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85.

Neuenbürg, Freitag den 29. Mai 1914.

72. Jahrgang.

RunSlchau. ;

Berlin, 28. Mai. Die für morgen angesetzte! Parade der Garnison Berlin und der Vororte s wird auf Befehl des Kaisers nicht stattfinden. ! — Der Kaiser wird diesmal die Truppenschau ! und Parade am 21. August auf dem Großen Sand - bei Mainz abnehmen.

Freiburg i. Br., 27. Mai. Der deutsche j Kronprinz, Generalstabschef v. Moltke, 18 Ge­neräle und 30 Generalstabsoffiziere traten heute früh 8*/- Uhr die Generalstabsreise über Colmar durch das Oberelsaß an.

Köln, 26. Mai. Im Verlaufe des Mahles der Stadt Köln für die Teilnehmer am Prinz Heinrich-Flug führte Prinz Heinrich etwa folgendes aus: „Wer heutzutage Gelegenheit hat. in der Welt Umschau zu Hallen, der komme zu dem Resultat, daß der Deutsche hochgeachtet und im Aus­land gern gesehen ist. Wüßte nur jeder, der sich Deutscher nennt, was es heißt, ein Deutscher zu sein. Sicher würde mancher die Sprache nicht sprechen, die er spricht. In kurzer Zeit hat das Flugwesen eine Entwickelung genommen, die uns mit berechtigtem Stolze erfüllen darf".

Berlin, 27. Mai. Die Beteiligung der deutschen Kunst ander Weltausstellung in SanFran- zisko ist nunmehr gesichert. Der Vorstand der Gesellschaft für deutsche Kunst im Auslande hat heute einstimmig die Beteiligung beschlossen, nachdem eine Anzahl Spender die erforderlichen Mittel zum größten Teil zur Verfügung gestellt hat.

Die Stichwahl im Reichstagswahlkreise Oster- burg-Stendal ist durch das vollzählige Eintreten der Sozialdemokraten zu Gunsten des nationalliberalen Kandidaten entschieden worden. Es fielen auf Hoesch (kons.) 12 518 Stimmen, auf Wachhorft de Wente (natl.) 15 027 Stimmen. Das amtliche Ergebnis der Ersatzwahl vom 15. Mai 1914 war: Hoesch (kons.) erhielt 12 221 Stimmen, Wachhorst de Wente (natl.) 6032 und BeimL (Soz.) 6926.

Karlsruhe, 26. Mai. In der Budget­kommission der Zweiten Kammer wurde heute der Voranschlag für das Kraftwerk Murgwerk, der 8 840 000 Mark fordert, beraten. Für das Jahr 1914 werden 4 bis 5 Millionen Mk. gebraucht. Voraussichtlich wird die Inbetriebnahme des Werkes bis September 1916 erfolgen. Der Preis für den Kilowatt ist einstweilen auf 4 Pfg. festgesetzt worden.

Breslau, 27. Mai. Bischof Johann Adolf Bertram von Hildesheim wurde heute zum Fürstbischof von Breslau gewählt. Dr. Bertram wurde 1859 als Sohn eines Kaufmanns geboren. Es wird ihm ein tolerantes Zusammenwirken mit den Andersgläubigen nachgerühmt. Die Kölner Richtung nimmt ihn in der Arbeiterfrage für ihre Auffassung in Anspruch.

Kiel, 28. Mai. Zur deutschen Pfingst- lehrerversammlung haben sich etwa über 1000 Lehrer angemeldet; diesen wird eine eingehende Er­klärung über unsere Kriegsflotte vermittelt werden.

Halberftadt. Zur Errichtung eines Waisen­hauses hat der in Berlin verstorbene Rentier Hart> mann seiner Vaterstadt ein Vermächtnis von 300000 Mark hinterlaffeu.

Ein schweres Autounglück ist an dem be­rüchtigten Wolfratshausener Berg im Jsartale bei München geschehen. Dort ist ein mit einer Aus­flugsgesellschaft von sieben Personen besetztes Auto infolge Bremsbruchs die Straßenböschung hinab- geftürzt und vollständig zertrümmert worden. Die Hauslehrerstochter Penstnger aus Buchdorf wurde getötet, die übrigen sechs Personen mehr oder weniger schwer verletzt.

Offenburg, 24. Mai. An Blutvergiftung, die er sich durch eine kleine Wunde am Fuße zu­gezogen hatte, starb hier am Himmelfahrtstage Apotheker Schoch im Alter von 42 Jahren.

St. Petersburg, 28. Mai. In der Nähe von Rypin ist gestern abend ein mit zwei deutschen Offizieren besetzter Flugapparat gelandet, die beiden Flieger wurden sofort festgenommen. Der Apparat war an der Grenze beschossen und be­schädigt worden.

Petersburg, 28. Mai. Der hiesige deutsche Botschaftsrat v. Lucius ist zum Gesandten in Albanien ernannt worden. Sein Scheiden aus der russischen Residenz wird von der deutschen Kolonie, wie auch von der russischen Hofgesellschaft, in der Hr. v. Lucius sich großer Sympathie erfreut, lebhaft bedauert.

Durazzo. 28. Mai. Das fürstliche Palais wird von je 60 österreich-ungarischen und italienischen Matrosen bewacht.

Mailand, 27. Mai. Nach einer Meldung des Resto del Carlino hat die italienische Regierung die Zusammenziehung von 12 Regimentern in Ancona angeordnet, um ein Expeditionskorps für Al­banien bereitzuhalten.

Wien, 28. Mai. Halbamtlich wird jetzt mit großer Bestimmtheit behauptet, daß die Aufstands­bewegung von Tirania jungtürkischen Ursprungs sei. Es werden einige türkische, dem jungtürkischen Komitee angehörenden Offiziere namhaft gemacht, die die Bewegung leiteten. — Die Verhandlungen über die Detachierung einer Abteilung der Skutariner Besatzung dauern fort. England soll sich noch ab­lehnend verhalten.

Venedig, 27. Mai. Der König hat den deutschen Pavillon der Kunstausstellung besucht und sowohl über die Anlage als auch die ausgestellten Werke seine lebhafte Bewunderung zum Ausdruck gebracht.

Paris, 27. Mai. Der Vertreter der Tele­graphenunion erfährt von einer gewöhnlich sehr gut unterrichteten Stelle, daß Präsident Poincarc mehrfach zu Persönlichkeiten seiner Umgebung geäußert habe, er werde unverzüglich sein Amt niederlegen, wenn es den Sozialisten gelingen sollte, in der Kammer das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit zu Fall zu bringen.

London, 27. Mai. Die Polizei ist einer Verschwörung von Frauenstimmrechtlerinnen auf die Spur gekommen, die beabsichtigten, auf dem kommenden Derby in Epsom das laufende Pferd des Königs zu töten. Der Sicherheitsdienst ist deshalb besonders verstärkt worden. Man erinnert sich, daß bereits im vorigen Jahr eine Frauenstimmrechtlerin' sich vor das laufende Pferd des Königs warf.

Paris, 28. Mai. Gestern abend fand in dem Theater Elysä die Erstaufführung von Richard Wagners „Meistersingern" in deutscher Sprache unter der Leitung von Felix Weingartner statt. Die deutschen Darsteller wurden von dem zahlreich erschienenen internationalen Publikum lebhaft begrüßt.

Der bekannte Liederkomponist Musikdirektor Prof. Dr. Karl Attenhofer ist. 77 Jahre alt. in Zürich gestorben. Attenhofer war der schweizerische Silcher. Die Universität hatte ihn vor Jahren zum Ehren­doktor ernannt. Allgemein bekannt sind in Sänger­kreisen Attenhofer's Kompositionen die „Margaret am Tore". „Sankt Florian". „Das weiße Kreuz im roten Feld", „O glücklich, wer zum Liebchen zieht", „Dort liegt die Heimat mir am Rhein" usw.

Triest. 27. Mai. Ein Hotekautomobil stürzte hier infolge der Unvorsichtigkeit des Chauf­feurs ins Meer. Ein Hotelgast und rin Portier ertranken, der Chauffeur wurde gerettet.

Bom Unwetter. j

Aus den Vogesen. 27. Mai. In den höheren ' Lagen der Vogesen herrscht seit dem gestrigen Dienstag ? Winterwetter. Auf den Bergkämmen ist die! Temperatur bis iVs Grad unter dem Gefrierpunkt? gesunken und überall zeigen sich starke Rauhreif-

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bildungen. Seit heute nacht herrscht auf dem elsäßischen Belchen und den Vogesenkämmen stark anhaltender Schneefall bei V- Grad Frost. Die Höhenzüge sind mit einer Neuschneedecke überzogen. Auch im Hochschwarzwald ist ein empfindlicher Wetter­sturz eingetreten.

Mannheim, 27. Mai. Die andauernden Niederschläge haben die Nebenflüsse und den Ober­lauf des Rheines stark anschwellen lassen. Der Neckar ist seit gestern 71 cm, der Rhein um 62 cm gestiegen.

Kempten, 28. Mai. Die Algäuer Berge haben wieder Neuschnee bis 1000 Meter herunter.

Aus dem Harz. 27. Mai. Auf dem Brocken herrscht seit zwei Tagen Frostwetter und starker Schneefall. Die Temperatur ist heule bis 3 Grad Kälte gesunken und der Schnee liegt mehrere Zenti­meter hoch. Ebenso ist im Riesengebirge wieder Winterwetter eingetreten.

Graz, 28. Mai. Das Drautal ist über­schwemmt. Bei Dellach in Kärnten find fünf Männer ertrunken.

Durch Blitzschlag wurde das aus sieben Häusern bestehende prächtige Gut Schafhof bei Neuses eingeäschert. Ein Gewiltersturm hat in Oberfranken großen Schaden angerichtet und viele Bäume entwurzelt. In Giersdorf wurden zwei, in Nordhalben ein und in Lerchenhof ein Gebäude durch Blitzschlag zerstört. Unweit Langquaid ist durch Blitzschlag die Appersdorfer Mühle mit sämt­lichen Maschinen und Futtervorräten eingräschert worden.

In Süd-, Mittel- und Westfrankreich sind heftige Stürme teilweise mit Schneegestöber niedergegangen. Der Schaden an den Obstbäumen ist sehr beträchtlich. Eine Anzahl Fischerboote in den Häfen von Toulon, Cannes und Marseille sind gekentert, jedoch konnte die Besatzung in allen Fällen gerettet werden. Bei Ajaccio auf Korsika sind drei Fischerboote verschwunden. Alle Nachforschungen nach ihnen durch das dort liegende Untersreboot- geschwader blieben erfolglos.

Paris, 27. Mai. Seit gestern wütet über dem Mittelmeer ein heftiger Sturm. Von der Küste Südfrankreichs laufen Nachrichten über eine Anzahl Unfälle ein. In Nizza ist die ganze Promenade der Engländer unter Wasser gesetzt. Unweit Nizza ist ein Boot mit zwei Mann Be­satzung unrergegangen. An derRiviera istSchnee gefallen.

New-Aork, 27. Mai. Im Gegensatz zu den europäischen Witterungsverhältnissen herrscht hier eine ungeheure Hitzwelle, die sogar das Geschäft an der Börse beeinträchtigt. Die Bewohner der großen Städte mußten die letzten Nächte der Hitze wegen außerhalb ihrer Häuser zubringen.

Eine furchtbare Hitze fordert in New-Aork viele Opfer. Seit 1880 war kein so heißer Tag zu verzeichnen.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Mai. (Nationales Fecht­turnier 1914 auf der Stuttgarter Ausstellung für Gesundheitspflege.) Dem Schaufechten auf der Frei­lichtbühne im Stadtgarten folgte am Montag das Turnier, das in der Staatsturnhalle am Holzgarten­platz ausgesuchten wurde. Es kann das Interesse weitester Kreise in hohem Maße beanspruchen. Das Vorführen erstklassigen Sportfechtens ist ein Ereignis für Stuttgart, das seinesgleichen nur in größeren Städten, wo sich eine alte Fechtergemeinde befindet, aufzuweisen hat. Dazu kommt, daß die besten Fechter Deutschlands an dem Turnier teilnehmen, so die diesjährigen und vorjährigen Bundesmeifter aller Waffengattungen, wie Florett, leichter Säbel und dergleichen. Der Vormittag des Montags brachte ausgezeichneten, ja hervorragenden Sport. Er be­gann mit dem Wettbewerb der aktiven Offiziere im