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^ 125.

Neuenbürg, Freitag de« 7. August M4.

72. Jahrgang.

Die kröffmwg des dksttschri Reichstags

am 4. August 1S14.

Der Reichstags-Eröffnung am letzten Dienstag gingen Gottesdienste im Dom und in der katholischen Sankt Hedwigskirche voran. Kurz vor 12 Uhr be­gaben sich der Kaiser und die Kaiserin mit Gefolge zu Fuß nach dem Dom hinüber und nahmen am Gottesdienste teil.

Um 1 Uhr wurde im Weißen Saal des König­lichen Schlosses in Berlin der Reichstag eröffnet. Zahlreiche Abgeordnete hatten sich versammelt. Auf der Empore erschienen die Kaiserin, die Kron­prinzessin und die hier anwesenden Prinzessinnen. Unter den Vertretern des diplomatischen Korps be- merkte man den österreichisch-ungarischen Botschafter. Der Reichskanzler in Dragoneruniform, der bayerische Gesandte und die Staatssekretäre nahmen mit den Bevollmächtigten zum Bundesrat auf der linken Seite des Thrones Aufstellung, auf der rechten die Generalität und die Admiralität. Der Kaiser in Felduniform mit dem Bande des schwarzen Adler­ordens, geleitet von den drei Maischällen und gefolgt von den Prinzen Eitel Friedrich. August Wilhelm und Wolrad zu Schaumburg Lippe, erschien kurz nach Uhr. Nachdem der Abgeordnete Kämpf ein begeistert aufgenommenes Hoch ausgebracht hatte, verlas der Kaiser mit fester und lauter Stimme die Thronrede, die wiederholt von Bravorufen unter­brochen wurde, besonders an den Stellen, welckie die alte Kulturgemeinschaft mit Oesterreich, daS Urbrl- wollen gegen die Macht und das Gedeihen des Deutschen Reiches und das reine Gewissen und die reine Hand betonen. Zustimmung wurde laut bei der Erwähnung Serbiens und Frankreichs. Eisiges Schweigen begleitete die Erwähnung Rußlands. Nachdem der Kaiser den Zusatz zu der Thronrede beendet hatte, reichte er jedem der Parteivorstände, die hervorgelreten waren, kräftig die Hand. Der Reichskanzler erklärte den Reichstag für eröffnet. Graf Lerchenfeld brachte ein dreifaches Hurra aus. Die Anwesenden stimmten die Nationalhymne an, die der Kaiser entblößten Hauptes anhörte. Unter nicht endenwollenden Hochrufen verließ der Kaiser den Weißen Saal.

(Wir haben die Thronrede des Kaisers bereits in unserem Mittwochsblatt bekannt gegeben.)

Nach der feierlichen Eröffnung des Reichstags im Weißen Saal des Kgl. Schlosses fand die erste Sitzung im Reichstagsgebäude statt. Das Haus und sämtliche Tribünen sind außerordent­lich stark besucht. Am Bundesratstisch befinden sich Reichskanzler von Brthmann - Hollweg sowie sämtliche Staatsminister und Staatssekretäre. Der Präsident der vorigen Session Dr. Kämpf eröffnet« die Sitzung um 3.15 Uhr. Auf Antrag werden der bisherige Präsident und die Schriftführer einstimmig wiedergewählt. (Lebhafter Beifall.) Präsident Dr. Kämpf teilt mit, daß der Kaiser sich bereit er­klärt habe, das Präsidium heute abend zu empfangen und die Meldung von der Konstituierung des Hauses A^enzunehmen. (Bravo.) Er hoffe, dem Kaiser Mitteilung machen zu können, daß die eingegangenen Vorlagen Annahme gefunden haben. Der Präsident widmet sodann dem verstorbenen Groß­herzog von Mecklenburg-Strelitz und dem Herzog von Sachsen-Meiningen, sowie den verstorbenen Ab­geordneten einen kurzen Nachruf. Hierauf ergriff der Reichskanzler unter atemloser Stille des Hunies das Wort: Ein gewaltiges Schicksal bricht über Europa herein. Rußland hat den Brand an das Haus gelegt. Der Reichskanzler gab dann w großen Zügen ein Bild von der gewaltigen dra­matischen Entwicklung der letzten Tage, insbesondere wn vem Verhalten Rußlands und von den Grenzverletzungen seitens Frankreichs. Wir imo, sagt, der Kanzler, in der Notwehr und Not rennt kein Gebot. Unsere Truppen haben Luxem­

burg besetzt und vielleicht schon belgisches Gebiet betreten. Das widerspricht dem Völkerrecht. Aber ein französischer Einfall in unsere Flanke am Nieder­rhein hätte verhängnisvoll werden können. Wir werden aber das Unrecht wieder gut machen, wenn unser Zweck erreicht ist. Wir haben 4>er englischen Regierung die Erklärung abgegeben, daß, solange England sich neutral verhält, unsere Flotte die Nord- küste Frankreichs nicht angreifen wird und daß wir die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit Belgiens nicht antasten werden. Diese Erklärung wiederhole ich öffentlich vor aller Welt. Ich wieder­hole das Wort des Kaisers: Mit reinem Ge­wissen zieht Deutschland in den Kampf. Der Reichskanzler schloß: Jetzt ist die große Stunde der Prüfung für unser Volk gekommen, aber mit heiliger Zuversicht sehen wir ihr entgegen. Unsere Armee steht im Felde, unsere Flotte ist kampfbereit, aber hinter ihnen steht das ganze deutsche Volk. Die Rede des Reichskanzlers machte großen Eindruck. Hierauf gab Präsident Dr. Kämpf der Einmütigkeit der Vertretung des deutschen Volkes in dem Kampfe für die Ehre und die Wohlfahrt des Reichs Ausdruck. (Leb­hafter Beitall). Die nächste Sitzung zur Be­ratung der eingegangenen Vorlagen wurde alsdann auf 5 Uhr abends angesetzt.

Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre und die Bundesratsmikglieder erschienen. Haus und Tribüne sind wie in der ersten Sitzung stark besetzt. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 5.21 Uhr. zur Beratung der eingegangenen Kriegsvorlagen. Abg. Haase (Soz.) gibt namens seiner Fraktion die Er­klärung ab, seine Partei lehne die Verantwortung für das Wettrüsten ab, da sie bis in die letzte Stunde hinein für den Frieden gearbeitet habe, jetzt aber begleite seine Partei die ins Feld ziehenden Krieger ohne Unterschied der Partei mit ihrer Sympathie, (Bravo). Hier, wo es sich um die Kultur und Un­abhängigkeit des eigenen Landes handle, mache seine Partei das wahr, was sie immer betont habe, sie lasse in der Stunde der Not das Vaterland nicht im Stich und von diesem Gesichtspunkt aus bewil­lige seine Partei die Vorlage. (Bravo.) Damit ist die erste Lesung der Vorlagen erledigt. Die zweite Lesung erfolgte ohne Debatte. Hierauf werden die Vorlagen auch in dritter Lesung einstimmig ange­nommen. (Brausende Hurrarufe und andauerndes Händeklatschen ) Alsdann wird dis Vertagung des Reichstags bis 24. Nov., einstimmig beschlossen. Prä­sident Dr. Kämpf: Unsere Arbeit ist beendet. Wir haben mit der Schnelligkeit gearbeitet, die der Ernst der Stunde verlangte. Sämtliche Abgeordnete er­heben sich. Viele von unseren Herren Kollegen ziehen hinaus in den Kampf. Unter uns ist keiner, der nicht von einem oder mehreren Söhnen und sonstigen Familienmitgliedern hat Abschied nehmen müssen. Unsere innigsten Segenswünsche begleiten sie. Unser ganzes Heer und unsere ganze Marine. Wir sind des felsenfesten Vertrauens, daß die Schlachtfelder, die mit dem Blute unserer Helden getränkt werden, eine Saat Hervorbringen werden, die neue Frucht tragen wird, eine neue Blüte, neue Wohlfahrt und neue Macht des deutschen Vaterlandes. (Brausender Beifall.) Reichskanzler Dr. von Bethmann Holl- weg: Die Bedeutung ihrer Beschlüsse liegt indem Geiste, aus dem heraus sie gefaßt sind. Was uns auch beschieden sein möge, der 4. August 1914 wird bis in alle Ewigkeit hinein einer der größten Tage Deutschlands sein. (Stürmisches Bravo.) Seine Majestät der Kaiser und seine hohen Verbündeten haben mir den Auftrag gegeben, dem Reichstag für seine Beschlüsse zu danken. Der Reichskanzler ver­liest die Verordnung, durch die der Reichstag bis 24. November vertagt wird Präsident Dr. Kämpf: Das ganze deutsche Volk ist einig bis auf den letzten Mann zu siegen oder zu sterben für die deutsche Ehre und Einheit. Wir trennen uns mit dem Rufe:

Seine Majestät der deutsche Kaiser. Volk und Vater­land sie leben hoch, hoch, hoch. Haus und Tribüne stimmten begeistert ein. Sämtliche Abgeordnete hatten sich von ihren Plätzen erhoben. Schluß der Sitzung 5.50 Uhr.

RunSschau.

Berlin, 5. Aug. Nach der denkwürdigen Sitzung des Reichstags begab sich das Reichstags­präsidium in das Schloß, um dem Kaiser Mit­teilung von der einmütigen Annahme der Kriegs­vorlagen zu machen. Der Kaiser empfing die Herren mit besonderer Herzlichkeit und bat, allen Abgeordneten seinen Dank auszuiprechen.

Berlin, 5. Aug. Durch Verordnung vom heutigen Tage hat der Kaiser und König für den gegenwärtigen Feldzug den Orden des Eisernen Kreuzes erneuert.

Berlin, 4. Aug. Teile der Besatzung von Memel haben gestern einen Vorstoß feindlicher Grenzwachen aus der Richtung von Krottingen zurückgeschlagen.

Altona, 4. Aug. Der Magistrat erläßt einen Aufruf, in dem er mitteilt, daß Altona vom 5. Aug. an 1000 Helgoländer aufzunehmen habe. Die Be­völkerung wird aufgefordert, Quartiere anzumelden. Helgoland hat rund 2700 Einwohner.

Berlin, 5. Aug. Es wird uns mitgeteilt, daß das Oberkommando drei hiesigen Tageszeitungen aufgegeben hat, 1. Extrablätter nur insoweit zu verbreiten, als es sich um die Wiedergabe der durch das Wölfische Telegraphenbüro verbreiteten Nach­richten handelt, 2. innerhalb 24 Stunden nur eine Auflage herauszugsben.

Berlin, 5 Aug. Die Truppen, sowie die weiteren zuständigen Stellen sind erneut darauf hingewiesen worden, daß bei Anschlägen auf Eisenbahnanlagen und Kunstbauten, die auf frischer Tat Betroffenen auf der Stelle zu erschießen sind. Jede Person, die sich in verdächtiger Weise derartigen Anlagen nähert, setzt sich also der Gefahr aus. niedergeschossen zu werden.

Wien, 3. Aug In der Besprechung der Kriegs­erklärung des Deutschen Reichs an Rußland sagt die Neue Freie Presse" u. a., wunderbar sei die Ueber- einstimmung der Empfindungen des deutschen und des österreichisch-ungarischen Volkes. DasNeue Wiener Tagblatt" kann melden, daß Vorbereitungen für die russische Mobilisierung bereits am 29. Juli nachmittags erfolgten, zu einer Zeit, wo Sassonow noch gegenteilige Erklärungen abgab.

Wien. 5. Aug. Der italienische Botschafter, Herzog vonAvarna, stattete gestern dem Grasen Berchtold einen Besuch ab. Er hatte mit ihm eine längere Besprechung, in der. wie dasDeutsche Volksblatt" meldet, die Neutralität Italiens und andere mit der Kriegslage zusammenhängende Fragen erörtert wurden.

Wien, 3. Aug. Die Oesterreichische Kredit­anstalt hat 100000 Kronen für das Rote Kreuz und ebenso viel für die Familien der zu den Waffen Berufenen gespendet.

Bern, 5. Aug. Der Bundesrat ernannte zum Chef des Generalstabs der schweizerischen Armee den Oberst-Korpskommandanten Sprecher von Bernegg. bisher Chef der Generalftabsabteilung des schweizerischen Militärgouoernements.

Karlsruhe, 5. Aug. Der Ev. Oberkirchenrat hat im Hinblick auf die überaus ernste Lage infolge des Ausbruchs des Krieges auf Anregung des Groß­herzogs am Sonntag den 9. August einen Bettag angeordnet, der in allen Gotteshäusern zu halten ist.

Der Bezirkspräsident des Unterelsaß hat an­geordnet. daß in den Volks- und Mittelschulen der Unterricht so lange ausfällt, bis die Ernte eingebracht ist.

Köln, 5. Aug. Ein aus Paris geflüchteter