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Neuenbürg, Mittwoch den 29. April 1914.
72. Jahrgang.
RunSIchau.
Der Reichstag ist am Dienstag nach Beendigung seiner Osterferien nochmals zusammen- getreten. Es muß sich nun bald entscheiden, welche von den noch schwebenden vielen Beratungsstoffen des Hauses bis Pfingsten, bis zu welchem äußersten Zeitpunkt der nachösterliche Abschnitt der gegenwärtigen Sitzungsperiode des Reichstages vielleicht dauern kann, noch zur Erledigung gelangen sollen. Selbstverständlich gehört hierzu vor allem der Reichs» Haushaltsetat, der ja unter allen Umständen fertig» gestellt werden muß. Wie Blättermeldungen kürzlich übereinstimmend zu berichten wußten, legt die Reichsregierung Wert darauf, daß der Reichstag außer dem Etat auch noch die Novelle zur Be» soldungsordnung, die Gesetzentwürfe über die Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe und der Bestimmungen der Konkurrenzklausel, die Novelle zur Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige, weiter die überhaupt noch gar nicht zur ersten Plenar- lesung gelangten Vorlagen betr. die Regelung der Bezüge der Allpensionäre und die Bekämpfung der Auswüchse des Rennweltwesens, sowie ein paar fernere dringliche Sachen verabschiede. Unter den betr. Vorlagen fehlt aber eine, deren Verabschiedung nicht nur die Reichsregierung, sondern auch der Reichstag lebhaft wünscht. Es ist dies der Entwurf des Gesetzes betr. Bürgschaften des Reiches zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen für Reichsund Militärbedienstete. Diese Vorlage ist der eigensten Initiative des Reichstages entsprungen, der vor etwa einem Jahre den Reichskanzler ersuchte, im Beginn der nächsten Tagung eine Vorlage zu machen, nach der das Reich Bürgschaften übernehmen kann für die zweiten Hypotheken der KleinwohnungSbauten gemeinnütziger Baugenossenschaften. Der Reichstag hat hiermit selbst die Dringlichkeit dieser Vorlage anerkannt; diesen Standpunkt teilt auch die Reichsregierung. da das Gesetz bei dem herrschenden Mangel an Kleinwohnungen eine wünschenswerte wesentliche Entlastung des Fonds zur Errichtung von Kleinwohnungen zur Folge haben wird. Es ist also mit einer gewissen Bestimmtheit anzunehmen, daß auch dies Kleinwohnungs-Gesetz noch mit zur Erledigung gelangen wird.
Berlin, 28. April. (Reichstag.) Am Bundesratstisch befindet sich Ministerialdirektor Kirchner. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 2.15 Uhr mit Worten der Begrüßung nach der Oslerpause und Wünschen für erfolgreiche Arbeit. Er macht darauf mehrere geschäftliche Mitteilungen, insbesondere über die inzwischen vollzogenen Ersatzwahlen. Auf der Tagesordnung stehen Petitionen. Zunächst stehen zur Debatte Petitionen betreffend die Einsetzung einer Kommission zur Prüfung des Impfwesens. Die Kommission beantragt Ueberweisung zur Berücksichtigung, die Konservativen dagegen wollen die Petitionen, die sich auf Einsetzung einer Kommission zur Prüfung des Impfwesens, Sicherstellung des Rechtszustands. Einführung der Gewiffensklausel, Entschädigung bei Jwpfschäden und Unterlassung der zwangsweisen Anwendung des Jmpfgesetzes beziehen, dem Reichskanzler zur Erwägung überweisen. Bock- Gotha (Soz): Der Widerstand, den das Jmpfgesetz im Lande findet, ist erklärlich, da das Gesetz seiner Zeit nur mit einer Mehrheit von 2 Stimmen angenommen worden ist. Es hat sich herausgestellt, daß der durch die Impfung gewährte Schutz nicht etwa auf Lebenszeit, sondern höchstens auf 10 Jahre Wirkung hat. Tausende sind durch die Schutzpockenimpfung zu Schaden gekommen. Tuberkulose und Syphilis sind in vielen Fällen durch die Impfung übertragen worden. Die Impfung wird für den größten Irrtum der medizinischen Wissenschaft erklärt, der nutzlos dauernd größtes Unheil anrichtet. Alle Gründe der Erfahrung sprechen nicht nur gegen den Impfzwang, sondern auch gegen das Jmpfgesetz.
Wir verlangen vor allen Dingen die Gewiffensklausel, wie sie in England durchgeführt ist. Die Kommission, die über diese Frage eingesetzt werden muß. muß unbedingt pariiälisch zusammengesetzt sein. Abg. Dr. Pfeiffer (Ztr): Die Petitionen zu diesem Thema kommen aus allen Teilen des Reiches. Der Zentrumssprecher Dr. Pfeiffer steht den Jmpfgegnern sympathisch gegenüber. Er begründet eine Entschließung. nach der eine Kommission zusammengesetzt werden soll, deren Material dem Reichstag als Denkschrift vorzulegen sei. Der konservative Abgeordnete Kramer verlangt die Einsetzung einer Kommission, die erst einmal die Klärung der Angelegenheit unter den Fachleuten herbeiführe, denn es handle sich in erster Linie um eine medizinische Frage. Der Volksparteiler Fischbeck erklärt, daß die Mehrheit seiner Parteifreunde am Jmpfgesetz nicht gerüttelt wissen will. Der Geh. Oberregierungsrat Zimmer erklärt jeden Zweifel an der Gesetzlichkeit des Impfzwanges für unbegründet. Der Nationalliberale Götting warnt eindringlich davor, ein so wichtiges Bollwerk wider eine Seuchengefahr beseitigen zu wollen. Der Welfe Frhr. v. Scheele redet wiederum den Jmpfgegnern das Wort. Dann vertagt sich das Haus.
Karlsruhe. 28 April In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde der Kultusminister von Seiten der Sozialdemokraten und der Fortschrittler wegen seiner Stellungnahme in der Frage der Zulassung der Freireligiösen zu den Lehrerseminaren heftig angegriffen. Der sozialdemokratische Abg. Böttger bezeichnet« das Vorgehen des Ministers als reaktionär und warf ihm Verfassungsverletzung vor. Auch die Führer der National- liberalen gaben der früheren Verwaltungspraxis gegenüber den Freireligiösen den Vorzug. Dem gegenüber konnte der Kultusminister Dr. Böhm auf das Schulgesetz Hinweisen, das gerade über den Religionsunterricht strikte Vorschriften enthält und s geändert werden müsse, falls es nicht mehr zeitgemäß s erachtet werden sollte. Er halte es für unbedingt , erforderlich, dem Volke die Religion zu erhalten, l ebenso aber sei er entschlossen, der Kirche gegenüber s die Staatsautorität zu wahren. Aus dem letzteren l Grunde heraus könne er auch nicht zugebeu, daß ! Lehrer sozialdemokratische Gesangvereine leiten. Bei z seiner Haltung zu den Freireligiösen stehe er, so s betonte der Minister wiederholt, strikte auf dem i Boden öer Verfassung. >
Die Vereinigten Staaten und Mexiko. -
Washington, 27. April. Der deutsche Bot- - schafter sprach heute im Staatsdepartement vor und teilte dem Staatssekretär Bryan mit, Deutschland s werde durch seine Gesandtschaft in Mexiko seinen s Einfluß dahin ausüben, Huerta zu bewegen, daß i er die Vermittelung annehme.
Mexiko, 27. April. Die deutsche Kolonie befindet sich wohl und ist infolge der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen guten Muts.
Das augenblicklich interessanteste Moment bei der kriegerischen Verwicklung zwischen der Union und Mexiko stellt wohl das Vermittelungsanerbieten der Regierungen Brasiliens, Argentiniens und Chiles beim Washingtoner Kabinett dar. Nichtamtlich verlautet in Washington, daß der Vermittlungsplan der drei südamerikanischen Republiken die Entfernung des s Präsidenten Huerta aus dem Amt verlange, was - ja der Unionsregierung, die Huerta bekanntlich nicht anerkannt hat, durchaus ins Konzept paffen würde. Präsident Wilson hat denn auch dies Vermittelungsanerbieten dankend angenommen. In Washington fand eine Konferenz der Gesandten der genannten Republiken statt, an welcher auch die Gesandten von Peru, Bolivia, Costarica, Honduras, Panama und Kuba teilnahmen. Es wurde der Beschluß gefaßt, vorerst nichts Weiteres zu unternehmen, da man die Haltung Huertas abwarten will. In Südamerika
sympathisiert man jedoch keineswegs allenthalben mit dem Vorgehen der Union gegen Mexiko. So wurden in Montevideo Kundgebungen veranstaltet, um gegen das Vorgehen der Vereinigten Staaten in Mexiko zu protestieren. Die Polizei hat die Manifestanten verhindert, sich vor die amerikanische Gesandtschaft zu begeben. Nach einem kurzen Handgemenge, in dessen Verlaufe mehrere Personen verletzt wurden, konnte die Menge zerstreut werden.
Mexiko, 28. April. Zu den Unruhen in der Hauptstadt Mexiko wird gemeldet, daß zwanzig Personen bei einem neuen Versuch, den Waffenkordon um die amerikanische Gesandtschaft in der Stadt Mexiko zu durchbrechen, verwundet wurden. Der Pöbel schrie: „Hoch Huerta! Tod den Amerikanern I"
Washington, 28. April. Der mexikanische Minister des Aeußer» Rojas hat dem hiesigen spanischen Botschafter Riano mitgeteilt, daß er die Vermittlung annehme.
Buenos Aires, 28. April. Die Regierung hat die Genehmigung zu einer Protestkundgebung gegen das Vorgehen der Vereinigten Staaten in Mexiko versagt. Der Minister des Aeußeren erklärte, die Vermittlung der südamerikanischen Republiken stelle keine Bedingung. Er stelle in Abrede, daß sie die Absetzung Huertas zur Grundlage habe. Bolivien und Nicaragua erklärten sich Argentinien gegenüber bereit, sich der Vermittlung anzuschließen.
Württemberg.
Der König hat als ordentliches richterliches Mitglied der Regierung des Schwarzwaldkceises zur Mitwirkung bei der Auferlegung von Zwangsverpflichtungen im Sinne des Wassergesetzes den Landgerichtsrat Furch in Tübingen und als dessen 2- Stellvertreter den Landgerichtsrat Dr. Ammon daselbst bestimmt.
Stuttgart, 28. April. Nach beinahe dreiwöchiger Unterbrechung nahm heute nachmittag die Zweite Kammer ihre Beratungen wieder auf. In ständiger Sitzung erledigte sie mehrere Eingaben, darunter die des Verbandes der Württemb. Schäfereibesitzer um Freigabe der Böschungen für den ordnungsmäßigen Verkehr mit Schafherden auf den Staats- und Körperschaftsstraßen und die Ablösung der bisherigen Grasnutzungsrechte der Straßenwärter, welcher Eingabe die des Verbandes der Straßenwärter und der Amtskorporationsftraßen- wärler Württembergs entgegenftanden. Das Haus beschloß nach kurzer Erörterung, an der sich besonders die Redner der Rechten beteiligten, die Eingaben für erledigt zu erklären und die Regierung zu ersuchen, den Ministerialerlaß dahin zu ergänzen, daß eine strafbare Benützung der öffentlichen Straßen und ihrer Zubehörden auch dann nicht vorliegt, wenn die Schafe beim Ausweichen gegenüber von Kraftwagen vorübergehend die Böschungen betreten. Mittwoch nachmittag wird das Gebäudebrandoersicherungsgesetz in die erste Beratung genommen.
Stuttgart, 27. April. Zur Reise des Reichs» schatzsekretärs Kühn an die süddeutschen Höfe schreibt die „Nordd. Allg. Zeitung": An den Besuch der süddeutschen Höfe durch den Staatssekretär Kühn sind in einem Teil der Presse so sonderbare Betrachtungen geknüpft worden, daß sie von jedem, der den Dingen nicht völlig fernfteht, auf den ersten Blick als der tatsächlichen Unterlage entbehrend anerkannt werden mußten. Auf dieses freie Spiel der Phantasie näher einzugehen, schien uns bisher nicht erforderlich. Da jedoch die Versuche sensationeller Gerüchtsbildung nicht aufhören zu wollen schienen, sei festgeftellt, daß die Reise des Reichsschatzsekretärs ausschließlich durch Höflichkeitsrücksichten veranlaßt war und weder die Regelung irgend welcher Fragen des Wehrbeitrags noch die Vorbereitung neuer Rüstungs- oder Steuervorlagen bezweckte.