Zweites
Blatt.
Der «nztäler
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28.
Neuenbürg, Mittwoch den 18. Februar 1914.
>72. Jahrgang.
Württemberg.
Ein Württemberger als Baumeister in Albanien. Die Vorbereitungen zum Empfang des Fürsten von Albanien sind in vollem Gange. In der zukünftigen albanischen Residenz, in Durazzo, wurde seit einigen Wochen eine fieberhafte Tätigkeit entwickelt. Das Schloß von Durazzo wurde vollständig umgebaut und neu eingerichtet. Bauleiter uud Architekt ist Benno Grimm, ein geborener Württemberger.
Stuttgart, 16. Februar. Die Blutat in San Remo hat hier ein tragisches Nachspiel gefunden. Die hier lebende Mutier des wegen des Mordes an dem Leipziger Kaufmann verhafteten 22 jährigen Longfield-Wolff hat sich aus Verzweiflung über die Tat ihres Sohnes in der vergangenen Nacht aus dem Fenster ihrer im 3. Stock eines Hauses der Reinsburgstraße gelegenen Wohnung abgestürzl. Ihre Leiche wurde von einem Wächter der Nacht- wach- und Schließgesellschaft aufgefunden. Die im Alter von 44 Jahren stehende Frau litt seit dem Bekanntwerden des Mordes unter geistigen Störungen und mußte von ihren Angehörigen Tag und Nacht bewacht werden. Sie hatte bereits einmal versucht, sich ein Leid anzutun. Heute Nacht stürzte sie sich nun, ohne daß irgend jemand von ihren Angehörigen etwas bemerkte, aus dem Fenster in den Hofraum hinab. Als der untersuchende Polizeibeamte gegen 4 Uhr früh nach der Auffindung der Leiche in der Wohnung nachfragte, glaubten die Angehörigen der Frau noch ahnungslos, daß sie sich im Bett befinde.
Im Landesgewerbemuseum wurde anläßlich des Kurses über autogene Metallbearbeitung von Ingenieur Wandschneider ein Vortrag über „elektrische Schweißmaschinen" gehalten. Zu demselben hatten sich Gäste aus dem ganzen Lande herbemüht. Namentlich interessierten die dem Vortrag folgenden praktischen Vorführungen der drei im Betrieb befindlichen Maschinen. Dieselben werden mit Wechselstrom von 2 bis 3 Volt Spannung betrieben, die Stromstärke beläuft sich auf mehrere 1000 Ampöre. Das Nietverfahren wird durch die außerordentlich rasch und sicher arbeitende Punktiermaschine bei tausenden von praktischen Anwendungen schon ersetzt. Die Nahtschweißmaschine hat die Aufgabe, das Falzen von Blechen zu erübrigen. Zu der ungefährlichen Bedienung der Maschinen können ungelernte Kräfte verwendet werden, eine Feuererscheinung findet kaum statt. Die Stromkosten sind gering. Die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft läßt die Maschinen
M a r g a.
Roman von C. Crone.
Z2) (Nachdruck verboten.)
„Ein leichtes Frösteln schüttelte die schlanke Gestalt der jungen Frau. Sie schürte die Glut im Kamin, daß sie noch einmal auflcuchtete.
„Kannst Du es mir verdenken, Erika, daß ich vor seiner hingehaltenen Hand zurückwich? Die meinige hineinzulegen, war mir unmöglich. Hatte ich auch ein Unrecht gethan - diese Strafe war zu hart. - Wir würden ja auch ohne Handschlag den Vertrag halten, meinte ich. Mit unserem geringen Fond an Zusammengehörigkeit könnte jedoch von Kameradschaft oder gar Freundschaft keine Rede sein. Wir müßten zufrieden sein, wenn es uns gelänge, der Welt gegenüber die Grenze höflichen Ertragen? innezuhalien. — Müdigkeit vorschützend, sagte ich ihm: Gute Nacht und ging in mein Zimmer." — Eine Zcitlang schwiegen beide. — Draußen fiel der Schnee in dicken Flocken. Schon lag er so hoch in den Straßen, daß jeder Lärm gedämvft wurde. Weder Wagengerassel noch Fußtritte waren hörbar. So drang eS nicht hinauf, daß ein Wagen vor dem Hause hielt, auch nicht, daß er halten blieb, nachdem der Fahrgast ausgestiegcn und im Hausflur verschwunden war.
„So war es und so ist es geblieben", unterbrach Fannv flüsternd die entstandene Panse. „Verlange nicht, daß ich um etwas betteln soll, von dem ich im Voraus weiß, daß es mir abgeschlagen wird. Lieber vergehen!" - Erika hatte den Kovf gebeugt und Thräue um Thrüne lief über das junge Gesicht.
noch einige Zeit im Motorensaal des Landesgewerbemuseums aufgestellt, wo sie während der Besuchsstunden im Betrieb vorgeführt werden können.
Der Würtlemb. Bund für Handel und Gewerbe schreibt uns: Vorsicht vor Hausierern mit Stoffen zu Herrenanzügen rc. Es wird uns mitgeteilt, daß in verschiedenen Oberämtern des Neckar- und Jagstkreises Hausierer mit Stoffen zu Herrenanzügen auftreten, vor denen Vorsicht geboten ist. Diese Hausierer sollen u. a. 3 Meter Herren- anzugsftoff zum Preis von Mk. 30.— anbieten und verkaufen und als Geschenk Stoff zu einem Kostümkleid für Damen dazu geben. Wie wir wiederholt festgestellt haben, sind derartige von Hausierern an- gebotene Stoffe von geringster Qualität, so daß die Käufer von dem Anzugsftoff samt dem „geschenkten" Kostümkleidstoff keinen Vorteil haben, wie Unkundige vielleicht annehmen. Es liegt im eigensten Interesse der Bevölkerung, ihren Bedarf nicht bei Hausierern zu decken, sondern bei den alteingesessenen einschlägigen Geschäften in den Orten unseres Bezirks. Ein orts- ansäßiger Geschäftsmann ist stets bedacht, um sich seine alte Kundschaft zu erhalten, diese preiswert und reell zu bedienen, es kann daher nicht eindringlich genug gewarnt werden, fremden Hausierern gegenüber äußerst vorsichtig zu sein.
Schießsport. Die Unterländische Zimmerschützenvereinigung teilt uns mit. daß zur Abhaltung ihres 13. Verbandes - Festschießen die Stuttgarter Schützengilde ihre ideal gelegene Schießstätte in Stuttgart-Karlsvorstadt in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt hat. Das Fest findet am 28. und 29. Juni statt und wird nach der seitherigen Beteiligung zum Schießen mit einigen Hundert Schützen aus Nah und Fern gerechnet werden können. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange und denjenigen Gesellschaften, die diesem weitverzweigten Verbände noch nicht angehören, ist Gelegenheit geboten, sich bis znm 1. Mai anzumelden. Alles Nähere ist zu erfahren durch den beauftragten Schriftführer Herrn Albert Heinzelmann, Kaufmann, Stuttgart, Senefelderftraße 73.
Reutlingen, 15. Februar. Die diesjährige Landesversammlung der württ. Jungliberalen wird am Sonntag, 22. März, hier gehalten werden.
Heidenheim, 15. Febr. Der Vorsitzende der Handelskammer hat in der letzten Sitzung festgestellt, daß die Geschäftslage im Bezirk überwiegend wenig günstig war, daß aber gewisse Zeichen jetzt auf eine Besserung Hinweisen. — Die Kammer hat
„Könnte ich Dich doch überzeugen, Fanny, daß Baron Hannibal bereut, die voreiligen Worte gesprochen zu haben. Glaube mir, seine Neigung wird Dir einst voll und ganz gehören, wenn Du es willst. Mache es ihm doch nicht so schwer, umzukehren. Lab die Milde, die jeder Frau zu Gebote steht, walten, daß auch Deine Seele von dem beengenden Druck befreit wird, der Deine Lebensfreude im Banne hält. Sieh, Fanny, es giebt ja nichts Schöneres, als zugefügte Kränkungen zu vergeben, nichts Beglückenderes, als das eigene Ich mit all seiner Selbstsucht und Selbstgerechtigkeit aufzugeben und denen den Weg zu ebnen, die man — lieb hat. Halte nicht die Schranken künstlich aufrecht, die Euch trennen, herzliebe Fanny. — Reiße sie herunter und sei ganz Du."
Eine Hand hob den schweren Thürvorhang etwas in die Höhe. Der Eintretende blieb jedoch stehen, als er Fanny sprechen hörte.
„Du irrst, Erika. Wir tragen beide kein Verlangen nach einer Verständigung. Hannibal und ich werden uns immer Fremde bleiben. Wo keine Liebe ist, muß man sie nicht hcrvorbringen wollen. Alle Unnatur rächt sich."
Lautlos fiel der Vorhang wieder herab, ohne daß die beiden es bemerkten.
Die Kaminnhr schlug zwölf.
„So spät", fuhr Erika auf. „Ich muß fort, Liebe, der Wagen wird warten. Ich werde an Euch beide viel denken. So lasse ich Euch nicht. Noch eins, Fanny", sagte sie schüchtern und wandte das Gesicht zur Seite, „Du thust ein verdienstliches Werk, wenn Du Dich Deiner Schwägerin mehr annimmst. Habe ein Auge auf sie und stehe ihr bei, daß sie von dem „Schatten"
sich für Hausierverbot mit Herrenkleiderstoffen ausgesprochen.
Von der Reutlinger Alb. 16. Februar. Anstatt der Auflage, die nicht vorschriftsmäßig gesetzten elektrischen Lichtmasten der Oberschwäbischen lieber- landzentrale tiefer in den Boden einzugraben, nachzukommen, sägten die Arbeiter die Masten um 20 bis 40 Zentimeter der unteren Längen ab. um schneller mit der Sache fertig zu sein und keinen größeren Lohnausfall zu haben. Die abgesägten Stücke wurden aber in einem Heuschuppen gefunden und dadurch kam der Betrug an den Tag. Es erwächst dem Akkordanten aus dieser Arbeit ein empfindlicher Schaden, denn er mußte sämtliche beanstandeten Leitungsmasten neu liefern und nachsetzen lassen.
Vom Oberen Neckar, 12. Febr. In einem Städtchen des oberen Neckars erließ der Dirigent eines seit langem bestehenden gemischten Singchors, der auch zu religiösen Zwecken diente, folgende resolute Bekanntmachung: „Weil der Besuch der Proben in letzter Zeit so unregelmäßig war, daß kaum die Hälfte der Damen und Herren, auf deren pünktliches Erscheinen ich glaubte bestimmt rechnen zu dürfen, anwesend war, so stelle ich die Singstunden hiermit ein. So weiter zu arbeiten hat keinen Zweck." (Sollte die Fastnacht daran schuld sein? Oder schaden auch da die vielen Vereinsgründungen den alten, ideal und solide arbeitenden Vereinen?)
Von der Iller, 16. Februar. Die Iller ist durch die infolge des Föhns und der Regenfälle beschleunigte Schneeschmelze im Steigen begriffen.
Baienfurt OA. Ravensburg, 16. Februar. Freitag früh gerieten die in der Papierfabrik beschäftigten Arbeiter Johannes Schund von Schweinhausen OA. Waldsee und Otto Sjchwetzler von Tübingen in Streit, in dessen Verlauf Schwetzler von Schund mit einem Messer ins Genick gestochen wurde. Schwetzler starb nach einer Stunde an Verblutung.
Württembergisches Porzellan. Es dürfte noch nicht allgemein bekannt sein, daß in Württemberg, dessen Ludwigsburger Porzellanmanufaktur in so hohem Ansehen stand, sich aber trotz diesem Ansehen und trotz dem fürstlichen Schutz, den sie genoß, im Jahr 1824 zur Einstellung ihres Betriebs veranlaßt sah, seit 1904 wieder eine heimische Porzellanindustrie besteht, die zwar nicht wie einst die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur unter fürstlicher Regie arbeitet, aber doch an die
befreit werde. Sie wehrt sich so gut es geht, soviel weiß ich mit Bestimmtheit, aber ob die eigene Kraft billreicht, bin ich nicht sicher. Laß es nicht geschehen, Fanny. Wenn ich fort bin, will ich Dir die Sache schriftlich anSeinandersctzen, es ist besser so. Dann wirst Du sehen, daß Du Deine Macht in die Wagschale für das Gute und Richtige legst. Lebe wohl!"
In dem hell erleuchteten Zimmer vor dem Salon stand Hannibal, noch im Mantel, an einen Pfeiler gelehnt.
Als seine Frau und Erika eintraten, strich er sich über die Stirn, als besinne er sich, weshalb er hier sei.
„Ich habe mir erlaubt, die Droschke fortzuschicken, die Sie für den Heimweg benutzen wollten, Fräulein Erika — Mein Wagen bringt Sie nach Hause, der ist bequemer und wärmer."
„Tausend Dank, Herr Baron, dann ist es keine Kunst, mutvoll Schnee und Külte Trotz zu bieten. Gute Nacht!"
Die Thür hatte sich kaum hinter Erika geschlossen, als Fanny sich ihrem Manne znwandte.
„Ich danke Dir", sagte sie freundlich und streckte ihm die Hand entgegen.
„Bitte", klang es kalt zurück und ohne die Hand zu beri'chren, wandte er sich mit einer kurzen Verbeugung zum Gehen.
„Gute Nacht!"
„Gute Nacht!"
Damit trennten sie sich.
Fanny suchte wieder ihren Platz vor dem Kamin auf. Das Leben dünkte ihr satt unerträglich.