RunSschau.

Berlin. 18. März. Am Sonntag wurde der Ehrenmeister der Berliner Schlosserinnung Wilhelm Fritsch, der am Engelufer 2 b bei seiner Tochter wohnt, 102 Jahre alt. Der alte Herr mit schnee­weißem vollen Haupthaar saß am Vormittag im schwarzen Gehrock im Lehnsessel und freute sich über den Besuch und die Glückwünsche seiner Verwandten und Bekannten. Auf die Frage nach seinem Wohl­befinden antwortete er lächelnd, daß sich nun doch allmählich Spuren des Alters bei ihm fühlbar machten. Zeitweise lasse ihn sein Gedächtnis im Stich, auch das Gehör auf dem einen Ohr streike zeitweise. Am meisten aber beklagte er, daß er keine Zeitung mehr lesen könne, obgleich das Augenlicht für sein Alter noch ganz gut sei. Den Wunsch seiner Freunde, ihn im nächsten Jahre noch in gleicher Frische an­zutreffen, beantwortete er kopfnickend, wobei ihm die Tränen über die Wangen rollten.

München, 19. März, lieber den gemeldeten Beschluß des Gemeinderats, das sozialdem. Sängerfeft durch allgemeine Steuermittel zu unter­stützen, sind aus Kreisen der Münchener Bürgerschaft Schritte bei der Regierung unternommen worden, um die Durchführung dieses Beschlusses im Auf- sichtswege zu verhindern.

Frankfurt a. M-, 15. März. DieKleine Presse" veröffentlicht das folgende kleine Geschichtchen: Stehen da heute früh vor der Depeschentafel des Haupibahnhofs einige 81er und lesen dieerzbereile" Ankündigung des russischen Reichs. Ohne Wissen der Soldaten trat ein Offizier hinter diese, um ebenfalls Kenntnis von den ausgehängten Depeschen zu nehmen. Mit großer Genugluung konstatieren diese:Laß sie nor komme, mir sinn aach elzbereit". Der Offizier klopfte dem einen freundlich auf die Schulter:So ist es recht, Leute".

Ein trauriges Verhängnis hat die Frau eines Beamten in Danzig betroffen. Die Dame hatte während der Faschingszeit einen Zopf angelegt, der aus frisch importierten Chinesenhaar angeferligt war. Bald darnach zeigten sich Krankheitserscheinungen am Kopf der Dame, verbunden mit intensivem Haar­ausfall. Durch ärziliche Untersuchung, zu der man einen Spezialisten nahm, wurde feftgeftellt. daß durch den Chinefenzopf auf die unglückliche Dame Lepra überiragen ist; die Unglückliche wurde bereits einem östlichen Lepraheim zugeführ», wo es vielleicht noch gelingen könnte, der furchtbaren Krankheit Herr zu werden.

Münster, 18. März. Der jüngst verstorbene Kommerzienrat Piepmeyer hat testamentarisch 2 Millionen Mark zur Unterstützung von Krüp­peln ohne Unterschied der Konfession gestiftet.

Dünkirchen, 19. März. Das Unwetter wütet nach wie vor mit großer Gewalt. Die Schiff­fahrt ist noch immer unterbrochen. 15 Dampfer liegen im hiesigen Hafen und können nicht ausfahren.

Bei der am letzten Freitag früh in Metz erfolgten Hinrichtung des wegen Mordes und Totschlags

zum Tode verurteilten 26 jährigen Bergmanns Joh. Berresheim durch den Scharfrichter Silier von Zuffenhausen spielte sich eine Entsetzen erregende Szene ab. Die Hinrichtung wurde mit einer neuen Guilottine vollzogen, die erst einmal in Tätigkeit getreten war. Als das Messer niederfuhr, schlug es zwar die Wirbelsäule des Delinquenten durch, jedoch fiel der Kopf nicht herunter, sondern blieb an einigen Fleischteilen hängen, so daß der Körper des Hinge­richteten nicht entfernt werden konnte. Einer der Gehilfen des Scharfrichters zog darauf sein Taschen- ! Messer und schnitt damit die Fleischteile, die den ^ Kopf, festhielien, durch.

j Aus Bobrek wird gemeldet: Als gestern mittag -ein Gießwagen vollgefüllt mit etwa 4 bis 5 Zent­nern flüssigen Eisens vom Hochofenwerk nach dem ^ Stahlwerk befördert werden sollte, kippte der Wagen auf bisher unaufgeklärte Weise um, und der Inhalt ergoß sich auf eine in der Nähe befind- ! liche Aufenthaltsbude, in der sich vier Arbeiter ! befanden. Die Bude fing sofort Feuer, und die i Arbeiter waren gezwungen, durch die flüssige Masse ! zu waten. Einer war sofort tot, die anderen drei starben im Laufe der Nacht.

Bei Tours wurde ein 16 Jahre aller Kassen­bote von zwei bisher unbekannt gebliebenen Ver- - brechern seiner 5000 Frcs. enthaltenden Tasche be- i raubt, erdrosselt und sodann an einem Baume ! aufgehängt.

Der Kassier einer großen Fabrik in Czenstochau, der 20 000 Rubel für Löhne bei sich führte, wurde von Räubern überfallen, obwohl er von Polizisten begleitet war. Die Räuber schossen und warfen Bomben. Einige Personen wurden getötet. Die Beraubung des Kassiers mißlang. An dem Tatort wurden noch 3 Bomben gefunden.

London, 18. März. Wie gemeldet wird, sind die mexikanischen Rebellen von den Bundes- > truppen in der Nähe des FlussesBustamente" ge­schlagen worden. Die Gesamtzahl ihrer Toten und Verwundeten soll sich auf über 500 belaufen. Die Rebellen flohen in größter Unordnung und ließen ! viele Waffen und Munition auf dem Kampfplatz zurück.

Württemberg.

Stuttgart, 16. März. Der Verband der Amts- I korporationsstraßenwärter Württembergs hat an ! den Landtag eine Eingabe gerichtet um Ablehnung , der Schäfereibesitzerseingabe in Sachen der Frei­gabe der Straßenböschungen für das Weiden der Schafe.

Stuttgart, 17. März. Der Vorstand der Bau- und Gartendirektion sowie des Hofbauamts,

. Hofbaudirektor v. Berner, ist unter Verleihung des Titels Präsident in den bleibenden Ruhestand ver­setzt und Hofbauinspektor Wörner unter Verleihung des Titels Hofbaurat zum Vorstand des Hofbauamts ernannt worden. Bei dieser Gelegenheit ist die Bau- und Gartendirektion als Mittelstelle aufgehoben und das Hofbauamt, Hofgartenamt samt der Königsbau­verwaltung dem Oberhofmarschallamt unmittelbar untergeordnet worden. (Der neue Hr. Hofbaurat

M a r g a.

Roman von C. Crone.

511 (Nachdruck verboten.)

Wie ein sturmgewaltiges Rauschen war das Gefühl in ihre Seele eingezogen, als sie Hannibal zuerst ge­sehen und wie ein singendes Klingen aus Himmels- Höhen tönte es ihr seitdem durch Herz und Gemüt, hehr nnd schön, trotz aller Widrigkeiten und ihren grund­verschiedenen Sinnesarten.

Er. von Natur heiter und sorglos, bereit, sich in den Dienst alles Ritterlichen und Schönen zu stellen. Sie, still, wortkarg, in sich gekehrt, zum Grübeln ge­neigt und scheinbar nur Vernunft und kühlem Denken huldigend.

Freilich, deshalb durfte sie auch keinen Anspruch ans Gegenliebe machen. Sie besaß keine Vorzüge, durch welche sie ihn gewinnen könnte.

Wollte es auch mitunter scheinen, als hätte die einstige Abneigung Hannibals abgenommen, so war die Erinnerung an seine Werbung, die Ankunft auf dem Ulmenhof und sein sichtliches Bemühen, das Joch unauffällig zu tragen, gleich bei der Hand, die Schranke wieder aufzurichten, die sie trennte.

Und wie schroff hatte sie seinen guten Willen, ein erträgliches Verhältnis herzustellen, zurückgewiesen. Aus Furcht!

Auch der Stimme, die vom Einlenken sprach, gab fie kein Gehör, aus Furcht, sich zu verraten.

Sorgsam wachte sie darüber, daß die Augen nie den kühlen Blick vergaßen, der für die Umgebung be­stimmt war, aber die Seele jauchzte im Uebermaß des Glücks, dem Geliebten für das Leben anzugehören.

Margas Behauptung, daß Hannibal die Worte be­reue, die sie damals so wuchtig trafen, durste sie nicht glauben, wenn sie auch empfand, daß seine Trauer um Bianca viel von der ersten Herbheit verloren.

Die Nachricht von der Hochzeit des jungen Vaares war ebenso unvorbereitet erzählt worden, wie damals die Verlobung, aber Hannibal war völlig ruhig geblieben. Keine Miene hatte von Erregung gesprochen und der allgemein gehaltene Wunsch, daß es der jungen Frau auch ferner gut gehen möge, klang durchaus natürlich, man konnte fast sagen: sachgemäß.

Indes, daraus folgte ja nicht, daß seine Gefühle sich seiner Frau zuwandten. Manche kommen nicht darüber hinweg, daß sie sich verkauft haben. Können auch denjenigen nicht vergeben, die den Kauf vollzogen.

Das letztere war ihr Fehl - ihre Schuld!

Ihrem, allem Zaudern abholden Wollen folgend, hatte sie damals jeden Zweifel unterdrückt, der warnend aufgetaucht war. Um so mehr, als es jedem klar sein mußte, daß Blanca in ihrer kindlichen Haltlosigkeit nicht die rechte Frau für den, unter dem Druck der mütterlichen Bevormundung zur Unselbständigkeit hinneigenden Hannibal sei.

Von der Thatsache ganz abgesehen, daß Blanca ganz vermögenslos war, und die Familie Dahlberg vor dem Ruin stand.

Dem Ringen mit dem daraus entstehenden Ungemach

Wörner ist'der Sohn des Hrn. HauptlehrerS Wörner in Wildbad.)

Stuttgart, 18. März. Mit dem Abbruch des alten Gymnasiums in der Gymnasiumstraße wird anfangs April begonnen werden. Der Bau stammt aus dem Jahre 1685. An seine Stelle kommt ein neues großes Bankhaus der Würltemb. Bankanstalt, das noch im Laufe dieses Jahres in der Hauptsache vollendet werden soll.

Stuttgart, 17. März. Wie die Schwäb. Tag­wacht nunmehr abschließend mitteilt, sind in Stutt­gart während derRoten Woche" 1275 Partei­mitglieder, davon 945 männliche und 330 weibliche gewonnen worden. Das Blatt selbst hat der Agitation insgesamt 425 neue Abonnenten zu verdanken.

Tübingen,18. März. Am Mittwoch, 25. März mit Eintritt der Dunkelheit werden die neuen Formen derVorsignale und der Langsamfahrscheiben (Doppellicht) auf der Strecke PlochingenTübingen in Betrieb genommen.

Eßlingen, 18. März. Oberstaatsanwalt von Hecker in Stuttgart, ein gebürtiger Eßlinger, hat der Stadt zur Erbauung eines Brunnens ein Legat von 20 000 Mark testamentarisch vermacht. Als Motiv für den Brunnen hat d?r Bildhauer Kiemlen die Postmichelsage gewählt.

Ludwigsburg, 18. März. Heute vormittag machte sich im Kontor der Haußerschen Spielwaren­fabrik ein junger Kaufmann mit einer gestern ge­kauften Browningpistole zu schaffen. Die Pistole entlud sich und drang seinem ebenfalls anwesenden 30 Jahre alten Kollegen Friedrich Grün von hier in die rechte Brustseite. Die Lunge wurde ver­letzt. Der Getroffene wollte sich in seine in nächster Nähe befindliche elterliche Wohnung begeben, brach aber unterwegs zusammen und starb alsbald. Ge­richtliche Untersuchung wurde sofort eingeleitet.

Laufen a. N., 18. März. (Iubiläu m.) Das seinerzeit durch die elektrische Kraftübertragung zur Frankfurter Ausstellung in der ganzen Welt bekannt gewordene Württemb. Portlandzementwerk hier hat anläßlich seines bevorstehenden 25 jährigen Jubiläums den Arbeitern namhafte Zuwendungen gemacht und dem Freibettenfonds 2000 Mk. als Jubiläumsgabe überwiesen.

Mühlacker. 18. März. Der letzte Brand in derRose" hat noch nachträglich ein Opfer ge­fordert. Als der 40jährige verheiratete Wirt und Metzger Karl Spielmann beim Löschen half, wurde ihm plötzlich übel. Man brachte ihn in eine nahe Wirtschaft und dann nach Hause, wo er noch am gleichen Tag einem Herzschlag erlegen ist.

Jsny, 18. März. Gestern machten verschiedene Rekruten eine Autofahrt nachWeidnau. Bei der Rückkehr verlor der Chauffeur die Herrschaft über das Auto und fuhr einen Meter hohen Rain hinab. Die Insassen wurden herausgeschleudert. Ein Rekrut wurde schwer verletzt und ist bis heute vormittag 9 Uhr noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Der Chauffeur und die übrigen Insassen kamen mit dem Schrecken davon.

wäre das bis dahin unbeschwerte nnd fast frauenhaft weiche Gemüt Hannibals kaum gewachsen gewesen, wenn er auch dem plötzlich aufgedeckten Verfall seines Hauses mannhaft ins Auge gesehen.

Neben Blanca wäre er nicht aus der Gewalt der Mutter herausgekvmmen.

Jetzt erstarkte er allmählich, wenn auch der Mund das sonnige Lächeln, und die Augen den fröhlichen Blick kaum mehr fanden.

Der sinnenden Frau that die Ueberzengung Wohl, daß er sich immer sicherer auf sich selbst stellte.

Manchmal war es, als erwüchsen ihm Flügel, die ihn ans den alten Fesseln hinaustrügen.

Nur dürfe ihn dabei nicht das tägliche, kleinliche Sorgen hemmen, das oft so viel Kraft und Geist erstickt.

Diese Umklammerung hatte ja-der Kaufpreis

fern gehalten.

Ob er je verstehen wollte, wie sie alles gemeint?

Möglich, daß sie das Leben hindurch daran zu tragen haben würde, daß er ihr Motive unterschob, die ihrem streng realen, aber doch auch feinfühligen Denken gänzlich fremd waren.

-Fanny stand auf und trat an das Fenster.

Sie beugte sich weit heraus, den würzigen Erdgernch in tiefen Zügen einzuatnien.

Wäre doch Marga hier.

So mitten im FrühlingSzanbcr mnßien die erregten Sinne sich beruhigen.

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Berlag der T. Meeh'sche» Buchdruckerei de» Enztäler» (Inhaber G. Lonradi) in Neuenbürg.