Erscheint
Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.
Attis Vierteljahr!.: in Neuenbürg 1.35. Vurch die Post bezogen: im Vrts- und Nachbarorts-Verkehr ^ 1.30. im sonstigen inlSnd. Verkehr ^ 1.40; hiezu je 20 ^ Bestellgeld.
Abonnements nehmen alle Psfianstalten und Postboten jederzeit entgegen.
Der Lnztälsr.
Nnseigsr kür Sas Enztal unS Umgebung. Amtsblatt kür Sen VberamtsbLzirk Neuenbürg.
Anzeigenpreis:
die S gespaltene Zeile oder deren Raum 12 »s, bei Auskunstserteilung durch die Exxed. 15 Ts- Reklamen die Lgesx. Zeile 25
Bei öfterer Insertion entsprech. Rabatt.
Fernsprecher Nr. 4.
Telegramm-Adresse: „LnztLler, Neuenbürg".
^ 169.
Neuenbürg, Mittwoch de» 22. Oktober 1913.
71. Jahrgang.
Rundschau.
Der Reichstag wird seine Sitzungen nach Ablauf seiner langen, sommerlichen Ferienpause am Donnerstag., den 20. November, nachmittags 2 Uhr wieder aufnehmen. Auf der Tagesordnung dieser ersten Reichstagssitzung nach den Sommerferien stehen lediglich Petitionen. Im übrigen bleibt das nächste Arbeitspensum des Reichstages noch abzuwarten.
Wien, 18. Okt. Aus Bukarest wird gemeldet: König Carol hat dem Prinzen Wilhelm zu Wied, der sein Reffe ist. geraten, den Thron Albaniens anzunehmen. Der Prinz wird diesen Rat befolgen und sich in den nächsten Tagen nach Wien und Rom begeben, um sich dort den Souveränen vorzustellen.
Wien, 20. Oktbr. Wiener Blätter wissen zu melden und zwar aus der näheren Umgebung des Hsterreichischen Thronfolgers, daß Kaiser Wilhelm sich diesem gegenüber während der Leipziger Ein- weihungsfeier über die Katastrophe des „L. 2" folgendermaßen geäußert haben soll: „Es ist furchtbar, es ist trostlos! Mich dauern die vielen Opfer der Katastrophe. Nun werden alle die Besserwisser und die ganze öffentliche Meinung gegen die grandiosen Luftschiffe Front machen, als ob noch nie ein Dampfer oder ein Zug verunglückt sei". Diese angebliche Aeußerung des Kaisers geht den Wiener Blättern aus allerbester Quelle zu, sodaß sie ihr Glauben schenken müssen.
Johannistal, 20. Okt. Hier fand gestern eine Erinnerungsfeier an die Völkerschlacht bei Leipzig statt. Die zahreich erschienenen Bürger Jobannistals schickten ein Telegramm an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, in welchem gebeten wird, zur Schaffung eines Erinnerungsdenkmals für die im Dienste des Vaterlands Verunglückten die nötigen Schritte in die Wege zu leiten. Die Versammlung beschloß auch, anstelle der Kranzspenden für die Verunglückten die Gelder an die Hinterbliebenen zu überweisen. Der Ertrag einer Sammlung wurde mit Postanweisung nach Berlin gesandt. Dieser Betrag gilt als erste Spende für die Verunglückten des „L. 2."
Leipzig. 20. Okt. Als heute nacht gegen '/sl Uhr der Menageriewagen des Zirkus Barnum mit dem Löwenkäfig nach dem Bahnhofe fuhr, st.ieß er in der Berlinerstraße mit einem Wagen der Straßenbahn zusammen. Dabei löste sich eine Wand des Käfigs und sieben große Löwen sowie ein Tiger erlangten die Freiheit. Mit furchtbarem Gebrüll rasten die aufgeregten Bestien durch die Straßen. Diese waren noch scharenweise von Passanten belebt, die von der Nachfeier der Völkerschlachtdenkmalsweihe heimkehrten. In'wenigen Minuten war von der benachbarten Polizeiwache ein starkes Aufgebot von Schutzleuten zur Stelle, die die Tiere verfolgten und durch Schüsse aus ihren Browningpistolen unschädlich zu machen suchten. Es gelang ihnen, sieben der Tiere auf der Straße niederzuschießen, eines wurde lebendig in die Toilette des Hotels „Blücher" getrieben, hier eingefangen und nach dem Zoologischen Garten gebracht. Einer der Löwen hatte sich beim Entkommen aus dem Wagen auf die vorgespannten Pferde geworfen, und diesen schwere Bisse beigebracht, ein anderer hatte sich auf das Pferd einer Droschke gestürzt, war aber von dem beherzten Kutscher durch Peitschenhiebe vertrieben worden. Die Feuerwehr war mit mehreren Schlauchleitungen angerückt, um den Tieren mit Wasserstrahlen zu Leibe zu gehen, brauchte jedoch nicht mehr in Tätigkeit zu treten, sondern beschränkte sich auf die Absperrung der Straßen. Während der nächtlichen Szene herrschte unter den Passanten und Anwohnern eine furchtbare Panik, die durch den sich einstellenden dichten Nebel noch gesteigert wurde. Soweit bis jetzt festgestellt wurde, sind Menschen nicht verletzt worden.
Zur Eröffnung des Karlsruher „ Personenbahnhofs.
(Sonderbericht des „Enztälers".)
Ein grauer Herbstnebelmorgen — grau in grau tauchten die Umrisse der weit ausgedehnten Gebäude und Anlagen vor uns auf, als wir am Vormittag des 20. Oktobers zur Besichtigung eintrafen, zu welcher sich etwa 200 geladene Gäste in der gigantischen Empfangshalle eingefunden batten: die Staatsminister, die Vertreter des 14. Armeekorps, die Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden, Stadtrat und Bürgerausschuß, Vertreter des Landesgewerbeamts, der Hochschule, der Handels- und Handwerkskammer, Abgeordnete des badischen Landtags und Vertreter der Presse. Um 9 Uhr betrat Finanzminister Dr. Rheinboldt das Podium vor der Büste des Großherzogs, um die stattliche Versammlung zu begrüßen. In Baden seien in knapp zwei Jahren 7 größere Bahnhofneubauten mit einem Gesamtbauwert von 122 Mill. Mark dem Verkehr übergeben worden. Der enge, feste Gürtel der Schienenstränge hemmte seither den Verkehr in unerträglicher Weise. Hinauslegung des Bahnhofs sei das einzige Mittel zur Abhilfe gewesen; damit sei Raum geschaffen für die weitere Entwickelung der Stadt. Der Bahnhof Karlsruhe tritt vor den anderen Bahnhöfen des Landes dadurch hervor, daß er gleichzeitig repräsentativen Charakler hat; deshalb der künstlerisch ausgestattetx Fürstenbau. die prachtvolle, einem Ehrenhofe vergleichbare Schalterhalle, die vornehme Anlage des Vorplatzes. Es sei ein würdiges Werk von Menschenhänden, das wir vertrauensvoll der schützenden Hand des Allmächtigen empfehlen wollen, die jedes Unheil von ihm fernhalten möge. Mit einem Hoch auf den Großherzog schloß die ernste Ansprache. Generaldirektor Staatsrat Roth gab einen umfassenden Rückblick auf die Baugeschichte und eine Beschreibung der neuen Anlagen. Das Aufnahmegebäude mit dem Fürstenbau ist 207 m lang. 8.7 m hoch, bis zum First 15.7 M. Die große in Kreuzform angelegte Schalterhalle mißt in Ostwest-Richtung 69 w, in Nordsüd-Richtung 43 m; dazu gehören noch Bahnpostamt, Eilguthalle in zwei Stockwerken, Lokomotivschuppen und ein Fernheizwerk. Baukosten insgesamt 35'/s Mill. Mark, Rückeinnahmen aus der Verwendung des freiwerdenden Geländes 7 Mill. Mark; reiner Bauaufwand 28 ^/r Millionen Mark. Von größeren Bauten außer den Hochbauten sind zu erwähnen 16 Eisenbahnbrücken, 39 Unterführungen, 4 Bahnsteig-, Gepäck- und Post- tunnel. Der Bahnhof hat 8 Personenbahnsteige. Die Orientierung in den weiten Räumen ist aufs glücklichste ausgeführt, so daß auch der weniger Reisegewandte sich sehr leicht zurechifindet. Die Frage der Verlegung und endgültigen Festbestimmung des Albtalbahnhofs ist bis jetzt noch ein wunder Punkt, da noch immer gänzlich widerstrebende Interessen sich geltend machen. Die Hauptsache ist die. daß die Reisenden der Albtalbahn eine möglichst glatte und schnelle Abfertigung beim Karlsruher Personenbahnhof erhalten, und das ist so gut wie gesichert. Wir kommen auf diese wichtige Frage in einem besonderen Artikel zurück. Nach dem Vortrag des Generaldirektors gab Geh. Oberbaurat Kräuter an der Hand von aufgelegten Plänen ein Bild der Gesamlanlage; Oberbaurat Speer erläuterte die Grundrisse. Zuletzt legte Baurat Prof. Stürzenacker die Grundsätze dar, nach welchen Ausbau und künstlerischer Schmuck des Aufnahmegebäudes geregelt wurden. Hierauf begann der Rundgang durch die wichtigsten Räumlichkeiten,- der ein anschauliches Bild gab von der Zweckmäßigleit, Schönheit und Gediegenheit sämtlicher Einrichtungen. Nach dem Rundgang wurden in den Wirtschaften 1. und 2. Klasse Erfrischungen gereicht und in zahlreichen Triak- sprüchen wurde der Genugtuung über das große, glücklich beendigte Werk Ausdruck gegeben.
Württemberg.
Stuttgart, 20. Okt. Der König ist am Sonntag um 11 Uhr von der Leipziger Jahrhundertfeier wieder in Friedrichshafen eingelroffen. Ferner sind als Jaqdgäfte des Königs die Herzöge Philipp Albrecht. Robert und Ulrich in Friedrichshafen eingetroffen.
Friedrichshafen. 20. Oktbr. Der bei dem Unfall des „L 2" verunglückte Monteur Hohenstein ist einer der ältesten Fahrmonleure der Zeppelingesellschaft, der schon auf den ersten Zepprlinschiffen fuhr. Er ist derselbe, der bei der Unglücks fahrt der Deutschland, als nichts mehr zu retten schien, mit unglaublichen Mut aus eigener Initiative aus der fahrenden Gondel auf den Fichtenwald hinuntersprang, um das Luftschiff zu erleichtern, wobei er jedoch 13 Meter in die Tiefe stürzte und einen Oberschenkel- und Steißbeinbruch davontrug. — Der von Untersielmingen als Sohn des dortigen Schmiedmeisters gebürtige Monteur Julius Bauer stand früher in Geislingen bei Schmiedmeister Hehler in Arbeit und trat im Jahre 1909 in die Dienste der Luftschiffbaugesellschast über. Seit einem Jahr war er mit einer Tochter seines früheren Arbeitgebers verheiratet. — Der verunglückle Ingenieur Schüle ist ein Sohn des Oberlehrers Schule von Endersbach. Er war früher in den Daimlerwerken in Untertürkheim mehrere Jahre als Maschineningenieur tätig und wurde dann in die Versuchsabteilung des Luftschiffbaus berufen; er war gleichfalls verheiratet. — Graf Zeppelin widmete seinen Leuten, die bei der Katastrophe des „L. 2" getötet wurden, dem Kapilän Gluud, dem Ingenieur Schüle und den Monteuren Hohenstein und Bauer einen überaus ehrenden Nachruf, indem er den Hingang dieser pflichttreuen Mitarbeiter und lieben Kameraden betrauert. Der Graf sagt dann weiter in dieser Kundgebung: Außer diesen meinen lieben Mitarbeitern har der Tod auch soviele wackere Männer, Offiziere, Ingenieure und Mannschaften. die im Dienst des Marineluftschiffsesens tätig waren, ereilt. Unter ihnen muß ich vor allen des Reichsmarinebaumeisters Pietzker gedenken, der sich durch rastloses Studium und langjähriges Zusammenarbeiten mit dem „L.Z." tiefe Kentnisse des Luftschiffwesens erwarb. Seinem energischen Eintreten habe ich manche Förderung zu danken, die meinem Werk durch die Marinebehörde zu Teil wurde. Die Trauer um alle die treuen Männer und die innigste Teilnahme für ihre Hinterbliebenen werden zeitlebens in mir wach bleiben. Ich weiß, daß alle Angehörigen des Luftschiffbau Zeppelin meinen Schmerz um die Kameraden, die als Opfer ihrer Pflichttreue im Dienste unserer dem Vaiertande geweihten Sache ihr Leben gelassen, von Herzen teilen, aber auch mit mir entschlossen sind, das Andenken dieser Getreuen am höchsten zu ehren, indem wir durch unentwegte glaubensfrohe Weiterarbeit noch größere Sicherheit für unsere Luftschiffe schaffen, damit die Todesopfer der einzelnen für viele zur Bewahrung des Lebens werden.
Friedrichshafen, 18. Okt. Wie sich aus den amtlichen Berichten herausftellt, ist die Annahme, daß der Ingenieur Schüle vom Luftschiffbau an der Unglücksfahrt nicht teilgenommen habe und so dem Tod entgangen fei, nicht richtig. Außer dem Kapilän Gluud und dem aus Weilderftadt gebürtigen 28 Jahre alten Monteur Hohenstein, sowie dem Monteur Bauer, wird auch Schüle unter den toten Leuten vom Luftschiffbau aufgezählt.
Friedrichshafen, 20. Oktbr. Für alle Angestellten der Luftschiffbaugesellschaft hat Graf Zeppelin Fürsorge bei Unglücksfällen getroffen. So waren auch die vier Angestellten des Luftschiffbaus, die mit dem „L. 2" umgekommen sind, mit einer Gesamtsumme von 115 000 Mk. auf den Todesfall oder gegen Unfall versichert.