Zweites
Statt.
Der «nztäler.
Zweites
Statt.
^ 118.
Neuenbürg, Samstag den 25. Zuli 1914.
72. Jahrgang.
RunSschau.
In dem großen Textilgebiet der Niederlausitz, besonders in den bekannten Tuchfabriken von Fürst und Kottbus, wurden wegen eines Teilstreiks von etlichen Hundert Walkern in etwa 300 mehr oder weniger großen Betrieben rund 30 000 Arbeiter und Arbeiterinnen auf die Straße gesetzt. Im Solinger Industriegebiet, wo es schon lange unter den Messerschmieden und ähnlichen Berufszweigen Zährte, scheint das Schlimmste verhütet zu werden. Die Arbeitgeber scheinen den Kampf, den sie nur ungern und mit großen Opfern auf sich nahmen, nun auch bis zum bitteren Ende durchführen zu wollen, was natürlich im Interesse beider Parteien nur bedauert werden kann. Auch in Mannheim droht ein großer Streik. Dort sind es die Tabakarbeiter, die durch eine Stillegung der Betriebe seitens der Fabrikanten betroffen werden. Wer die schwere Lage der Tabakinduftrie kennt, insbesondere ihren harten Stand gegen die ausländische Konkurrenz des übermächtigen Trustwesens, der wird den Ernst der Lage begreifen.
Berlin, 22. Juli. Ein dreister Einbruch wurde gestern abend in die alte evangelische Kirche in Schöneberg versucht. Zwei junge Männer, deren Persönlichkeit noch nicht festgestellt ist, erbrachen die Tür und versuchten Küchengeräte zu rauben. Als sie überrascht wurden, leisteteten sie heftigen Widerstand und schlugen einen Polizisten nieder. Schließlich wurden sie überwältigt und auf die Polizeiwache gebracht.
Straßburg, 23. Juli. Mittwoch vormittag hatten 2 Damen, Studentinnen unserer Universität, und ein Herr eine Kahnfahrt auf der Jll unternommen, die sie nach Ruprechtsau führte. In der Nähe der Kläranlage verloren sie die Gewalt über das Boot, da die Schleusen geöffnet worden waren und das gestaute Wasser plötzlich mit großer Gewalt einherströmte. Das Boot wurde über das Wehr gespült, wobei es um kippte. Die Studierende der Medizin Thula Berg, Tochter des Ingenieurs Julius Berg und Vorsitzende des Vereins studierender Frauen, wurde von den herabstürzenden Wellen fort- geriffen und ertrank.
Mannheim, 21. Juli. Der 18jährige Bureaugehilfe Georg Wilhelm H., der bei einer Rheinauer Fabrik beschäftigt war, unterschlug dort den Betrag von 450 Mk. Dabei kam heraus, daß er in seiner letzten Stellung, bei einem Pforzheimer Geschäft, ebenfalls untreu gewesen war. Dort hatte er 650 Mk. ans die Seite gebracht. Die geschädigte Firma hatte
Unheimliche Deute.
Skizze von Max Zeumer.
—-- (Nachdruck verboten).
(Schluß.)
Da dem Verbrecher das Oeffnen der Tür keine Schwierigkeiten bereitete, sah sich dieser wenige Minuten später dem Gegenstand seiner Wünsche gegenüber. Das Köfferchen stand auf der Gepäckbank dicht am Eingang, und nach einem flüchtigen Umblick begann die Hotelratte ihre Arbeit. Das Schloß ließ sich, ganz gegen seine Erwartungen, nicht so leicht überwältigen, und als es ihm endlich gelang, und der nach seiner Meinung von Juwelen strotzende Inhalt sich seinen Blicken darbieten mußte, vernahm fein aus jedes kleine Geräusch achtende Ohr den Schall sich nähernder Schritte. Während seine ganze Aufmerksamkeit sich auf diese Tatsache konzentrierte, öffnete er rein mechanisch und ohne hinzublicken den Koffer.
Ein leises, zischendes Geräusch riß ihn aus seiner lauschenden Stellung und zwang sein Auge auf das Beutestück in seinen Händen. Was er sah, ließ ihn die zu seinem Beruf unerläßliche Kaltblütigkeit zum erstenmal verlieren.
Aus dem geöffneten Spalt des Gepäckstückes hob sich der buntgefleckte Leib einer Schlange, die unter drohendem Zischen den Oberleib wie zum Angriff Mückbog. Einen Schreckensruf ausstoßend, warf Morin seinen Oberkörper, um sich dem Biß des Reptils zu entziehen, mit einem Ruck zurück. Seine
jedoch, da der Vater den Schaden ersetzt hatte, keine Anzeige erstattet. Es wurde auf eine Gesamtstrafe von 5 Monaten erkannt.
In Perleberg starb der Leutnant Klemm infolge eines Mückenstiches, der eine Blutvergiftung nach sich gezogen chatte.
Wie leicht es immer noch in gewissen Gegenden den Schwindlern gemacht wird, zu ihrem Ziele zu gelangen, wenn sie nur über die nötigen frommen Sprüche verfügen, geht aus einer Gerichtsverhandlung hervor, die kürzlich vor der Strafkammer in Güstrow in Mecklenburg stattfand. Ein mehrfach wegen Betrugs vorbestrafter Zuchthäusler hatte vor einiger Zeit die mecklenburgischen Dörfer heimgesucht. Er erzählte Frauen, in deren Familie jemand erkrankt war, er sei früher Pastor gewesen, und der Schäfer Ast habe von ihm die Kunst des Gesund- betens erlernt. Er wolle auch ihren Kranken auf diesem Wege wieder ihr Leiden nehmen. Wenn er dann ein paar Gebete murmelte, so wagten die braven Bauersfrauen keinen Widerspruch; sie fügten sich auch, wenn der energische Beter, um seine Sprüche wirksam zu machen, verlangte, daß man ihm alles im Hause befindliche Silbergeld herausgebe. Dies geschah regelmäßig, bis die Polizei hinter das Treiben kam und den geriebenen Schwindler festnahm. Die Strafkammer in Güstrow verurteilte ihn zu 15 Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust.
Konstanz, 22.Juli. Der Wert des Blau- felchenfanges vom Juni ds. Js. überstieg den vom vorjährigen Juni um 12 000 Mk. Dadurch war es möglich, daß die Mindererträgnisse der fünf Vormonate gegenüber dem Jahre 1912 ausgeglichen wurden. Im ersten Halbjahr 1914 wurden nun insgesamt 148 800 KZ Fische im Werte von rund 121000 Mk. gefangen, während im gleichen Zeitraum des Jahres 1913 nur 105 500 KZ im Werte von 117 800 Mk. erbeutet wurden.
Bühl, 23. Juli. Die Obstzentrale Bühl teilt mit, daß nach einer bahnamtlich ermittelten Versandtstatistik in diesem Jahr ab Station Bühl 17 262 Zentner Erdbeeren versandt wurden in 245216 kleinen Spankörbchen und Gestellen. Die Versandtziffern beliefen sich im Vorjahr aus 5148 Zentner und im Jahre 1912 auf 4816 Zentner Erdbeeren. Der Ernleertrag hat sich demnach gegenüber den früheren Jahren mehr als verdreifacht.
Eine Ermäßigung der Kokspreise steht in Aussicht. Der Ausschuß des Rhein.-Wests. Kohlensyndikats für die Vorbereitung der Abschlußpreise wird in dieser Woche zusammentreten, um
Beratungen über die neuen Koks- und Kokskohlenpreise zu pflegen. Auch in den Kreisen des Syndikats verschließt man sich nicht mehr der Ansicht, daß die gedrückte Marktlage eine weitere Ermäßigung nach sich ziehen wird. Es scheinen indessen Meinungsverschiedenheiten wegen der Höhe der Herabsetzung vorhanden zu sein und zwar wird von einer Gruppe eine durchgreifende Ermäßigung um etwa 2 Mark per Tonne Koks vertreten, wogegen eine andere Gruppe, vornehmlich aus den Kreisen der reinen Zeichen, nicht höher als 1 Mk. per Tonne gehen will.
Die Preise des neuen Getreides. An der Mannheimer Produktenbörse wurde am Montag zum ersten Male neue norddeutsche Braugerste in schöner Beschaffenheit zu 180 Mark angeboten; der Preis wurde aber als zu hoch angesehen. Hessischer neuer Roggen wurde mit 172V-—175 Mark angeboten.
Das größte Schiff der deutschen Kriegsmarine wird der Panzerkreuzer „Derfflinger" sein, der in diesem Spätherbst in die Flotte eintritt und als erster das 30,5 em-Geschütz ebenfalls in reiner Mittschiffs-Aufstellung tragen wird. „Derfflinger" wird 210 w lang sein und eine größte Breite von 29 m haben. Der Konftruktionstiefgang ist 8.5 Meter. Unsere neuen Linienschiffe („König", „Großer Kurfürst" usw.) haben ein Deplacement von 25800 Tonnen, „Derfflinger" von 26 600 Tonnen. Der Besatzungsetat beträgt bei den neuesten, noch nicht in Dienst gestellten Linienschiffen 1130 Mann, bei „Derfflinger" 1125 Mann. Die Maschinen, die 63 000 indizierte Pferdekräfte entwickeln, sollen dem Schiff eine Geschwindigkeit von 26,5 Knoten geben.
Bregenz. 23. Juli. Baron Cotta v. Cottendorf von Stuttgart, der zurzeit in seinem Jagdgebiet Brand (Vorarlberger Oberland) weilt, erlegte dieser Tage einen ungewöhnlich großen Steinadler von 2.40 Meter Spannweite.
Pest, 24. Juli. Der Polizeibericht stellt fest, daß einem orkanartigen Sturm viele Menschenleben zum Opfer fielen. Die Zahl der Verwundeten ist sehr beträchtlich, aber noch nicht genau festgestellt. Vor dem Parlamentsgebüude riß die elektrische Leitung und tötete eine Frau. Durch Hauseinstürze und herabstürzende Dachtrümmer wurden mehrere Personen getötet und zahlreiche verletzt. Der Materialschaden ist sehr beträchtlich. Nach einer anderen Meldung wurde die Kuppel der Basilika niedergerisfen und auch am Parlamentsgebäude, in dem gerade eine Sitzung stattfand, großer Schaden angerichtet. Der Abgeordnete Rakovszky wurde zu Boden geschleudert. Auch in Fiume hat ein hef-
halbkniende Stellung war aber dieser Bewegung sehr wenig günstig, und durch die schnelle Verlegung seines ! Schwerpunktes jeden Halt verlierend, glitt er auf s dem glatten Fußboden aus. In demselben Moment, i in dem er mit dem Rücken den Boden berührte, s traf sein Fuß das Gepäckgestell, und der herabgeschleuderte Koffer mit samt seiner unheimlichen, reichlich ein und einen halben Meter langen Bewohnerin fiel ihm auf die Brust.
Ein Schrei, wie ihn nur die gräßlichste Todesangst einer menschlichen Brust abringt, gellte von den Lippen Morins, denn die durch den Fall aufs ! äußerste gereizte Schlange umschlang mit wenigen blitzschnellen Windungen seinen instinktiv vorgeworfenen - Arm, und während sie ihre Ringe im Nu fest zu- - sammenzoz, daß ihm jede Bewegungsfreiheit desselben j genommen wurde, schnellte der Kopf des ekelhaften Reptils zu wütendem Biß vor. Wohl gelang es! dem Verbrecher, mit der noch freien rechten Hand j den Hals der Schlange dicht hinter dem Kopf zu ) ergreifen und so den Angriff derselben abzuwehren, ^ aber der lahmende Schrecken, der seine Tatkraft, unterband, nahm ihm den Rest seiner Besinnung, ' und jeden Versuch der Selbstbefreiung aufgebend, j schrie er wie ein Rasender um Hilfe. Dieser mit j aller Kraft seiner Lungen unterstützte Appell an die j Hotelbewohner verhallte nicht ungehört.
Draußen auf dem langgestreckten Korridor klangen eilige Schritte, erregtes Stimmengewirr und heftiges Zuschlägen von Türen. Einige Sekunden, die dem in Todesangst schwebenden Morin zur Ewigkeit
wurden, verrannen, dann riß eine hilfsbereite Hand die Zimmertür auf, und im Rahmen derselben er» schien die Gestalt eines Hotelbediensteten. Aber nur für die Dauer eines Augenblicks, denn im nächsten schloß sich die Pforte mit Wucht, und eine gellende Stimme unterstützte mit enormem Kraftaufwand die Bemühungen der Hotelratte. Während Morin der Angstschweiß aus allen Poren brach, und er jeden Moment die Zähne des wütenden Reptils zu spüren vermeinte, nahm draußen die zu seiner Rettung organisierte Hilfsaktion ein rasches Ende. Durch den Lärm war auch der vermeintliche Juwelenhändler herbeigelockt worden, und kaum hatte dieser Kenntnis von den Wahrnehmungen des Zimmerkellners erhalten, als er, den wahren Sachverhalt erratend, an der Spitze der angesammelten Gäste und Angestellten in sein Zimmer drang.
Unterstützt von einigen beherzten Herren, gelang es dem Besitzer des Reptils nicht ohne Mühe, dieses von seinem Opfer zu befreien. Dann den völlig mürbe gemachten Verbrecher vom Boden emporziehend und der Obhut einiger Angestellten empfehlend, wandte er sich an die Anwesenden.
„Sie gestatten mir wohl, meine Herrschaften, Ihnen eine kleine Erklärung über das sich hier vor Ihren Augen abgespielte Vorkommnis zu geben. Ich bin der Vertreter der Firma Sanpez u. Co., Tierhandel en gros L on detail, und von meinem Hause beauftragt, unserer Kundin hier am Platze, Fräulein Gisela Spontini, der reizenden Schlangenkönigin des Zirkus Baros, für ein ihr eingegangenes Exemplar