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Neuenbürg, Samstag den 6 Juni 1914.

72. Aabraana.

Run-schau.

In der inneren deutschen Politik herrscht noch pfingstliche Ruhe, woraus sich wohl bald die herkömmliche sommerliche Stille entwickeln wird; es gibt ja nur noch kurze pfingstliche Nachsessionen im preußischen Landtage und wohl noch in diesem oder jenem anderen einzelstaatlichen Parlamente. Im Reichsmarineamt ist der Posten eines Unterstaats­sekretärs errichtet worden; mit der einstweiligen Verwaltung desselben ist der Admiral von Capelle vom Kaiser beauftragt worden. Ferner wurde zum Chef der neugebildeten Luftschifferabteilung im preußischen Kriegsministerium der bisherige Chef der Verkehrsabteilung, Oberstleutnant Oschmann, ernannt.

Ein Dankschreiben des Prinzen Heinrich an dieDeutschen Marokkos ist dem kaiserlichen Gesandten in Tanger Frhrn. v. Seckendorfs zur Uebermittlung an die deutsche Kolonie für die Be­teiligung der Deutschen Marokkos an der National­flugspende zugegangen. Das Schreiben drückt u. a. die Hoffnung aus, daß das Ansehen, das Deutsch­land durch diesen Beweis großzügiger Gesinnung und durch die aus der Spende hervorgehrnden Fort­schritte des deutschen Flugwesens errungen hat, auch für das Deutschtum im Auslande seine wohltätigen Früchte tragen wird.

Den deutschen Botschafter in London, Fürsten Lichnowsky, hat die Universitär Oxford zum Ehrendoktor der Rechte ernannt. Diese Ernenn­ung darf unter den obwaltenden Umständen als ein neuer Beweis für die gegenwärtig zwischen Deutsch­land und England bestehenden freundschaftlichen Beziehungen gelten.

In Frankreich gibt es infolge des Rücktrittes des Ministeriums Doumergue wieder einmal eine allgemeine Kabinettskrisis. Ihre Lösung ist keineswegs so einfach, sie erscheint namentlich deshalb schwierig, weil die radikal-sozialistische Mehrheit der neuen Deputiertenkammer als Gegner des bestehenden Heeresgesetzes über die dreijährige Dienstzeit auftritt, für dessen Beibehaltung aber eine wachsende Strömung durch das Land geht. Der Präsident der Republik. Poincarö, konferierte bereits mit einer ganzen Anzahl bekannter politischer Persönlichkeiten wegen der Kabinettsbildung; unter ihnen befand sich auch der bisherige Unterrichtsminister Viviani, welcher vom Präsidenten am Mittwoch abend auf­gefordert wurde, die genannte Aufgabe zu über­nehmen. Viviani behielt sich eine entscheidende Ant­wort zunächst noch vor. Inzwischen scheint die bürgerliche radikale Linke der Deputiertenkammer doch eine Schwenkung zugunsten der Aufrechterhalt­ung des Dreijahrsgesetzes vollziehen zu wollen. Wenigstens hielt der Vorsitzende dieser Gruppe, der ehemalige Minister des Auswärtigen und spätere Marineminister Delcassö. in einer am Mittwoch statt- gefundenen Sitzung des Ausschusses der radikalen Linken, welcher ein neues Programm dieser Ver­einigung ausarbeiten soll, eine eindrucksvolle An­sprache zur Aufrechterhaltung des Dreijahrsgesetzes.

Mit dem Wechselbalg Albanien ist es nun glücklich soweit gekommen, daß sich das unglückselige Ländchen in zwei Lager zu spalten beginnt. Sprechen doch einzelne Meldungen bereits von einer Partei des Fürsten und einer mohammedanischen Partei oder auch einer solchen Effad Paschas. Hat aber die Verwirrung bereits dahin geführt, so haben wir nichts anderes als einen albanischen Bürgerkrieg, der. zum Religionskrieg ausgeartet, noch bittere Episoden zeitigen dürfte. Und wenn es soweit kommt, mag man sich nicht nur bei der ganzen ungeschickten Politik der Mächte bedanken, die auf den unglück­seligen Gedanken verfallen sind, den Prinzen Wilhelm von Wied auf den wackelnden Fürstenthron zu setzen, ohne ihm in einer richtigen militärischen Macht den nötigen Halt zu geben, sondern man muß, nachdem

der erste Fehler einmal gemacht war, vor allem be­dauern, daß dieselben Mächte sich nicht dazu auf­schwingen konnten, in der Stunde der Gefahr, die ein Blinder heraufkommen sah. sich wenigstens zu einer einheitlichen Aktion aufzuschwingen und durch ein internationales Truppenkontingent in genügender Stärke für Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen, bis durch sachgemäße Unterhandlungen mit den in Betracht kommenden Fakloren die nötigsten Grundlagen für das Staatengebilde geschaffen waren. Aber nein, die leidige Eifersucht, die sich sogar auf dieVerbündeten" «'streckt Italien und Oester­reich sehen sich trotz schöner Worte immer scheel an hat auch hier wieder die Oberhand behalten.

Paris. 5. Juni. Hiesigen Blättermeldungen zufolge ist die Situation in Albanien vollkommen verzweifelt. Der Palast des Prinzen wird Tag und Nacht von Artillerie bewacht. Auf den Dächern der Konsulate sind Marinesoldaten postier», die durch Lichtsignale mit dem Geschwader in Verbindung stehen. Zwei Motorboote liegen Tag und Nacht bereit, um die fürstliche Familie an Bord des Ge­schwaders zu bringen. DerDaily Telegraph" meldet aus Durazzo, daß der Fürst und die Fürstin das Leben von Gefangenen führen. Gestern fuhren sie an Bord des österreichischen FlaggschiffesTegrtt- hof", wo sie das Frühstück einnahmen. Um 5 Uhr kehrten sie nach dem Palast zurück.

Durazzo, 3. Juni. Die internationale Kon­trollkommission hat von den Aufständischen einen Brief erhalte»;, in dem die?« ihrer Verwunderung über die Ankunft von Malissoren in Durazzo Aus­druck geben. Die Kommission beriet über die Lage und stellte fest, daß die Landung der Malisforen ihr die Erledigung ihrer Aufgabe erschwere. Der Präsident der Kommission halte über diese Frage eine Be­sprechung mit dem Fürsten. Wie dieAgenzia Stefans" berichtet, ist die internationale Kontroll­kommission gestern nach Schiak gefahren, um direkt mit den Aufständischen zu unterhandeln. Diese be­stätigten ihre jüngst geäußerten Wünsche, nämlich, daß sie von einem mohammedanischen Fürsten oder von der Türkei regiert zu sein wünschten. Die Besprechung dauerte drei Stunden. Nachdem die Kommission dem Fürsten über das Ergebnis ihrer Mission Bericht erstattet hatte, erklärte sie ihren Auftrag für erledigt. Der Fürst behielt sich vor, seine Entscheidung zu treffen.

Rom, 5. Juni. England und Deutschland haben beschlossen, je ein Kriegsschiff nach Durazzo zu entsenden. Frankreich und Rußland wollen dasselbe tun. Jedes der Schiffe wird 250 Mann Landungs­truppen an Bord haben. Das englische Schiff wird bereits heute in Durazzo eintreffen.

Die feindliche Stimmung, die in Bulgarien gegen Griechenland herrscht und durch die Ver­folgungen des bulgarischen Elements in Mazedonien fortwährend neue Nahrung erhält, hat in den letzten Tagen zu Kundgebungen und Ausschreitungen geführt. In Sofia hißten die Griechen am Ge- burtstag König Konstantins auf der griechischen Kirche ihre Nationalfahne. Die Volksmenge wurde dadurch in große Erregung versetzt und ging dazu über, die Fahne gewaltsam herunterzuholen. In Varna war es ähnlich. Die bulgarische Regierung hat den Geschäftsträger in Athen beauftrag», der griechischen Regierung das Bedauern über die Vorfälle aus- zudrücken.

Den Amerikanern ist für ihr sehr wenig gentlemanlikes Verhallen in der mexikanischen Frage bereits der Lohn geworden. Nachdem es endlich soweit gekommen, daß man mit dem wider­spenstigen Huerta unterhandeln konnte, um die amerikanisch-mexikanischen Streitfragen zu lösen, mischen sich nun glücklich die von den Amerikanern verhätschelten, von ihnen eine Zeitlang auch tatkräftig unterstützten Rebellen.Konftitulionalisten" sagen die Amerikaner, ein und verlangen, auch mit von der

Partie zu sein. Das heißt, sie sagen den Ameri­kanern: halt wir sind die Sieger, und wenn ihr über Fragen, die Mexiko berühren, verhandeln wollt, so wollen wir auch dabei sein, sonst kümmern wir uns nicht um eure Abmachungen. Und damit ist der so zuversichtlich angekündigteFriede von Niagara­falls" wieder in die Ferne gerückt, es sei denn, daß Präsident Huerta den Amerikanern endlich den Ge­fallen tut und den schon so oft prophezeiten fran­zösischen Abschied nimmt.

Württemberg.

Bebenhausen, 5. Juni. Das Königspaar ist zu n ehrwöchigem Aufenthalt im Jagdschloß Bebenhausen hier eingetroffen. Es wurde vom Oberjägermeister Frhrn. v. Gaisberg, von Pfarrer Furch in Lustnau, Oberförster Walchner, Schult­heiß Brändle und dem Forstpersonal begrüß».

Der Pfingstwoche scheint es endlich beschieden gewesen zu sein, den Auftakt zu der gewiß von vielen erwünschten politischen Sommerstille zu geben, we­nigstens hat sich diese Woche fast allenthalben mit einer gleichmäßigen wohltuenden Ruhe angelassen, wenn man den üblichen Weltradau in Albanien und Mexiko außer Betracht läßt. Nur ein kleines Er­eignis hat auch in unserem Württemberger Lande hereingespielt, ohne freilich sonderlich viel Staub aufzuwirbeln: die durch die Kreisregierung Ludwigs­burg verfügte Auflösung der sozialdemo­kratischen Jugendorganisation Stuttgarts die, nachdem die Angelegenheit die weitere Instanz- des Verwaltungsgerichtshofs durchlaufen, wohl die­jenige der anderen Organisationen im Lande nach sich ziehen wird. Die Auslegung, ob diese Organi­sationen politischen Charakter haben, kann man, wenn je noch ein Zweifel daran bestehen sollte, der Ent­scheidung den zuständigen Stellen überlassen.

Stuttgart, 4. Juni. Die. Beratungen des Deutschen Vereins für Schulgesundheits­pflege wurden heute zu Ende geführt. Die Frage, ob derUnterricht mitAntiqua oderFraktur beginnen soll, besprachenPnvatdozentDr. Cords- Bonn als medizinischer Berichterstatter.' Der Streit drehe sich um die Frage der besseren Lesbarkeit. Der Redner empfahl den Unterricht mit Antiqua zu beginnen. Denselben Standpunkt vertrat der päda­gogische Berichterstatter Rektor Otto Schmidt-Berlin, weil die Formen der Lateinzeichen leichter aufzufassen, zu behalten und darzustellen sind als die der deutschen Schreibschrift. Die pädagogische und gesund­heitliche Bedeutung der Schulstrafen behandelte Schulrat Dr. Mosapp-Stuttgart als pädagogischer und Dr. Moses-Mannheim als medizinischer Be­richterstatter. Sie kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß den Schülern aus den Schulstrafen kein gesundheitlicher Schaden erwachsen dürfe und daß Art und Ausmaß der Strafe der individuellen körperlichen und seelischen Beschaffenheit angepaßt sein müssen. Obermedizinalrat Dr. Abel-Berlin schloß hierauf die Tagung mit Dankesworten.

Stuttgart, 3. Juni.Der Mensch in Süd- Westdeutschland", so betitelt sich ein größerer Raum in der historischen Abteilung der Stuttgarter Ausstellung für Gesundheitspflege. Es sind hier die 30 charakteristischen Schädel samt den zu­gehörigen Kulturerzeugnissen in einer übersichtlichen Reihe zusammengestellt. Noch virgens war seither in so lückenloser Weise dieses ganze anthropologische Material, welches zurzeit sich eines außerordentlich großen Interesses in Fach- und Laienkreisen erfreut, beisammen zu sehen. Vom ältesten Zeugnis des Vorhandenseins des Menschen auf europäischem Boden, von dem menschlichen Unterkiefer aus den Maurer- Sanden bei Heidelberg bis zu den jetzt in Württem­berg lebenden Rassentypen erstreckt sich die Zusammen­stellung und gibt dadurch reiche Gelegenheit zu ver­gleichenden und entwickiungsgeschichtlichen Studien. Diese Ueberficht ist das Hauptverdienst des hervor-