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7«. Jahrgang.
RrmSichau.
Deutschland stand in dieser Woche im Zeichen der Kaisermanöver, die sich vorwiegend im nördlichsten Teile des Königreichs Sachsens westlich der Elbe abspielten. Sie wiesen als Einleitung große Erkundigungsritte der den beiden Manöverparteien, der „roten" und der „blauen" Armee, zu- geteilten Kavalleriedivision am 9. und 10. September auf, wobei es am Nachmittag des letzteren Tages zu einem hochinteressanten Zusammenstöße der beiderseitigen Kavalleriemassen am Blauen Berge in der Umgegend von Oschatz kam. Am Mittwoch früh begannen dann die eigentlichen Kaisermanöver; Rot — 3. und 12. Armeekorps — überschritt an verschiedenen Punkten die Elbe und rückte auf dem westlichen Ufer vor. Der Kaiser beobachtete den Uebergang bei dem Dörfchen Moritz, südlich von der Eisenbahnstation Röderau am rechten Elbufer gelegen, wo unter seinen Augen eine Pontonbrücke hergestellt wurde. Vormittags hatte der Kaiser bei Großenhain die 23. sächsische Division an sich vorübermarschieren lassen, der König von Sachsen war ebenfalls anwesend. Nach dem Vorbeimarsch ernannte der Kaiser den König Friedrich August zum Generalfeldmarschall und überreichte ihm persönlich den Marschallstab.
München, 13. Sept. (Pivattelegr.) Der dem Ministerium Hertling nahestehende „Bayer. Kurier" meldet, wie er sagt, aus verläßlicher Quelle: Im Bundesrat ist die Formel für die Ausführung des Jesuitengesetzes gefunden. Der Begriff der Ordenstätigkeit soll dahin interpretiert werden, daß den Jesuiten erlaubt sein soll: das Lesen einer stillen Messe und die wissenschaftliche Tätigkeit. Dazu bemerkt das genannte Zentrumsblatt: Das ist eine Verschärfung der politischen Praxis Bayerns. Das Lesen einer stillen Messe und die wissenschaftliche Betätigung kann man überhaupt nicht verbieten, weil keine Möglichkeit besteht, die Sache durch» zusühren. Man erleichtert also nicht 8as Jesuitengesetz, sondern verschärft es. — (Das wäre also ein Mißerfolg des Hrn. v. Hertling I)
Aufsehen erregt die begonnene Konzentration des Hauptteiles der französischen Seestreitkräfte im Mittelmeer, und zwar in den Gewässern von Toulon. Man führt diese Maßnahme auf ein Abkommen Frankreichs mit England zurück. Wiener Blätter bezeichnen diese französische Flottenkonzentration im Mittelmeere als einen Ausfluß der Entente der Westmächte und als eine deutliche Spitze gegen die Mittelmeermächte Oesterreich - Ungarn und Italien tragend. Uebrigens stößt die Flottenkonzentration auf lebhaften Widerspruch der Geschäftswelt von Brest, weil sie sich in ihren Interessen durch die geplante Verlegung des dritten Geschwaders von Brest nach Toulon, die einen Teil der im Auge befindlichen Flottenkonzentration bildet, empfindlich geschädigt fühlt. — Gtoßfürst Nikolaus von Rußland ist. begleitet von seiner Gemahlin, in Paris i eingetroffen, um infolge einer Einladung der französischen Regierung an den großen Manövern in der Touraine teilzunehmen. Die Manöver haben am Mittwoch begonnen; es nehmen an ihnen insgesamt 100 000 Mann Truppen teil.
Den Franzosen ist die Besetzung von Mara- kesch, der Hauptstadt von Südmarokko, und die Vertreibung des Thronwerbers El Hiba verhältnismäßig leicht gelungen, und die Befriedigung der französischen Presse ist wohl begreiflich. Aber Frankreich selber sind dadurch, daß es sich nun auch gleich in Südmarokko militärisch festlegen muß, denn ohne das wäre der Erfolg nicht von Dauer, wiederum wesentlich größere Lasten erwachsen; die etappen- mäßige Sicherung des Landes wird gewaltige Truppenheranziehungen erfordern, soll es nicht an dem einen Ende wieder losgehen, wenn das andere beruhigt erscheint.
Die Lage in Marokko hat sich für die Franzosen durch den gelungenen Vorstoß der Kolonne Mangin nach Marrakesch zunächst wieder günstiger gestaltet. In Pariser militärischen Kreisen gibt sich nun wieder größere Zuversicht betreffs der weiteren Operationen gegen den Thronprätendenten El Hiba kund. Der Prätendent ist nach der Einnahme von Marrakesch durch die Franzosen nach Süden geflohen.
Im Fortgange der Hundertjahrfeier der Befreiung Rußlands von den Franzosen wurde vom Kaiser Nikolaus eine glänzende Truppenschau über 80000 Mann auf dem Chodynkafelde bei Moskau abgehalten. Der Truppenschau wohnte auch die in Moskau eingetroffene französische Militärdeputation bei.
Mit dem erst jüngst wieder als bevorstehend angekündigten Friedensschlüsse zwischen der Türkei und Italien scheint es noch immer nichts zu sein; die kürzlich aufgetauchten Gerüchte von der angeblich bereits erfolgten Unterzeichnung der Friedenspräliminarien zwischen den zwei kriegsführenden Mächten durch die beiderseitigen Unterhändler stellen sich als unbegründet heraus. Im übrigen hat sich in jüngster Zeit nicht bemerkenswerteres auf dem tripolitanischen Kriegsschauplätze ereignet. Recht widerspruchsvoll lauten die Mitteilungen über die türkisch-bulgarische Kriegsgefahr. Meldungen von der einen Seite wissen von fortdauernden kriegerischen Vorbereitungen Bulgariens an der türkischen Grenze, von erneuten Zusammenstößen zwischen den bulgarischen und den türkischen Grenztruppen und sogar von einem Ultimatum der bulgarischen Regierung an die Pforte zu berichten. Nachrichten von der anderen Seite erklären dagegen die Meldungen von den angeblichen Truppen- zusammenziehungen usw. in Bulgarien als unbegründet und behaupten weiter, der bulgarische Ministerpräsident Geschow habe dem türkischen Geschäftsträger in Sofia erneut friedliche Versicherungen abgegeben. Noch immer unbefriedigend ist die Lage in Südalbanien; die Pforte beschloß, beträchtliche Truppenabteilungen nach Südalbanien zu schicken.
Paris, 13. Sept. Aus Lausanne liegt die Meldung vor, daß die offiziösen Friedensbedingungen bereits bis auf einzelne unwichtige Punkte fest- gest eilt sind. Die Ernennung amtlicher Vertreter seitens der Türkei und Italiens soll in der dritten Septemberwoche erfolgen.
In Wien tagt seit dem 11. September der Eucharistische Kongreß, eine alljährliche große Massendemonstration der katholischen Kirche.
Wien, 13. Sept. Einiges Aufsehen hat es erregt, daß nach dem großen Bankett des Juristentags im Sophiensaale etwa 2000 Teilnehmer an Vergiftungserscheinungen erkrankt sind. Nachträgliche Untersuchungen haben festgestellt, daß der Wirt nur für 1500 Personen vorbereitet war, dann aber für 2000 Teilnehmer Vorsorgen wußte und Fisch und Fleisch bei allen möglichen Gasthäusern sich verschaffte. Welches Gasthaus die Verantwortung für den verdorbenen Fisch trifft, konnte nicht mehr festgestellt werden. Zum Glück war die Vergiftung nur leicht und ist wohl bei allen Teilnehmern schon behoben.
Berlin, 13. Septbr. Die Stadtverordnetenversammlung in Schöneberg ist vor kurzem von dem Bürgermeister a. D. End er eine Eingabe unterbreitet worden, in der die Bildung einer Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht für Groß- Berlin zur Errichtung einer Kaninchenfarm, behufs Fleischversorgung der Bevölkerung angeregt worden ist. Dieser Anregung soll jetzt näher getreten werden.
Jena, 13. Sept. Der Gemeinderat hat 10000 Mark bewilligt für die Versorgung der Bevölkerung mit preiswerten Lebensmitteln.
Frankfurt a. O., 12. Sept. Bei der Stärkezucker-Fabrik vormals Köhlmann u. Co. A.-G. wurden umfangreiche Unterschlagungen in Höhe von über
90000 Mk. des Prokuristen Adolf Lorenz aufgedeckt. Gestern abend fand man Lorenz in seiner Wohnung tot vor. Er hatte sich vergiftet. Die Fehlbeträge sind zum Teil durch Verwandte gedeckt worden.
Aus Durbach in Baden wird geschrieben: Im Jahr nach dem vielgerühmten Elfer wird es eine traurige Weinlese geben. Anno 1911 verdurstete der Rebstock, und Heuer wird er ersäuft. Wer die Rebbezirke Mittelbadens begeht, die steilen Klevnerhänge des Durbachertälchens, die Klingelbergerhügel Oberkirchs, Ringelbachs und Tiergartens, die Rotweinberge von Zell und Fessenbach, wird deutlich zweierlei Weinberge unterscheiden. Die Grenze liegt fast überall in der Mitte der Bergeshöhen. Die untere Hälfte ist durchweg etwas verwahrlost, ziemlich verunkrautet, der Blattbehang stark herbstlich — beinahe winterlich. Hier stehen die Opfer der bitterkalten Februarnacht. Die erfrorenen Reben brachten keine einzige Beere zum Vorschein; kein Wunder, wenn der verstimmte Winzer hier mit Haue und Spritze nur oberflächlich hantiert hat! Die obere Berghälfte aber blieb vom Frost verschont; hier kämpfte der Bauer wochenlang einen erbitterten Kampf mit Oidium und Peronospora, und es gelang, den Krankheiten Einhalt zu tun. Dann aber setzte die Nässe ein. 3—4—5—6 Wochen fast ununterbrochen Regen. Der Traubenbehang wurde spärlicher, die Beeren blieben klein und der „Hartfauler", der die halbreifen Beeren zum Verderben bringt, hielt reiche Ernte. Einige wenige Glücksherbste stehen zwar noch in Durbach, aber im allgemeinen wird das Jahr 1912 ein Unglücksjahr für unsere Winzer sein. Trübe wie das Wetter, gedrückt und mißmutig ist die Stimmung, und wenn nicht der reiche Aepfelsegen einigermaßen Ersatz gewährte, so wäre es überhaupt nimmer schön in unserem sonst so lustigen und trinkseligen Badenerländle. Unsere ganze Hoffnung und Inbrunst ruht, Gott sei es geklagt, im Herbst des Jahres 1912 auf dem „Hohenastheimer".
In San Francisco ist gestern ein heftiger Erdstoß verspürt worden. San Francisco, die Hauptstadt von Kalifornien, wurde im April 1906 von einem furchtbaren Erdbeben heimgesucht, das die ganze Stadt zerstörte. Mit echt amerikanischer Energie wurde sie in kurzer Zeit wieder aufgebaut. Ueber die Folgen des neuen Erdstoßes ist noch nichts bekannt.
New-Jork, 13. Sept. New-Dorker Meldungen berichten von einer ungeheuren Hitze in den Vereinigten Staaten. In Ohio wurden während eines Turnfestes 60 Kinder und 40 Erwachsene von der Hitze überwältigt und mußten ins Krankenhaus gebracht werden. In Chicago sind drei Personen an Hitzschlag gestorben.
Württemberg.
Stuttgart, 13. Sept. Der König und die Königin sind mit Gefolge heute abend aus Friedrichshafen zu den Festlichkeiten anläßlich der Einweihung der neuen Hoftheater hierher zurückgekehrt.
Stuttgart, 13. Septbr. Herzog Wilhelm von Urach, Generalmajor und Kommandeur der 26. Kavalleriebrigade (1. Königl. Württ.) ist unter Belassung L la 8uito des Dragoner-Regiments Königin Olga zum Generalleutnant befördert worden. — Der Kommandeur des Grenadierregiments Königin Olga Nr. 119, Oberst v. Graevenitz, ist unter gleichzeitiger Kommandierung nach Preußen behufs Verwendung als Kommandeur der 29. Jnfanteriebrigade zum Generalmajor befördert worden. — An seine Stelle tritt der preußische Oberst und Abteilungschef im Großen Generalstabe Bronsart v. Schellendorf.
Stuttgart, 13. Septbr. Der Staatsanzeiger teilt mit, daß in Berücksichtigung der durch die anhaltend ungünstige Witterung dieses Sommers geschaffenen besonderen Verhältnisse von der Abhaltung
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