Erscheint
Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.
^r«i» vierteljährl.: Neuenbürg ^ 1.35« Durch die Post bezogen:
Drts- und Nachbar, «rts-Verkehr ^ 1.36. sin sonstigen inlLnd. Verkehr 1.40; hiezu s, 20 ^ Bestellgeld.
Abonnements nehmen alle Ksstanstalten and Postboten jederzeit entgegen.
Der «nzläler.
klnzsigsf für Sas Enztal uns Umgebung. Amtsblatt kür San Oberamtsbezirk Neuenbürg.
AuzelgeuPreis:
die 5 gespaltene Zeile oder deren Raum 12 -f, bei Auskunftserteilung durch die Exped. 15 Reklamen die 3gesp. Zeile 25
Bei öfterer Insertion entsprech. Rabatt.
Fernsprecher Nr. 4°
98.
Neuenbürg, Mittwoch den 17. Zuni 1914.
72. Jahrgang.
Run-ichau.
Der Kaiser ist am Sonntag vormittag oon seinem jüngsten Besuche beim Erzherzog Franz Ferdinand in Konopischt wieder im Neuen Palais in Potsdam eingetroffen. Ueber die Unterredungen politisch-maritimer Natur, welche Kaiser Wilhelm in Konopischt mit dem österreichischen Thronfolger im Beisein des Staatssekretärs des Reichs- manneamtes, Admiral v. Tirpitz, gepflogen haben soll, verlautet einstweilen noch nichts Authentisches. Bemerkenswert erscheint cs jedoch immerhin, daß für Sonntag vormittag der österreichisch-ungarische Minister deS Auswärtigen, Graf Berchtold, als Gast des Erzherzogs Franz Ferdinand in Konopischt eingrladen war. In Wiener politischen Krei'en mißt man diesem Besuche des Grafen Berchtold beim Erzherzog Franz Ferdinand große Bedeutung zu, hauptsächlich, weil er dem vorangegangenen Besuche des Deutschen Kaisers so unmittelbar nachgefolgt ist.
Berlin, 15. Juni. Auf Grund derMiniüerial- ersatzverteilung für 1914 hat vom Herbst ds. Js. ab die Einstellung aller imReichsland auszuhebenden Rekruten in Truppenteile außer- halbvonElsaß-Lothringenzu erfolgen. Diese Verteilung bestand bereits vor 1903 und wurde in diesem Jahre durch die Ministerialersatzvecteilunz von 1903 versuchsweise aufgehoben.
Kiel, 15. Juni. Die Sommerreise der Hochseeflotte dauert vom 15. Juli bis zum 31. August. Sie führt nach der norwegischen Küste. Der neueste Turbinenkreuzer der deutschen Flotte „Karlsruhe" har gestern von Kiel aus die Ausreise nach Mittelamerika angetreten, um den weiteren Schutzdienst in den mexikanischen Gewässern zu übernehmen.
Rasch und glatt ist in Frankreich nach dem Sturze des Eintagsmmisteriums Ribot die Bildung nunmehrigen Kabinetts Viviani erfolgt. In Pariser politischen Kreisen glaubt man, daß das Kabinett eine ansehnliche Mehrheit in der Deputiertsnkamrner erlangen und voraussichtlich längere Zeit im Amte bleiben werde, da die Frage des Dreijahrsgesetzes zu „ziemlich allgemeiner Zufriedenheit" gelöst sei. — Ob das letztere tatsächlich der Fall ist, dies bleibt allerdings noch abzuwarten. Zunächst gedenkt das Kabinett Viviani einer definitiven Entscheidung in Sachen der Heeresfrage aus dem Wege zu gehen. Dies erhellt hinlänglich aus nachfolgender offiziöser Pariser Mitteilung über die Stellung des neuen Kabinetts zu dieser Frage: Die Regierung wird binnen kurzem Gesetzentwürfe einbringen über die militärischen Vorbereitungen der Jugend und über die Reorganisation der Reserven. Die Gesetzentwürfe find bestimmt, die Defenfivkraft der Nation zu erhöhen, die stets nur daran gedacht hat, Ehre, Freiheit und Heimat zu schützen. Erst wenn diese Entwürfe, die allen Ergebnissen der Erfahrung und den Anforderungen der nationalen Verteidigung Rechnung tragen, angenommen und in Kraft gesetzt sein werden, wird die Regierung eine Erleichterung der militärischen Lasten Vorschlägen können.
Paris, 16. Juni. Der Andrang des Publikums ist heute geringer als letzten Freitag, dennoch sind die Tribünen sehr voll, und auch der Sitzungssaal ist gut besetzt, als um 2'/- Uhr Präsident Deschanel die Sitzung eröffnet. Ministerpräsident Viviani schreitet sofort zur Verlesung des Regierungsprogramms. Er erklärt, daß die Regierung auf eine republikanische Mehrheit rechne, berührt mit einigen Worten das russische Bündnis, wobei er durch Protestrufe von sozialistischer Seite unterbrochen wird, und kommt dann zum Dreijahrgesetz. Er weist unter dem Beifall der bürgerlichen Parteien auf die Notwendigkeit der nationalen Verteidigung hin und besteht auf der Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit, und derselbe Viviani, der seiner Zeit persönlich bei der Abstimmung über das Gesetz da
gegen gestimmt hat, glaubt noch hinzufügen zu müssen, daß das Dreijahrgesetz nicht einmal genügend sei für eine gute nationale Verteidigung Er geht dann zur Wahlreform über, die er als notwendig bezeichnet. Auf der Tagesordnung stehen zwei Interpellationen. die von Thierry und die von Jauros, beide über die Gesamtpolitik des Ministeriums. Abg. Thierry ergreift als erster das Wort und greift die Regierung wegen ihrer Stellung zum Dreijahrdienst an. 306 Deputierte hätten vom Volk den Auftrag erhalten, für die Rückkehr zur zweijährigen Dienstzeit zu wirken. Er könne die Haltung der Regie:ung also nicht verstehen und fordere darüber eine strikte Erklärung. Auch Jaurss erachtet die Wahlreform für notwendig, aber wichtiger als sie sei die finanzielle Lage. Was hier besonders schwer wiege, sei der Fehlbetrag im Budget. Ribvt habe ihn auf 600 Millionen Franken geschätzt, nach seiner Ansicht übersteige er eine Milliarde. Als er die Formel über den Dreijahrdienst gelesen habe, habe er sich gefragt, wie es Viviani überhaupt wagen könne, von einer Regierung mit der Linken zu sprechen. Die nationale Verteidigung müsse sachgemäß organisiert sein, aber der Dreijahrdienst habe alles schlecht gemacht; der Gesundheitszustand, die Verpflegung, alles lasse seitdem in der Armee zu wünschen übrig. — Auf seinen Antrag wird die Rückkehr zur zweijährigen Dienstzeit, für die man in Pau einstimmig emgeirelen ist. auf die Tagesordnung gesetzt. Viviani ergreift das Wort noch einmal, aber der Tumult ist so groß, daß man ihn kaum verstehen kann. Die dreijährige Dienstzeit sei die richtige Antwort Frankreichs auf dir Herausforderung Deutschlands gewesen, sie müsse daher unverletzlich sein. Er wolle keine falschen Vorstellungen erwecken und erkläre deshalb ausdrücklich, daß, wenn er 1915 noch Ministerpräsident sei, er die Jahresklasse, die in das dritte Jahr trete, nicht entlassen werde. Der Präsident verliest nun die vorliegenden zwei Tagesordnungen: Ein Vertrauensvotum Breton, das besagt: Die Kammer, im Vertrauen auf die Regierung, daß sie eine Politik der Reformen durch Vereinigung der Linken betriebe und sich ausschließlich aus die Linke als Mehrheit stütze, geht zur Tagesordnung über. Die zweite ist ein Mißtrauensvotum von Jaurös, das die Rückkehr zur zweijährigen Dienstzeit verlangt. Viviani betritt noch einmal die Tribüne und betont in kurzen Worten, er habe seine Erklärung so bestimmt abgegeben, daß nicht daran zu deuten sei. Die Regierung könne nur die Tagesordnung Breton mit dem Vertrauensvotum annehmen und stelle die Vertrauensfrage. Darauf wird die Tagesordnung Breton selbst mit 370 gegen 137 Stimmen angenommen und so der Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Ungeheurer Beifall herrscht im Saal, alles ruft Vivo In b'ruliLe.
In den Petersburger Regierungskreisen hat der Sturz des Kabinetts Ribot in Frankreich durch die der Allfrechterhaltung des Dreijahrsgesetzes abgeneigte radikal-sozialistische Mehrheit der Deputiertenkammer großes Mißvergnügen hervorgerufen, weil man nun das Dreijahrsgesetz ernstlich gefährdet glaubt und hiermit die Bündnisfähigkeit Frankreichs für Rußland in Frage gestellt sieht. Die Petersburger „Birshewija Wjedomofti", welches Blatt der russischen Regierung nahesteht, gibt denn auch den genannten Befürchtungen in einem an die Adresse Frankreichs gerichteten Artikel offen Ausdruck, in welchem auf die enorme Heeresvermehrung Rußlands hingewiesen und betont wird, Frankreich könne nur dann für Rußland bündnissähig bleiben, wenn es auch seinerseits vermehrte militärische Anstrengungen mache und vor allem das Dreijahrsgesetz bedingungslos aufrecht erhalte. Man darf einigermaßen gespannt sein, welches Echo diese russischen Befürchtungen in dem verbündeten Frankreich finden werden.
Die kriegerische Spannung zwischen der Türkei und Griechenland bleibt einstweilen be-
uryen. «uieuwe »eriepsmimflerium yai 0 le
Rekruten der Jahrgänge 1887—1893 unter die Fahnen berufen.
Ein Angriff auf Durazzo in Albanien.
Rom. 15. Juri. Der italienische Gesandte in Durazzo telegraphierte heute vormittag um 8 Uhr 30 Min., daß die Aufständischen um 4 Uhr morgens die Stadt an drei Stellen angegriffen haben. Grgen 6 Uhr morgens ist Oberst Thomson gefallen. Die italienischen Matiosen werden nur die Gesandtschaften und den Konak des Fürsten verteidigen.
Berlin, 16. Juni. Ueber die Lage in Durazzo wird dem „Berl. Tagebl" gemeldet: Die Zahl der angreifenden Aufständischen wird auf 6000 bis 8000 geschätzt. Der Fürst kann zur Verteidigung seiner Hauptstadt und seines Thrones kaum mehr als 1100—1200 Mann zusammengebracht haben, darunter sind etwa 800 Malissoren und Miriditen, Kämpfer von begrenzter Zuverlässigkeit ! und etwa 250 Gendarmen, sowie Freiwillige aller Art und verschiedener Nationalität. Da der Kommandant von Durazzo, der tapfere holländische Oberst Thomson, gefallen ist, so fehlt jetzt ein j Verteidiger, ein leitender Mann. Die Befestigungen j vor der Stadt sind während der letzten Wochen § durch Schanzarbeiten verstärkt worden, was immer- ^ hin dazu beiträgt, die Angreifer aufzuhalten. Der ' Sturm begann gestern früh um 4 Uhr und dauerte i bis gegen 4 Uhr nachmittags. Dann scheint eine ,i Pause eingeireten zu sein. Aber man befürchtete i einen Nachtangriff. — Der neuernanme diplomatische ? Vertreter Deutschlands, der Gesanote v. Lucius, f ist in dem Augenblick eingetroffen, als die Auf- ! ständischen zum Angriff vorgingen.
^ Wien, 16. Juni. Ueber die Schutzmaßregeln , in Durazzo wird gemeldet, daß die österreichisch- ? ungarischen Marinesoldaten die Südseite des ! fürstlichen Palais bewachen. Die österreichisch- ! ungarischen und italienischen Torpedoboote sind ziem- l lich nahe an die Stadt herangefahren, um im Not- s falle Durazzo unter Feuer nehmen zu können.
l Württemberg.
i Stuttgart, 15. Juni. Der König wird sich morgen bei der Beisetzung des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz in Strelitz durch den Herzog Robert von Württemberg vertreten lassen.
Reutlingen, 15. Juni. Der 22. Württ. Kriegerbundestag fand gestern unter überaus zahlreicher Beteiligung hier statt. An den Verhandlungen des Bundestags in der Bundeshalle nahmen Vertreter des preußischen Landeskriegerverbandes, des Deutschen Kriegerbundes und der Landeskrieger- verbände teil. Der Präsident des Bundes. General Frhr. v. Hügel, konnte ein erfreuliches Wachstum des Bundes seststellen. Oberbürgermeister Hepp begrüßte die Tagung im Namen der Stadt. Der Präsident des Kyffhäuserbundes, General z. D. v. Ploetz, brachte ein Hurra auf den Bund aus. Hierauf wurden die vom König verliehenen Auszeichnungen bekannt gegeben. Das Ritterkreuz 1. Kl. des Friedrichsordens erhielten Direktor Karl Dizler- Stuttgart, Landtagsabgeordneter Groß-Reutlingen, Komme»zienrat Ritter und Major Schuster-Ludwigsburg. Zu Ehrenmitgliedern des Bundes wurden ernannt Generaloberst v. Lindequi ft, der Kabinettschef der Königin Frhr. v. Soden, General v. Bil- finger und Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein. Die Errichtung einer Bundessterbekasse wurde nach einem Referat von Direktor Dr. Raiser beschlossen, ebenso eine Erhöhung der Jahresbeiträge der Vereinsmitglieder von 35 auf 45 Die Bundes- tagung 1916 wird in Stuttgart stattfinden. Nach den Verhandlungen erschien der König und wurde von Oberbürgermeister Hepp empfangen. Auf der