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Neuenbürg, Freitag den 27. November M4.
72. Jahrgang.
Der Krieg.
Berlin. 24.Nov. (WTB. Nichtamtlich.) Durch den dem Reichstag nunmehr zugegangenen Gesetzentwurf betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtragsetats zum Reichshaushaltetat für das Rechnungsjahr 1914 wird der Reichskanzler ermächtigt, zur Bestreitung einmaliger außerordentlicher Ausgaben abermals die Summe von 5 Milliarden Mark im Wege des Kredits flüssig zu machen. Ferner wird der Reichskanzler ermächtigt, zur vorübergehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichshauptkasse über den im Etatgesetz angegebenen Betrag hinaus nach Bedarf Schatzanweisungen bis zur Höhe von 400 Millionen Mark auszugrben. In den Erläuterungen heißt es. daß von dem neu bewilligten Kredit ein Betrag bis zu 200 Millionen nach näherer Bestimmung des Bundesrates bereitgestellt wird zur Gewährung von Wochenbeihilfen während des Krieges sowie zur Unterstützung von Gemeinden oder Ge- meindeverbänden auf dem Gebiete der Kriegswohl- fahrtpflege, insbesondere der Erwerbslosenfürsorge und der die gesetzlichen Mindestsätze übersteigenden Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften.
Berlin, 27. Nov. (WTB.) Zur Lage im Osten schreibt der „Berliner Lokalanzeiger": Noch ist die Entscheinung im Osten nicht gefallen, aber trotzdem kann der Bericht über den großen Kampf südlich von Lodz als ein großer Sieg angesehen werden. Vor allem interessiert uns die Feststellung, daß nicht nur aus dem Osten, sondern auch aus dem Süden russische Verstärkungen eintreffen. Es ist somit anzunehmen, daß der früher gemeldete Erfolg bei Lowicz für die österreichisch-ungarische Armee die Lage in Galizien und in den Karpathen erleichtert. Von größter Bedeutung ist auch der enorme Verlust, den die Russen an Kriegsmaterial erlitten haben. Es ist bekannt, daß es den Russen schwer fällt, dieses zu ersetzen. Die Niederlage der Russen wird diese zwingen, ihre Streilkräfte möglichst zum Schutz Jwangorods und Warschaus zusammenzuziehen.
Berlin, 27. Nov. Das „Berliner Tageblatt" meldet aus Christiania: Der russische Generalstab gibt bekannt: Große deutsche Truppenmassen, die am 20. November in der Gegend von Strykow- Tuszyrn vorgebrochen waren und auf allen Seiten von unseren Truppen bedrückt werden, machen jetzt die größten Anstrengungen, um sich einen Weg nach Norden zu bahnen. In dem Kampf in der Gegend von Czenstochau-Krakau haben unsere Truppen augenscheinlich ein Uebergewicht erreicht.
Budapest, 25. Nov. (W-B.) Die Blättermeldung, daß die im Komitat Ung eingebrochenen Russen zurückgeworfen wurden, wird bestätigt. Auch im Komitat Zamphin wurden sie zum Rückzug gezwungen. Das Betriebspersonal der in jener Gegend geräumten Bahnstationen wurde zurückbeordert.
London, 26. Nov. (WTB.) Beach Thomas schreibt in der „Daily Mail" über die deutschen Truppen: Die Deutschen haben sich als sehr erfahrene Kämpfer erwiesen. Die erstaunliche individuelle Geschicklichkeit der Deutschen ist eine der Ueberraschungen der späteren Studien dieses Krieges. Die Einzelleistungen deutscher Soldaten sind hervorragend. Wenn die Maschine zu versagen beginnt, kommt der einzelne Mann zur Geltung. Dieser Sieg des Einzelnen über die Schwere der Maschine ist nicht gering anzuschlagen. — In demselben Artikel schreibt Thomas: Es gibt einen Punkt nördlich von Apern, wo die Laufgräben der Gegner nur 50 Aards von einander liegen. Dort ist die homerische Art, mit Worten zu fechten, eingerisfen. Unter den Franzosen ist einer, der gut deutsch kann und imstande ist, Beleidigungen hinüberzurufen, wie
sie in Berlin gewürdigt werden. Umgekehrt ist im deutschen Laufgraben ein Deutscher, der gut französisch kann. Jeden Morgen rufen sich beide Parteien an und fragen, ob der Gegner noch am Platze sei.
Amsterdam, 25. Nov. (Privattel.) Die Verluste Rußlands und Frankreichs belaufen sich nach schweizerischen Schätzungen bis zum 1. Nov. auf folgende Ziffern: Rußland: 327 000 Tote, 575000 Verwundete und 332 000 Gefangene. Frankreich: 130000 Tote, 370000 Verwundete und 167 000 Gefangene.
London, 26. Nov. (WTB.) Die Admiralität veröffentlichte gestern abend die Verlustliste der englischen Flotte seit Beginn des Krieges. Die Liste führt 220 Offiziers als tot, 37 als verwundet und 51 als vermißt oder interniert auf. ferner an Mann- schäften 4107 Tote, 436 Verwundete und 2492 Vermißte oder Internierte.
Bern, 26. Nov. Im Hinblick auf dis Neu- tralitätsverletzung schweizerischen Gebietes durch englische und französische Flieger hat der Bundesrat jetzt eine Verordnung erlassen, wonach jeder feindliche Flieger sofort und ohne besonderen höheren Befehl herunterzuschießen ist. Gleichzeitig ist gegen die in Frage kommenden Grenzschutzkommandos eine Untersuchung eingeleitet, um festzustellen, ob die fremden Flieger an der Grenze rechtzeitig gesichtet worden sind. Der deutschen Regierung ist eine Aufklärung seitens des Bundesrats bereits zugegangen.
Turin, 25. Nov. (WB.) Nach der „Gazetta del Popolo" beschießen die Deutschen seit dem 3. Nov. täglich 6 Stunden Bethune. Die Bevölkerung flüchtet.
Madrid. 26. Novbr. Das Blatt „Mundo" nennt die Niederlage, welche die Franzosen bei Kanifra erlitten, die schwerste Schlappe, welche die Franzosen im letzten Jahrzehnt in Marokko erlitten haben.
Rotterdam, 26. Nov. Nach Meldungen aus Kapstadt sind starke Abteilungen berittener Buren bei Hoopstadt aufgetaucht. Aus Kapstadt wurden Verstärkungen nach Bloem Fontain abgesandt. Wo sich Dewet zurzeit befindet, ist unbekannt.
Mailand, 25. Nov. (WTB.) Einer Meldung des „Corriere della Sera" aus Kairo zufolge, hat die Bevölkerung nicht die geringste Kenntnis von den Ereignissen an der Grenze Aegyptens und dem Krieg in Europa. Die Engländer üben die strengste Zensur über den Telephon-, Telegraphen- und Post- verkehr aus. Den ankommenden Reisenden werden sogar Zeitungsausschnitte aus der Brieftasche genommen. Die Ausrufung von Hussein Pascha Khemal zum Sultan von Aegypten nnd Kalifen der Araber, die auf den 19. Oktober festgesetzt war, ist noch nicht erfolgt.
Mailand, 26. Nov. Nach einer Meldung des Seehandelsamts wurden 15 deutsche und österreichische Schiffe zum Verlassen des internationalen Suezkanals genötigt. Sie wurden darauf von englischen Kriegsschiffen nach dem englischen Alexandrien gebracht.
Köln, 26. Nov. (GKG.) Die „Köln. Ztg." meldet von der holländischen Grenze: Eine geheimnisvolle und wohl auch andere Auslegung fähige Geschichte aus Indien spiegelt sich in folgendem Telegramm der „Times" aus Bombay vom 22. Nov. ab: Eine hier ausgegebene amtliche Mitteilung über Einzelheiten über die Ermordung des Majors Anderson vom 13. Baludschen Regiment. Er wurde von einem fanatischen Mahsut durch einen Bajonettstich in den Rücken getötet, während er die Landung von Truppen leitete. Der Mörder wurde ergriffen. Um die übrigen Mahsuts vor der Rache der Mannschaften aus anderen Stämmen und den Sepoys zu schützen (I), die über das Verbrechen erbittert waren, mußten sie in Sicherheit gebracht werden. Verbrechen
dieser Art sind leider allzu häufig in den Ein- geborenen-Regimentern, die Mahsuts unter ihren Mannschaften zählen.
Berlin. 26. Nov. Die „Franks. Zeitung" erfährt aus Tokio: Gegen das deutsche Geschwader, das kürzlich das englische vor Chile vernichtete, find seit dem 21. ds. Mts. in drei Geschwadern 22 Kriegsschiffe der Verbündeten vereinigt. 22 gegen 51
Konstantinopel, 26. Nov. (WBB. Nicht amtl.) Zwei Schecks der Senussi. die hier eingetroffen sind, erklärten Vertretern türkischer Blätter gegenüber, daß sie in allen türkischen Staaten, wohin sie gekommen seien, mit großen Ehrenbezeugungen empfangen worden seien. Der Große Scheck habe bereits vor der Proklamierung des heiligen Krieges, allen Schaujas in Marokko, Tunis und Aegypten befohlen, den heiligen Krieg gegen die Franzosen zu beginnen. Die Streitkräfle der Senussi, die gegen England marschieren sollten, beliefen sich schon auf einige hunderttausend Krieger. Der Krieg sei nicht gegen Italien gerichtet, sondern gegen die krieg- sührenden, dem Kalifen feindlichen Mächte. — Das „Berliner Tageblatt" meldet aus Konftantinopel: Der Bruder des Schecks der Senussi erklärte in einem Gespräch: Der Haß der Senussi richtet sich jetzt vor allem gegen Frankreich und England. Wir zählen, so sagte er, mehr als 100 000 Krieger. Jetzt ist die Stunde des Kampfes gekommen. Ueberall sind die Mohammedaner bereit, in dem Kampf gegen die Unterdrücker des Islam zu siegen oder zu sterben. Schon haben die Glaubensbrüder in Fez sich gegen die Franzosen erhoben und bald wird der heilige Krieg in allen von Frankreich und England unterdrückten Reichen auflodern.
Von der holländischen Grenze, 25. Nov Das Rrutersche Büro meldet aus New-Aork, daß die bis zum 7. November von den kriegführenden Mächten an die Vereinigten Staaten gegebenen Aufträge auf einen Wert von 1000 Millionen geschätzt werden. Ein Nrwyorker Geschäftsmann soll allein für die Lieferung einer Anzahl Güter über 60 Millionen zu fordern haben. Einzelne Fabriken werden erweitert, um den an sie gestellten Ansprüchen gerecht zu werden. Die Firma A. E. W. Bliß in Brooklyn, die Geschosse anfertigt, kann unmöglich alle ihr erteilten Aufträge aussühren und ähnlich verhält es sich mit der Firma Tindel-Morris in Pennsylvania, wo 2Vr Millionen Geschoßmäntel für französische Rechnung angefertigt werden. In Pittsburg ist eine Lieferung im Wert von 4 Millionen Mark für Werkzeuge zum Herstellen von Laufgräben erteilt worden. Die Auflieferung soll auf Island geschehen. Die weitere Bestimmung ist unbekannt. Die amerikanischen Schuhfabriken haben Aufträge für zwei Millionen Paar Schuhe. Die Fore-River Shipbuilding Coop. berichtet, daß sie einen Auftrag aus 20 Unterseeboote im Wert von rund 40 Mill. Mark erhalten haben. Es ist aber nicht bekannt, für wessen Rechnung diese Boote angefertigt werden.
In Wien hat eine sehr beachtenswerte Kriegstagung der Industriellen Oesterreichs ftatt- gefunden. In dieser Versammlung kam zum Ausdruck, daß die österreichische Industrie voll fester Zuversicht für den endgültigen Sieg der verbündeten Reiche Deutschland und Oesterreich Ungarn sei, und daß die österreichische Industrie den Krieg auch wirtschaftlich durchhalten werde, und daß sie auch unerschütterlich auf die Tapferkeit der österreichisch- ungarischen Armee vertraue. Die gesamte Industrie Oesterreichs, vertreten durch drei große zentrale Verbände, hat an den Kaiser Franz Jofef auch ein Huldigungstelegramm gesandt und ebenso ein Telegramm an den Kaiser Wilhelm, den in Treue bewährten Bundesgenossen des geliebten Kaisers Franz Josef. Das Telegramm an den Kaiser Wilhelm enthielt die besten Wünsche für Deutschlands Heere unter der Führung Kaiser Wilhelms. Auch sei er-