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Zweites
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Neuenbürg, Samstag dm 3. Januar 1914.
72. Jahrgang
Rundschau.
1913 i« der Weltgeschichte.
Nicht viele Jahre unter den Jahrtausenden sind in der Weltgeschichte für alle Zeiten verzeichnet. Das abgelaufene Jahr 1913 hat seinen sicheren Platz in ihr durch die Kriegsereignisse auf dem Balkan, deren Hauptdaten waren: Erstürmung Adrianopels durch die Bulgaren (26. März), Londoner Präliminarfrieden zwischen den Mitgliedern des Balkanbundes und der Türkei (30. Mai), zweiter Balkankrieg (Juni—Juli), die Türken ziehen wieder in Adrianopel ein (22. Juli), Friede von Bukarest (10. August). Die Türkei ist aus Europa verdrängt, mit Ausnahme des thracischen Zipfels im Südosten, ein neuer Staat, Albanien, ersteht, Keime neuer Verwickelungen, deren gefährlichster der tiefe Groll der Bulgaren gegen das mit makedonischer Beute sehr reich versehene Griechenland ist, gehen in das neue Jahr über. Was sonst das Jahr 1913 noch in der alten Welt an Ereignissen von weltpolitischer Bedeutung brachte, beschränkt sich auf das russischchinesische Uebereinkommen vom 6. November, das dem russischen Vordringen nach der äußeren Mongolei eine weitere Basis gewährt. Was die neue Welt betrifft, so wird uns erst das neue Jahr ein welthistorisches Faktum bringen: die Eröffnung des Panamakanals. Die Revolution in Mexiko zählt nicht mit, solange aus ihr nicht etwa, was unwahrscheinlich ist, ein Krieg der Vereinigten Staaten von Nordamerika und das Ende der mexikanischen Unabhängigkeit hervorgeht.
Die Stellung Deutschlands auf dem Weltlheater ist unverändert geblieben. Das Verdienst, verhindert zu haben, daß aus den Balkanwirren eine europäische Krisis entstand, teilt Deutschland mit den anderen Großmächten. Was sich während der gemeinsamen Arbeit aller Kabinette zur Einschränkung des Balkanbrandes Günstiges für eine deutsch-englische Annäherung ergab, war nur Anfang und Vorbereitung. Eine Verständigung über kleinasiatische und zentralafrikanische Fragen wird nichts Wesentliches an der allgemeinen Gruppierung der Großmächte in Europa ändern. Da aber unsere europäische Stellung von bestimmendem Einfluß auf unseren Anteil an den weltpolitischen Geschäften ist, zu denen uns unsere wirtschaftliche Entwicklung nötigt, so konnten wir auch nichts Größeres für die Gegenwart und Zukunft leisten als eine so riesige Erneuerung der Opfer für unsere Wehr, wie wir sie in dem Erinnerungsjahr 1913 gebracht haben. Wie diese Tat in die
Marga.
Roman von C. Crone.
(Nachdruck verboten.)
Ungefähr um dieselbe Zeit, als die beiden Herren am nächsten Tage von dem gemeinsamen Spazierritt zurückkehrten, kamen zwei Wanderer von Norden her durch die Hannoversche Haide geschritten.
Der ältere, ein Mann in den Vierzigern, schien die Strapazen des Weges mit Leichtigkeit zn überwinden. Sein sonnengebränntes Gesicht hatte nichts von seinem energischen Ansdruck eingebüßr; die elastischen Bewegungen der kraftvollen Gestalt zeigten keine Ermüdung, und die klugen Augen hatten genau denselben lebhaften Ausdruck als beim Ausbruch, da er mit seinem jüngeren Begleiter in den taufrischen Morgen hineinwauderte.
Dieser, dem Knabenalter kaum entwachsen, rang dagegen sichtlich mit einer großen Schwäche.
Er hatte den Strohhut abgenommen und fuhr häufig mit dem Taschentuch über das Gesicht, das trotz Anstrengung und Sonnenbrand ganz farblos blieb.
Die Züge, vornehm und sympathisch, hatten ein unverkennbar fremdländisches Gepräge. Die mandelförmigen, tief dunklen Augen und die schmächtige, fast überschlanke Gestalt, ließen auf den Südländer schließen und bildeten einen auffallenden Gegensatz zu der nordischen Rcckcuhaftigkeit des anderen.
Der Weg durch Sand und Haidekraut war sehr Mühsam.
Einige Wagenspuren zeigten zwar an, daß wohl einst ein Gefährt diese Richtung Angeschlagen haben mochte, doch wo das blühende Kraut etwas dichter stand,.
Weltgeschichte eingeht, wird davon abhängen, wie wir sie nutzen. Das Nächste dazu ist, daß ihr Nachspiel, der Spuk um Zabern, möglichst bald ins Nichts verschwindet.
Die tragische Kunde von der angeblichen Ermordung des Oberförsters Deininger und des Forstasfessors Kempf durch Kannibalen auf der Insel Neu-Mecklenburg wird jetzt erfreulicherweise widerrufen. Beide Herren leben und sind wohlauf, wie eine in Berlin eingegangene Depesche des Gouverneurs von Deutsch Neuguinea besagt. Allerdings sind aber bei dem Ueberfalle der von ihnen geleiteten forstwissenschaftlichen Expedition im Innern Reu-Mecklenburgs durch die feindlichen Wilden fünf eingeborene Soldaten und vier Träger gelötet worden.
Wegen der Ermordung eines angeblichen deutschen Reichsangehörigen, namens Heller, durch mexikanische Milizsoldaten in der Stadt St. L6on erfolgen jetzt amtliche deutsche Schritte. Der deutsche Gesandte in Mexiko, v. Hintze, ist nach St. Löon abgereist, um über den Fall Heller Untersuchungen anzustellen.
Zum Ersatz für das Infanterie-Regiment Nr. 99 soll die Stadt Zabern, wie neuerdings bestimmt verlautet, dassächsischeJnfanterie-Regiment Nr. 105, welches schon seit vielen Jahren in Straßburg garnisoniert, als Garnison erhalten. Die „105 er" haben bekanntlich schon bislang das Wachkommando für Zabern gestellt.
Straßburg, 31. Dez. Einem schon vor einiger Zeit ergangenen Befehle gemäß wurde dasZaberner Wachkommando des sächs. Inf.Reg. Nr. 105 heute durch eine Abteilung des hiesigen württ. Jnf.Regts. Nr. 126 unter Führung des Hauptmanns Winghofer abgelöst. Der Wechsel im Wachkommando in Zabern hängt nicht mit dem neuesten Vorkommnis in Zabern zusammen, war vielmehr schon vor Weihnachten befohlen worden. Hauptmann Winghofer ist Haupt- mann beim Stabe beim 8. württ. Jnf.Regt. Nr. 126 in Straßburg. Es ist anzunehmen, daß bis zur dauernden Rückkehr eines Regiments in die Zaberner Garnison ein Wechsel der Wachkommandos zwischen verschiedenen Regimentern des 15. Armeekorps stattfinden wird.
Rastatt, 2. Jan. Gestern nachmittag spielten in der Ludwigsfeste (Kaserne der 111er) zwei Rekruten der 7. Kompagnie mit ihren Gewehren. Sie hatten sich eine Platzpatrone verschafft und legten im Scherz aufeinander an. Der eine traf den
verschwanden auch diese, und nur ein kundiges Auge konnte sich zurecht finden.
Die Sonne stieg immer höher und ihre heißen Strahlen breiteten einen flimmernden Schein über die weite rotbraune Fläche der blühenden Haide.
„Noch eine halbe Stunde tapfer ausgehalten. Arco", begann der ältere, „dann haben wir unser Ziel erreicht. Sieb nur!"
Damit reichte er dem jüngeren das Fernglas, und wirklich entdeckte dieser weithin eine Erhöhung, die jedoch einem Maulwurfshügel ähnlicher sah, als einer menschlichen Wohnung.
Sehnsüchtig ruhten die dunklen Angen auf dem winzigen Punkt.
Schien er doch dem Ermüdeten das gelobte Land. Der stolzeste Vau in herrlichster Lage hatte zur Zeit keinen größeren Werst für ihn, als diese armselige, aus Lehm gebaute und mit Haidekraut gedeckte Hütte, hier inmitten der tiefsten Einöde und Verlassenheit.
Wieder hatten sie eine Strecke znrückgclegt, als der jüngere plötzlich znsammeufuhr und den Schritt hemmte.
Unmittelbar vor ihm tauchte, barhäuptig und mit nackten Füßen, ein kleines Wesen aus dem Haidckraut empor, das mit einem halb fröhlichen, halb schüchternen: „Guten Tag, Onkel Pastor!" auf den älteren Herrn Znging.
„Ei, ei, kleine Marga, soweit kommst Du uns entgegen. Nun, vor Deiner Freundin Sonne brauchst Du Dich nicht zn fürchten: brauner als Du bist, kann sie Dich nicht brennen oder Deine Haare bleichen, sie haben schon gar keine Farbe mehr."
Dabei strich er freundlich über den etwas wirren
andern an den Kopf, so daß er sofort tot zu Boden sank. Untersuchung ist eingeleitet.
In einem Hause in Untersachsenhausen bei Köln wollte der dort wohnende Rechtsanwalt Dr. Strauß vom ersten Stock aus in den Fahrstuhl steigen, zu dem er selbst den Schlüssel hat. Ohne darauf zu achten, daß der Fahrstuhl sich noch im zweiten Stock befand, trat der Rechtsanwalt ein und stürzte in den Keller hinab, wo er schwer verletzt liegen blieb. Später ist er seinen Verletzungen erlegen.
Frankfurt a. M., 2. Jan. Die Temperatur beträgt hier 7 Grad Kälte. Aus der Rheinpfalz werden 15 Grad Frost gemeldet.
Prag, 1. Jan. In dem Vororte Brevnov tötete in der Neujahrsnacht die Arbeiterswitwe Nek mit einem Rasiermesser ihre beiden Knaben von 7 und 3 Jahren und erhängte sich dann selbst, weil sie und die Kinder dem Hungerlode nahe waren. In der Wohnung befand sich nur ein Strohbündel, in das die Leichen eingehüllt waren.
Bregenz, 2. Jan. Am Pfänder ist heute früh der bekannte Touristengasthof Halber vollständig abgebrannt. Es ist bekanntlich noch nicht lange her, daß die sogen. Dohle auf dem Pfänder ein Raub der Flammen wurde.
New-Aork, 31. Dezbr. Zum erstenmal seit Beginn des Mordprozesses gegen den früheren Kaplan Schmidt waren in der gestrigen Verhandlung keine Damen im Zuhörerraum erschienen, nachdem Tags zuvor infolge allzu freier Erörterung des in diesem Prozeß vorgekommenen Schmutzes zwei junge Mädchen ohnmächtig geworden waren. Besonderen Eindruck aber hat es offenbar gemacht, daß eine der hocheleganten Damen, die bisher täglich erschienen war, von ihrem Verlobten aus dem Gerichtssaalgeholt worden ist und der Bräutigam das Verlöbnis mit der Erklärung aufgehoben hat, daß ein Mädchen, das täglich in dem Prozeß geradezu haarsträubende Dinge aus purer Sensationslüsternheit in sich aufnimmr, nicht würdig sei, irgend eines Mannes Gattin zu werden.
Der erste Prozeß gegen Kaplan Schmidt in New-Aork ist ergebnislos ausgegangen, da nach amerikanischem Recht Einstimmigkeit der Geschworenen zur Verurteilung erforderlich ist. Der Prozeß kann in solchem Falle noch einmal wiederholt werden. Die Geschworenen schloffen nach 36- stündiger Beratung die Verhandlung; sie standen sich immer noch mit 10 Stimmen für „Schuldig" und 2 Stimmen für „Unzurechnungsfähig" gegenüber.
FlachAcheitel, nahm daS Kind an die Hand, und mit einem Ausdruck des GeborgeiisciuS, der das schmale Gcsichtchen erhellte, ging Marga neben dem Onkel Pastor her, indem ein srillcS Lächeln die ernsten Kinderlippen umspielte.
DaS erste, was Arco an der ihm fremdartigen und unsympathischen Erscheinung bemerkte, waren ein paar übergroße Angen, deren Farbe sich zunächst nicht bestimmen ließ. — Sie konnten tiefblau oder dnnkclgrnu lein. — Die langbewimperten Lider legten sich so häufig über die schimmernden Sterne, daß man sie nur selten zn sehen bekam.
Diese Augen fielen um so mehr auf, als sie zn einem Gesicht gehörten, dessen eckige Unregelmäßigkeit durchaus nichts Anziehendes hatte, und dem jeder Ausdruck von Beweglichkeit und Frohsinn fehlte.
Den Kopf, mit seiner Fülle von weingelben Haaren, trug daS kleine, etwa zehnjährige Mädchen lcicw vornübergebeugt. In der ganzen Haltung lag ein Sinnen, das den Jahren weit voraus war.
Während Arco es fast als einen körperlichen Schmer; empfand, daß ihre kleinen, nackten Füße auf das firm.mige Haidckraut traten, schritt Marga mir einem io eigentümlich schwebenden Gang einher, als trüge die Lust ihre federleichte Gestalt.
Im Wcitergehen sprach der Pastor mit dem Kinde über die wenigen Vorkommnisie ans dem täglichen Leben. Waren es auch kurze Antworten, dis er am: dem schweigsamen Munde erhielt, so waren die wundersamen Augen um so beredter. Jeyt lag eine Welt von Glückseligkeit in ihrem schimmernden Blau. .1 "sch. .'''s