RunSschau.

Aus Baden. Eine außerordentliche General­versammlung hat der Badische Hauptverein des Evang. Bundes am 11. Februar in Karlsruhe abgehalten. Die aus allen Teilen des langgestreckten Großherzogtums, insbesondere aus Laienkreisen sehr zahlreich besuchte Versammlung erörterte hauptsächlich die Jesuiten frage. Einstimmig wurde folgender Beschluß gefaßt:Die im Hinblick auf die mini­steriellen Erklärungen im Badischen Landtag vom 13., 14. und 16. Januar ds. Js. über Milderung des Jesuitengesetzes einberufene außerordentliche Generalversammlung des Evang. Bundes erhebt im Namen von 24 000 Mitgliedern entschieden Einspruch gegen jede Abbröckelung des Jesuilengesetzes. Hat die Schweiz ein Verbot jeglicher Tätigkeit des Jesuitenordens in Kirche und Schule in ihre Ver­fassung ausgenommen, so ist ein Verbot in unserem konfessionell so gemischten Lande erst recht nötig. Die Versammlung erblickt in der Wirksamkeit der Jesuiten eine Gefahr für den konfessionellen Frieden und ist der Ueberzeugung, daß eine Nachgiebigkeit auf diesem Gebiet, die von größter grundsätzlicher und politischer Bedeutung sein würde, lediglich das ultramontane Machtbegeh'en verstärken und durch Verschärfung der konfessionellen Gegensätze eine gedeihliche Entwicklung in Baden hemmen muß. Mit Rücksicht auf die von der Regierung beklagten Gesetzesübertretungen der Jesuiten fordert die Ver- sammlung eine energische Handhabung der Gesetze."

Das Danziger Schwurgericht verurteilte den dortigen Frauenarzt Dr. Julius Levi wegen Verbrechens gegen 8 218 des Strafgesetzbuches zu 1 Jahr Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust. Mit früheren Strafen, die Levi im Zuchthanse zu Grau- denz absitzt, wurde seine Gesamtstrafe auf 5'/i Jahre Zuchthaus festgesetzt.

Frankfurt a. M. Bei einer Streife, die die Polizei kürzlich durch ein hiesiges Cafö unternahm, wurden 40 Personen festgenommen, von denen 30 bereits vorbestraft waren, zum Teil mit Zucht­haus. Sieben der Festgenommenrn wurden steck­brieflich verfolgt. Ein Teil des Personals des Cafes entpuppte sich als Einbrecher und Hehler. Auch mehrere Dirnen, die sestgenommen wurden, halten sich der polizeilichen Kontrolle seit langem entzogen.

Karlsruhe, 20. Febr. Im Schwarzwald und in den Vogesen herrschte gestern ein heftiger Schneesturm. Die Temperatur sank auf dem Feldberg und auf dem Belchen auf 7 Grad unter Null. Der Neuschnee liegt 1015 ew hoch.

Madrid, 19. Febr. Eine heftige Feuers­brunft hat heute morgen in der Nähr von Jrun einen Forst mit 50 000 Tannen zerstört. Die Polizei verhaftete 36 Personen, die der Brandstiftung ver­dächtig sind.

Graz, 20. Febr. In Ploderberg in Steier­mark hat sich ein bedauerliches Unglück zugeiragen. In Abwesenheit des Grundbesitzers Walter Balschak

M a r g a.

Noman von C. Crone.

34) (Nachdruck verboten.)

Unterdessen konnte Ellinors zarte Schönheit wenn auch nicht verblüht sein, so doch gelitten haben, und die Baronin hielt es für unerläßlich, äußere Vorzüge zu besitzen, um Beachtung zu finden.

Und zuguterletzt wer verbürgte es, daß eine Verbindung wie diese, auch später zu Gebote stand? Die Zahl derer, die in Betracht kommen konnten, war nicht grob. Um so mehr hieß es klug sein.

Ganz leicht war es freilich nicht, die Sache noch in der Schwebe zu erhalten. Sie mußte ihre ganze, erprobte Klugheit aufbieten, um Macleinan in der Hoffnung zu bestärken, daß es ihm doch noch später vergönnt sein würde, das geliebte Mädchen beim- zuführen.

Die Tbeevause war vorüber.

Lautlos entfernte die Dienerschaft Tassen und anderes Zubehör, während die Baronin mit Wohl­gefallen ihre Augen über die Blütcnlese der Gesellschaft bingleiten ließ, die sie, von Jugend, Rang und Schönheit umstrahlt, um sich versammelt sab.

Ehe wir anfangen", begann sie mit erhobener Stimme und blieb mitten im Zimmer stehen,erbitte ich mir für kurze Augenblicke die allgemeine Auf­merksamkeit."

Als gelte es etwas, worauf sie sich besonders freute, mitzuteilen, so blitzten die dunklen Augen im funkelnden

spielten dessen Kinder in der Wohnung mit Zünd­hölzer. Dabei geriet der Kinderwagen in Brand. Ehe Hilfe kam, waren alle fünf Kinder erstickt.

Württemberg.

Der Fall Wagner.

Der Massenmörder Ernst Wagner von Degerloch ist, wie bekannt, dem Anträge der Staats­anwaltschaft entsprechend hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Verbrechen wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wodurch seine freie Willensbestimm- ung ausgeschlossen war, außer Verfolgung gesetzt worden. Der Staatsanzeiger gibt nun die dem Ge­richtsbeschluß beigegebene Begründung, soweit sie zur Aufklärung der Oeffentlichkeit von Bedeutung ist, bekannt. Aus den sehr umfangreichen Ausführungen ist folgendes hervorzuheben:

Die vorsätzliche Tötung seiner Angehörigen, sowie der Mühlhausener Mannspersonen (mit Ausnahme der Frauenspersonen und Kinder, auf die er nicht habe schießen wollen) und die Brandlegungen in Mühlhausen gibt Wagner unumwunden zu. Die in der Voruntersuchung angegebenen Beweggründe zu seinen Straftaten führte der Angeschuldigte auf seine bereits im Herbst 1901 in Mühlhausen begangene sittliche Verfehlung zurück, wegen der er im Laufe der Zeit in Mühlhausen, Radelstetten und Degerloch von den Leuten verhöhnt worden sei, obwohl zweifels­frei festgestellt worden ist. daß von jener Verfehlung überhaupt niemand eine Ahnung gehabt, geschweige denn daß jemals irgend jemand den Angeschuldigten Hiewegen verlacht, verhöhnt oder gar anzuzeigen An­stalt gemacht hätte. So sei schon in Radelstetten in ihm der Entschluß gereift, sich, seine Familie und alle, die ihn aus reiner Schadenfreude überall ver­folgt und unmöglich gemacht hätten, ums Leben zu bringen. Der Gedanke, insbesondere die Seinigen zu töten, sei ihm ungemein schwer gefallen. Er habe 13 Jahre hindurch fast stündlich auf seine Verhaftung wegen der sittlichen Verfehlung gewartet; sein schwaches Nervensystem sei immer zerrütteter geworden; und zur Ermordung von Frau und Kin­dern, die er absichtlich in die Ferien verlegt habe, habe er seine ganze Kraft zuiammennehmen müssen; im übrigen aber sei alles abgetaufen wie ein Uhr­werk; schmerzlich sei es für ihn, daß er am Selbst­mord verhindert worden sei; seine Tat selbst aber vermöge er nicht zu bereuen, er übernehme für alles die volle Verantwortung. Diese seine subjektive Darstellung entspricht durchaus der Wahrheit, wie er überhaupt als ein Fanatiker der Wahrheit bezeichnet wird und dies auch in seinen biographischen Schriften zum Ausdruck kommt. Seine Selbstvorwürfe haben im Laufe der Zeit nicht nachgelassen, sich vielmehr von Jahr zu Jahr gesteigert. Jahre hindurch hat er sich mit nichts anderem mehr als mit jeder Ver­fehlung und ihren vermeintlichen Folgen beschäftigt. Sein vor 6 Jahren abgefaßtes, bluttriefendes Drama Nero" habe er, wie er schreibt, nur zu dem Zweck verfaßt, um sich in die ihm wenig zusagende Rolle des Mörders und Brandstifters hineinzuleben; dabei wird ihm bezeugt, daß er kaum imstande gewesen

Glanz und das Gesicht zeigte, trotz aller Selbst­beherrschung, eine Erregung, die den meisten aufsiel.

Seine Hoheit, der Fürst", klang es in der laut­losen Stille,haben den lebhaften Wunsch zu erkennen gegeben, die vor kurzem abgereiste Sängerin zur Rückkehr zu veranlassen, daß sie sich mit ihrem Talent an der Abendunterhaltung beteilige. Ist auch eine solche Aenßernng sonst Befehl, so möchte ich erst einige That- sachen zur Kenntnis bringen, ehe wir eine Bestimmung darüber treffen."

Ein dichter Kreis, der mit sichtlicher Svanmmg des weiteren harrte, hatte sich um die Hausfrau gebildet.

Nur Fanny war etwas avMts litzen geblieben, während Hannibal nachlässig im anstoßenden Zimmer am Ofensims lehnte, scheinbar, ohne viel auf die Um­gebung zu achten.

In maßgebenden Kreisen ist es vielfach erörtert worden", fuhr die Baronin mit berechneter Langsamkeit fort,daß die genannte Persönlichkeit ein tiefes Dunkel um sich zu verbreiten verstand. Fragen, wie: Wer ist sie, wo kommt sie her? wußte niemand zu beantworten. Es soll ja freilich für diejenigen, welche Reklame brauchen, ein wirksames Mittel sein, sich in dichte Schleier zu hüllen, und mit manchen Dingen geheimnis­voll zu thun, worauf andere kaum verfallen."

Die Baronin lachte harmlos auf. Sie genoß ordentlich selbst die behagliche Breite, mit der sie ihre Mitteilungen einleitete.

Von Anfang an konnte ich ein gewisses Miß­trauen gegen dieses schnell emporsteigcnde Schoßkind der Residenz nicht unterdrücken. Nach dem von Seiner

sei, auch nur eine Fliege umzubringen. Alles, was sich der Angeschuldigte unterstellt hat, ist eine reine Einbildung, ein leerer Wahn gewesen. In seinen Schriften führte er aus, daß er einen Massenmord als eineSanierung der Menschheit", ja als einen Gottesdienst" ansehen würde. Weil er sich immer verfolgt glaubte, steigerte sich die nicht geringe Ein­schätzung seines eigenen Wertes allmählich ins Krank­hafte, wie er sich auch trotz der Verübung seiner Untaten für weitaus den besten von allen Menschen hielt. Schon als Knabe fiel der Angeschuldigte durch sein sonderbares, verschlossenes, schwermütiges und mit Selbstmordgedanken erfülltes Wesen auf. Später entwickelte sich bei ihm eine starke Sexualität. Wegen nervöser Störungen mußte er wiederholt ärztlich behandelt werden. Bei seinen Kollegen, mit denen er allerdings wenig Verkehr pflegte, war er wohlgelitten. Professor Dr. v. Gaupp in Tübingen hält den Angeschuldigten für erblich belastet und für einen ausgesprochenen Psychopathen. Auf dem Boden dieser Anlagen entwickelte sich die übertriebene Beurteilung seiner sittlichen Verfehlung, die sich schließlich bis zur Verzweiflung steigerte und sein ganzes Denken wahnhaft verfälscht und verkehrt machte. Der chronisch systematisierte Verfolgungswahn be­herrschte ihn schließlich von Grund aus und trieb ihn zu einem Pessimismus, der ihm jeden Maßftab für Recht und Unrecht, Schuld und Sühne raubte und ihm schließlich die Freiheit seiner Willens­bestimmung entzog. Nach dem Gutachten der Sach­verständigen besteht die Geisteskrankheit auch jetzt fort, ja sie ist als eine noch im Zunehmen begriffene und als eine dauernde Erkrankung anzusehen, die den Angeschuldigten als gemeingefährlich erscheinen läßt. Er ist daher zu dauernder sicherer Verwahrung in einer Irrenanstalt der zuständigen Polizeibehörde überwiesen worden.

Ulm, 20. Febr. In die Faschingsfreude haben in Ulm, wo diese besonders hohe Wogen trelbt, drei Geschehnisse letzter Zeit dunkle Schalten geworfen. Ein hiesiger Geschäftsmann, der vor seinem Ruin stand, hat sich erschossen. Ein Bankbeamter hat seinen Lebensdrang durch fremde Gelder befriedigt, und ein junger Offizier hat seinem durch Geldfragen und das Ewig Weibliche verpfuschten Leben durch eine Kugel e«n schreckliches Ende gemacht. Für eine S>adt wie Ulm ist das im Zeitraum von vier Wochen wahrhaftig mehr als genug. Ihre besonders charakteristische Note erhalten aber diese Vorfälle noch dadurch, daß sie in ihrem letzten Grunde auf das Ulmer Nachtleben und seine Lokale zurück­zuführen sind. Man nennt sich hier ihre Namen, wo die jüngere und ältere Lebewrlt nebst den ent­sprechenden Dämlichkeiten die Nacht in den Tag hinein verlängert, ohne jedes Bedenken, und es unterliegt auch nach allem, was man hört und sieht, keinem Zweifel, daß man mit solchen Mutmaßungen durchaus auf der rechten Spur ist. Die Laxheit, mit der man vor solchen grassen Zuständen auf polizeilicher Seite vorübersteht, ist kaum verständlich.

Hoheit geäußerten Wunsch hielt ich es vollends für meine Pflicht, etwas Klarheit zu schaffen und die an- gestellten Erkundigungen haben eigenartige Dinge zu Tage gefördert."

Ein verstohlener Blick flog zu Fanny hinüber, die jedoch nicht um eine Linie ihre gleichgiltige Haltung änderte.

Die jetzt so Gefeierte ist ans der Hefe des Volks. Die ersten zehn Jahre ihres Lebens ist sie barfüßig in der Haide umhergelaufen, Wo sie ein paar magere Schafe hütete, indes ihre Eltern durch Binden von Reisigbesen den sonstigen Unterhalt erwarben. Ein Zigeunerleben ohne Erziehung, ohne sittlichen Halt, wie es noch von Zeit zu Zeit in welteutlegenen Einöden Vorkommen soll. Störrisch und dabei träger Natur, behagte das wilde Leben der Kleinen so sehr, daß es Mühe kostete, sie von dem ungebundenen Nichtsthu» nbzubringen."

Ein Phantast jedoch, von dem auch manches berichtet wurde, verstand es, ihr die Zukunft im Licht des Ehr­geizes so zu zeigen, das; sie es doch vorzog, das Umher- schweisen in der Haide aufzugeben, um eine Stellung in der Gesellschaft dafür einzutauschen. Ein ganz kluges Manöver. Es gicbt ja auch immer Leute, die bereu sind, selbst mittelmäßige Talente zu unterstützen, meistens in der Hoffnung, daß vielleicht ein Schimmer des Ruhmes ihren eigenen Namen dabei der Vergessenheit entreißt. Wer jedoch hier als Förderer der Kunst thätig gewesen ist, das liegt noch in dem Dunkel» an dem die Sängerin sesthält."

(Fortsetzung folgt.)

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