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Reutlingen. Am 9. d. M. nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr wollte die 79 Jahre alte Weingärtnerswitwe Luise Döttinger in der Seestraße unmittelbar vor einem schwer beladenen Sandfuhrwerk die Fahrbahn überschreiten, kam unter die Pferde, wurde überfahren, blieb bewußtlos liegen und starb alsbald. Den Fuhrmann oder eine dritte Person trifft keine Verschuldung.
Göppingen, 11. März. Die Arbeiter in der Buntweberei am Stadtbach bekamen mit dem heutigen Zahltag ihre Entlassung. Durch den Konkurs sind gegen 500 Arbeiter außer Stellung gekommen; die meisten fanden aber in anderen Geschäften hier und der Umgebung wieder Arbeit. Da die Fabrik hppothekarisch belastet ist, sind außer dem Aktienkapital von 1200 000 Mark weitere 2 bis 3 Millionen verloren. Doch ist dieses Fallissement für die hiesigen Einwohner von geringerem Belang als der neue Schönhut'sche Konkurs. Verschiedene Bauhandwerker verlieren so viel, daß ihre Existenz in Frage gestellt ist. Bauunternehmer Vetter von Klein-Eislingen ist das erste Opfer. Die Ueber- schuldung Schönhuts wird auf 300000 geschätzt.
Niederstetten, 12. März. Einen frechen Diebstahl vollführte am Mittwoch Nacht ein bis jetzt unbekannter Täter. Ein hiesiger gewerblicher Lehrling kam abends von einer Geschäftstour zurück, welche er auf einem geliehenen Rad zurücklegte. Er stellte das Rad in den finsteren Hofraum vor das Scheunentor. Als der Lehrling am andern Morgen das Rad zurückgeben wollte, war es verschwunden. Nach dem Dieb wird eifrig gefahndet.
Iagsthausen, 14. März. Großes Aufsehen erregt hier die Nachricht, daß der Direktor des hiesigen Elektrizitätswerkes den Konkurs angemeldet habe. Das Werk wurde im Laufe des letzten Jahres neu erbaut und ist die Einrichtung noch nicht ganz vollendet. Außer Jagsthausen werden auch Berlichingen, Schönthal und Oln- hausen vom Elektrizitätswerk Jagsthausen mit Licht und Kraft versehen. Die Einrichtung soll bis heute schon etwa 300000 gekostet haben. Man nimmt an, daß bei einem Verkauf wohl kaum die Hälfte erzielt würde. Leider verlieren auch viele kleine Handwerker (Schreiner, Schlosser, Schmiede u. s. w.) nicht unbedeutende Summen.
Bierin gen OA. Künzelsau, 14. März. Mehrere Rekruten fuhren vorgestern früh mit einem Fuhrwerk zur Musterung nach Niedernhall. Bei Weißbach brach die Bremse und das Fuhrwerk kam in sehr raschen Lauf. Als zudem das Pferd scheute, stürzte der Wagen um und die Insassen wurden herausgeschleudert. Sie erhielten ziemlich bedeutende Verletzungen am Kopfe und mußten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Ravensburg, 11. März. Ein älterer, geistig etwas beschränkter Mann, der sich bisher mit mancherlei Arbeiten im Taglohn durchzuschlagen gesucht hatte, wurde dieser Tage von Verwandten in deren Haus ausgenommen. Als man ihn dort mit besseren Kleidern und frischer Wäsche versah, entdeckte man bei ihm einen aus allerlei Stoffen zusammengenähten Gürtel, den er um den bloßen Leib gebunden hatte. Diesen Gürtel hatte der wunderliche Alte als Sparhafen benützt. Er ent
hielt gegen 500 in französischen und deutschen Goldmünzen und gegen 600 ^ Silbergeld in verschiedenen Münzsorten, alles in einem solchen Zustand, daß die Münzen dem Goldarbeiter zum Reinigen übergeben werden mußten. (N. Tgbl.)
Vom Bodensee, 13. März. In der stillen Bucht von Manzell herrscht reges Leben. Graf v. Zeppelin hat wieder mit dem Bau der Ballonhülle begonnen. Die Arbeiten werden von Ingenieur Dürr geleitet. Doch kommt der Graf selbst jede Woche auf einige Tage nach Friedrichshafen und Manzell. Bemerkenswert ist, daß diesmal die Ballonhütte nicht mehr in den See hineinkommt. Das letztemal lag sie bekanntlich verankert im See und konnte sich drehen. Die heftigen Stürme haben ihr einigemale bös mitgespielt. Jetzt wird sie fest am Seeufer auf Pfeilern erbaut. Diese Arbeit kann jetzt um so leichter geschehen, als um diese Zeit der See zurückgetreten ist. Die Halle wird aber immerhin so angelegt, daß der „Schlitten", auf welchem der Ballon erbaut wird, ins Wasser kommt und ohne Mühe aus- und eingefahren werden kann. Das Ballongerippe wird kräftiger gebaut werden; ebenso die Motore. Die einzelne Maschine soll 80 Pferdekräfte bekommen gegenüber den früheren mit zusammen 24 Pferdekräften.
Heidelberg, 12. März. Bei der hiesigen Polizei stellte sich ein gewisser Johann John aus Erfurt mit der Angabe, den Frankfurter Piano- fobrikanten Lichtenstein ermordet zu haben. Als Mordwerkzeug habe ihm ein Schieferdcckerhammer gedient, den er bei sich trug. Er habe die Tat gemeinschaftlich mit einem ihm unbekannten italienischen Schlosser verübt, der mit dem Ergebnisse des Raubes entflohen sei, ohne einen Teil davon abzulassen. John gab weiter an, 3 Jahre Zuchthaus wegen eines Raubanfalls verbüßt zu haben. Aus seinen Papieren geht hervor, daß er sich zur Zeit des Mordes tatsächlich in Frankfurt befunden hat. Ob man es mit dem wirklichen Mörder oder mit einem Geisteskranken zu tun hat, wird die Untersuchung ergeben.
Spandau, 12. März. Der im Prozeß Bilse viel genannte Hauptmann Erdler, der zur Zeit in Spandau steht, hatte sich heute wegen mehrerer Unregelmäßigkeiten im Dienste vor dem Intendantur-Gericht zu verantworten. Die Oeffentlichkeit war ausgeschlossen. Der Angeklagte war beschuldigt, daß er Gelder zu Dienstreisen widerrechtlich liquidiert hatte. Nach zweistündiger Verhandlung wurde der Angeklagte mangels an Beweisen freigesprochen.
Berlin, 12. März. In der heutigen Nacht hat die Oberin des Augustahauses für private Krankenpflege in der Bülowstraße, Schwester Wanda L'Oiellot de Mars, ihrem Leben dadurch ein Ende gemacht, daß sie Gift nahm und dann einen Nevolverschuß gegen sich abgab. Sie starb auf dem Wege nach dem Krankenhause. Die Dame hätte morgen ihren 41. Geburtstag begehen können. Wie es heißt, schwebte ein Strafverfahren gegen sie wegen Freiheitsberaubung. Die Schwester entstammt einer angesehenen Familie, ein Bruder tst- Oberst, ein anderer Arzt. In jüngster Zeit klagte sie über ein Herzleiden.
Hamburg, 12. März. Hier wurde ein Pferdeknecht namens Staffelst unter dem dringenden Verdacht verhaftet, den Klavierhändler Lichtenstein in Frankfurt a. M. ermordet zu haben. In seinem Besitz wurde die dem Lichtenstein geraubte Uhrkette gefunden.
Bremen, 12. März. Der Kaiser traf, um die Fahrt nach dem Mittelmeer anzutreten, heute Morgen 7Uhr mit dem Sonderzug in Wilhelmshaven ein und wurde vom Prinzen Heinrich von Preußen, welcher an Bord des Lloyddampfers „König Albert" übernachtet hatte, dem Bürgermeister von Bremen, dem Präsidenten Plate, dem Konsul Acheiles und dem Generaldirektor vr. Wiegand empfangen. Der Monarch begab sich an Bord des König Albert, auf welchem die Kaiser- Standarte gehißt wurde, vom Salut des auf der Reede liegenden Panzers Friedrich Karl und dem Weser-Forts begrüßt. Der Kaiser begrüßte die Herren, welche seiner Einladung folgend die Fahrt mitmachen und unterhielt sich besonders mit Admiral Hollmann. Alsdann ließ sich der Monarch durch Kapitän Polack die Offiziere des Schiffes vorstellen. Um 8 Uhr ging König Albert unter Salut der Wasserforts in See, begleitet vom Panzerkreuzer „Friedrich Karl".
Wien, 12. März. Der Ministerial-Sekretär Graf Georg Napoleon Czaki feuerte gestern abend in der Nähe der Radetzky-Brücke, einem sehr belebten Punkt, auf die Gattin eines Reisenden fünf Revolverschüsse ab und verletzte sie schwer. Der Täter wurde festgenommen. Er erklärte, die Frau nicht zu kennen, er habe heute Jemand erschießen müssen. Auch die Frau erklärte, den Grafen nicht zu kennen.
London, 12. März. Nach einem Telegramm aus Kobe soll die russische Kavallerie Widju am Jaluflusse in Brand gesteckt haben und dann über den Jalu zurückgegangen sein.
(Eingesandt.)
Was willst du in die Ferne schweifen,
Sieh' das Gute liegt so nah!
In letzter Zeit wurden verschiedene Stadtteile, zum Teil in schöner Lage, für künftige Bauplätze empfohlen. Schreiber dieses geht einig mit der Ansicht, daß es hier noch viele geeignete und preiswürdige Bauplätze gibt; doch auch inmitten der Stadt sind solche zu schaffen, wo Wasser- und Gasleitung schon gelegt sind; derselbe erlaubt sich auf die Gürten zwischen der Oberen Marktstraße, bei Hrn. Bäcker Seeger beginnend, unterhalb der Stadtmauer hinlaufend und in den Zwinger hinter der Kirche einmündend, hinzuweisen. Dort ließe sich bei gutem Willen und verhältnismäßig geringen Kosten, eine schöne Querstraße anlegen. Durch Ankauf nur eines kleinen Hauses an dieser Straße könnten mindestens 8—10 geräumige Geschäfts- oder Privathäuser erstellt werden. Diese Straße würde beinahe eben in der Hauptstraße einmünden, da die Steigung auf beiden Seiten in den oberen Zwinger in Wegfall käme. Von dieser Lage genießt man eine prächtige Aussicht auf den Kapcllenberg, ins Stecken- äckerle, auf den neuen Weg, über die ganze Stadt und talabwärts. Man sehe sich diesen Platz an und man wird dem Einsender sicherlich beipflichten.
„Wir Beide können uns inzwischen nebenan stärken, wir sind vorläufig überflüssig!"
Sauer hier rieb sich wieder die Hände.
„Ja—ja wohl, ü—ü—überflüssig, — sehr ü-überflüssig!"
Langsam folgte er dem Oberst in das Rauchzimmer zurück.
XVII.
War der heutige Abend für Ella der schmerzlichste und schrecklichste ihres bisherigen Lebens, so bedeutete er für ihre Kousine Margot das gerade Gegenteil. „Ich schwimme in Wonne," hatte sie ihrem Bruder lachend zugerufen, als dieser sie vorhin gefragt hatte, ob sie sich denn ein wenig amüsiere.
„Deine Regimentskameraden sind ja reizende Menschen," hotte sie hinzu- gefügt. Wenn sie aber die Wahrheit vor sich selbst hätte eingestehen wollen, so hätte sie zugeben müssen, daß sie von allen Offizieren, mit Ausnahme eines einzigen nur ein höchst schleierhaftes Bild ihres Aussehens und Benehmens gewonnen hatte, und daß das Prädikat „reizend" nur eben diesem Einen — seinem Busenfreunde Lederström — gegolten hatte.
Wenn jemand den Leutnant Lederström nach seinem Amüsement gefragt hätte, würde wahrscheinlich ähnlich zurückgetönt sein: „Ich schwimme in Wonne!" Soweit es nur irgend seine Pflichten als wa'itre äe xlaisir und die Ordre seiner gestrengen Kommandeuse zulicßen, trennte er sich nicht von der Seite Margots, — und tatsächlich „sie schwammen in Wonne." Soeben war wieder ein Tanz zu Ende, und Lederström führte seine Tänzerin, deren Wangen glühten und deren Augen ganz seltsam blitzten und leuchteten, in den Wintergarten, — „der notwendigen Abkühlung wegen," wie Lederström sagte, — „um mit seiner holden, bezaubernden Tänzerin ein Bißchen zu einem lete ä töte zu kommen," wie er bei sich dachte.
Sie rannten dabei dem alten Baron in die Hände, welcher nach seinem Sohne luchte.
Er nickte Margot mit freundlichem Lächeln zu:
„Na, Du scheinst Dich ja famos zu amüsieren, mein Döchting!"
„Ach, himmlisch, Papa!"
Mit väterlichem Stolz klopfte er ihr dis Backen und flüsterte ihr dabei leise zu:
„Alles in Richtigkeit mit Hans, aber vorläufig — den Mund halten und nichts verraten!"
Er ging hastig weiter, Margot aber jubelte laut auf:
„Famos! Hurra!"
»Oho, gnädiges Fräulein," rief lachend Lederström, „was bedeutet denn dieses Siegesgeschrei?"
Margot neigte sich mit komischer Feierlichkeit zu ihm herüber und fragte mit geheimnisvoller Miene, während tausend Sprühteufelchen aus ihren lustigen Augen lachten:
„Können Sie schweigen?"
Beteuernd legte Leder ström die Hand auf sein Herz:
„Wie das Grab!"
„Ich auch!" Sie jubelte förmlich, daß ihr dieser Witz geglückt war.
„So, so?" lachte Lederström, „Sie auch? Jh, das glaube ich aber noch nicht 'mal!"
„Sie wagen zu zweifeln? Dieser Frevel verdient Strafe!"
„Wollen wir wetten, daß ich recht habe ?" Lederström hielt ihr die Hand hin.
Margot schlug herzhaft ein.
(Fortsetzung folgt.)