RunSschau.
Der deutsch-französische Zwischenfall, welchen die in Köln erfolgte vorübergehende Verhaftung des französischen Großindustriellen Clement-Bayard wegen Spionageverdacht darstellt, harrt noch seiner defiaiiiven Erledigung. Der Kölner Polizeipräsident erläßt hierzu eine Erklärung, der zufolge sich Mr. Clement Bayard und seine Begleiter auf ihrer zur Besichtigung der in West-, Mittel- und Norddeutschland gelegenen Luf'.schiffhallen unternommenen Reise durch ihr Verhalten hinreichend der Spionage verdächtig gemacht haben. Die schließ- liche Wiedersreilasfung der Verhafteten, heißt es in der Erklärung zum Schluß, sei nur deshalb verfügt worden, weil das vorliegende Material zu einer Aufrechterhaltung der Festnahme schwerlich ausgereicht haben würde. Die Franzosen haben nun wieder einmal ihren „Fall", den sie weidlich ausnützen, gegen Deutschland zu Hetzen. Es stellte sich bald heraus, daß man es in diesem Falle mit nichts anderem zu tun hatte, als mit einer ganz geriebenen Ausspioniererei, und daß das Unrecht bei denen war, die schimpften, bei den Herren Franzosen. Der saubere Monsieur ist nämlich selber Lenkballonkonstrukteur und machte planmäßige Reisen an deutsche Luftschiffplätze, um Schiffe und Hallen auszukundschaften, wobei er namentlich für die drehbaren Militärschuppen Interesse zeigte. Die Kölner Polizei hat ihm das Handwerk gelegt, und darum schimpfen die Franzosen. Sie schimpfen aber auch noch über einen anderen „Fall" und der ist fast noch bezeichnender dafür, was man sich uns Deutschen gegenüber alles herausnehmen zu dürfen glaubt. Im Elsaß ist ein Karikaturenzeichner Hansi gerichtlich unter die Lupe genommen worden, weil er sein Metier, alles Deutsche zu verhöhnen, etwas gar zu schamlos betrieb. Der Mann soll wegen Hochverrats vor das Reichsgericht kommen. Nun wird nicht etwa der Spruch dieser Instanz abgewartet, sondern geschimpft und gedroht, weil die deutsche Justiz es wagt, sich einen Mann näher anzusehen, der zwar in Deutschland wohnt und die Franzosen gar nichts angeht, als daß er ihnen mit seiner Verhöhnung alles Deutschen eine billige Freude macht, für den sie aber nun in Anspruch nehmen, daß ihm ja die deutsche Justiz kein Leid antun soll. Spricht da ein französisches Blatt von einer Herausforderung Deutschlands und verlangt als Gegendruck nichts mehr und nichts weniger, ats daß die deutschen Zeitungskorre- spondenten aus Paris ausgewiesen werden sollen. Man muß sich wirklich fragen, ob eine derartige Hetzerei noch harmlos genannt werden kann.
Der bisherige Generalsekretär des Reichsoerbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie, Dr. Ludwig, welchen der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Liebknecht öffentlich des Titelschachers beschuldigt hatte, ist vom genannten Verband aus seiner Stellung entlassen worden.
Düsseldorf. Auf dem Hauptbahnhof haben Ellenbahnbeamte zwei Reisende festgenommen, in deren Begleitung sich zwei Mädchen befanden. Es stellte sich heraus, daß es sich um berüchtigte
Mädchenhändler handelte; sie wurden sofort der Kriminalpolizei übergeben.
Affental, 24. Mai. Die Entwicklung der Reben ist in diesem Jahre sehr gut und der Samenansatz sehr erfreulich. Dir warme Witterung der letzten Tage hat die Reben vorwärts gebracht und in einem Rebstücke sind bereits blühende Gescheine vorhanden.
Im Pustertale und in den Seltengebieten erfolgten Verkehrsstörungen durch Ausbruch von Wildbächen. Bei Dellach an der kärntischen Grenze haben 5 Personen den Tod in den Fluten gefunden. In einzelnen Gebieten jenseits des Brenners herrscht Hochwassergefahr. — Ein großer Felssturz ist infolge des starken mehrtägigen Regens an der Südseite der Creppa in Südtirol niedergegangen. Er hat die Falzargostraße in den Dolomiten in der Nähe von Cortina völlig verschüttet. Die Wieder- herstellungsarbeiten werden längere Zeit in Anspruch nehmen. — Aus Mailand wird gemeldet: Aus der Umgebung von Mailand und aus Venezien werden Ueberschwemmungen gemeldet, die großen Feldschaden anrichteten. Auch der Verlust von Menschenleben ist zu beklagen.
Der Londoner Gerichtshof hat jetzt sein Urteil in dem Prozeß wegen der großen Durchstechereien bei den Armeelieferungen teilweise gefällt. Es lautet gegen einen der Angeklagten, den früheren Obersten Whrtacker vom Infanterieregiment „Aorkshire", auf sechs Monate Gefängnis. Sieben weitere Angeklagte, nämlich Zivilisten, wurden zu Geldstrafen von 50—500 Pfund Sterling verurteilt.
Auf das gemeinsame Ersuchen der deutschen und der französischen Postbehörde hat die Polizei auf dem Pariser Hauptpostamt den Deutschen Bernhard Rohr aus Köln verhaftet. Er wird beschuldigt, während der zwei letzten Monate mehr als 15 000 Francs ergaunert zu haben, indem er Postanweisungen abhob, die von einem Helfershelfer, den er nicht kennen will, ausgestellt worden waren.
Württemberg.
Stuttgart, 29. Mai. Am letzten Sonntag wurde die heurige, von der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel veranstaltete Landesausstellung von Lehrtingsarbeiten im Ausstellungsgebäude des Landesgewerbemuseums eröffnet. Der Andrang der Besucher, insbesondere von Handwerkern und Lehrlingen aus dem Lande, war sehr stark. Die Ausstellung ist aus allen Landesteilen und von den verschiedensten Gewerben reich beschickt: 1096 Lehr- lehrlinge haben etwa 1600 Arbeiten ausgestellt. Auch an Auszeichnungen ist kein Mangel. 54 Aussteller erhielten je einen ersten Preis, 65 je einen zweiten, 258 je einen dritten Preis und 487 eine Anerkennung. Nur 232 gingen leer aus. Die ersten und zweiten Preise bestehen in Sparkasseneinlagen über 20 und 10 Mk., tue vor vollendelem 20. Lebensjahr nur mit Genehmigung der Zentralstelle abgehoben werden dürfen; die mit dritten Preisen Bedachten erhalten paffende Bücher. Die Ausstellung gibt ein erfreuliches Bild der Lehrlingsausbildung in unserem Land.
Hohenheim, 29. Mai. Das große Erdbeben vom 26. Mai, dessen Herd ohne Zweifel im Stillen Ozean sich befindet, stellt sich als eines der heftigsten dar, die in den letzten Jahren überhaupt vorgekommen find. Es ist als «in Weltbeben anzusehen, das den ganzen Erdball erschütterte. Dadurch scheint sich zu erklären, daß in den letzten Tagen verhältnismäßig zahlreiche schwächere Beben in den verschiedensten Teilen der Erde sich angeschloffen haben, von denen anzunehmen ist, daß sie auf Grund schon vorhandener lokaler Spannungen in der Erd- § kruste durch die Erschütterung vom 26. Mai zur l Auslösung gebracht worden sind.
In Stuttgart hielt die Schiffsbautechnische Gesellschaft vom 26.-29. Mai ihre diesjährige Hauptversammlung ab. Die Eröffnungssitzung war durch die Gegenwart König Wilhelms ausgezeichnet. Uebrigens wurde ein Teil der Verhandlungen der Versammlung auch in Friedrichshafen abgehalten.
Friedrichshafen, 28. Mai. Die Teilnehmer an der Tagung der Schiffbautechnischen Gesellschaft trafen heute vormittag mit Sonderzug hier ein. Auf der Zeppelinwerft wurden sie von Graf Zeppelin empfangen. In der Luftschiffhalle erläuterte der Graf am Gerippe des im Bau befindlichen Luftschiffs „LZ. 25" den Gästen sein System und hielt hierauf einen Vortrag über seine Luftschiffe, wobei Diplomingenieur Dornier ebenfalls verschiedene technische Ausführungen gab. Der Graf betonte u. a., daß die Frage ob die Flugzeuge nicht die Aufgaben der Luftschiffe übernehmen könnten, durchaus zu verneinen sei. Wenn es gelänge, ein starres Schiff mit unbrennbarem Gas zu füllen, würde dadurch ein Verkehrsmittel gegeben sein, das sich für alle Zeiten erhallen werde. Geheimer Regierungsrat Professor Busley sprach dem Grafen den Dank und die Bewunderung der Teilnehmer aus. Ein kleiner Imbiß in einem Zelt auf dem Gelände schloß sich an. Während des Essens hielt Graf Zeppelin eine Ansprache in der er bemerkte, er fei nur die Biene gewesen, die sich bei den Technikern geholt habe was sie brauche. Generaldirektor Heineken vom Nordd. Lloyd dankte im Namen der Teilnehmer für die liebenswürdige Aufnahme durch Graf Zeppelin. Es fanden dann verschiedene Fahrten mit dem Luftschiff „Viktoria Luise" statt, an denen zahlreiche Mitglieder der Gesellschaft sich beteiligten.
Rottweil, 26. Mai. Ein 30000 Mark- Gewinn der preußisch-süddeutschen Klaffenlolterie ist in die Kollekte des Bankhauses A. Bernheim hier auf das Los Nr. 187 571 gefallen. Das Glück scheint bei der diesmaligen Lotterie Württemberg besonders günstig zu sein.
Bad Ueberkingen, 25. Mai. Auszeichnung: Auf der am 24. Mai geschloffenen Ausstellung für Hotel- und Wirtschaftswesen in Pforzheim hat sich der Mineralbrunnen Ueberkingen für seinen Ueber- kinger Sprudel wiederum die höchste Auszeichnung, die Goldene Medaille mit Ehrenpreis, errungen, und zwar als einziger der auf der Ausstellung vertreten gewesenen Mineralbrunnen. Ein neuer Beweis für die Güte und allgemeine Beliebtheit des Ueberkinger Sprudels.
Das Kreuz von Zehen.
Erzählung aus der Zeit der Tiroler Freiheitskämpfe.
Von Franz Wichmann.
(Nachdruck verboten.)
„Ja, Du muht heute Nacht allein bleiben."
Das Mädchen erschrak. „Allein — warum, wo wollt Ihr so spät noch hin?"
„Nach Albeins hinab. Hast Du die Glocken nicht ebört? Der Landsturm ist ausgeboten. Man fürchtet, . aß die räuberischen Franzosen ihren Besuch von gestern iin Thale erneuern. Aber wir wollen ihnen einen blutigen Empfang bereiten!"
„Und mich könnt Ihr hier oben ganz schutzlos lassen?"
„Hier kommen sie nicht herauf. Auch ist es ja nur mr diese Nacht und drunten halten wir gute Wacht. Morgen früh sind wir zurück, und Du brauchst nichts zu fürchten. In Albeins aber ist die Hilfe nötig, denn gestern hat der Feind wie der Böse gehaust und wo er hinkommt, ist es um die Unschuld unserer Frauen und Töchter geschehen."
Sie ließen sich nicht halten und das Regerl beruhigte sich auch, als sie mit ihren Büchsen bewaffnet den Berg hinabschritten.
^ Eine Stunde wohl blieb sie noch wach, von Zeit zu Zeit ängstlich nach dem Thale hinablauschend. Aber drunten blieb alles still, die Franzosen schienen nicht zu kommen, sie mochten erfahren haben, in welcher Weise man ihren Besuch erwartete.
Eben wollte das Mädchen sich auskleiden, um ihr Lager anfzusuchen, als sie erschreckt und bestürzt ans Fenster eilte.
Von dem noch höher am Waldesrand gelegenen Hof des Schroffenbauern war ein wirres Schreien und Kreischen von Weiberstimmen an ihr Ohr geschlagen,
das sie sich nicht zu erklären vermochte. Sie glaubte, den Klang von Hörnern und Trommeln zu vernehmen, in den sich einzelne Schüsse mischten. Sollten die Franzosen dennoch nmherstreifen und, den Thalweg vermeidend, über die Berge herabkommen?
Entsetzt starrte sie in die neblige Nacht hinaus. Da sah sie den sprühenden Schein von Fackeln und in dem flackernden Lichte einen aufgelösten Trupp feindlicher Soldaten vom Schroffenhof her gegen ihr Haus herannahen. Die berauschten Krieger schrieen und tobten und streckten mit wilden Gebärden die Arme aus.
DaS Furchtbare war Wahrheit; die Bauern hatten sich getäuscht und während sie drunten Wache standen, überfiel man droben die wehrlosen Familien auf den verlassenen Höfen.
Eine tödliche Angst ergriff das Mädchen, mit Schrecken dachte sie an die Worte des Bruders. Wenn sie in die Hände der rohen Soldaten fiel, war ihre Unschuld verloren! Flucht war ihr einziger Gedanke. Sie wollte davonstürzen, doch noch aus der Schwelle blieb sie verzweifelt stehen. Wenn die Krieger das einzelne, fliehende Mädchen erblickten, würde man sie erst recht verfolgen und einholen.
Ein rettender Gedanke schoß ihr durch den Kopf. Nur in Männerkleidern war ein Entrinnen möglich. Ein Blick auf die Nabenden überzeugte sie, daß es noch Zeit war.
Sie eilte auf den Schrank zu, in dem Melchior und der Knecht ihre Kleider anfbewahrten. Er war verschlossen. Doch blitzschnell fiel ihr ein letzter Ausweg ein. In der Kammer befand sich noch das Gewand des Vaters, in dem er seinen Tod gefunden. Nach der Verhandlung gegen den Kastel-Sepp hatte man sie ihr am Gericht wieder ausgesolgt und sie hatte sich bis heute nicht davon trennen können. Vielleicht konnten sie noch einmal dazu dienen, den wahren Mörder zu entlarven.
Mit fiebernder Hast warf sie sich in die verstaubten Kleider, auf denen noch die dunklen, halb verwischten
Blutflecken sichtbar waren. Dann griff sie vom Kamin eine Kohle aus und fuhr sich damit über das Gesicht, um ihre Züge alter zn machen. Die schnell gezogenen Falten verliehen ihr das Aussehen eines bejahrten Mannes, der fast ihrem Vater glich. Als die Verfolger fast schon die vordere Thür des Hauses erreichten, drückte sie eben noch den breitrandigen Hut tief über das Haar und stürzte durch den Hinteren Ausgang ins Freie.
Nach Albeins hinab getraute sie sich nicht. Denselben Weg würden ja auch die Franzosen einschlagen, und drunten, wo in kurzem ein erbitterter Kampf entbrennen mußte, gab es keine Sicherheit für sie.
Nur der eine Weg nach Klausen blieb ihr offen. Dort bei der Schwester würde sie ja mit Freuden ausgenommen werden, und in der Stadt glaubte sie sich überdies vor Frevelthatsn, wie sie hier draußen geschahen, besser geschützt.
Kennend wie ein gehetztes Wild floh sie über die Höhen hin, dem Afers-Thal entgegen, um über Schrambach ihr Ziel zu erreichen.
Auf der Straße wuchs von Minute zu Minute das brausende Gedränge und von dem Platz auf der Frag herüber tönte es wie das ferne Donnern eines Wasserfalls. Dort strömte von allen Seiten die vielhundert- köpfigc Menge zusammen. Von der feindlichen Besatzung war nirgends etwas zu sehen, erst ganz am Ende der kleinen Vorstadt ragten die Helme der Franzosen über die grünen, sedergeschmückten Lodenhüte der Tiroler hinweg. Hier, wo der schäumende Thinnerbach aus der finsteren Schlucht von Seben hervortoste und eine schmale Holzbrücke Frag und Klausen verband, stand, die Straße von Brixen nach Bozen sichernd, die stärkste Abteilung des Feindes.
Die ganze Situation machte auf beiden Seiten den kläglichen und schwächlichen Eindruck einer Wirtshans- rempelei im Großen, die ans allmählichem Wortwechsel, aus Drängen und Drücken zu Messerstichen und Blutvergießen führen konnte. (Fortsetzung folgt.)