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92.
Neuenbürg, Montag de» 9. Juni 1913.
71. Jahrgang.
Run-schau.
Berlin, 8. Juni. In Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, des Reichskanzlers, zahlreicher Minister und Staatssekretäre, sowie der Botschafter Englands, Amerikas, Rußlands und Japans, der Gesandten Schwedens, Dänemarks, der Niederlande, Rumäniens und Belgiens und einer besonderen schwedischen Abordnung fand heute die feierliche Einweihung des deutschen Stadion in der Grune- walder Rennbahn statt. Der festlich geschmückte Bau war von Tausenden von Zuschauern besetzt. Die Feier gliederte sich in den Einzug von 30 000 deutschen Sportsleuten, die Huldigung vor dem Kaiser und sportliche Vorführungen. Staatsminister a. D. v. Podbielski, Vorsitzender des Reichsausschusses für die olympischen Spiele, hielt eine kurze Ansprache, in der er den Kaiser als den Protektor des deutschen Sports jeierte. Unmittelbar darauf flogen 10000 Militärbrieftauben mit der Rede des Staatsministers in alle Gegenden des Reiches. Der in musterhafter Ordnung an der Kaiserloge vorbeimarschierende Festzug bot mit seinen Fahnen und vielfarbigen Emblemen ein glänzendes Bild. Auch 9000 Vertreter des Jungdeutschlandbundes nahmen daran teil. Unter den sportlichen Vorführungen, die mit Eskaladierübungen zweier Kompagnien des Gardekorps begannen, erregten diese, sowie ein Staffelten- lauf besonderes Interesse. Während der Vorführungen empfing der Kaiser eine Deputation des internationalen Komitees für olympische Spiele, sowie eine Anzahl deutscher und ausländischer Sportsleute.
Grünaub. Berlin, 8. Juni. Der heutige Hauptlag der Kaiserjubiläumsregatta auf dem Langen See bei Grünau zeigte ein selten buntes und lustiges Bild. Das herrliche Sommerwetter hatte ungeheuere Menschenmassen hinausgelockt, die die Tribünen, die User und die Fahrzeuge aller Art besetzt hielten. Die Ausschmückung der Tribünen und der Fahrzeuge war diesmal besonders reich. Gegen 4.40 Uhr traf die „Alexandria" mit dem Kaiser an Bord vor den Tribünen ein. Nach kurzem Aufenthalt in der Kaiserloge fuhr der Kaiser unter den begeisterten Ovationen der Menge zum Start, wo sofort der Kaiser-Vierer begann. Es starteten 5 Boote, von der „Alexandria" bis zum Ziel begleitet. Siegreich blieb in überlegener Weise der Mainzer Ruderverein. Die „Alexandria" machte dann am Kaiserpavillon fest, während das nächste Rennen, der Akademische Vierer, begann. Siegreich blieb der Akademische Ruderverein Berlin. Der Kaiser reichte der siegreichen Mannschaft den kaiserlichen Wanderpreis gleich von Bord seiner Uacht ins Boot. Sodann überreichte der Vorsitzende des Deutschen Ruderverbandes, Geh. Kommerzienrat Büxenstein, dem Kaiser an Bord der „Alexandria" mit einer Ansprache, die in ein dreifaches Hurrah auf den Kaiser ausklang, in welches das Publikum begeistert einstimmte, eine Jubiläums- adresfe. Der Kaiser nahm die Adresse mit einigen Worten des Dankes entgegen. Während der Kaiser sodann die Sieger im Kaiser-Vierer an Bord empfing und ihnen den silbernen Pokal Kaiser Friedrichs überreichte, begann gegen ffrö Uhr die Huldigungsauffahrt der Boote zur Feier der 25. Wiederkehr der Thronbesteigung des Kaisers. Vom Start näherten sich durch die Regattastraße, die auf der einen Seite von den Tribünen, auf der anderen von den festlich geschmückten Fahrzeugen des Deutschen Regattavereins abgegrenzt war, über 500 Boote in Reihen von je sechs, die zumeist mit Grün und mit Blumen geschmückt waren, und zogen an dem Kaiserschiff vorbei. Der Kaiser beobachtete den langen Zug mit großem Interesse und grüßte unaufhörlich. Die Auffahrt zerfiel in 3 Gruppen, die erste verkörperte den Schülerrudersport, die zweite bildete die akademischen Rudervereine, die dritte die Vereine des Deutschen Ruderverbandes. Die Vorbeifahrt
dauerte über Stunden. Der Kaiser verließ Grünau um 6 20 Uhr und kehrte auf dem Wasserwege nach dem königlichen Schloß zurück, wobei ihm das Publikum andauernd Ovationen bereitete.
Die jüngsten Kundgebungen der Welfenführer in Hannover, in denen unverblümt die Hoffnung auf eine Wiederherstellung des Königreichs Hannover ausgesprochen war, hatten in weiten Kreisen des deutschen Volkes den Wunsch hervor- gerusen, es möge von zuständiger Seite eine energische Zurückweisung dieser Herausforderungen erfolgen. Dies ist jetzt geschehen durch eine hochoffiziöse Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg.", in welcher das Berliner Regierungsblatt kräftigst betont. Hannover sei und bleibe ein Bestandteil des preußischen Staates. Weiter versichert die Kundgebung in der „N. A. Z.". der Herzog von Cumberland wie sein Sohn wünschten nicht im entferntesten, daß die soeben abgeschlossene Familienverbindung der Häuser Hohenzollern und Cumberland irgendwie zur Grundlage von Bestrebungen zur Wiederherstellung des Königreichs Hannover oder auch nur zugunsten einer Abtretung preuß. Gebietes an das Herzogtum Braunschweig gemacht werde. Im Ferneren weift der Artikel des Berliner Regierungsblattes auf die mit Zustimmung des Herzogs von Cumberland abgegebene feierliche Erklärung des Prinzen Ernst August hin, er werde nichts tun oder unterstützen, was eine Aenderung des preußischen Besitzstandes im Auge haben würde. Zuletzt stellt die Auslassung der „N. A. Z." die Thronbesteigung des Prinzen Ernst August in Braun- schweig für kommenden Herbst in Aussicht. — Man kann einigermaßen darauf gespannt sein, welche Wirkung diese „Abfuhr" auf die Welfenführer ausüben wird.
Sulzburg. 5. Juni. Im hiesigen Lokalblatt „Kastelb. Bote" erschien am Samstag 31. Mai nachstehendes Inserat: „Derjenige, der meine Reb- spritze auslehnte und bisher noch keine Zeit fand, sie wieder zu bringen, wird hiermit öffentlich um sofortige Rückgabe ersucht. G. Marquart z. .Hirschen", Sulzburg." Dieses Inserat hatte einen geradezu verblüffenden Erfolg, denn schon in der gestrigen Mittwochnacht wurde die reklamierte Rebspritze in den Hof des Blechnermeisters Kuny hier gestellt — mit ihr aber noch 5 weitere Rebspritzen. Es scheinen sich also auch noch verschiedene andere „Entleiher" getroffen gefühlt zu haben. Der „Fall" wird hier natürlich weidlich belacht.
In Rom wurde eine bekannte Kartenlegerin namens Geneveva Nistri verhaftet, da die von ihr gebrauten „Liebestränke" mehreren Personen das Leben gekostet haben. Das waren aus Pflanzen zusammengekochte Säfte, die verschmähte Liebhaber oder Liebhaberinnen der geliebten Person ins Essen mischen mußten, worauf dann unfehlbar die ersehnte Liebe einsetzte! Zu ihren Kunden gehörten Angehörige der höchsten Aristokratie. Was die Sibylle verdiente, geht daraus hervor, daß sie mehrere prächtige Villen besaß.
In Kairo wird jetzt das erste ägyptische Krematorium gebaut. In dem Lande, wo man einst seine Aufgabe darin erblickte, den Leib vor Verfall ^ zu schützen, beschleunigt man heule den Prozeß, indem man die Leichen verbrennt!
Württemberg.
Stuttgart, 6. Juni. (Zweite Kammer.) In der Sitzung am Freitag abend wurde nach Beratung des Antrags betr. die Landeshebammenschule das Kapitel „Zentralstelle für Gewerbe und Handel" beraten. Abg. Leibfried (V.) wies darauf hin, daß die Auswanderung der besten Arbeitskräfte ins Ausland als ein Schaden von Handel, Gewerbe und Industrie uns zu bedenken geben müsse, und verlangte eine gerechtere Verteilung der Steuern, besonders für die Gewerbetreibenden,
' eine stärkere Förderung der Neckarkanalisation, eine
Verbesserung der gewerblichen, kommerziellen und industriellen Verhältnisse des Landes. Abg. Stroh (B.K.) redete der Förderung des Genossenschaftswesens in Gewerbe und Handel und der Unterstützungen kleingewerblicher Unternehmungen das Wort und bat die Regierung um Gewährung staatlicher Mittel für die Gewerbetreibenden zur Ermöglichung eines Besuches der Baufachausstellung in Leipzig; ein entsprechender Antrag liegt vor, auch von Seiten der Sozialdemokratie, sowie der Volkspartei. Abg. Löchner (V.) verlangte eine bessere Vertretung des Handwerks bei der Zentralstelle, sowie die Erschließung weiterer Berufe für die weibliche Jugend gemäß eines vom Zentrum eingebrachten Antrags.
Stuttgart, 7. Juni. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Etats des Innern bei der Zentralstelle für Gewerbe und Handel fort. Schon in der gestrigen Abendsitzung hatten der Abg. Commerell (Natl.) und der Abg. Leibfried verschiedene Wünsche der Industrie vorgebracht. Der Abg. Stroh (B.K.) war für die Förderung des Handwerks, der Abg. Löchner (Vp) für den Antrag der Volkspartei auf Gewährung von Staatsbeiträgen an selbständige Kleinmeister zum Besuch von Ausstellungen eingetreten. Zu diesem letzteren Punkt lagen auch Anträge der Sozialdemokratie und der Konservativen vor. Weiter lag dem Hause heute ein Antrag des Zentrums auf Förderung der handwerksmäßigen Ausbildung der Frauen in den weiblichen Arbeitsgebieten vor. Zu Beginn der heutigen Sitzung sprach der Abg. Herbster (Z.), der für die Schaffung von Arbeitskammern für Handwerker und für die Beiziehung einer größeren Zahl von Handwerkern in den Beirat der Zentralstelle eintrat. Abg. Reichel (Soz.) beschäftigte sich mit der Lage der arbeitenden Klassen und bezeichnte es als verkehrt, wenn man die schlechte Lage des Handwerks den Gewerkschaften in die Schuhe schiebe. Der Redner kam eingehend auf den Kampf bei der Firma Bosch zu sprechen, dessen Ursache darin zu erblicken sein dürfte, daß die Anspannung der Kräfte der Arbeiter bis zur höchsten Leistungsfähigkeit und darüber hinaus verlangt worden sei. Der Abg. Andre (Ztr.) kritisierte das Bestreben der Sozialdemokratie, die deutschen Arbeiterverhältnisse immer als schlechter hinzustellen, während die ausländischen Arbeiter froh wären, wenn sie so geordnete Verhältnisse hätten. Der Sozialdemokratie sei es wohl unangenehm, daß der Fall Bosch hier zur Sprache gebracht worden sei. Man müsse sich im Handwerk auch der weiblichen Kräfte annehmen und seine Partei beantrage daher die Förderung der handwerksmäßigen Ausbildung der Frauen. Minister v. Fleischhauer erklärte gegenüber der von dem Abg. Leibfried ausgesprochenen Befürchtung, daß der Kurs nach dem Wechsel im Ministerium rückwärts gesteuert werde, dazu liege kein Anlaß vor. Der Minister versicherte, er sei einem gesunden Fortschritt nicht abgeneigt und habe den Beweis dafür erbracht. Die starke Heranziehung der Handwerker zum Beirat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel hält der Minister nicht für berechtigt, ebensowenig kann er sich mit der Heranziehung von Handwerkskammersekretären zur Zentralstelle einverstanden erklären, lieber die Abgrenzung von Fabrik und Handwerk würden zurzeit Erhebungen von der Regierung angestellt. Die Gewährung von Beiträgen zur Errichtung von Sub- missionsämtern werde die Regierung erwägen. Für den Besuch der Bauausstellung in Leipzig wird die Regierung den Arbeitern usw. die Hälfte der Reisekosten vergüten. Was die handwerksmäßige Ausbildung der Frau anlange, so haben nach Ansicht des Ministers Handwerkskammern und Arbeitsschulen genügend vorgesorgt. Abg. Feuerstein (Soz.) wandte sich gegen die Behauptungen des Abg. Andre und ersuchte die Regierung, der Vereinigung der vier Handwerkskammern des Landes zu einer einzigen Kammer näher zu treten. Weiter beklagte sich der