscheidung Italiens ohne Untergrund. Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben alles getan, den Krieg mit Italien zu vermeiden. Wenn die italienische Regierung den Krieg um des Krieges willen sucht, so ist der Krieg in jedem Falle unvermeidlich. Dann trägt die italienische Regierung die Verantwortung vor der Weltgeschichte und vor ihrem eigenen Volke.
des
Neuenbürg, den 18. Mai 1915, mittags 12 Uhr.
Der Krieg.
Berlin. 17. Mai. Der „Köln. Ztg." wird von hier geschrieben: Alle Meldungen über den Stand der Dinge in Rom treffen dahin zusammen, daß die Lage als sehr ernst aufgefaßt werden muß. Es ist im Augenblick noch nicht mit voller Sicherheit erkennbar, ob die Entscheidung in der Kriegsfrage etwa schon vor der Kammersitzung am Donnerstag fallen soll.
Berlin, 17. Mai. Der Berliner Vertreter des „St. N. Tagbl." meldet: Solange der Krieg noch nickt da ist, sind selbstverständlich noch nicht alle Hoffnungen verschüttet, und es bleibt noch die Möglichkeit offen, daß der Friede (wenn man den bisherigen Zustand, wie er zwischen Italien und den Zentralmächlen herrscht, noch Frieden nennen will) nicht gestört wird. Wer Luft am Kombinieren hat, kann sich ja die verschiedenen Möglichkeiten ausrechnen. wie der Krieg noch zu vermeiden wäre. Indessen wird man gut tun, auf diese letzten Möglichkeiten keine allzu großen Hoffnungen mehr zu setzen. Vorderhand steht es jedoch so. daß die Straße, daß die rollenden Francs und Souvereigns schon den ersten Sieg erfochten haben, und, da die Dinge immer ihr Schwergewicht in sich selber tragen, ist die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß dem ersten Sieg der zweite folgt. Politisch unterrichtete Leute denken sich die Weiterentwicklung so. daß die Minister vor die Kammer gehen und sich ein Vertrauensvotum von ihr erbitten; ein Vertrauensvotum, heißt das, für alle Fälle. Dann wären sie gedeckt und könnten beginnen, wonach ihr Herz strebt, zu deutsch, also den Krieg anfangen. Es hat in diesem Moment wohl wenig Sinn, noch darüber zu streiten, ob der Dreibund formell gekündigt worden ist oder nicht. Nach unserer Kenntnis ist eine solche Aufkündigung nicht erfolgt, wenigstens gegenüber Deutschland nicht. Aber das ist, wie die Dinge liegen, wirklich nur eine Formsache und würde den Kriegsbeginn, wenn er beschlossen wäre, kaum um eine Stunde aufhalten.
Köln. 17. Mai. Der „Kölnischen Zeitung" wird, wie wir in der „Deutschen Tageszeitung" lesen, aus Lugano gemeldet: „Avanti" beharrt auf seiner entschiedenen Opposition der Sozialisten gegen den Krieg, den die Mehrheit des Volkes nicht wolle. Er fordert das Proletariat auf, bis Donnerstag seinen Willen den Abgeordneten deutlich zum Ausdruck zu bringen. Dagegen wird aus Lugano am 17. Mai geschrieben: Der gestrige Artikel der „Stampa" kündet, nach der „Kriegszeitung", schon die Auflösung der neutralistischen Kammermehrheit an. Der letzte Versuch Giolittis ist zu einer Episode geworden. Die Bevölkerung der Landeshauptstadt ist von einem Kriegstaumel ergriffen, der keinen Widerstand findet.
Frankfurt, 17. Mai. (GKG.) Von der Schweizer Grenze wird der „Frkf. Ztg." gemeldet: Das „Journal de Gensve" versichert in seinem heutigen Leitartikel, in Paris behaupte man, daß das Ministerium Salandra am 37. April ein Abkommen mit dem Dreiverband unterzeichnet habe, wodurch Italien sich verpflichte, spätestens am 35. Mai auf der Seite Frankreichs in den Krieg einzugreifen.
Rom. 17. Mai. (WTB. Ag. Stef.) Der Ministerrat beschäftigte sich mit den Mitteilungen, die er in der Sitzung der Kammer am Donnerstag machen wird.
Frankfurt. 17. Mai. (GKG.) Die „Frankfurter Zeitung" meldet aus Mailand: Die Presse ist darüber einig, daß beim Zusammentritt der Kammer, der nach Informationen der Mailänder Presse auf den 20. Mai festgelegt bleibt, die letzte Entscheidung fallen müsse.
Berlin. 17. Mai. Aus Zürich meldet die „Nat'onal-Zeitung": Der Luganoer „Tagesanzeiger" schreibt: Der vorübergehende Stillstand der Deutschenflucht aus Italien ist schon seit Freitag abend von einer neuen Deroute abgelöft worden. Am Freitag abend trafen wieder über 3500 Flüchtlinge ein, am Samstag wurden fast 3000 Flüchtlinge gezählt. Der Zugverkehr aus Italien ist auf wenige Züge am Tage beschränkt.
Lugano. 17. Mai. Am gestrigen Sonntag ist Mailand nach der „B. Z " daS Bild einer Stadt, über der die Atmosphäre eines nahen UngewitterS lastet. Die Gemüter waren eher gedrückt als froh erregt. In Rom fand eine große Demonstration vor dem Quirinal statt. Es wurde nach Salandra und „Nieder mit Giolitti" gerufen. Nach dem „Secolo" ' ereigneten sich auch in Genua und Turin große Studenten-Demonstrationen.
Berlin, 17. Mai. Aus Rom. meldet der „Lokal-Anzeiger": Nach den Auslassungen der Anhänger der Kriegsparteien und ihrer Presse ist der. Krieg sicher. Auch andere Kreise sind jetzt von der Kriegs st immung erfaß«. Giolitti und seine wenigen Anhänger verhalten sich gänzlich passiv, so daß man erwartet, daß auch das Parlament auf Seite der Regierung treten werde. Gestern abend bei den großen Demonstrationen auf der Piazzo del Popolo wurde neben dem Königsmarsch auch die Marseillaise gespielt.
Rom, 17. Mai. (WTB.) Man kann kaum noch ein ernstes Wort gegen den Krieg in den Blättern finden und die Tatsache, daß heute die Tagesordnung für die auf den 30. Mai angesetzte Kammersitzung nicht verfaffungsgemäß veröffentlicht wurde, deutet darauf hin, daß die Kammer wiederum vertagt und ihr die Entscheidung über den Krieg entzogen wird.
Paris, 17. Mai. Nach einer Meldung a«S Korfu verlassen 5 italienische Truppentransport- schiffe Brindisi mit der Bestimmung Albanien. Die Verstärkung der italienischen Truppen sei infolge der sich steigernden Tätigkeit der meuternden Banden in Albanien notwendig.
Budapest. 17. Mai. „Az Est" meldet a«S Eperies: Nach Dobromil ist auch Chirow und damit eine wichtige Bahnlinie in unseren Besitz gekommen. Eine andere Heeresgruppe zog in Sambor ein. Die nächste Umgebung von PrzemySl ist im Westen, Süden und Norden in unserem Besitz. Bei der Räumung des linken Bahnufers erlitten die Russen große Verluste. In Sambor. daS mehr als ' 6*/i Monate in russischen Händen war, wurden unsere Truppen mit Begeisterung empfangen.
Berlin. 17. Mai. AuS Athen meldet der „Lokalanzeiger": Aus Mythilene wird berichtet: Britische Kriegsschiffe sind in den Dardanellen auf Minen gestoßen und gesunken. Ihre Zahl ist nicht angegeben.
Paris, 17. Mai. Pariser Blätter melden, daß in Gibraltar ein Anwerbungsbureau für Kriegsfreiwillige eröffnet wurde.
Konftantinopel. 17. Mai. Als Ergänzung der erfreulichen Nachrichten von den Dardanellen kommen nach der „B. Z." auch vom Kaukasus Meldungen über große Siege. „Tanin" berichtet hierzu, ein 10 tägiger heftiger russischer Angriff fand bei Hafsankale statt, wurde aber mit großen Verlusten für den Feind zurückgeschlagen.
Berlin, 17. Mai. (WTB.) Die hiesige portugiesische Gesandtschaft erhielt folgendes Telegramm aus Lissabon vom 16. Mai. 4 Uhr nachmittags: Eine revolutionäre Bewegung hat in Portugal stattgefunden, die von der Marine ausging und von der Armee ausgenommen wurde. Das Ministerium Pimento-y- Castro hat seine Demission gegeben. Der Präsident der Republik hat ein neues Ministerium bestätigt. Die neue Regierung wird von allen Seiten unterstützt.
Madrid, 17. Mai. Nach den letzten hier aus Portugal eingegangenen Meldungen dauern die Kämpfe zwischen den revoltierenden und regierungstreuen Truppen an. Am SamStag abend stellten die Kriegsschiffe die Beschießung von Lissabon ein, weil inzwischen Munitionsmangel ein- getreten war. Es wird bestätigt, daß durch die Beschießung große Verwüstung angerichtet wurde. Zahlreiche Gebäude wurden in Trümmer gelegt oder eingeäschert. Die Zahl der Opfer soll sehr groß sein. Außer dem heute in Lissabon eingrtroffenen