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62.

Neuenbürg, Samstag den 18. April 1814.

72. Jahrgang.

RunSichau.

Der Reichskanzler weilt seit Mittwoch abend zum nachösterlichen Besuch beim Kaiser auf Korfu. Die Anwesenheit des leitenden deutschen Staats­mannes auf derInsel der Phäaken" trägt natürlich keinen offiziellen Charakter, aber sie entbehrt trotzdem nicht ihres polimchen Beigeschmackes. Zweifellos wird Herr v. Betbmann-Hollweg Gelegenheit nehmen, dem Kaiser speziell in Hinblick auf die Minister­begegnung von Abbazia Bortrag über die augen­blickliche allgemeine politische Lage zu halten, außer­dem werden selbstverständlich die Unterredungen des Kanzlers mit dem zurzeit ebenfalls auf Korfu weilenden griechischen Minister des Aeußern Dr. Streit auch der hohen Politik gewidmet sein, ferner wird Herr v. Belhmann-Hollweg dem König Kon­stantin von Griechenland, der vorläufig noch im königlichen Palais in der Stadt Korfu residiert, seine Aufwartung machen. Weiler sieht man während des Besuchs des Reichskanzlers beim Kaiser auf Korfu der definitiven Entscheidung betr. des Nach-, folgers des Statthalters Grafen Wedel sowie hin­sichtlich der Frage, ob der Reichstag vor Pfingsten wieder den Sommer über vertagt oder aber formell geschlossen werden soll, entgegen. lieber den Tag der Wiederabreise des Kaiserpaares von Korfu ist nichts bestimmtes bekannt. Die in verschiedenen nichtdeutschrn Blättern aufgetauchten Behauptungen, Kaiser Wilh-lm werde auf seiner Rückreise von Korfu dem König Carol in Bukarest und dem Kaiser Franz Josef in Budapest einen Besuch abstatten, entbehren sicherem Vernehmen nach der Begründung.

Auf dem Gebiet der inneren deutschen Angelegen­heiten herrscht im allgemeinen noch die österliche Ruhe. Der Staatssekretär des Reichsschatzamtes Dr. Kühn hat die Osterferienpause des Reichstages zu einer kleinen politisch angehauchten Jnlandstour ausgenutzt. Auf ihr traf Herr Dr. Kühn zunächst in Dresden ein, wo er am Mittwoch vom König Friedrich August in längerer Audienz empfangen wurde. Von der sächsischen Residenz aus hat sich der Staatssekreläc nach München, Stuttgart und Karlsruhe weiterbegeben.

Unsere Reichspolitik steht gegenwärtig wieder ganz im Zeichen des Auswärtigen, d. h. alle Tages­fragen werden mehr oder weniger von der Politik des Auslandes berührt. Nur von dem einen sind wir bisher noch verschont geblieben, daß man uns auch noch mit den gegenwärtigen Vorgängen in Mexiko in Verbindung gebracht hätte. Aber sonst fehlt nirgends die Tendenz der politischen Minier­arbeit gegen Deutschland. Herausfordernd bis zu einer Anmaßung, die schon stark an die Grenze des Erträglichen geht, ist vor allem das Verhalten Rußlands, das nicht nur so weit geht, uns an­zukündigen, daß es seine Zollschranken gegen uns künftig höher stellen wird, was sein gutes Recht ist, sondern das nicht einmal vor direkten Gewaltmaß- nahmen in der Zollpolitik und zwar entgegen allen vertraglichen Abmachungen zurückschreckt, indem es gegen die Einfuhr deutschen Mehles in Finnland kurzweg Ausnahmebestimmungen in Kraft setzt, denen jede Rechtsgültigkeit fehlt. Und auf der andern Seite ein nicht nur offenkundiger, sondern geradezu beleidigender Boykott gegen Deutschland und zwar nicht bloß von privater, sondern von amtlicher Seite, ein Vorgehen, das man bislang in keinem Barbaren- lande gefunden. Bestimmt doch eine Verfügung des russischen Marineministenums nichts mehr und nichts weniger, als daß Staalsaufträge nach Deuischland nur dann gegeben werden sollen, wenn die deutschen Unternehmer, an die die Aufträge vorher vergeben werden sollen, vorher eine Kaution stellen, eine Geldsumme zur Sicherheit dafür hinterlegen, daß kein ruisiicher Beamler, der nach Deutschland kommt, in Haft genommen werde, wie es jüngst einem Russen in Köln passiert ist. Also die private Indu­

strie soll durch Hinterlegung von Geld Garantie dafür übernehmen, daß keinem Russen etwas in Deutschland passiert, da sonst ihr Geld verloren geht. Daß das keine Industrie kann, ist selbstverständlich, und der Mißbrauch, der mit dieser Kaution, die jedem anständigen Geschäftsgebahren hohnspricht, ge­trieben würde, liegt auf der Hand; der Spioniererei wäre damit Tür und Tor geöffnet, uns aber wären dagegen Hände und Füße gebunden. Das Verlangen Rußlands ist ein derartig unwürdiges, daß man sich nicht mehr wundern, sondern nur fragen kann, wie lange noch unsere Regierung sich ein solches Ver­halten gefallen läßt. Es scheint, daß der Unwille des Volkes ihr wieder einmal die Wege weisen muß, die sie zur Wahrung der Würde des Landes zu gehen hat.

Ein Ereignis, das uns eigentlich nur sehr indirekt berührt, das aber gerade von denen, die es angeht, in die deutschfeindliche Richtung hineinlanziert worden ist, ist der Abschluß des türkischen Pumps in Frankreich. Dieser ist unter Umständen vor sich gegangen, daß die Türkei ein gut Teil ihrer wirtschaftlichen Zukunft einfach an Frankreich verkauft hat, und der französischen Presse ist es Vorbehalten geblieben, uns zu sagen, daß das Uebereinkommen zum Nachteil Deutschlands abgeschlossen worden sei. Wie weit das der Fall ist, kann erst die Zukunft beweisen, aber bezeichnend ist, daß selbst dieser rein wirtschaftliche Vorgang von Frankreich selbst unter dem Gesichtspunk! der Nadelstichpolitik gegen Deutsch­land betrachtet wird. Und Frankreich hat uns in den letzten Tagen auch weiter verraten, wohin die Absicht seiner auswärtigen Politik gegenwärtig treibt. Neulich schon hat eine französische Stimme es aus­gesprochen, es sei bedauerlich, daß England sich nicht dazu bereit finde, mit Frankreich und Ruß­land statt der sogenannten Lntonto eoräiale, d. h. des reinen freundschaftlichen Verhältnisses, ein form­gerechtes Bündnis abzuschließen; wäre dies der Fall gewesen, so verriet uns diese Stimme, so hätte man schon seinerzeit mit Deutschland eine andere Sprache geredet (anläßlich der Marokkokrisis).' Aber jetzt, sagen die französischen Monitoren, wäre es doch eigentlich Zeit dazu, und den Grund dazu suchen sie, man höre, in der Zusammenkunft des österreichisch­ungarischen und des italienischen Ministers des Aus­wärtigen in Abazzia, die am Mittwoch dieser Woche stattgefunden hat. Diese Zusammenkunft, so argu­mentieren die Seinepoliliker, sei ein Beweis des noch engeren Zusammenschlusses des Dreibundes, und um diese Argumentation auch England, das sich den Lockungen gegenüber kühl verhält, schmackhaft zu machen, wird diesem vorgeredet, der Dreibund habe neuerdings besondere Pläne im Mittelmeer. Ob England sich damit einfangen läßt, kann füglich ab­gewartet werden, die Hauptsache liegt in der unver­kennbaren Absicht, die internationale Struktur zu verschärfen, die ganze europäische Politik neuerdings unter dem Gesichtswinkel der Deutschfeindlichkeit zu betrachten und den internationalen Kurs entsprechend zu dirigieren. Man braucht die Kräfte, die bei dieser Minierarbeit am Werk sind, nicht zu über­schätzen, noch fehlerhafter aber wäre es, sie zu unter­schätzen und ihr bloß mit den bei uns üblichen ewigen Loyalitätsversicherungen zu begegnen. Loyal können wir immer sein, aber Unanständigkeiten, wie sie gegenwärtig seitens Rußlands beliebt werden, brauchen wir doch nicht fortwährend einzustecken, und bös­williger Politik, wie sie seitens Frankreich getrieben wird, kann man schließlich nur begegnen, wenn man die Faust auch einmal aus der Tasche nimmt. Das ist kurz gesagt gegenwärtig die Situation in der internationalen, in der europäischen Politik.

Der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand von Oesterreich hat soeben in Vertretung seines erlauchten Oheims, des Kaisers Franz Josef, am Münchener Hofe den Gegenbesuch für den Antritts­besuch des bayerischen Königspaares am Wiener

Hofe abgestattet. Am Mittwoch abend fand in der Münchener Residenz große Galatafel zu Ehren des erlauchten Gastes statt. Hierbei wurden sehr herz­liche Trinkspiüche zwischen dem König Ludwig und dem Erzherzog Franz Ferdinand gewechselt, welche Kundgebungen die nahen verwandtschaftlichen Be­ziehungen zwischen den beiderseitigen Herrscherhäusern und das lange freundschaftliche Verhältnis zwischen Oesterreich und Bayern betonten. Anläßlich des Münchener Besuches des Erzherzoges Franz Ferdinand hat ein sehr warmer Depeschenaustausch zwischen König Ludwig und Kaiser Franz Joses stattgesunden.

In dem österreichischen Seebade Abbazia haben soeben der österreichisch ungarische Minister des Aus­wärtigen Graf Berchtold und der italienische Minister des Aeußeren Marchese di San Giuliano mehrere Tage zusammen geweilt. Der hervorragende politische Charakter dieser Ministerzusammenkunft ist ohne weiteres klar, zumal ihr auch der italienische Botschafter in Wien Herzog von Avarria und der österreichisch-ungarische Botschafter in Rom Graf Merey. sowie mehrere hohe Beamte des Wiener Auswärtigen Amtes beiwohnten. Die beiden Minister haben in Abbazia täglich stundenlange Unterredungen miteinander gepflogen, nur erfährt dre Oeffentlichkeit über ihren Inhalt und Verlauf noch nichts Positives. Di San Giulrano hat sogar den von ihm in Abbazia empfangenen italienischen und österreichisch-ungarischen Preßvsrtretern geradezu, wenn auch in äußerst liebens­würdiger Weise, erklärt, daß er grundsätzlich niemals Interviews gewähre; immerhin betonte er die guten Eindrücke, die er bei seiner erneuten Begegnung mit dem Grafen Berchtold gewonnen habe.

London. 16. April. Einer Timesmeldung aus Durazzo zufolge hat sich im äußersten Nordwesten Albaniens zwischen dem Weißen Drin und der montenegrinischen Grenze ein neuer auto­nomer Staat gebildet, dessen Hauptstadt Rechane ist. Der Präsident des Staates ist Arif Bey, der über eineArmee" von 200 Gendarmen verfügt, die mit 3 Pfund monatlich bezahlt werden. Große Besorgnis erregt bei den christlichen Albanesen das Abdankungsgesuch des Kabinetts Mitgliedes Adamadis, da auf diese Weise das Kabinett des Fürsten von Albanien noch türkischer und damit reaktionärer wird.

Ueber Nacht hat sich zwischen der Union und Mexiko aufs neue ein sehr gespanntes Verhältnis entwickelt. Die mexikanische Regierung weigert sich, der Forderung des Washingtoner Kabinetts, die amerikanische Flagge zur Sühne für die vorüber­gehende Gefangennahme bei Tampico gelandeter amerikanischer Marinesoldaten oder Matrosen durch mexikanische Bundestruppcn mittels Geschützsaluts zu ehren, nachzukommen. Die Union hat daher schleunigst ein starkes Geschwader mit Landungstruppen nach Tampico entsendet; es verlautet bereits, daß die Amerikaner bei fortdauernder Hartnäckigkeit der Huerta'schen Regierung Tampico und noch andere Punkle Mexikos besetzen würden. In New-Iorker politischen Kreisen hält man indeß trotz der Ge­spanntheit der Lage einen Krieg der Union mit Mexiko für nicht sehr wahrscheintich, wobei darauf hingewiesen wird, daß die mexikanischen Rebellen bei einem etwaigen kriegerischen Vorgehen der Union gegen Mexiko sich den Amerikanern mit bewaffneter Hand widersetzen würden.

In Peking soll eine Verschwörung gegen den Präsidenten Juanschikai entdeckt worden sein. An­geblich wurden dort fünfzig politische Verschwörer auf Befehl Juanschikais erschossen.

Zabern, 17. April. Wie soeben vom Truppenübungsplatz Oberhofen aus zuverlässiger Quelle verlautet, wird das Infanterie-Regiment Nr. 99 morgen nachmittag nach mehrmonatiger Abwesenheit wieder in Zabern einrücken und zwar wird das erste Bataillon um 4 Uhr 45 Min., das zweite Bataillon um 6 Uhr 37 Mm. hier einlreffen.