Ausgegeven: Neuenbürg, den 1V. September 1914, mittags 12 Uhr
Tklkgrmm des Wolff'sche« Kiiros an de« „E«Mler".
Paris, 6. Sept. (WTB. Nicht amtlich.) Aus Ostende wird vom 7. d. Mts. gemeldet: Die Deutschen gingen gestern nordwestlich von Brüssel zwischen Gent und Antwerpen vor. Alle Berbin- dnngen zwischen diesen beiden Städten sind unterbrochen. Bei Oordegem in der Nähe von Wetteren fand gestern ein Gefecht statt. Die Belgier mußten sich vor der feindlichen Uebermacht zurückziehen. Der Kommandant Comtack ist gefallen.
Berlin, 9. Sept. (WTB. Nicht amtlich.) Die „B. Z." meldet aus Wilhelmshafen: Der kleine Kreuzer „Karlsruhe" hatte, wie englische Blätter melden, in diesen Tagen ein kleines Scharmützel mit englischen Kreuzern zu bestehen.
Paris, 9. Sept. (WTB. Nicht amtlich.) Der französische Generalissimus hat einer amtlichen Meldung zufolge an die Truppen folgenden Tagesbefehl erlassen: Es ist jetzt nicht mehr der Augenblick, rückwärts zu schauen, sondern anzugreifen, den Feind rückwärts zu drängen und das gewonnene Terrain, koste es was es wolle, zu behaupten.
Wien, 9. Sept., 8.30 Uhr abends. (WTB. Amtlich.) Im Raume von Lemberg hat eine neue Schlacht begonnen.
Der Krieg.
Berlin, 9. Sept. (WTB.) Die „Nordd. Allg. Zeitung" veröffentlicht nachstehendes Telegramm, das der Kaiser an den Präsidenten Wilson gerichtet hat: Ich betrachte es als meine Pflicht, Herr Präsident, Sie als den hervorragendsten Vertreter der Grundsätze der Menschlichkeit zu benachrichtigen, daß nach der Einnahme der französischen Festung Longwy meine Truppen dort Tausende von Dum- Dum-Geschossen entdeckt haben, die durch eine besondere Regierungswerkstäite hergestellt waren. Ebensolche Geschosse wurden bei getöteten und ver- wundeten Soldaten und Gefangenen, auch britischer Truppen, gefunden. Sie wissen, welche schrecklichen Wunden und Leiden diese Kugeln verursachen und daß ihre Anwendung durch die anerkannten Grundsätze des internationalen Rechts streng verboten ist. Ich richte daher an Sie einen feierlichen Protest gegen diese Art der Kriegsführung, welche dank den Methoden unserer Gegner eine der barbarischsten geworden ist, die man in der Geschichte kennt. Nicht nur haben sie die grausamen Waffen angewendet, sondern die belgische Regierung hat die Einmischung der belgischen Zivilbevölkerung in den Kampf offen ermutigt und seit langem sorgfältig vorbereitet. Die selbst von Frauen und Geistlichen in diesem Guerillakrieg begangenen Grausamkeiten auch an verwundeten Soldaten, Aerztepersonal und Pflegerinnen (Aerzte wurden gelötet, Lazarette durch Gewehrfeuer angegriffen), waren derartig, daß meine Generäle endlich gezwungen waren, die schärfsten Mittel zu ergreifen, um die Schuldigen zu bestrafen und die blutdürstige Bevölkerung von der Fortsetzung ihrer schimpflichen Mord- und Schandtaten abzuschrecken. Einige Dörfer und selbst die alte Stadt Löwen mit Ausnahme des schönen Stadthauses mußten in Selbstverteidigung und zum Schutz meiner Truppen zerstört werden. Mein Herz blutet, wenn ich sehe, daß solche Maßregeln unvermeidlich geworden sind und wenn ich an die zahllosen unschuldigen Leute denke, die ihr Heim und Eigentum verloren infolge des barbarischen Betragens jener Verbrecher.
Wilhelm I. R
Großes Hauptquartier, 9. Sept. (WTB.) Immer wieder finden unsere Truppen auf der ganzen Front bei den gefangenen Franzosen nnd Engländern Dum-Dum-Geschosse in fabrikmäßiger Verpackung, so wie sie von der Heeresverwaltung geliefert sind. Diese bewußte grobe Verletzung der Genfer Kon
vention durch Kulturvölker kann nicht scharf genug verurteilt werden. Das Vorgehen Frankreichs und Englands wird Deutschland schließlich zwingen, die barbarische Kriegsführung seiner Gegner mit gleichen Mitteln zu erwidern.
Berlin, 9. Sept. (WTB.) Zu dem Protest des Kaisers gegen die barbarische Kriegführung sagt die „Germania": Was der Kaiser hier aus' spricht, kommt nicht nur ihm, sondern dem deutschen Volk aus tiefstem, ehrlichsten Herzen. — In der „Post" heißt cs: An dieser Erklärung des deutschen Kaisers kann kein Monarch, kein Staatsmann und kein noch so kleines Blatt unserer Gegner in allen fünf Weltteilen vorübergehen und den Deutschen zeigt diese Erklärung wieder, wie hier unserem Kaiser der gute Ruf unseres Heeres und unseres Volkes am Herzen liegt. — Die „Kreuzzeitung" erklärt, nur wünschen zu können, daß man den Ernst des kaiserlichen Protestes auch in England und Frankreich durchfühlen und berücksichtigen möge.
Oldenburg, 8. Sep. (WTB.) Prinz Eitel Friedrich von Preußen hat das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen erhalten, weil er besondere Tapferkeit erwiesen hat im Ansturm mit seinem Regiment gegen feindliche Artillerie.
Berlin, 8. Sept. (GKG.) Der Kaiser hat dem Sieger in der Schlacht bei den masurischen Seen, Generalobersten von Hindenburg, den Orden Pour le merite verliehen. Die Zahl der russischen Gefangenen, die nunmehr nach dem Westen befördert worden sind, betrug am 5. September 92 000.
Berlin, 9. Sept. (WTB.) Aus Vlissingen wird gemeldet, daß dir Beschießung von Ostende bevorstehe. 30 Züge mit Flüchtlingen hätten die Stadt verlassen. Am 7. September d. I. seien in Ostende englische Truppen gelandet.
Antwerpen, 9. Sept. (WTB. Nichtamtlich.) Wie gemeldet wird, soll das südlich von Antwerpen liegende Land in einer Ausdehnung von 70 Qued- ratmeilen überschwemmt werden, um die Deutschen im Anmarsch zu hindern. Die Wassertiefe wird zwischen einigen Zoll und mehreren Fuß schwanken.
Tokio, 9. Sept. (WTB. Nicht amtlich.) Japanische Flieger haben Bomben auf Tsingtau geworfen.
Berlin, 9. Sept. (WTB.) Nach der „Franks. Ztg." fanden die Deutschen die Festung Montmedy in Schmutz und Unrat eingehüllt, doch wurden noch größere Mengen guter Lebensmittel vorgefunden, von denen die Mannschaft mehrere Monate zu leben hat. Die Vorgefundenen Konserven seien außerordentlich sauber, sodaß ihre Verwendung für unsere Truppen nichts bedenkliches habe. Ferner wurden aber auch in der Festung ganze Pakete mit Dum- Dum-Geschossen aufgefunden, d>e sorgfältig verpackt waren und zur Austeilung an die Truppen bereit lagen.
London, 9. Sept. (WTB. Nicht amtlich.) Der Korrespondent des Daily Chronicle in Bordeaux bestätigt, daß Franktireurs Angriffe unternommen haben. Ein Flüchtling aus einem Ardennendorf bei Vougies habe ihm erzählt, daß junge Leute und Frauen bewaffnet wurden und eine Ulanenpatruille aus dem Hinterhalt niederschossen. Das Dorf sei daraufhin zerstört worden.
Mailand, 8. Sept. (WTB.) Der spanische Botschafter in Rom erklärte einem Mitarbeiter des „Corricre della Sera", daß die Regierung und die öffentliche Meinung Spaniens durchaus für absolute Neutralität seien und daß die Gerüchte über eine Intervention Spaniens völlig unbegründet sind.
Frankfurt a. M., 9. Sept. (WTB.) Ueber Stockholm, wird gemeldet: Viele Deutsche in Aegypten, die bisher auf freiem Fuß gelassen wurden, sind von den englischen Behörden verhaftet worden, aus Besorgnis, die Eingeborenen könnten durch sie von den deutschen Siegen erfahren.
Frankfurt a. M.. 10. Sept. (WTB.) Die „Franks. Zeitung" meldet aus Amsterdam: General Bowith ha! von der Stadt Gent die Lieferung von 10000 Liter Benzin, 1000 Liter Mineralwasser, 150 000 Kilogramm Hafer, Fahrrädern, Automobilreserveteilen und 100000 Zigarren gefordert, die Stadt aber mit weiterer Kriegsabgabe und dem
Durchzug von Truppen verschont. Bald nachdem der Bürgermeister von seiner Unterredung mit dem deutschen General zurückgekehrt war, feuerte ein auf einem Automobil befestigtes Maschinengewehr in Gent auf zwei deutsche Offiziere, von denen einer getötet und der andere verwundet wurde. Der Bürgermeister fuhr sofort wieder zu dem deutschen General, um etwaige üble Folgen dieses Mißverständnisses abzuwenden.
Mülhausen, 8. Sept. (WTB) Die französische Militärbehörde hat unserer Stadt ein unangenehmes Andenken hinterlassen. Zwar haben sich die Truppen hier keine Greueltaten und Grausamkeiten zuschulden kommen lassen, wie einige auswärtige Zeitungen zu melden für gut fanden. Im Gegenteil befleißigten sie sich eines guten Tons, um bei der Bevölkerung einen angenehmen Eindruck zu machen. Aber die Militärbehörde machte bei den verschiedenen Geschäftsleuten, sowie in den Warenhäusern große Einkäufe, die sie zu begleichen vergaß. So wurden Hemden, Unterhosen. Socken, Bettdecken, vor allem aber Schuhe erworben, die den Soldaten zur Verfügung gestellt wurden. Allgemein freute man sich, daß unsere Kauf- und Geschäftsleute in dieser schweren Zeit, in der Handel und Wandel fast ganz darnieserliegen, durch die Einkäufe ein gutes Geschäft machten, da nicht lange gehandelt und gemarktet wurde. Als es aber ans Bezahlen ging, erhielten die Verkäufer einfach Gutscheine ausgestellt, mit denen sie an die Stadtverwaltung verwiesen wurden. Unsere ohnehin schon arg mitgenommene Stadt wird somit wenigstens vorläufig für alle diese Verkäufe, die zwischen 50 000 bis 60000 . E be tragen, aufkommen müssen.
Ein Reiterstücklein des Prinzen Friedrich Karl von Preußen. Wie erst jetzt bekannt wird, ist es Friedrich Karl von Preußen, ein Sohn des Prinzen Friedrich Leopold, gewesen, der als erster deutscher Offizier mit einer Patrouille von drei Mann in das noch nicht eroberte Lüttich hineinsprengte. In der Linken die Pistole, in der Rechten den Säbel, so ritt die kleine Schar in die Festung und es gelang ihr auch, im gestreckten Galopp eine französische Osfizierspatrouille von 20 Mann gefangen zu nehmen und in das deutsche Lager als erste Siegesbeute heimzubringen. In einem Brief an seine Mutter hat der Prinz dieses erste Schlachtenerlebnis, das gleichzeitig seine Feuertaufe war, geschildert. Prinz Friedrich Karl war es auch, der bei den Wettkämpfen der Offiziere im Juni dieses Jahres verschiedene erste Preise errang.
LelM Nachrlchtra rr»
Den 10. September 1914, mittags.
Berlin. (GKG.) Die „Voss. Ztg." meldet aus dem Haag: Der „Neue Rotterdamsche Courant" berichtet über das Vordringen deutscher Reiter bis nach Troyes.
Stuttgart. (Amtl.) Der König hat den General der Infanterie v. Marchtaler unter Belastung in seiner Stellung als Kriegsminifter zum stellvertretenden kommandierenden General des (13.) württ. Armeekorps ernannt.
Berlin. (GKG.) Die „Voss. Zeitg." meldet aus dem Haag: Das Postbool ist heute morgen nicht aus Ostende ausgelaufen, angeblich weil deutsche Fischerboote am Feuerschiff Minen aus- gesetzt hätten.
Berlin. (GKG.) Nach einer Reutermeldung sind deutsche Aufklärungstruppen in der Nähe von Brügge gesehen worden.
Rotier dämm. (GKG.) Die japanische Botschaft in London erhielt die Nachricht, daß der japanische Torpedobootszerstörcr „Schiro Taye" infolge Nebels und Regens ans einen Felsen stieß und untcrging. Die Besatzung wurde gerettet.
London. (GKG.) Deutsche Truppen besetzten die Walfischbai. (Die Walfischbai ist in Deutsch-Südwest-Afrika, die Bucht von Swakopmund).
Druck und Verlag der C. Meeh'schen Buchdruckerei des Enztäkers. — Verantwortlicher Redakteur C. Meeh in Neuenbürg.