einer neuen Militärbewegung weichen. Mahmud Schefket zog sich vor seinem alten Gegner Nasim Pascha grollend und auch mit Mißtrauen verfolgt zurück, und hat den ersten Teil des Balkankriegs als Privatmann erlebt. Erst als nach der Katastrophe des türkischen Feldheeres Nasim Pascha durch die Leute Enver Beis ermordet wurde, trat Schefket wieder, diesmal auch formell an die Spitze der Regierung; aber es war nicht mehr der alte; eine Verletzung bei dem Brand in Konstantinopel in seiner vorigen Mmistertätigkeit Halle ihn der körperlichen Rüstigkeit beraubt, und die Lage, in der er das Reich vorfand, gestattete keine durchgreifenden Maßnahmen mehr. So wurde Mahmuds Geschick ein Symbol des Geschicks des Osmanentums, von dem man auch noch nicht weiß, ob es jetzt, wenn es seine Ruhe wieder erlangt, nicht plötzlich einem Anschlag erliegt.
Konstantinopel, 11. Juni. Durch ein Jrade des Sultans ist der Minister des Aeußern, Prinz Said Ralim Pascha, zum interimittischen Großwesir ernannt worden. Die übrigen Minister bleiben im Amt.
Die Lage auf dem Balkan.
Sofia, 11. Juni. Wie an kompetenter Stelle verlautet, hatKaiserNikolaus an König Ferdinand und an König Peter Telegramme gerichtet, in denen er beide ersucht, einem Brud erkriege auszuweichen, und den Wunsch ausdrückt, das Schiedsrichteramt zu übernehmen.
London, 11. Juni. Wie das „ Reuter'sche Bureau" erfährt, haben die türkischen Delegierten heute London verlassen, ohne den Wünschen der griechischen Delegierten Folge zu leisten hinsichtlich der Abfassung eines türkisch-griechischen Protokolls über die im Friedensvertrage nicht berücksichtigten Punkte.
Belgrad, 12. Juni. Die Großmächte haben bisher den erwarteten Schritt, in dem Serbien zur Abrüstung aufgesordert werden soll, noch nicht getan. Der Gedanke einer Abrüstung wird von der serbischen Regierung durchaus günstig ausgenommen, zumal die Lage dadurch eine sofortige Entspannung erfahren dürfte. Die einzige Bedingung, die die serbische Regierung stellt, ist, daß Bulgarien gleichzeitig abrüstet.
Berlin, 12. Juni. Die „Vosfische Zeitung" meldet aus London: Wie an hiesigen wohl unterrichteten Stellen verlautet, wollen die Großmächte den streitenden Balkanmächten nicht mehr lediglich ihren guten Vermittlungsdienst anbieten, sondern auch ungefragt in drastischer Weise eingreifen.
Württemberg.
Stuttgart, 12. Kuni. Der König wird sich am Montag zur Beglückwünschung des Kaisers nach Berlin begeben.
Stuttgart, 11. Juni. Die Zweite Kammer nahm heute zunächst die Abstimmung über verschiedene Anträge vor. Der Antrag des Zentrums betr. Submissionswesen wurde ohne Widerspruch dem volkswirtschaftlichen Ausschuß überwiesen. Zu dem weiteren Antrag des Zentrums betr. Submissionsämter hatte die Sozialdemokratie gleichfalls Ueber- weisung an den volkswirtschaftlichen Ausschuß beantragt. Da die Abstimmung aber keine genaue Mehrheit ergab, wurde namentliche Abstimmung vorgenommen. Diese ergab Stimmengleichheit mit 37 gegen 37 Stimmen, worauf der Präsident durch Stichentscheid die Ablehnung des sozialdemokratischen Antrags herbeiführte. Der Zentrumsantrag wurde gegen die Stimmen der Volkspartei und der Sozialdemokratie angenommen. Weiter wurde ein Antrag des Zentrums betr. Förderung der handwerksmäßigen Ausbildung der Frauen gegen die Sozialdemokratie angenommen, ebenso ein Antrag Stroh (B.K.) betr. Entschädigungen beim Besuch der Ausstellungen in Leipzig und Gent. — Das Haus setzte dann die Beratung des Etats der Zentralstelle fort. Im Laufe der Debatte wurde vom Abg. Rembold- Aalen (Zlr.) die Vereinigung der Museen unter ein Ministerium angeregt, was aber der Minister ab- lehnte. Einen weiteren Punkt der Debatte bildete die Frage der Unterstützung des Handwerkererholungsheims. die vom Abg. Löchner (Vp.) angeschnitten wurde. Abg. Mattutat (Soz) sprach sich dahin aus, daß mit demselben Recht auch andere Bevölkerungskreise Erholungsheime fordern könnten und verwies die Handwerker auf den Beitritt zur freiwilligen Kranken- und Invalidenversicherung. Minister v. Fleischhauer versprach eine Förderung und Erleichterung des Baues eines Handwerkererholungsheims, die Gewährung staatlicher Beiträge
sei aber mit Rücksicht auf die Konsequenzen nicht möglich. Mattutat (Soz.) begründete den Antrag der Sozialdemokratie auf Anstellung eines Arztes im Hauptamt als Gewerbeinspektor. Gegen diesen Antrag sprachen sich die Abgg. Löchner (Vp.), Keck (natl.) und Andre (Ztr.) namens ihrer Fraktionen aus. Der Abg. Andre beantragte, eine etwaige Ueberschreitung des Etats infolge Anstellung zweier weiteren Gewerbeinspektoren nicht zu beanstanden, was Minister v. Fleischhauer etatsrechtlich als unmöglich bezeichnete. Der Minister lehnte auch die Schaffung eines hauptamtlichen Arztes als Gewerbeinspektor ab. Der Abg. Andre zog hierauf seinen Antrag zurück und brachte einen neuen Antrag ein, an Stelle eines Gewerbeassessors einen Gewerbeinspektor einzustellen und im nächsten Etat eine weitere Gewerbeinspektionsstrlle vorzusehen. Der Abg. Mattutat (Soz.) stellte den weiteren Antrag auf weitere Ausgestaltung der Gewerbeinspektion durch einmalige jährliche Revision aller Betriebe. Minister v. Fleischhauer verwahrte sich gegen die Art und Weise, wie der Abg. Hoschka (Soz.) die Wohlfahrtscinrichtungen herabsetzie. Mit polemischen Auseinandersetzungen der Abgg. Mattutat (Soz.), Andre (Ztr.) und Graf (Ztr.) schloß die Sitzung. Das Kapitel „Zentralstelle" ist nunmehr vollständig erledigt. Die Abstimmung über die vorliegenden Anträge wurde aus die morgige Sitzung verschoben.
Stuttgart, 12. Juni. General der Infanterie Frhr. Friedrich Pergler v. Perglas, früherer Kommandeur der 26. Division, ist im Alter von 86 Jahren hier gestorben. Der Verstorbene machte die Feldzüge 1848/49, 1866, 1870/71 mit und war Inhaber des Eisernen Kreuzes 1. Klasse sowie des Großkreuzes des Militärverdienstordens.
Stuttgart, 9. Juni. Zur Kaiser Jubiläumsfeier werden die Stuttgarter Jungdeutschland-Gruppen am Samstag, 14. Juni, zur Bismarcksäule ziehen, wo in einer Ansprache der Bedeutung gedacht wird. Dann folgt ein Fackelzug durch die Stadt zum Kaiserdenkmal.
Stuttgart, 8. Juni. Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, sich an der vom Deutschen Städtetag beschlossenen gemeinsamen Huldigung der deutschen Städte anläßlich des Regierungsjubiläums des Kaisers zu beteiligen und eine Stiftung in Höhe von 50000 Mark zu Gunsten erholungsbedürftiger Stuttgarter Schulkinder zu errichten, die als Kaiser Wilhelm-Jubiläumsstiftung bezeichnet werden soll.
Horb, 10. Juni. Ministerialrat Krauß und Regierungsrat Brenner vom K. Ministerium des Innern und OberregierungZrat Falch von der Zentralleitung für Wohltätigkeit in Stuttgart haben die durch das Unwetter vom 4. ds. Mts. so schwer betroffenen Gemeinden Mühlen und. Baisingen besichtigt und mit dem Oberamlsvorstand und den Gemeindekollegien die zunächst zu ergreifenden Schritte beraten. Von der Zentralleitung für Wohltätigkeit wird eine Sammlung im Land veranstaltet und den beschädigten Gemeinden die Vermittlung von jungen Obstbäumen in Aussicht gestellt. Die Schäden an Gebäuden und Obstbäumen werden durch je 2 aus Bau- bezw. Obstsachverständigen gebildeten Kommissionen in den einzelnen Gemeinden genau erhoben, um einen Anhaltspunkt für die spätere Austeilung der Liebesgaben und sonstigen Beihilfen zu gewinnen. — Die Aufräumungsarbeiten auf den durch die umgestürzten Bäume vielfach gesperrten Straßen sind vollendet. Der Schaden in den Wäldern wird nunmehr. laut Staatsanzeiger, auf 20 000 Festmeter berechnet, wovon die Gemeinde Mühlen ca. 10 000 treffen. Die Gemeinde wird zur Aufräumung und Aufbereitung des Holzes 3 Monate 150—200 Waldarbeiter aus dem Oberamt Freudenstadt beschäftigen müssen und günstigenfalls etwa 180—200 000 Mk. hiefür lösen, dafür aber 80 Jahre auf diese Haupteinnahmequelle verzichten müssen. In den Wäldern des Frhr. v. Münch sind etwa 5000 Festmeter dem Sturm zum Opfer gefallen. Eine Anzahl Gefangener aus dem Landesgefängnis in Rottenburg ist mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Die restlichen 5000 Festmeter gehören Privatpersonen. Der Gesamtbetrag des Schadens wird bekanntlich annähernd 1 Million Mark erreichen.
Plochingen, 11. Juni. Mit der Abschätzung des Sturmschadens beschäftigte sich eine Sitzung der hiesigen bürgerlichen Kollegien. Nach den Angaben der Schätzungskommisston ergibt sich ein Gesamtschaden von 337 000 Von diesem Schätzungsergebnis soll dem Ministerium des Innern Mitteilung gemacht werden.
Aalen, 9. Juni. Um 7.25 Uhr fuhr Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff auf das Schloß Hohenrode« zu, um dort seinem Freund, dem Frhrn.
Georg v. Wöllwarth, bei dem er anläßlich dessen goldener Hochzeit vor 14 Tagen zu Gaste weilte, zu huldigen. 7.30 Uhr passierte das Lnftschiff Essingen, um die Schulkinder zu befriedigen, denen Graf Zeppelin vor 14 Tagen das Versprechen gab, den Ort, noch ehe 14 Tage vergehen werden, zu besuchen. 7.35 überflog das Luftschiff in wunderschöner Fahrt Aalen, um dann in der Richtung nach Wasseralfingen, Bopfingen zu verschwinden.
Stammheim, 12. Juni. Bei unvorsichtigen Schießübungen, die junge Burschen im Alter von 16—17 Jahren auf Bretter Vornahmen, schlug eine Kugel durch und verirrte sich in eine ca. 50 Meter entfernt gelegene Wohnung, wo sie einen dort auf Besuch weilenden verheirateten Mann von Stammheim direkt über dem Auge schwer verletzte.
Reutlingen, 9. Juni. In Eningen ist bei einer turnerischen Aufführung ein Holzgerüst eingestürzt. Eine Anzahl von Personen stürzte in die Tiefe und erlitt Verletzungen, die aber nicht tödlich sind.
Waldsee. 10. Juni. Gestern entlud sich über unserer Gegend ein heftiges Gewitter. Der Forft- wart Reuter von Aulendorf suchte Unterschlupf unter einer Tanne als plötzlich an dieser ein Blitzstrahl niederfuhr. Der Blitz traf den Forstwart in die Schulter, an der er das Gewehr trug, zerriß beide Gewehrläufe und den Stiefel und verbrannte sogar den Schnürsenkel daran. Im übrigen kam der Getroffene mit kleinen Verletzungen und einem großen Schrecken davon.
Lkus SlaSt, Bezirk unS Umgebung.
Enztal, 7. Juni. Von hier sind drei weitere junge Leute nach Südbrasilien abgereist, um in den dortigen Urwäldern die Holzarbeit nach deutschem Muster auszuführen. Ein weiterer Trupp Holzarbeiter beabsichtigt diesem in Bälde zu folgen.
Dietlingen, 10. Juni. (Lichtensteinspiele.) Nachdem die Spiele bei prachtvollem Wetter letzten Sonntag eine sehr stattliche Zuschauermenge beigelockt haben, wäre es sehr zu wünschen, daß nächsten Sonntag wieder blauer Himmel über Dietlingen sich wölbt. Es ist anzuerkennen, daß die Kunst der Spieler jetzt schon eine sehr beachtenswerte hohe Stufe erreicht hat. Die Gesamtwirkung ist jedensalls großartig. Zudem bringt der Besuch der Spiele auch sonst mannigfachen Genuß. Ganz abgesehen davon, daß der Spielplatz in einer Umgebung voll landschaftlicher Schönheit liegt, die man nicht so leicht wieder findet, sind die Sitze so bequem, daß die gespannte Aufmerksamkeit nicht gehindert ist. Die schöne geräumige Halle ist so gestellt, daß die Strahlen der Sonne nie die Zuschauer belästigen, sondern sich nur auf die Bilder des Schauspiels leuchtend legen. Es wird deshalb in der Halle auch nie zu heiß und jedem Besucher ist der Aufenthalt angenehm gemacht. Es kommen jetzt auch viele Besucher namentlich aus der württembergischen Umgebung; am Sonntag waren namentlich auch viele Stuttgarter hier. Den Freunden und Besuchern der Lichtenstein-Spiele dürfte es interessant und willkommen sein, zu hören, daß jetzt dank dem Entgegenkommen der Albtalbahndirektion alle Sonntage auf der Albtalbahn direkte Züge von Karlsruhe nach Dietlingen mit Fahrpreisermäßigung und verkürzter Fahrzeit verkehren. Außerdem erhalten die Besucher der Spiele auch auf der badischen Staatseisenbahn Preisermäßigung. Die Spielleitung hat sich entschlossen, abgesehen vom nächsten Sonntag, dem Regierungsjubiläum unseres Kaisers zu Ehren auch am 16. Juni, Montags, eine Aufführung zu veranstalten. zu der vor allem die Schüler der städtischen Volksschule in Pforzheim um niederen Eintrittspreis Zutritt erhalten sollen. Manche Eltern dürfte dies bewegen, mit ihren Kindern zusammen einen Ausflug nach Dietlingen zu machen. — Nähere einzelne Angaben siehe im Inserat.
Letzte Nachrichten u» Telegramme
Berlin, 12. Juni. Die Budgetkommission des Reichstages beendete heute die erste Lesung des Gesetzentwurfes betr. das Erbrecht des Staates und nahm die Vorlage mit den im Laufe der Debatte beschlossenen Aenderungen an.
London, 12. Juni. Wie das „Reuter'sche Bureau" aus Petersburg erfährt, haben Bulgarien und Serbien das russische Schiedsgericht angenommen.
MorausstcHMche Witterung.
Das Tief ist nordöstlich von uns angelangt. Doch folgt von Irland her eine Störung nach, die den Hochdruck im Südwesten zurückhalten und uns vorwiegend bewölktes, kühles Wetter und Regen bringen wird.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil: C. Merk,
für Len Inseratenteil: G. Conradi in Neuenbürg