Zweites

Zweites

Blatt.

Blatt.

174.

Neuenbürg, Freitag den 1. November 1912.

7V. Jahrgang.

RunSschau.

Berlin, 29. Okt. Auf dem Wege Kurfürsten­damm nach dem Bahnhofe in Charlottenburg verlor gestern eine mit einem Kraftwagen fahrende Dame eine gelbe Handtasche, die eine Perlenkette, drei Armbänder und ein Scheckbuch enthielt, im Gesamtwert von 25000 Mark.

Berlin, 30. Okt. In der Nacht zum Sonntag wurde bei der Allg Elektrizitätsgesellschaft in Berlin ein Einbruchsdiebstahl verübt. Die Diebe drangen in der Zweigabteilung Koloniestraße in einen Lager­raum für Edelmetalle ein und öffneten dort die Eisentüre eines stark verriegelten Faches. Als Beute fanden sie etwa zwei Zentner rohes Silber in Stangen und Drähten, die sie Mitnahmen. Der diensthabende Wächter hat nichts von dem Einbruch bemerkt.

Chemnitz, 29. Oktbr. Die hiesige Baufirma Rich. Becker ist in Konkurs geraten. Die Passiven betragen 320000 Mk. Einige Gläubiger haben bis 10000 Mk. zu fordern. Viele kleine Bau­handwerker sind geschädigt. Die Aktiven sind nicht bekannt.

Aus Hildesheim wird gemeldet: Auf dem Jahrmärkte zu Gronau explodierte der Spiritus apparat eines Schnellphotographen in dem Augen- blick, als zahlreiche Kinder dem Photographieren zu­sahen. Vier Kinder wurden lebensgefährlich, vier andere leicht verletzt. Der Photograph, der Verletzungen erlitten hatte, wurde verhaftet.

In einem Dorfe bei Eschwege sind zwanzig Personen nach dem Genuß von Rindfleisch in lebensgefährlicher Weise erkrankt.

München, 30. Okt. Heute vormittag ist der der Fliegerabteilung zugeteilte Leutnant Ham­burger vom 16. Infanterieregiment ab gestürzt. Er erlitt einen Schädelbruch, sowie einen Bruch des rechten Oberarms und des linken Unterschenkels.

Karlsruhe, 29. Oktbr. Der Stadtrat legte dem Bürgerausschuß ein hochbedeutendes Projekt vor. Er soll nämlich 1322000 Mk. bewilligen zur Erstellung eines vierten Beckens des städtischen Rheinhafens. An dem vierten Becken werden sich rund 200 000 Quadratmeter nutzbares Hafengelände ergeben. Werden diese zum Preise von nur 50 Pfg. pro Quadratmeter und Jahr vermietet, so gibt das für die Stadt jährlich 100 000 Mk. Einnahme. Würde das Gelände zum Preise von 10 Mk. ver­kauft, so könnte aus dem Erlös nicht nur der Ge­samtaufwand bestritten werden, sondern es verblieben rund 480000 Mk. Mehreinnahmen. An der An­nahme durch den Bürgerausschuß ist kaum zu zweifeln.

Vom bad. Schwarzwald, 30. Okt. Nach den letzten winterlich rauhen Tagen ist plötzlich ein Umschlag eingetreten. In den hohen Berglagen schmolz der Schnee, der schon bis zu 30 Zentimeter hoch lag, in wenigen Stunden ab. Die Temperatur ist in den oberen Gebirgsregionen bis 15 Grad, in der Rheinebene sogar bis 21 Grad schattenseitig ge­stiegen. Wiederholt stellte sich reiner Südwind ein, was in unseren Strichen sehr selten der Fall ist. Für die schon so vorgerückte Jahreszeit ist nament­lich die Schwüle auffallend. Vdm Oberrhein kommen Berichte, wonach das Wasser wohl infolge der all­gemein eingetretenen Schneeschmelze im Alpengebiet langsam, aber stetig steigt. In den Rheinniederungen sind vielfach Felder und Wiesen überschwemmt.

Brombach, 30. Okt. Vor etwa 1'/- Jahren machte eine hiesige Frau zu Gunsten einer anderen Frau gegen Bezahlung in einer Beleidigungsklage als Zeugin unter Eid falsche Aussagen. Von ihrem Gewissen geplagt machte lt. „Freibg. Ztg." die Frau über diesen Vorfall beim Amtsgericht selbst Anzeige. Beide Frauen wurden jetzt wegen Meineids verhaftet.

Gegen den Aussatz, jene schreckliche, aus der hl. Schrift bekannte ansteckende Krankheit, die wir heute Lepra nennen, hat die ärztliche Kunst auch heute noch kein wirksames Mittel gefunden, so daß die Fälle von Lepra, die allerdings sehr selten sind, stets mit einem qualvollen Tod enden. Große Teil­nahme erweckte der Transport eines jungen aus­sätzigen Franzosen von Frankfurt a. M. nach der

französischen Grenze. Es war bei ihm während eines Aufenthalts in Deutschland der Aussatz festge­stellt worden; da keine Besserung zu erwarten war, mußte die Ausweisung erfolgen. Der Transport geschah in einem Extrabahnwagen. In Deutschland besteht bei Memel ein Leprakrankenhaus.

Polizeileutnant Becker hat, einem New Aorker Telegramm zufolge, einen langen Bericht an die New-Aorker Staatsanwaltschaft gesandt, in dem er erklärt, daß der Zeuge Rose der wirkliche Mörder Rosenthals gewesen sei. Die Staats­anwaltschaft ist auch davon benachrichtigt worden, daß noch mehrere Morde auf Anstiftung der New-Aorker Polizei begangen worden sind, und zwar im Aufträge höherer Polizeioffiziere. Der frühere Polizeikommissar Bingham erklärte gestern dem Staatsanwalt, daß auch er bezeugen könne, daß mehrere Personen auf Anstiftung der Polizei Morde begangen haben.

New-Jork, 30. Okt. Polizeileutnant Becker ist vom Schwurgericht zumTode durch Elektrizität verurteilt worden.

New-Aork, 30. Okt. Der zum Tode verur­teilte Polizeileutnant Becker wurde sofort nach Sing Sing in Einzelhaft gebracht. Die Hinrichtung wurde indessen verschoben, da Berufung gegen das Urteil eingelegt worden ist, deren Erledigung ein Jahr in Anspruch nehmen kann.

New-Aork, 30. Oktbr. Nach einer Meldung aus San Antonio in Texas sind bei dem Brande eines Hospitals in Santa Rosa acht Kranken­schwestern und ein Kind um gekommen. Mehrere Personen werden vermißt.

In Reddish bei Stockport rannte ein Auto­mobil in ein Schaufenster. Eine Dame wurde niedergeworfen und getötet. Von den Insassen erlitt eine Dame mit ihren beiden kleinen Söhnen lebensgefährliche Verletzungen. Der Chauffeur wurde leicht verletzt.

Die Tragödie einer griechischen Aristokratin spielte sich in Athen ab. Als dort eine Madame Vlachos die Nachricht erhielt, daß ihr Gatte in der Schlacht bei Elaffona durch eine türkische Kugel ge­tötet worden sei, erschoß sie sich. Kaum hatte sie sich selbst den Tod gegeben, als die Meldung cin- traf, daß ihr Mann nur verwundet worden sei.

Württemberg.

Stuttgart, 26. Okt. Unter zahlreicher Be­teiligung, besonders auch von Offizieren, fand heute hier die erste Hauptversammlung des Landesver­bands Württemberg Jungdeutschjland statt, der auch die Minister v. Pischek und v. Fleisch­hauer anwohnten. Nach dem Jahresbericht des Vorsitzenden, Professor Lachenmaier, haben die bisherigen Erfahrungen den Beweis geliefert, daß die Arbeit dank der nachdrücklichen Unterstützung der militärischen Mitarbeiter, deren Gesamtzahl sich auf 250 beläuft, segensreich und erfolgreich sei. Der Jungdeutschlandbund in Württemberg umfasse 150 Ortsgruppen mit gegen 15 000 Mannschaften und 500 Führern. Der Bund, der eine körperliche und sittliche Kräftigung unserer Jugend anstrebe, wolle diese politisch in keiner Weise beeinflussen, aber dieser Grundsatz schließe die Pflege der Vaterlands­liebe nicht aus. Mit stürmischer Begeisterung wurde die Mitteilung entgegengenommen, daß der König das Protektorat über den Landesverband übernom­men habe. GeneralmajorFrhr. v. Hügel-Tübingen berichtete über das Ferienheim Klause in Rottenburg und Major v. Hoff sprach über die militärische Mitarbeit. Bankier Kaufmann erstattete den Kas­senbericht, der eine pekuniäre Unterstützung des Ver­bands als notwendig erkennen läßt. Der König hat einen Jahresbeitrag von 200 o/L gestiftet. An den König wurde ein Danktelegramm gesandt, worauf eine huldvolle Antwort einlief.

Eßlingen, 30. Okt. Die bürgerlichen Kolle­gien haben die Erstellung eines Krematoriums auf dem hiesigen Friedhofe nunmehr endgültig beschlossen.

Schorndorf, 30. Okt. In einer gemeinschaft­lichen Sitzung der Nationalliberalen und der Volks­partei wurde gestern einstimmig beschlossen, die Kan­

didatur Kolb, die für beide Parteien unverbindlich sei, nicht zu unterstützen.

Gmünd, 30. Okt. Der Stadtverwaltung soll, wie verlautet, die alte Kaserne zu dem Preise von 120000 c/6 zum Kaufe angeboten worden sein.

Aalen. 30. Okt. Gestern wurde aus Reutlingen berichtet, daß bei einem Brandfall 31 Stück Enten vernichtet wurden; heute wird berichtet, daß in der Scheuer des Aug. Hasenmüller 25 Stück Hühner verbrannt sind. Das Vieh konnte zwar gerettet werden, doch gingen die gefamten Erntevorräte bei dem Feuer zugrunde.

Balingen, 30. Okt. Ein kleiner Knabe hat hier seinem Spielkameraden einen Pfeil ins Auge geschossen. Durch die Spitze entstand eine fo schwere Verletzung, daß das Kind alsbald in die Klinik nach Tübingen verbracht werden mußte, wo der vollständige Verlust des Auges festgestellt wurde.

Maulbronn, 30. Okt. Der Bund der Land­wirte hat für unseren Bezirk den Landwirt D. Wilhelm-Oelbronn als Kandidaten für den Landtag ausgestellt.

Gutenberg O/A. Kirchheim, 29. Okt. Hirsch­wirt Votteler hier hat von einem Weingärtner in Brucken den Ertrag samt den Traubenstöcken eines Weinbergs um sage und schreibe 50 Pfg. gekauft. Der „Neue" kann Ende diefer Woche einer Probe unterzogen werden.

Von der Jagst, 30. Okt. Dieser Tage sandle ein braver Ehemann seiner Gattin einen Schoppen „Neuen" vom Wirtshaus nach Hause. Die Frau versuchte den Wein und sandte ihn umgehend wieder zurück, da sie der irrigen Meinung war, der Neue sei mit Essig versetzt worden, um sie zu ärgern. Leider war die herbstliche Gottesgabe so jämmerlich sauer ohne jeden Zusatz.

Rot am See, 31. Okt. Um die hiesige Orts­vorsteherstelle haben sich sieben Bewerber gemeldet. Die Wahl selbst findet am Dienstag den 5. Novem­ber statt.

Aus Staöt» Bezirk unS Umgebung.

Calw, 29. Okt. Ueber die Beziehungen Uhlands zu der hiesigen Stadt ist folgendes zu berichten, Uhlands Gattin Emilie geb. Bischer ist hier geboren als Tochter des Chefs der Floß­handelskompagnie Johann Martin Bischer. Sie verlor frühe den Vater und brachte den größten Teil ihrer Jugendzeit in Stuttgart zu, wo ihre Mutter eine zweite Ehe mit dem Hofrat Pistorius ein­gegangen hatte. In Stuttgart lernte sie Uhland kennen und verheiratete sich später mit ihm. Ihr Vater hatte ihr ein großes Vermögen hinterlassen, das Uhland in den Stand setzte, unabhängig von der Beamtenlaufbahn ganz seinen dichterischen Neig­ungen zu leben. Ein Bruder von ihr, der Ritt­meister Gustav v. Bischer, wurde wegen seiner Tapfer­keit im Feldzug 1814 für sich und seine Nachkommen in den Adelsstand des Königreichs erhoben und be­wirtschaftete nach seinem Austritt aus dem Militär­dienst das ihm von seiner Vormundschaft gekaufte Rittergut Jhingen bei Renningen. Die Vischersche Familie hatte mehrere verwandte Familien in Calw, und so kam Uhland mit seiner Gattin öfters hierher, um die verwandschaftlichen Verhältnisse zu pflegen und den Geburtsort seiner Frau zu besuchen. Das Geburtshaus von Uhlands Gattin befindet sich in der Bischoffstraße und ist Eigentum von Frau Pri­vatier Ludwig Schüz. (Schw. Merk.)

Alten steig, 30. Oktbr. Gestern abend brach in der großen, mehrstöckigen Scheune von Gerber Armbrust er, in dem sogen. „Bau", Feuer aus. In den ausgedehnten Räumlichkeiten der Scheune waren große Mengen brennbarer Stoffe wie Gerb­rinde, Stroh, Frucht, Holz rc. untergebracht, so daß sich das Feuer mit riesiger Schnelligkeit ausdehnte und reichliche Nahrung hatte. Bald erhob sich eine mächtige Feuersäule gegen den Himmel. An eine Rettung des Brandobjektes war nicht zu denken, die Feuerwehr mußte sich auf den Schutz der Neben­gebäude (die Wohnhäuser von Gerber Armbruster und Konditor Flaig) beschränken. Wie das Alten­steiger Blatt „Aus den Tannen" berichtet, ist der