RunSschau.
Leipziger Jahrhundertfeier. An der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig am 18. Oktober werden 19 regierende Fürsten teilnehmen, darunter der Kaiser, die Könige von Sachsen und Württemberg, Prinzregent Ludwig von Bayern und Erzherzog Franz Ferdinand als Vertreter des Kaisers von Oesterreich. Den Zaren vertritt ein Mitglied der kaiserlichen Familie, den König von Schweden einer seiner Söhne.
Bad Nauheim, 25. April. Gestern nachmittag spielten sich hier entsetzliche Szenen ab. Die Frau des Badedieners Schund war plötzlich irrsinnig geworden und begab sich in die Wohnung des Mechanikers Neuling. Dort erstach die Wahnsinnige den Neuling und verletzte dessen Frau lebensgefährlich. Dann letzte sie sich in eine Droschke und fuhr nach der Franksurterstraße. Hier drang sie in die Wohnung eines Technikers, namens Wiesner ein. In der Küche stürzte sie sich auf die Köchin, dis sie ebenfalls durch Messerstiche schwer verletzte. Auf die Hilferufe der Köchin eilte Frau Wiesner hinzu, die gleichfalls von der Wahnsinningen durch Messerstiche schwer verwundet wurde. Erst dem herbeieilenden Droschkenkutscher gelang es, der Wahnsinnigen das Messer zu entreißen, worauf sie in eine Irrenanstalt verbracht wurde.
In Koblenz treiben Werber für die Fremdenlegion augenblicklich ihr Unwesen. Zwft jnnge Leute im Alter von kaum 16 Jahren wurden von einem Fremden erst betrunken gemacht und dann verleitet, mit ihm aus der Eisenbahn in der Rich'ung nach Frankfurt a. M. zu fahren. Die jungen Leute fuhren mit bis Nicderlahnstein; dort wurde ihnen das Bedenkliche ihres Unternehmens klar, sie sprangen aus dem Zuge und kehrten zu Fuß nach Koblenz zurück. Die Angelegenheit beschäftigt augenblicklich die Kriminalpolizei.
Trier, 24. April. Die Weinversteigerung wurde heute nach Zwöchentlicher Dauer beendet. Dabei erzielte man für 1634 Fuder 1911er Mosel-, Saar- und Wupperweine über 4*/- Millionen Mark Einnahmen. Insgesamt wurden bisher für 1911er Ernte über 6ftr Millionen Mark gelöst.
Emmendingen, 23. April. Die Frostschäden sind doch nicht so arg, wie man zuerst glaubte. Manche Bäume, die in der Blüte standen, haben die Kälte verhältnismäßig gut Überstunden, sodaß immer noch aus etwas Ertrag zu hoffen ist. Das Spätobst ist fast glatt durchgekommen. Die Bauern am Kaiserstuhl werden jedoch fast die gesamte Kirschenernte vermissen. Vielleicht bringt die Weinernte einen Ausgleich dafür.
Triberg, 22. April. Ein in der hiesigen Jahresuhrenfabcik beschäftigter Uhrmacher namens I. Heimburger will ein Uhrenlaufwerk erfunden haben, das ohne Antrieb immer laufen soll. Die Erfindung ist beim Patentamt angemeldet; man hätte es dabei also mit nicht weniger zu tun als mit dem Perpetuummobile. Man wird gut tun, die Sache mal abzuwarten.
Bamberg, 19. April. Die „Vossische Zeitung" teilt folgendes mit: „In aller Stille ist am Bam- berger Stadttheater von Partie zu Partie ein Künstler gewachsen, der, wenn ihm Glück und Kraft treu bleiben, noch von sich reden machen wird; es ist der junge Heldentenor Fritz Kießel. Kießel, der in Nürnberg lebt und von dort aus zu den Proben und Vorstellungen nach Bamberg fährt, ist heute noch in dem Metzgereigeschäft seines Vaters tätig. Es war in der jetzt zu Ende gegangenen Spielzeit für ihn nichts ungewöhnliches, Wagners „Siegfried", den „Jose" in „Carmen", den Pedro im „Tiefland" usw. zu singen, dann nachts nach Nürnberg zu fahren und um 5 Uhr früh bereits — auf dem Viehhof tätig zu sein. Aber wie lange wird dies Kießel tun können, ohne Schaden zu nehmen?"
Ausländische Losschwindler treiben wieder ihr Unwesen in Deutschland. Durch zahllose Briefe, Prospekte und Agenten empfehlen sie Prämien- Obligationen wie Ottomanische (Türkenlose), Braunschweiger, Pappenheimer, Holl. Grundkreditbank, Holl. Fünfzehnguldenlose usw. Sie verkaufen sie gegen Monatszahlungen oder auch nach neuestem Schwindlertrick gegen Beleihung. Das Publikum fällt leider immer wieder darauf hinein. Der Kauf solcher Obligationen ist in allen deutschen Staaten strafbar. Zahlreiche Käufer, und besonders Vermittler, sind schon deshalb bestraft worden. Außerdem sind aber die ausländischen „Bankfirmen", die diese angeblichen Wertpapiere verkaufen, durchweg Schwindler. Es ist festgestellt, daß sie Papiere, über die sie Depotscheine und Zertifikate erteilen, garnicht besitzen. Wie uns die Kgl. Staatsanwaltschaft Kassel mitteilt, schweben gegen fast hundert dieser Firmen Strafoerfahren wegen Betrugs und Wuchers und zugleich Sperren für sämtliche Postsendungen. Jeder, der mit den Firmen oder ihren Vermittlern in Verbindung tritt, setzt sich also dem gerichtlichen Strafverfahren aus. Es sei auch besonders gewarnt vor dem Kauf von Losen der dänischen Koloniallotterie; zahlreiche Bestrafungen sind auch deshalb erfolgt. Alle, die mit ausländischen Firmen in Verbindung getreten sind, werden sich am besten an die Kgl. Staatsanwaltschaft Kassel wenden.
Paris, 24. April. Bei Compiögne wurde eine halbstündige Versuchsfahrt mit einem von dem Luftschiffer Leprinee erbauten lenkbaren Kugelballon unternommen, die durchaus gelungen ist. Die Lenkbarkeit dieses 1000 Kubikmeter fassenden Ballons wird mittels zweier vierflügeligen und zweier zweiflügeligen Schrauben erzielt, die von einem Zehn- Zylindermotor getrieben werden. Man hält es für möglich, daß derartige Lenkballone für militärische Zwecke gute Dienste leisten können.
Württemberg.
Stuttgart, 21. April. In den Kampf gegen die Lungentuberkulose gewährt der soeben erschienene 14. Rechenschaftsbericht des Vereins für Volksheilstätten in Württemberg interessante Einblicke. In seiner für 88 Erwachsene und 12 Kinder eingerichteten Heilstätte Charlottenhöhe bei
Calmbach hat dieser Verein im Jahr 1911/13 448 Lungenkranke und zwar zum weitüberwiegenden Teile solche, die der Fürsorge der Versicherungsanstalt nicht teilhaftig sind, in 35 825 Verpflegungstagen verpflegt. Von den 100 Betten waren durchschnittlich 98 immer belegt, der Zudrang von Aufnahmesuchenden war so groß, daß viele überhaupt nicht, die andern erst nach wochen- ja monatelangem Warten ausgenommen werden konnten; ein Beweis dafür, wie verbreitet die Tuberkulose auch in den Mittelstandskreisen ist, und wie dringend nötig die Errichtung einer weiteren. Minderbemittelten zugänglichen Lungenheilstätte wäre. Als ganz besonders dringendes Bedürfnis hat sich die Erweiterung der Kinderabteilung in der Heilstätte Charlottenhöhe oder besser die Gründung einer besonderen Kinderheilstätte herausgestellt, der der Verein gern näher treten würde, wenn er in besseren finanziellen Verhältnissen sich befände. Aber bei einem Schuldenstand von 485 000 Mk. und bei einem Betriebs- abmangel in der Heilstätte Charlottenhöhe von 15 255 Mk., zu dem noch der Aufwand auf Verzinsung und allmähliche Tilgung der Schuld sowie auf Abschreibungen an Gebäuden und Einrichtungen im Gesamtbetrag von 44 383 Mk. kommt, wozu die Einnahmen aus Zinsen und Beiträgen nicht ausreichen, könnte sich der Verein zu einem Unternehmen, das einen sehr großen, einmaligen und fortlaufenden Aufwand erfordern würde, nur entschließen, wenn er sich dabei ausgiebigster Unterstützung von Privaten und Behörden erfreuen dürfte. Hervorgehoben zu werden verdient, daß der Verein die Verpflegungssätze seiner Heilstätte Charlottenhöhe (für Kinder 2 Mk., für Erwachsene 3 Mk.) seit Eröffnung der Anstalt, dem Frühjahr 1907, trotz der inzwischen eingetretenen starken Steigerung vieler Lebensmittelpreise und Gehalte und Löhne nicht erhöht hat, um den minder bemittelten Kreisen das Aufsuchen der Heilstätte möglichst zu erleichtern. Ueber den Erfolg der Kur, die bei den Männern (die vorzeitig ausgetretenen abgerechnet) durchschnittlich rund 100 und bei den Frauen rund 106 und bei den Kindern 80 Tage dauerte, ist dem Bericht zu entnehmen, daß von den 55 erwachsenen Kranken, deren Krankheit beim Eintritt in die Heilstätte noch in den ersten Anfängen sich befand, bei 28 bis 51 Proz. beim Austritt volle, dauernde Erwerbsfähigkeit und bei 24 bis 44 Proz. annähernd volle Erwerbstätigkeit für längere Zeit, also bei 52 bis 95 Proz. ein guter Erfolg erreicht war. während von den 120 Kranken, deren Krankheit schon weiter vorgeschritten war, beim Eintritt nur 77 Proz. und von den 117 Kranken mit noch weiter vorgeschrittener und ausgedehnter Erkrankung nur 11 Proz. noch einen günstigen Erfolg aufwiesen. Darin liegt eine sehr eindringliche Mahnung bei tuberkulöser Erkrankung nicht erst lange zuzuwarten, sondern möglichst rasch in ärztliche Behandlung und erforderlichenfalls in eine Lungenheilstätte sich zu begeben; denn je weniger weit die Krankheit vorgeschritten ist, um so günstiger und sicherer ist die Aussicht auf Heilung. Solange die Lungenheilstätten solche Erfolge auf-
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Roman von Moritz Lilie.
(Nachdruck verboten).
„Ich nicht, aber Du. Wenigstens wirst Du das Geld schaffen; woher, kümmert mich nicht."
„Diesmal dürftest Du Dich täuschen!" rief jener triumphierend. Von mir hast Du nichts zu erwarten."
„Dann werde ich mich ohne lange Umstände an den Grafen wenden", erklärte das Frauenzimmer. „Es Wird ihn ohne Zweifel interessieren, daß Du verheiratet bist."
Der Mann ballte vor innerer Wut die Fäuste. Er fühlte, daß er sich vollständig in der Gewalt dieses Weibes befand, von welchem er keine Schonung zu erwarten hatte.
„Wieviel brauchst Du?" fragte er.
„Für den Anfang Mägen dreitausend Gulden", sagte sie kaltblütig. „Wieviel ich später gebrauche, weiß ich noch nicht."
„Ich werde Dir tausend Gulden zur Einrichtung der Wohnung und die gleiche Summe als jährlichen Beitrag zu Deinem Unterhalt zahlen. Mehr kann ich Nicht thun."
Seraphine kehrte ihm verächtlich den Rücken und wandte sich zum Gehen.
„Ich werde morgen früh dem Grafen Rodeck einen Besuch machen, vielleicht treffe ich Dich dort, damit Du mein Verlangen um einen anständigen Verpflegungs- Vertrag unterstützen kannst."
Wütend packte Ancelot seine Frau am Arm und riß sie herum.
„Bestie!" keuchte er. „Reize mich nicht zum äußersten; es könnte Dein Verderben sein."
Doch sah er ein, daß er nachgeben müsse, wenn er nicht eine Skandalsceue herbeisühreu wollte.
„Komme morgen um dieselbe Zeit wieder hierher" sagte er leite, aber mit einem Unheil kündenden Anf- flammen seiner dunklen Augen. „Ich werde versuchen das Geld zu schaffen."
„Gut, ich werde hier sein und eine Viertelstunde warten", entschied die Sängerin. „Solltest Du nicht kommen, so werde ich sofort dem Herrn Grafen Rodeck meinen Besuch machen und demselben die für ihn ohne Zweifel sehr interessanten Neuigkeiten überbringen."
Ohne einen Gruß wandte er sich ab und ging.
Am anderen Tage war sie zur festgesetzten Zeit aw bestimmten Ort, und wenige Minuten später erschien a ich Ancelot. Er überreichte ihr zwei Tausendgulden- uoten und erklärte, daß er ihr augenblicklich nicht mehr habe schaffen können. , ^
„Den Nest von tausend Gulden wrrst Du mir in spätestens drei Tagen übergeben müssen. Du kannst mir das Geld in meine Wohnung senden: es ist dieselbe, in welcher Du im Anfänge unserer Bekanntschaft verkehrt hast."
„Das war ein sehr dürftiges Quartier. Ich wünsche, daß Du ein besseres mietest", sagte ihr Gatte in ruhigem, fast freundlichem Tone. „Ich habe ein solches für Dich in der Ringstraße ausgewühlt, und wenn Du willst, können wir es gleich besichtigen."
„Ich bin es zufrieden", verictzie die Frau nach kurzem Ueberlegen, und beide machten sich auf den Weg
„Wir sind am Ziele", erklärte Ancelot nach kurze, Zeit, vor einem stattlichen Hanse stehen bleibend.
Prüfend schaute Seraphine an dein vierstöckig» Gebäude empor, das sich mit seinen Balkons un> Simsen sehr stattlich anSuahm. Sie nickte befriedigt.
„Wie hoch?" fragte sie ins Haus tretend.
„Zwei Treppen", auiworiete Ancelot.
Die Vorsaalthür war nicht verschlossen: offenbar erwartete man den Besuch. Ein Mädchen, nicht meh, jung, empfing die beiden, und Ancelot stellte sie als di, künftige Zofe vor.
„Wie heißen Sie?" fragte Seraphine.
„Lisette, gnädige Frau."
Es war das erste Mal, daß sich die Sängerin so nennen hörte: die Zofe hatte damit sofort ihre Zuneigung gewonnen.
„Sie können bleiben, ich behalte Sie , sagte sie freundlich und begann, die Zimmer zu besichtigen.
Ancelot war zurückgeblieben.
„Alles geht gut", raunte er dem Mädchen zu „Suchen Sie dem Weibe zu schmeicheln, und Sie haben ,osort ihr Vertrauen gewonnen. Sobald unser Plan geglückt ist. erhalten Sie hundert Dukaten in Gold Zn jedem Zimmer stehen mehrere Armleuchter mit Kerzen. Es muß der Frau klar gemacht werden, daß diese Lelenchtungsart weit vornehmer ist. als jede andere", fuhr der Mann leise fort. „Schonen Sie die Lichte Licht, es ist genügender Vorrat da."