RunSschau. '
Die Zahl der Ausgebildeten unter den Waffen am Schluffe des Jahres 1914 bei den verschiedenen Großmächten. Wenn man die Zahl der Rekruten von dem Bestand der aktiven Armeen der Großmächte am Schluffe dieses Jahres abzieht, kommt man zu einem lehrreichen Ergebnis über die Zahl der Ausgebildeten. In Deutschland werden am Schluffe dieses Jahres nach Abzug des Rekrulenjahrganges (einschließlich der am 1. Oktober eintretenden Freiwilligen und Einjährig-Freiwilligen) unter der Waffe sein: einschließlich Offiziere und Unteroffiziere noch nicht 500000 Mann. In Oester- i reich-Ungarn unter Berücksichtigung derselben Ver- ' hältniffe rund 300 000 Mann, in Italien rund , 180 000 Mann, so daß die beiden mitteleuropä- i ischen Kaiserstaalen an ausgebildelen Soldaten rund 1000 000 Köpfe unter der Fahne haben. Zu i gleicher Zeit wird Frankreich unter der Fahne ! haben über 650 000 Köpfe, Rußland rund 950000 Köpfe in Europa, unter Berücksichtigung derselben ' Verhältnisse, wie sie für Deutschland angeführt > wurden, so daß der Zweibund an ausgebildelen - Soldaten. Offizieren und Unteroffizieren unter der k Fahne haben wird rund 1600 000 Mann. !
Oberschöneweide, 25 Mai. Als die Be- ! amten der katholischen Kirche gestern morgen zur j Frühmesse das Gotteshaus betraten, fanden sie ein i Bild ärgster Verwüstung vor. Der Hochaltar ! und der rechts von diesem stehende Marienaltar j waren teilweise zertrümmert und die Chriftusfigur ' vom Kreuze gerissen, außerdem waren wertvolle § Kirchengeräte geraubt. Wie festgestellt wurde, hatten ' die Täter erst versucht, die massive Türe der Kirche s aufzusprengen. Da diese ihren Einbruchwerkzeugen ^ widerstand, waren sie durch ein Fenster eingestiegen, j Sie zerschlugen die Marmocplatte auf dem Hochaltar, ! rissen den Tabernakel auf, um die Monstranz zn ! stehlen, die aber an anderer Stelle sicher aufbewahrt ^ war, und beschädigten schließlich das große Kruzifix. j Zwei Opferkästen, die auch gestohlen wurden, und ^ in denen sich Geld befand, wurden im Lause des j Tages von Spaziergängern in der Nähe des Königin- j Elisabeth Hospitals gefunden. Sie waren erbrochen j und ihres Inhalts beraubt. !
In der Ortschaft Porochwyje, unweit Peters- z bürg, brach im Dachraum eines Holzhauses Feuer j aus, das mit rasender Schnelligkeit das zweite Stock- werk ergriff, wo der Arbeiter Fedorow mit seiner ; Frau und 7 Kindern wohnte. Die Frau stürzte aus ? dem Fenster auf die Straße. Der Mann, der sie s zurückhalten wollte, stürzte ebenfalls aufs Pflaster. ! Beide sind schwer verletzt. Die sieben Kinder i verbrannten. Elf Arbeiter, die aus den Fenstern ! der angrenzenden Häuser, auf die das Feuer übersprang, auf die Straße stürzten, erlitten Verletzungen.
New-Aork, 18. Mai. Das größte Geschäftshaus der Welt geht in New-Aork seiner s Vollendung entgegen und dürfte im März nächsten ' Jahres bezogen werden können. Die Baukosten z belaufen sich auf 120 Millionen Mark. Das neue -
Equitable-GebäudeD'wirdAallerdings nicht so hoch
werden wie das Woolworth-Gebäude. Es hat nicht > mehr als 38 Stockwerke, wird aber einen größeren Flächeninhalt besitzen. Ungefähr 15 000 Personen , werden dort Beschäftigung finden, für deren Be- ; quemlichkeit auf das ausgiebigste gesorgt sein wird. s Um diese riesige Zahl von Angestellten in die ver- - schiedenen Stockwerke befördern zu können, werden ; 48 Fahrstühle in 6 Reihen ausgestellt. Die ersten i acht versorgen den Dienst für die ersten 10 Etagen, § die fzweite Reihe der Fahrstühle hält erst an der f 11. Etage, die drille Reihe bedient erst von der 19. f Etage an usw. Nur die sechste Reihe wird an jeder ! Etage bis zur 38. anhallen. Eine Sanitätsstation I mit einem Arzt und Operationszimmer wird in ^ einer der Etagen untergebracht werden und au diese ^ soll sich ein kleines Hospital mit 5 Betten anschließen. , Auf fünf verschiedenen Stockwerken werden Ruhe- i räume für die Angestellten eingerichtet. Das oberste Stockwerk wird von Klubiäumlichkeiten ausgefüllt sein, die Raum für 1000 Gäste bieten. Das ! Gebäude ist so gut wie feuersicher, aber auf jeder s Etage befinden sich 1 Feuermelder und 4 Hydranten.
Württemberg.
Stuttgart, 24. Mai. Der Württ. Weinbauverein hielt heute nachmittag im Festsaal der Liederhalle seine 81. Generalversammlung, die aus dem ganzen Lande zahlreich besucht war. Als Vertreter der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft waren deren Präsident, Rsgierungsdirektor v. Sting und Regierungsrat Gauger anwesend; ferner waren Landesökonomierat Schaffer. Vorstand der Weinbauschule Weinsberg, und die Landtagsabgeordneten Hanser und Haag erschienen. Der Vorsitzende, Oekonomierat Warth-Stuttgart, bemerkte in seinem j Jahresbericht, daß man einem wenn auch nicht vollen, j so doch befriedigenden Weinjahr entgegensetze. Mit der Stellung des Ausschusses zur Frage der Wein- und Traubenzölle erklärte sich die Versammlung einverstanden, ebenso mit der ablehnenden Haltung der württ. Vertrauensmänner zum Deutschen Weinbauverein gegenüber jeder Aenderung des Weingesetzes. Sodann sprach Prof. Dr. Meißner- Weinsberg über die Bedeutung der Blattätigkeit der Reben unter besonderer Berücksichtigung der Schädlingsbekämpfung. Er empfahl vor allem eine rechtzeitige Anwendung der Bekämpfungsmittel. In der anschließenden Aussprache über die Bekämpfung des Heu- und Sauerwurms befürwortete Prof. Meißner die Beibehaltung der seitherigen Art des Spritzens; mit Kupfervitriol allein dürfe man nicht arbeiten. Nachdem der Mottenflug nunmehr beendet f sei, sollte mit der Bekämpfung des Heuwurms in > dieser Woche begonnen werden. Die Weinbauversuchsanstalt beginne mit den Bespritzungsversuchen mit Nikotin am Dienstag. Eine kurze Erörterung entspann sich über einen Antrag der Weingärtnergenossenschaft Untertürkheim, der Weinbauverein möge sich an die Regierung wenden mit der Bitte, daß sämtliche beim Militär dienende Weingärtnersöhne in den Monaten Juni, Juli oder August einen zehntägigen Urlaub erhallen, um die Bekämpfung; der Rebschädlinge mit Energie be- '
treiben zu können. Nachdem Landtagsabgeordr.eter Haag mitgeteilr hatte, daß der Kriegsminister ihm die Zusage gegeben habe, daß diejenigen Soldaten die es wünschen, jetzt schon ihren Urlaub erhalten statt erst zur Erntezeit, und daß auch bei der Reservisteneinziehung weitestgehende Rücksicht ge. nommen werden solle, wurde beschlossen, eine entsprechende Eingabe an das Kriegsministerium zu richten. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurde empfohlen, mit dem Gebrauch des neuen Jnsektenvertilgungsmittels Golazin-Jtötsi, das dreimal so teuer sei als Nikotin solange zuzuwarten, bis die Weinbauoersuchsanstalt das Mittel auf seinen Wert geprüft habe. Jnsolange müsse Nikotin als Bekämpfungsmittel im Vordergrund stehen. Es wurden hierauf die Berichte der Vertrauensmänner über den Stand der Weinberge im Lande entgegengenommen. In Reutlingen sind die Ansätze der Trauben immer noch so beträchtlich, daß auf einen „netten" Herbst zu hoffen ist. In Neckarsulm erfolgte der Austrieb ziemlich lückenlos; der Traubenansatz ist recht befriedigend. In Weinsberg liegen di« Verhältnisse nicht ungünstig. Die niederen Lagen seien etwas lückenhaft, hätten aber trotzdem recht nett Trauben getrieben, in mittleren und oberen Lagen stehe es gut. JnHeilbronn sei der Stand der Weinberge befriedigend. In Besigheim gebe es für Trollinger einen annehmbaren Herbst, in den übrigen Lagen sei der Traubenansatz besser. Im Bottwartal seien die Aussichten recht gut; Lem- berger stünden ganz außergewöhnlich schön. In Cannftalt-Untertürkheim sei seit einer großen Reihe von Jahren kein so kräftiger Austrieb wie in diesem Jahr zu verzeichnen; Rießling stünde am schönsten. Im allgemeinen seien schöne Aussichten. In Stuttgart sei ein durchweg befriedigender Fruchtansatz zu verzeichnen; auf ein befriedigendes Ergebnis dmfe gehofft werden. Im Remstal könne über Frostschaden nicht geklagt werden; am besten stünden mittlere und untere Lagen. In Korb könne man höchstens auf einen Viertelherbst, in Schnait auf einen halben Herbst hoffen. Im Enztal sei der Stand in Hohenhaslach gut. Am südlichen Heuchelberg sei der Traubenansatz überall reichlich, bei Weißrießling sehr reichlich. Im Zabergäu sei der Traubenansatz gut. Jm Jagsttal sei der Stand der Weinberge sehr befriedigend, im Kochertal läßt der Ansatz der Trauben viel zu wünschen übrig, es sei nur ein kleiner Herbst zu erwarten. Im Taubergrund hätten die Weinberge schön angetrieben. Der Traubenansatz sei sehr gut. Ein anständiger Mittelherbst sei zu erwarten. — Der Vorsitzende, Oekonomierat Warth, schloß dann die Versammlung mit dem Wunsche, daß die Hoffnungen auf eine gute Weinernte in reichem Maße in Erfüllung gehen möchten.
Die Ausstellung für Friedhofskunst in Verbindung mit der Ausstellung für Gesundheitspflege Stuttgart 1914 wurde am Samstag den 23. Mai. vormittags 11 Uhr. eröffnet. Die Ausstellung ist in einem Teil des Hoppenlau- friedhofs untergebracht. Sie ist sowohl vom Mittel- weg des Hoppenlaufriedhofs aus als von der Aus-
Das Kreuz von Heben.
Erzählung aus der Zeit der Tiroler Freiheitskämpfe.
Von Franz Wichmann.
20) (Nachdruck verboten.)
„Ich hab's nicht gewollt, der Teufel hat mein Auge geblendet. — Todsünde — schlimmer als Todsünde — verdammt auf ewig — ich wußte nicht, was ich that. — Herrgott, vergieb mir meine Schuld, du bist ia die Liebe, verzeih' mir um deines heiligen Opfers willen, verklage mich nicht bei deinem Vater im Himmel, rette mich vor den ewigen, gräßlichen Qualen der Hölle!"
„Er wird es, wie er mich vor Deiner mörderischen Kugel bewahrt hat", sprach feierlich der Doktor, der sich endlich faßte. „Um Dich nicht zum Mörder werden zu lassen, hat er sie selbst mit seinem Leibe aufgefangen. Das war ja sein Teil von je: zu leiden um anderer Haß. Erkennst Du nicht seine unerschöpfliche Güte? Wir wissen nicht, was Deiner harrt, Kaspar, aber ich will mit Dir beten, daß Gott der Herr Dir verzeihen möge wie ich —"
Mit grenzenlosem Staunen hatte der Wildmoser die tröstenden Worte gehört. In dem starren Gesichte begann es zu zucken, und plötzlich schoß ihm ein Thränenstrom über die leichenfahlen Wangen:
»Ihr — Ihr könnt für mich beten, Doktor, Ihr könnt mir verzeihen? O, dann hat Gott einen seiner Engel zu mir gesandt und wird mich nicht verwerfen!"
„Hoffen wir beide aus ihn, Kaspar", sagte der Arzt, von eigenartiger Rührung ergriffen. War nicht seine eigene That verwandt mit der dieses unseligen Menschen, hatte er nicht vollendet, was jener nur geplant? Nein, er durste nicht richten, er am wenigsten! Und doch hatte der Himmel ihn so sichtbar vor der tödlichen Kugel geschützt! Auch er konnte nicht ganz verworfen sein von dem ewigen Richter! War es auch nicht das Zeichen,
das er in der Kapelle erfleht, so durfte er doch glauben, daß Gott selbst ihn noch aufsparte für seine Zwecke, daß auch das Wunder noch geschehen konnte, das ihn retten sollte vor seinem Gewissen. Eine warme innige Freude erfüllte seine Brust, da er die bußfertige Reue des anderen sah; er hätte ihn vom Boden aufheben und wie einen Bruder an sein Herz ziehen mögen. In heißem Gebete kniete er neben dem Wildmoser nieder und dankte Gott für seine Rettung.
Als er endlich aufstand, um seinen Weg fort- zusetzen, wagte es der Frevler immer noch nicht, sich von den Knieeu zu erheben. Seine Lippen öffneten sich, er suchte zitternd nach Worten, die er nicht finden konnte. Eine quälende Angst spiegelte sich in seinem Blick.
„Doktor", brachte er endlich stöhnend hervor, „was da geschehen, darf keines Menschen Ohr je hören, sie würden mich steinigen wie einen tollen Hund. Nur der Priester im Beichtstuhl soll die gräßliche Wahrheit vernehmen. Wenn Ihr das Werk Eurer Barmherzigkeit voll machen wollt, so versprecht mir, das Geheimnis zu bewahren vor aller Welt."
„Wenn Gott es nicht offenbaren will, so werde ich schweigen."
„O Dank, tausend Dank!" atmete Kaspar auf, „der Böse, der in uns allen mächtig ist, hat mich verführt, es war nicht das erste Mal, o, wenn Ihr wüßtet, meine Seele war schwarz wie die Hölle, bis dieses Licht in sie fiel! Nie mehr will ich mein Auge zu der Gamswirtin erheben, sie soll Euer sein, Doktor."
Der Wundarzt schwieg, die Antwort, die es allein darauf gab, hätte seinein Herzen zu wehe gethan. Um seine Bewegung zu verbergen, wies er auf die den Boden bedeckenden, zerschmetterten Reste des Herrgotts.
„Sie werden glauben, die Franzosen haben den Frevel begangen; ich will sie bei dem Glauben lassen."
Ehe Kaspar ihm noch einmal danken konnte, batte er seinen einsamen Weg fortgesetzt. Einen Augenblick
stand der Zurückgebliebene unbeweglich. Die letzte Beinerkung des Arztes hatte in seiner Brust einem zündenden Funken gleich alles in Flammen gesetzt. Die Franzosen! Das war es, was er brauchte. Sie waren ja die Feinde seiner heiligen Kirche, sie verfolgten den gütigen Gott, der ihm so plötzlich die Augen über sich selbst geöffnet. In die vorderste Reihe der Landesverteidiger sollten sie ihn stellen. Wenn eine feindliche Kugel ihn traf, so war es wenigstens ein ehrlicher Tod für einen, dem der Strick des Henkers gebührte. Ein wilder Fanatismus war plötzlich in ihm erwacht. Ha, sie sollten ihn kennen lernen!
Sein Blick fiel auf die Waffe, die noch am Boden lag. „Nein, nicht mit ihr, die Büchse, die den Herrgott getroffen, soll verflucht sein!"
Er hob das schwere Feuerrohr empor und zerschmetterte es mit wuchtigen Schlägen an den schroffen Kanten der Felswand. —--
In den Gasthöfen zur Gams und zum Rößl waren die Lichter heute schon früh erloschen und die Bewohner schienen in tiefem Schlaf zu liegen. Still und dunkel tagen die beiden Häuser nach der Straße hin da — und die vorderen Eingänge waren längst geschlossen. Auf der Hinterseite aber standen die Thüren noch offen und dort huschten bisweilen dunkle Gestalten hinein, immer häufiger, je weiter die Nacht voranschritt.
Drinnen in den matt erleuchteten Gängen empfing die Ankömmlinge leises Geflüster und wies sie die Stiegen empor m die Hinteren Gemächer. Dort waren die Fenster dicht mit schwarzen Tüchern verhängt, daß kein Lichtstrahl nach außen dringen konnte und die Lampen brannten mit gedämpften Flammen. Wie das Murmeln unterirdischer Bäche klang das Stimmengewirr, das die weiten Räume erfüllte. In allen waren Tische und Bänke aufgestellt und geräuschlos eilten die Mägde umher, die geheimnisvollen Gäste bedienend, Bürger und Bauern, die alle mit Waffen gekommen waren, um der bestimmten Stunde zu harren.
(Fortsetzung folgt.)