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Der «nztäler.

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Neuenbürg, Samstag den 24. April 1915.

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73. Jahrgang

Der Krieg.

Zur Kriegslage.

ckpir. Berlin, den 22. April 1915.

Von unserem militärischen Mitarbeiter wird uns zu den heutigen Mitteilungen der obersten Heeres­leitung geschrieben:

In der Hauptsache scheint jetzt auf der Westfront mit Minen und mit Artillerie gekämpft zu werden. Sowohl bei den englischen Stellungen am La Bassee- Kanal und bei Arras werden erfolgreich Minen­sprengungen vorgenommen, als auch wurde in den Vogesen am vielumkämpften Hartmannsweiler Kopf ein französischer Stützpunkt zerstört, wahrscheinlich auch auch durch Minensprengungen. Sonst fanden zwischen Maas und Mosel wiederum in der Hauptsache hef­tige Artilleriekämpfe statt. Ein italienischer Kriegs­hetzer, der seine Landsleute zu gerne an der Seite unserer Feinde sehen möchte, ist in Frankreich gewesen und versucht nun, durch Erzählen von Wunderdingen die Italiener in den Krieg zu treiben. Seine Er­zählungen find interessant, für uns aber besonders deshalb, weil man die verschiedensten Anhaltspunkte über die Zustände in der französischen Armee hierin findet. So erzählt er als besondere Ruhmestat, daß das französische Offizierskorps sich aus Leuten an der Front ergänze und daß sich dies Verfahren meist recht gut bewährt habe. Es ist also offenbar ein Mangel an Offizieren vorhanden, deren Ersatz durch junge, nicht für den Offizier erzogene Soldaten nur als mangelhaft angesehen werden muß. Weiler ist dann in diesem Bericht von etwa 500 000 Drückebergern die Rede, die alle diensttauglich wären. Wir finden dadurch unsere letzten Ausführungen über diesen mo­ralischen Tiefstand in der französischen Armee bestätigt. Insbesondere wird die den Italienern besonders sympathische Kavallerie gelobt, von der sich Joffre bei der neuen Offensive besonders viel verspricht. Wir erinnern uns, daß auch die russische Kavallerie vor der großen Winterschlacht durch eichene Bretter gelobt wurde und nachher doch so kläglich versagte. Viel anders wird es hier auch nicht sein, zumal die Kavallerie vorläufig an den befestigten Stellungen gar keine Verwendung finden kann.

Als Fürst Bismarck seinerzeit das geflügelte Wort prägte, man müsse darauf achten, daß unsere Gegner durch eine Entstellung der Wahrheit in Zeitungs­depeschen viel Schaden anrichten nach der Methode gelogen wie telegraphiert", hatte er namentlich das Reuter'sche Telegraphenbureau in London im Auge, die Schöpfung eines ausgewanderteu hessischen Dorfjuden, der vorher einen ursprünglicheren Namen geführt hatte und herzoglich Sachsen- Coburgischer Baron geworden war. Das ist nun schon mehr als ein Menschenalter her und diesen Vater der Lüge deckt schon lange der englische Rasen. Auch sein Sohn und Erbe im Besitz der inter­nationalen Lügenfabrik, der zweite Baron Reuter, hat dieser Tage zum Entsetzen aller frommen, bri­tischen Seelen das Zeitliche mit einer Revolverkugel in die eigene Denkerstirn gesegnet und so einen würdigen Abgang vom Schauplatz seiner Taten genommen. Der Reuter'sche Lügenbetrieb aber wird unverändert fortgesetzt. Es ist immer noch ein höchst einträgliches Geschäft, das sich überall, wohin eng­lische Kabel reichen, bezahlt macht. Auch im neutralen Ausland werden die Reuterdepeschen über den bevor­stehenden Untergang Deutschlands und was sonst zu dem System einer Bearbeitung der öffentlichen Meinung in der ganzen Welt auf unsere Kosten gehört, trotz der vielen handgreiflichen Unwahrheiten im Verlaufe dieses Krieges immer noch geglaubt, besonders in Amerika, wo man in echt englisch- reuterschem Geiste für den Frieden betet und unseren Feinden in Gestalt von Unterseebooten, Kanonen und Granaten die Mittel liefert, den Krieg zu verlängern.

Ganz ungestört ist her Betrieb freilich nicht geblieben. Der Dreiverband hat in seinem hdlden Familienkreise auch die Japaner sitzen, die zuerst, scheinbar als willfährige Vollstrecker des elterlichen Befehls, Tsingtau stahlen und das deutsche Kreuzer­geschwader bei den Falklandsinseln vernichten halfen, dann aber plötzlich sich als unfolgsame Kinder von erschrecklich bösem Willen erwiesen. Schon was sie in China machen, geht gegen alle Hausordnung im Dreiverband, aber ihr neuester Streich in Mexiko ist für die Engländer und ih'e amerikanischen Gönner geradezu fürchterlich. Schicken die gelben Schlingel einen Kreuzer nach Niederkalifornien an die Schild­krötenbucht. lassen ihn aus den mexikanischen Strand laufen und tun jetzt so. als müßten sie das Wrack vor dem bösen Feind beschützen. Kein Mensch weiß zwar, wie die Deutschen an das Schiff gelangen sollen, aber umso besser wissen die Japaner, was sie wollen, und die Amerikaner, was das bedeutet. Vier Kreuzer sitzen dicht an der amerikanischen Grenze um das Strandgut herum; 4000 japanische Soldaten haben den Boden der mexikanischen Küste und damit das amerikanische Festland betreten. Wo bleibt da die geheiligte Lehre des einstigen Präsidenten Monroe, der für alle Völker dieser Erde den Grundsatz ver­kündete, daß Amerika nur den Amerikanern gehöre, daß kein Land außerhalb Amerikas es wagen dürfe, auf der nördlichen oder südlichen Hälfte dieses Erd­teils irgend welchen Besitz zu ergreifen. Die Länder des alten Europa haben dieser Doktrin seit fast 100 Jahren ihren Respekt bezeugt. Selbst als der wilde Präsident Castro von Venezuela mit Deutsch­land und Holland, England und Frankreich Schind­luder spielte, zogen wir vor dem Geiste Monroes den Hut und beschränkten uns auf eine Flotten­demonstration, die den Raubftaaten an der Scheide zwischen Nord- und Südamerika wenig imponierte. Die bösen Buben von Tokio sind weniger respektvoll. Sie haben jetzt sogar an der Ostseite von Mexiko, im Hafen von Veracruz, auf einem zweiten Kreuzer­geschwader ihre Kriegsfiagge gezeigt. In den Ver­einigten Staaten aber und auch in England ist man ob dieser Dreistigkeit fast sprachlos geworden. Den Engländern kommt der Seitensprung ihrer allzu gelehrigen Schüler arg in die Quere, denn fdie Amerikaner könnten plötzlich die Notwendigkeit empfinden, ihre Kriegslieferungen für sich zu behalten nnd für anderweitige Verwendung im eigenen Hause aufzusparen. Den Amerikanern aber droht die Ein­sicht aufzugehen, daß sie von Sonntagsschulpredigern, nicht von Staatsmännern regiert werden, die die Sicherheit des eigenen Langes vernachlässigt haben. Sie beschwören England, Japan von unfreundlichen Handlungen gegen Amerika abzuhalten. Die Japaner aber brauchen einen amerikanischen Stützpunkt, wohin sie die Auswanderung ihres Menschenüberschusses ableiten können. In Kalifornien hat man ihnen seinerzeit die Tür gewiesen. Die Mexikaner sind weniger stolz. Sie scheinen die gelben Räuber für ein kleineres Uebel anzusehen als die weißen vom Kapitol in Washington.

Auch wenn man diese Episode im Weltkrieg nicht überschätzt und mit der Möglichkeit rechnet, daß der ganze Handel sich durch einige geschickt gespendete chinesische Brocken an den japanischen Machthunger noch zum allgemeinen Wohlgefallen des Dreiverbandes regeln läßt, darf man am Ende der 38. Kriegswoche füglich sagen, daß sich unsere Lage keineswegs verschlechtert, sondern weiter verbessert hat. Wir haben den Engländern einige ihrer Unterseeboote, mit denen sie sich jetzt auch herauswagen, versenkt; unsere eigenen schneidigen Taucher sind unablässig an der Arbeit. Die wirtschaftliche Lage in Groß­britannien wird immer schwieriger und die Arbeiter­schaft beständig aufsässiger. Die große Osteroffensive der Generale French und Joffre ist zusammen­gebrochen. Die Russen haben an den Karpathen das gleiche Schicksal erfahren und mußten eine Um­

gruppierung ihrer Streitkräste vornehmen, derweilen Vater Hindenburg nach dem Motto:Die Lage im Osten ist unverändert" sich in ein vielversprecht «des Schweigen hüllt. An den Dardanellen will nichts glücken; die neue Landung der Belagerer in der Bucht von Saros. dicht an der bulgarischen Grenze, scheint sich sogar als plumper diplomatischer Schwindel zu erweisen. Der Kolonialkrieg in Afrika nimmt gleichfalls einen ganz anderen Verlauf als die britischen Prahlhänse versprochen hatten. Kein Wunder darum, daß die englische Presse allmählich kleinlaut wird und sich neulich sogar zu dem Ein­geständnis bewegen ließ, daß Deutschland eigentlich bis jetzt in diesem Kriege der Sieger sei. Wir sind j nicht gegenteiliger Ansicht, aber wir hoffen, das unseren Feinden im Laufe der nächsten Monate noch etwas deutlicher beweisen zu können.

Vom österreichisch-ungarischen Kriegs­schauplätze ist als die wichtigste Tatsache zu melden, daß die Russen in der letzten Woche in den Karpathen im oberen Czirokatale bei Nagypolany wiederum mehrere Tage lang heftige Angriffe gemacht haben. Die Russen wurden aber mit einem Verluste von vielen Tausenden von Toten und Verwundeten wieder zurückgeschlagen und verloren auch über 3000 unverwundete Gefangene. Der als besonders wichtig geltende Uzsoker Paß ist auch trotz aller gegenteiligen Meldungen der verlogenen russischen Heeresleitung nach wie vor in dem festen Besitze der österreichisch­ungarischen Truppen geblieben. In der Bukowina und im östlichen Galizien ist die Lage für die öster­reichisch ungarischen Truppen andauernd als gut zu bezeichnen.

Rußland macht ganz verzweifelte Anstreng­ungen, um seine großen Verluste in dem Kriege einigermaßen auszugleichen. Der Zar hat zu diesem Zwecke noch 15 Jahrgänge der russischen Reichswehr einberufen und nimmt man an, daß Rußland durch diese tiefeinschneidende Maßregel seine Heereskräfte erschöpfen werde. In Rußland ist auch in dieser Woche viel von einer Erkrankung des Oberbefehlshabers des russischen Heeres, des Großfürsten Nikolai Nikola- jewitsch, und einem Wechsel im Oberkommando der Russen die Rede gewesen. Zu einer Klärung in dieser kritischen Angelegenheit ist es aber noch nicht gekommen.

In England hat eine auffällige Kundgebung der Regierung im Unterhause gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht stattgefunden. Während früher der englische Kriegsmiuister Lord Kitchener wiederholt betont hat. daß England zur Aufstellung eines wirklich großen Heeres die allgemeine Wehr­pflicht brauche, hat jetzt der Minister Lloyd Georges im llnterhause erklärt, daß die Regierung gar nicht daran denke, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, da genug freiwillige Rekruten vorhanden wären. Es scheint, daß durch diese Erklärung der englischen Regie­rung das wegen der Frage der allgemeinen Wehrpflicht beunruhigte englische Volk beschwichtigt werden soll.

Aus Mangel an wirklichen Siegesnachrichten hat die Pariser Presse in letzter Woche versucht, in lügenhafter Weise dem Deutschen Reiche eine große Friedenssehnsucht anzudichten. Angeblich wolle Deutschland jetzt deshalb Frieden schließen, um die Tatsache auszunützen, daß die Deutschen im Feindes­lande stünden. Der wirkliche Sieg sei aber auf Seilen des Dreiverbandes und in geeigneter Stunde würde der Dreiverband die Deutschen zum Frieden zwingen. Was sagen aber nun die Herren Fran­zosen zu der Ausführung der großen Londoner Zeitungen, z. B. zu der Erklärung derLondoner Morgenpost", daß bis jetzt Deutschland der Sieger sei?

In Italien sind in letzter Woche auch wieder Kundgebungen für die Beteiligung Italiens an dem Weltkriege erfolgt und haben sich an denselben diesmal auch viele italienische Studenten beteiligt. Die ita­lienische Regierung hält aber nach wie vor an ihrer Neutralität fest.