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Neuenbürg, Montag den 31. August 1914.
72. Jahrgang
Der Krieg.
Berlin, 28. August. (WTB.) Die großen Erfolgs, die unsere Truppen bisher errungen haben und die besonders im Westen ein rasches Verrücken zur Folge halten, machen in erhöhtem Maße eine Sicherung unserer rückwärtigen Verbindungen notwendig, um den Nachschub von Munition, Verpflegung, Ausrüstung. Kriegsmaterial und Ergänzungsmannschaften für die Feldtruppen «sicher zu stellen. Auch der Abzug von Verwundeten, «Kranken und Gefangenen in die Heimat stellt an unsere Bahnen hohe Anforderungen und macht die strenge Ueberwachung unserer Schienenwege und der Kunstbauten auch fernerhin zur unabweisbaren Notwendigkeit. Schon die Einberufung des Landsturmes zeigt, daß die Sicherheit der rückwärtigen Verbindung unseres Heeres eine Aufgabe von größter Wichtigkeit ist. Das gilt nicht nur von den Verkehrslinien in dem von uns besetzten Ausland, sondern auch von denen in Deutschland selbst. Auch die müssen nach wie vor unter schärfster Kontrolle bleiben. Es ist daher angebracht, an alle, die in Deutschland mit der Bewachung -unserer Eisenbahnlinien betraut sind, erneut die Mahnung zu richten, in ihrer Wachsamkeit nicht nachzulaffen. Auch ist es Pflicht der gesamten Bevölkerung, die zu diesem Zweck gestellten Wachen nach besten Kräften zu unterstützen. Nach wie vor hängt von dem ungestörten, durch keine feindlichen Anschläge unterbrochenen Verkehr auf unserer Eisenbahn unendlich viel ab.
Berlin. (WTB.) Ueber die Zerstörung der Stadt Löwen, die wegen Schießens der Einwohner auf deutsche Truppen erfolgte, meldet der Kriegsberichterstatter der „Voss. Ztg,": Zur gleichen Stunde überschüttete die Bevölkerung von Löwen, die bisher friedlich gewesen war, aus allen Fenstern, aus Kellern und von den Dächern herab die in den Straßen befindlichen ahnungslosen Wachen, Kolonnen, und durchmarschierenden Truppen mit Gewehr- und Pistolenfeuer. Es entwickelte sich dann ein fürchterliches Handgemenge, an dem sich die gesamte Bevölkerung beteiligte. Unseren Soldaten gelang es in kürzester Zeit, der rasenden Bevölkerung Herr zu werden. Leider ist auch bei diesem hinterlistigen Ueberfall viel deutsches Blut geflossen. Das Gebot der Selbsterhaltung verlangte, daß die schwere Schuld, die die Stadt Löwen auf sich geladen hatte, sofort und unnachsichtlich ihre Sühne fand und so dürfte die alte an Kunstschätzen reiche Stadt heute nicht mehr sein. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Ueberfall in Löwen behördlich organisiert war. Er sollte den Ausfall von Antwerpen unterstützen, denn beides ereignete sich genau zu der gleichen Zeit. Es ist anzunehmen, daß Belgien nunmehr zur Vernunft kommt und die letzte Lehre ihm die Lust zur Fortsetzung des Franktireurkrieges genommen hat. (Mit Genehmigung des Gouvernements. Wolffbüro.)
Den 29. August, nachmittags 5 Uhr.
Berlin. (W.T.B.) Im Laufe des gestrigen Vormittags sind bei teilweise unsichtbarem Wetter mehrere moderne englische kleine Kreuzer und 2 englische Zerstörer-Flottillen (etwa 40 Zerstörer) in der Bucht der Nordsee nordöstlich Helgolands aufgetreten. Es kam zu hartnäckigen Einzelgefechten zwischen ihnen und unfern leichten Seeftreitkräften. Die deutschen kleinen Kreuzer drängten heftig nach Westen nach und gerieten dabei infolge der beschränkten Sichtweite ins Gefecht mit mehreren starken Panzerkreuzern. S. M. Schiff „Ariadne" sank, von zwei Schlachtschiffen der Lionklasse aus kurze Entfernung mit schwerer Artillerie beschossen, nach ehrenvollem Der weitaus größte Teil der Besatzung,
voraussichtlich 250 Mann, konnte gerettet werden. Auch das Torpedoboot „V 187" ging, von einem kleinen Krerrzer und zehn Zerstörern aufs heftigste beschossen, bis zuletzt feuernd, in die Tiefe. Flottillenchef und Kommandant sind gefallen. Ein beträchtlicher Teil der Besatzung wurde gerettet. Die kleinen Kreuzer „Köln" und „Mainz" werden vermißt, sie sind nach einer heutigen Reuternreldung aus London gleichfalls im Kampfe mit überlegenen Gegnern gesunken. Ein Teil ihrer Besatzung (9 Offiziere, 81 Mann ?) scheint durch englische Schiffe gerettet worden zu sein. Nach der gleichen englischen Qi.elle haben die englischen Schiffe schwere Beschädigungen erlitten.
Auf die Siegesmeldungen vorn Freitag kam im Laufe des Samstag nachmittag noch die Meldung, daß in einem Seegefecht nördlich von Helgoland unserer Kriegsflotte 3 kleine Kreuzer und das Torpedoboot V 184 verloren gingen. Die Engländer hatten sich bei ihrem Angriff, der möglicherweise unserer Sessestung Helgoland galt, bei unsichtigem Wetter herangeschlichen. Sie kamen in bedeutender Stärke und mit großen Schlachtschiffen, denen sich unsere kleine» Aufklärungsschiffe trotzdem mutig ent- ! gegemvarfen. Daß sie dem Gegner hart zusetzten und ihm schwere Beschädigungen beibrachten, wird > von den Engländern selbst zugegeben. Mit Genug- l tuung hört man, daß ein beträchtlicher Teil der Besatzung gerettet ist. Die „Ariadne" ist keines unserer neuesten Schiffe. Sie ist 1900 in Dienst gestellt, ist 104 Meter lang und war mit 10 Geschützen armiert. „Mainz" und „Köln" sind neueren Typs. Sie hatten je 12 Geschütze und 2 Torpedo- lanzierrohre. Das Torpedoboot gehörte zu einer Flottille von 6 großen Booten mit 83 Mann Bemannung, die 1910/11 in Dienst gestellt wurden.
Berlin, 29. Aug. Zn dem Siege im Osten sagt die „B. Z.": Nun atmen wir erfreut, im tiefsten beglückt und dankbar auf. Auch Rußland hat die unwiderstehliche Kraft des deutschen Heeres gespürt, auch Rußland sieht seine Truppen geschlagen und verfolgt von den unseren. Wo ist ein Beispiel in der Geschichte für das Heldentum, das in diesem riesenhaften Ringen die deutsche Wehrmacht an den Tag legt. Wo ist das Volk, das einen so unheimlichen Krieg mit solcher Wucht zu führen im Stande ist. Freilich ist noch nicht die ganze russische Armee zermalmt. Von nun an haben wir die Gewißheit erlangt. Dieser Tag wird uns leuchten. — Zu dem Siege über die Engländer bei Saint Quentin sagt die „B. Z.": Die Niederlage ist vollständig. Die Engländer sind nunmehr gänzlich von ihrer rückwärtigen Verbindung abgeschnitten und können nur noch auf einen der Landungshäfen Dünkirchen, Calais, Havre, Cherbourg laufen. (WTB.)
Berlin, 29. Aug. Der Straßenkampf in Löwen artete, wie der Kriegsberichterstatter des Berliner Lokalanz. meldet, in eine fast 24stündige Schlacht aus, die bis Mittwoch abend anhiett. Eine der deutschen Benzinkolonnen wurde in Brand ge- schossen. Der Brand wütete an vielen Stellen und legte ganze Teile der Stadt in Asche. Unsere guten Landsturmleute und Trainsoldaten sind keine Mordbrenner; wenn sie die berühmte und alte Stadt so verwüsteten, so geschah es aus Notwendigkeit.
Berlin, 28. Aug. (WTB.) (Amtlich.) Während in ganz Deutschland das wärmste Interesse an dem heldenmütigen Kampf besteht, den die tapfere Marinebesatzung von Tsingtau gegen die japanisch- englische Uebermacht bis zum äußersten durchkämpfen wird, ist zugleich tiefe menschliche Teilnahme verbreitet an dem Schicksal der Frauen und Kinder, die sich in der Kolonie befanden. Es wird deshalb überall ein Gefühl der Beruhigung und Genugtuung
erwecken, daß nach zuverlässigen Nachrichten es gelungen ich, die Familien aus Tsingtau zu entfernen und nach neutralen chinesischen Gebieten zu bringen. Inzwischen dürsten sie bereits in Shanghai eingetroffen sein. Von der Marineverwaltung ist rechtzeitig alles veranlaßt worden, um diese Familien mit Geldmitteln und sonst in jeder Weise zu unterstützen.
Die offiziöse „Agenzi Stefani" in Rom erklärt nochmals, daß die italienische Regierung entschlossen sei, an ihrer verkündeten Neutralität im -europäischen Kriege festzuhalten und ver- sichert, die große Mehrheit der italienischen Nation billige durchaus diese Haltung. — In der italienischen Presse, welche bislang meistens zum Dreiverband binneigte, soll sich unter dem Eindrücke der deutschen Siege über die Franzosen eine Schwenkung der Stimmung zugunsten der beiden Zentralmächte be- merklich machen. Wie verlautet, erhob Italien gegen die militärischen Maßnahmen Englands in Aegypten Einspruch. Doch bedarf diese Nachricht wohl noch der Bestätigung.
Wiener Blätter bringen die interessante Nachricht, daß sich das französische Detachement des ausgelösten internationalen Besatzungskorps von Skutari nach Montenegro begeben habe. Es kann dort also im Verein mit dem montenegrinischen „Verbündeten" gegen die Oesterreicher kämpfen. — Gerüchtweise verlautet, in Cettinje, der Hauptstadt Montenegros, sei ein Aufruhr ausgebrochen. König Nikita habe vor ihm die Flucht nach Nisch in Serbien ergriffen. Indessen wird die Bestätigung dieses Sensationsgerüchtes wohl ebenso abzuwarten sein, wie jene der weiteren sensationellen Nachricht, daß König Peter von Serbien ermordet worden sei.
Die Deutschen in Süd west-Afrika haben, wie das „Reutersche Bureau" meldet, einen Einfall in die Kapkolonie gemacht. Ihre Stärke ist nicht bekannt, doch soll bereits ein Zusammenstoß der Deutschen mit Streitkräften der Kapkolonie stattge- funden haben. Die wackeren „Südwester" haben also gar nicht erst einen Angriff der Engländer aus der Kapkolonie abgewartet, sondern ihrerseits mutig die Offensive ergriffen.
Washington, 29. Aug. Präsident Wilson veröffentlicht eine Erklärung, in der die Neutralität der Vereinigten Staaten in dem Krieg zwischen Japan und Deutschland und zwischen Japan und Oesterreich Ungarn angekündigt wird.
Stockholm, 29. Aug. Aus Hüll wird absolut zuverlässig gemeldet, daß die in England fest- gehaltenen Deutschen unter 40 Jahren in Haft gesetzt worden sind. Einige deutsche Kriegsgefangene, die aus Frankreich herüber gebracht worden sind, werden in England öffentlich zur Schau gestellt.
Berlin, 29. August. Der „Deutsche Courier" erfährt aus bester Quelle, daß von den Algesiras» Mächten Spanien und Italien gegen die Festnahme und Entfernung des deutschen Gesandten in Tanger in Paris Protest erhoben haben.
Wien, 29. Aug. In Wilna (Rußland) veranstaltete das Militär einen furchtbaren Pogrom gegen die Juden wegen der österreichfreundlichen Haltung. Diese setzten sich aber mit Tapferkeit zur Wehr, errichteten Barrikaden und warfen Bomben. Das Militär erlitt infolgedessen so starke Verluste, daß es zur Einstellung des Pogroms gezwungen war.
Wien. 29. Äug. (WTB.) Das „Neue Wien. Journal" meldet aus Bukarest: Nach einer Meldung an die hiesige russische Botschaft bombardiert der russische Panzerkreuzer „Panteleimon" die Stadt Odessa, wo es den Revolutionären gelungen ist, die Herrschaft an sich zu reißen. Die die ganze Woche hindurch andauernden blutigen Straßenkämpfe, endeten mit dem vollständigen Sieg der Revolutionäre'. Die Entscheidung fübrten die Truppen selbst herbei, die sich nach der Niedermetzung der Offiziere der